Kurzbeschreibung

Im März 1871 trat der neue Deutsche Reichstag zu seiner ersten Sitzung im Gebäude des preußischen Abgeordnetenhauses in der Leipziger Straße 75 zusammen. Die schlechte Akustik, mangelhafte Lüftung und die beengten Raumverhältnisse riefen sofort Klagen seitens der 382 Abgeordneten hervor, die innerhalb weniger Tage entschieden, dass ein neues Gebäude notwendig sei. Als provisorische Lösung wurde die frühere Königliche Porzellanmanufaktur im Nebengebäude eilends (trotz eines Bauarbeiterstreiks) renoviert, sodass die zweite Reichstagssitzung, die am 13. Oktober 1871 begann, in den neuen Räumlichkeiten stattfinden konnte. Während man ursprünglich annahm, dass ein noch neuerer, zweckgebundener Reichstag binnen fünf Jahren von Grund auf errichtet werden könnte, wurde das Provisorium in der Leipziger Straße 4 letztlich benutzt, bis Paul Wallots (1841–1912) Reichstagsgebäude 1894 eröffnet wurde. (Wallots Bau, der auf dem Gelände unmittelbar nordwestlich des Brandenburger Tors steht, wurde bekanntermaßen von 1992 bis 1999 durch den Architekten Norman Forster neu erbaut.) Im Gegensatz zu Wallots großem, überdimensionalen Bauwerk, das die berühmte Inschrift „Dem Deutschen Volke“ trägt, war das vorübergehende Reichstagsgebäude eingezwängt zwischen dem imposanteren preußischen Herrenhaus unmittelbar westlich davon und dem Kriegsministerium auf der Ostseite. Gewiss muss es Bismarck mit Genugtuung erfüllt haben, dass das nationale Parlament buchstäblich und im übertragenen Sinne von zwei Gebäuden überschattet wurde, die Preußens Prestige und Macht symbolisierten. Dieser Holzschnitt, der den Plenarsaal und die Besuchergalerien zeigt, stammt aus dem Jahr 1872.

Innenansicht des Reichstags (1872)

Quelle

Quelle: Sitzung des Reichstages im ehemaligen Gebäude der Königlichen Porzellanmanufaktur in der Leipziger Straße 4. Holzstich (1872). Das Gebäude diente bis zum Jahre 1894 als Provisorium.
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