Kurzbeschreibung

Der Artikel über „Familie, Familienrecht“ aus Carl von Rottecks und Carl Welckers Staats-Lexikon (1845–48) spiegelt die zur Jahrhundertmitte vorherrschende patriarchalische Sicht der Familie wider: Die Ehe als Grundlage des Familien- und Soziallebens war eine sittliche und rechtliche Verbindung, die auf der gegenseitigen Liebe zweier Menschen fußte, aber vom Ehegatten bestimmt wurde. Eltern und Haushaltsvorstände hatten Gewalt über minderjährige Kinder bzw. ihre Dienstleute, die man als Familienangehörige betrachtete.

Auszüge aus dem Staats-Lexikon: „Familie, Familienrecht“ (1845–48)

  • Carl von Rotteck
  • Carl Welcker

Quelle

Familie, Familienrecht (natürliches). Die Familie ist die früheste, weil durch die Natur selbst veranstaltete, Vereinbarung mehrerer Menschen zu einem gemeinschaftlichen Leben und zu einer wahren Gesammtpersönlichkeit. Dadurch wurde sie die Grundlage aller jener später errichteten größeren und künstlicheren gesellschaftlichen Verbindungen, welche die nothwendige Bedingung sind jeder Entwickelung der Humanität und Civilisation. Der sich allmälig erweiternde Familienkreis wird zum Stamme; mehrere unter sich in näherer Berührung stehende Stämme bilden eine Horde, oder, wenn sie, die Unzulänglichkeit des — mit der Erweiterung loser werdenden — Familienbandes erkennend, über geregeltere Verhältnisse unter sich übereinkommen, ein bürgerliches oder politisches Gemeinwesen, ein Volk, einen Staat. Die einfachste Staatsform, die patriarchalische, ist unmittelbar dem Familien-Leben entstiegen; dieses ist die Wurzel, woraus auch alle andern, im Staat bestehenden, ja ohne Staat gar nicht gedenkbaren, geselligen Verhältnisse der Menschen erwachsen sind. Aber auch jetzt noch, nachdem schon längstens diese Fortbildung, Erweiterung und Vervielfachung der gesellschaftlichen Verbindungen geschehen sind, bleibt die Familie die Grundlage alles edlern menschlichen und bürgerlichen Lebens, alles menschlichen und bürgerlichen Glücks. Die Familie oder die gute Familienordnung ist daher auch fortwährend einer der hochwichtigsten Gegenstände der der Staatsgewalt obliegenden Sorge, und die Versäumung derselben rächt sich jederzeit schwer.

Welchergestalt die verschiedenen Staaten älterer und neuerer Zeit solche Obliegenheit erfüllt, in welchem Geiste sie die das Familienwesen betreffenden Gesetze gegeben haben, dieses aufzuzählen liegt hier nicht in unserem Zweck. Einige darauf Bezug habende Notizen sind in mehreren der rechtsgeschichtlichen Belehrung gewidmeten Artikeln enthalten. Hier fragen wir blos nach der natürlichen Familienordnung, welche thunlichst zu handhaben, und, wo sie mangelhaft, zumal an Unbestimmtheit leidend ist, im Sinne ihres obersten Princips zu vervollständigen oder näher zu bestimmen die Staatsgesetzgebung allernächst berufen ist. Abweichungen von dem natürlichen Gesetz, politischer Interessen willen, können hier nur wenig erlaubt sein, schon darum, weil die Staatsverbindung in der Regel, d. h. nach der vernünftigen Annahme, von Familienhäuptern, also von ganzen Familien, in deren Namen nur das Familienhaupt auftrat, geschlossen ward, nicht aber von Vereinzelten, und weil daher die Anerkennung und Gewährleistung der natürlichen Familienrechte als ein Hauptartikel des bürgerlichen Vereinigungsvertrags zu betrachten ist. Abänderungen dieser Rechte können jedenfalls nur insofern als zulässig anerkannt werden, als man dazu von allen Familiengliedern in ihrer Eigenschaft als solche und als Staatsbürger die freie Zustimmung mit Zuversicht erwarten oder als wirklich vorhanden voraussetzen darf. Die Verständigung über die Principien eines natürlichen Familienrechtes ist hiernach zum Entwurf wie zur Prüfung eines positiven das erste Erforderniß. Politische Interessen dürfen hier jedenfalls nur eine secundäre Berücksichtigung ansprechen; sie werden jedoch gerade alsdann am vollkommensten gefördert werden, d. h. es werden die edelsten Früchte für den Staat aus der Familienordnung gerade alsdann hervorgehen, wenn die Gesetzgebung sich so eng als möglich an die natürliche Ordnung anschloß, d. h. dieselbe, so viel immer die Verhältnisse des bürgerlichen Vereines gestatten, in ihrer vollen Reinheit erhielt und durch ihre positiven Festsetzungen nur ihre genauere Bestimmung, auch entsprechende Vervollständigung und Gewährleistung bezweckte. Die Aufstellung jener vernunftrechtlichen Principien für die Familienordnung gehört sonach allerdings auch zur Aufgabe der politischen Doctrin; wir werden hier aber auf einige allgemeine Betrachtungen uns beschränken, da die mehr ins Einzelne gehenden füglicher in besondern Artikeln (als „Ehe“, „Väterliche Gewalt“, „Gesindeordnung“ vorzutragen sind.)

Zur Familie im engern Sinne gehören blos die durch Ehe und unmittelbare Abstammung unter sich natürlich und allernächst verbundenen Personen, also Ehegatten und Kinder. Man rechnet jedoch im weitern Sinne die Gesammtheit der von einem gemeinschaftlichen Stammvater Abstammenden, wohl auch mit Einschluß der durch Heirath mit denselben Verbundenen zu ihr; ja man nimmt in den Begriff der Familie auch noch die Dienstboten auf, weil auch diese die Genossen des einen Hauptcharakter der Familie im engern Sinne bildenden gemeinschaftlichen Lebens derselben sind. Es sind hiernach dreierlei (oder viererlei), unter sich wesentlich verschiedene Verhältnisse bei ihr vereinigt vorhanden und hiernach auch eben so vielerlei Principien für ihre vernunftrechtliche Ordnung maßgebend. Nicht aus dem allgemeinen Gesellschaftsrecht, sondern nur aus der besondern rechtlichen Natur jener drei oder vier Verhältnisse, nehmlich jenes der Ehegatten unter sich, sodann des zwischen Eltern und Kindern (das zwischen den Kindern unter sich hat wenig Besonderes) und endlich des zwischen Dienstherren und Dienstboten läßt ein vernünftiges Familienrecht sich ableiten. Wir wollen einen kurzen Blick auf diese drei (oder vier) Verhältnisse werfen.

Die Ehe ist die erste Grundlage der Familie. Was ist die Ehe von vernunftrechtlichem Standpunkt? Schwerlich wird man von ihr mit Zustimmung des gemeinen Menschenverstandes einen andern Begriff aufstellen können, als den einer zum Zweck des mit dem Sittengesetz oder mit der edlern Menschennatur übereinstimmenden Genusses der Geschlechtsliebe geschlossenen Verbindung zwischen Mann und Weib. Nur durch diese Begriffsbestimmung nehmlich wird die überall unter den civilisirten, ja selbst unter den noch in natürlicher Einfalt lebenden Völkern herrschende Idee der Würde, ja Heiligkeit, der Ehe befriedigt, [ . . . . ]

Die moralische Grundlage des Eherechts nun besteht darin, daß nicht die Befriedigung des Geschlechtstriebes schlechthin (weil insofern der Mensch dem Thiere gleich stände) der Zweck der Ehe sein kann, sondern nur eine veredelte, d. h. der höheren Menschenwürde und der vernünftigen Natur des Menschen entsprechende. Die Veredlung jenes Triebes geschieht allernächst durch die Liebe, welche die ganze Kraft desselben auf eine Person lenkt und im Geschlechtsgenusse nichts Anderes als den Ausdruck solcher Liebe, als die innigste Vereinigung mit der geliebten Person begehrt. Die natürliche Folge der Geschlechtsvereinigung weist sodann auf den Naturzweck des Geschlechtstriebes — Fortpflanzung der Gattung hin, und daher auf die Pflicht, denselben nicht anders als in Uebereinstimmung mit solchem Zweck zu befriedigen. In der aufrichtigen Pflege jenes Gefühles und in der treuen, thätigen Anerkennung dieser Pflicht nun besteht die geforderte Veredlung des Geschlechtstriebes, und durch Aufstellung solcher Veredlung als Charakter und als Zweck der Ehe entsteht das vernünftige Eherecht.

Allernächst aus der Innigkeit der Liebe fließt ihre Ausschließlichkeit und auch die auf lebenslängliche Dauer der Verbindung gerichtete Absicht. Eben dahin weist auch die mit der Erzeugung der Kinder verbundene Erziehungspflicht. Monogamie und — wenigstens als Regel anzuerkennende — Unauflöslichkeit der Ehe gehören daher schon zum natürlichen Eherecht und nehmen aus den wichtigsten Gründen auch die Sanction durch positives Gesetz in Anspruch. Das Weib, welches mehreren Männern sich hingiebt, kennt das Gefühl der wahren Liebe nicht und sündigt zugleich gegen die Natur, die ihm als schönsten Schmuck und als Tugendhüterin die Geschämigkeit verlieh. Ausschließliche Hingebung an einen Mann ist also für das Weib die erste Bedingung des durch die Moral erlaubten Geschlechtsgenusses. Aber auch der Mann, da er solche ausschließliche Hingebung fordert, wird dieselbe hinwieder schuldig, und schon seine Bewerbung um die Liebe eines tugendhaften Weibes enthält — wofern er redlich und wahrhaft liebend ist — die stillschweigende Zusage der Ausschließlichkeit und der Lebenslänglichkeit der Verbindung in sich. Ist die Ehe mit Kindern gesegnet, so fordert ohnehin schon die gemeinschaftliche Erziehungspflicht der Eltern derselben bleibende Verbindung; denn nicht mit der Erzeugung, auch nicht mit der physischen Erziehung der Kinder ist der Zweck der Ehe erfüllt. Die Kinder sollen zu Menschen und im Staate zu Bürgern herangezogen werden; und bis solches geschehen ist, haben die Eltern in der Regel bereits ein Alter erreicht, welches zu weiterer Liebesbewerbung sich wenig mehr eignet. Sollte jedoch auch Letzteres der Fall nicht sein, sollten etwa die Kinder früh verstorben oder die Ehe kinderlos geblieben sein; so liegt dennoch im Begriff der Innigkeit der Liebe, welche die Verbindung schloß, der gegenseitige Anspruch auf fortdauernde Anhänglichkeit, Pflege und Gemeinschaft des Lebensgenusses wie der Lebensmühe. Ohne dieses wäre die Ehe nicht, was sie doch sein soll, eine Verbindung zweier Personen verschiedenen Geschlechtes zu einer Gesammtpersönlichkeit und zu einem Gesammtleben.

[]

In Bezug auf das unter den Ehegatten durch die Schließung der Ehe entstehende gegenseitige Verhältniß gilt als Grundgesetz die auf Liebe und Pflicht beruhende Gemeinschaftlichkeit des Lebens, d. h. der Erstrebung der durch den Ehevertrag oder durch die Idee der Ehe gesetzten Zwecke. Hier ist freilich das Recht allein unvermögend, eine befriedigende Regel des Thuns und Lassens für die Eheleute aufzustellen. Denn es hat zwar der Ehevertrag die Pflichten der Liebe und der Moral zugleich zu Rechts-Pflichten gemacht; aber er hat ihnen dadurch die vom Recht geforderte Eigenschaft der Objectivität nicht geben können. Sie blieben subjectiv, für die Anerkennung und Erfüllung, wie zuvor. Es muß also auch hier die positive Festsetzung, so weit als es thunlich ist, ersetzen, was das bloße natürliche Gebot nicht leisten kann. Der positiven Gesetzgebung nun wird die Idee des Gesellschaftsrechts bei der Bestimmung des zwischen den Eheleuten zu statuirenden Verhältnisses zur Leuchte dienen. Die Ehegatten bilden in der Sphäre der von ihnen als solchen zu erstrebenden Zwecke eine Gesellschaft, d. h. eine Vereinigung mehrerer Personen zu einer Gesammtpersönlichkeit und zu einem Gesammtleben, dessen Seele oder bewegendes Princip daher auch kein anderes als der Gesammtwille sein kann. Aus dieser Vorstellung nun fließt zwar allernächst oder natürlich die Behauptung einer vollkommen rechtlichen Gleichheit der Ehegatten; aber bei genauerer Erwägung erhält gleichwohl jene der — unbeschadet dem Persönlichkeitsrechte der Frau auszuübenden — Herrschaft oder Obergewalt des Mannes den Sieg. In einer Gesellschaft von nur zwei Mitgliedern hat die sonst natürliche Obergewalt der Stimmen-Mehrheit keine Anwendung. Es muß also für den Fall der Meinungsverschiedenheit eines der Beiden durch seinen Willen den Ausschlag geben, wenn irgend etwas Gemeinschaftliches geschehen oder ins Werk gerichtet werden soll. Den natürlichen und vernünftigen (sonach durch den Ehevertrag auch anerkannten) Anspruch auf solche Obergewalt oder Präponderanz der Stimme hat aber der Mann. Nicht nur ist nehmlich gar oft bei Schließung der Ehe die Frau noch minderjährig, demnach zur Aeußerung eines rechtskräftigen Willens noch unfähig, sondern es ist überhaupt (wenigstens in der Regel, von welcher allein hier die Rede sein kann) der Mann verständiger, kräftiger, muthiger, an Lebenserfahrungen reicher und namentlich auch zu Verhandlungen mit Fremden geeigneter als die Frau und es wird daher billig bei allen wahrhaft gemeinschaftlichen Angelegenheiten (als Wahl des Aufenthaltes, Vermögensverwaltung, Richtung der Kindererziehung u.s.w.) seine Stimme oder sein Wille der nach der natürlichen Eheordnung entscheidende sein. Zur Milderung solcher unvermeidlichen Herrschaft des Mannes ist die Liebe wirksam; auch bleibt, nach dem Princip jener Herrschaft, immerdar noch der Frau ein ihren rein persönlichen Interessen und Rechten entsprechender Spielraum für freie Lebensthätigkeit vorbehalten. Ein solcher Vorbehalt mag, je nach Umständen, ohne die vernünftige Ordnung zu stören, auch in Bezug auf Vermögens-Besitz, Genuß und Selbstverwaltung gemacht werden. Das natürlichste und als Regel wohl am meisten zu billigende Verhältniß in letzter Beziehung ist zwar allerdings die Gemeinschaftlichkeit aller Habe und alles Erwerbs, und bei der Verwaltung desselben die Herrschaft des Mannes. Ja, man sagt wohl auch, die Frau, welche aus Liebe dem Mann sich selbst oder ihre ganze Persönlichkeit übergab, werde oder müsse ihm auch das unendlich geringere Gut, nehmlich ihr sachliches Vermögen, überlassen. Allein dieses ist Schwärmerei mehr als Wahrheit. Die Geneigtheit, welche die leidenschaftlich oder innig Liebende zu solcher Ueberlassung haben mag, begründet noch keine Pflicht dazu; und wenn auch, nach dem Begriff und der moralischen Natur der Ehe, eine Hingabe der eigenen Person geschehen muß, so folgt daraus nicht, daß darum kein Vorbehalt in Bezug auf das Vermögen gemacht werden darf oder soll. Die Erfahrung zeigt, daß gar oft solches Vertrauen misbraucht wird, und daß sodann die unglückliche Gattin, neben dem Schmerz über Nichterwiderung der Liebe, auch noch die aus der Armuth quellende fortwährende Pein zu tragen hat. Die Klugheit mag also, je nach Umständen, zu einigem — sei es von der Braut selbst, sei es von ihren Eltern oder Vormündern zu bedingenden — Vorbehalt auffordern, und auch die Moral muß ihn billigen, zumal in Rücksicht der Kinder, welchen (ja oft auch dem Mann selbst) derselbe höchst wohlthätig werden kann. Es ist übrigens klar, daß für das, was in allen einzelnen Fällen gut, klug oder wohlthätig sei, keine allgemein gültige Regel, zumal nicht vom Vernunftrecht, aber auch nicht vom positiven, aufgestellt werden kann. Doch ist es die Aufgabe des letzten, eine solche, in Uebereinstimmung mit den in der Nation vorherrschenden Vermögensverhältnissen, Sitten, Lebensweisen u. s. w., dann auch mit Berücksichtigung der wahren politischen, d. h. Gesammt-Interessen, vorzuschreiben, nehmlich in der Weise, daß dieselbe überall da, wo die sich Verehelichenden nichts Anderes vertragsmäßig unter sich festsetzten, gelten, d. h. gewissermaßen als von den Betheiligten stillschweigend genehmigt betrachtet werden, jedoch auch allen in die Ehe Tretenden gestattet sein solle, das ihren besonderen Verhältnissen und Interessen mehr Entsprechende durch eigenen Ehevertrag festzusetzen. Die Haupterfordernisse einer solchen positiv aufzustellenden Regel über die sowohl während der Ehe als nach deren Auflösung (durch Tod oder Trennung) vom Staat anzuerkennenden und zu schirmenden Vermögensrechte der Ehegatten, und auch ihrer Angehörigen oder Erben, sind Klarheit und genaue Bestimmtheit, sodann aber auch thunlichste Uebereinstimmung mit der natürlichen Eheordnung und eine auf Verbesserung oder Heilung der etwa bei einer Nation factisch eingetretenen Verderbniß solcher Ordnung gehende Richtung.

[]

Die Kinder sind das wahre und unbestreitbare Eigenthum der Eltern. Kein anderes Eigenthumsrecht ist so wohl begründet als dieses; und obwohl es in Bezug auf seinen Inhalt — weil nehmlich werdende Personen, nicht bloße Sachen sein Gegenstand sind — von dem gemeinen Eigenthumsrechte abweicht, nehmlich durch jene Eigenschaft seines Gegenstandes in der Ausübungsweise wesentlich beschränkt ist: so wird dadurch gleichwohl nichts in dem Verhältniß zu allen andern Personen geändert, d. h. es ist gegen diese ein streng ausschließendes und unantastbares. Wer dieses Recht bezweifelt, der bedenke doch, daß ja selbst die Ehegatten wechselseitig eines des andern Eigenthum, d. h. ausschließend eines dem andern angehörig sind, und daß doch offenbar die Verbindung des Kindes mit den Eltern eine noch weit innigere und wahrhaftere als jene des Gatten mit der Gattin ist. Die Kinder gehören den Eltern, so wie die Theile ihres eigenen Leibes ihnen angehören. Wer will zumal der Mutter das Eigenthum des Kindes bestreiten, das sie unter ihrem Herzen trägt, oder, nachdem sie es alldort getragen, jetzt an ihren Brüsten nährt?? Minder handgreiflich zwar, doch dem rechtlichen Verstande gleich erkennbar und vom Naturgefühl gleich wohl begriffen, ist das auch nach dem Entwöhnen fortdauernde Eigenthum der Mutter auf das von ihr geborne und von ihr gesäugte Kind, dessen weitere — selbst nur physische — Pflege auch jetzt noch die unausgesetzte Sorgfalt, Mühe und Nachtwachen in Anspruch nimmt; und eben so auch des Vaters, und zwar schon als Erzeugers und dann als natürlichen Mit-Eigenthümers und Mit-Besitzers alles der Gattin gehörigen Gutes, auch fortwährenden Theilnehmers an allen Sorgen und Mühen der Erhaltung und Erziehung des Kindes, endlich auch als Hauptes der Familie und als mit den fortschreitend sich mehrenden und wichtiger werdenden Erziehungs-, Bildungs- und Versorgungsangelegenheiten des Kindes ganz vorzugsweis Belasteten.

Dieses Eigenthumsrecht der Eltern auf ihre Kinder nun, nach seinem Inhalt bestimmt und beschränkt durch die Eigenschaft seines Gegenstandes als werdender Person, und nicht nur in diesen Schranken gehalten, sondern in seiner Ausübung zur fortwährenden Richtung aufs Wohl des Kindes gelenkt durch das Naturgefühl und durch das Sittengesetz, endlich noch, mittelst des Verhältnisses der Eltern zu einander selbst, als Ehegatten, und Beider zusammen zu der Gesellschaft umher, mit wirklichen Rechtspflichten oder Schuldigkeiten verbunden. []

Das Verhältniß zwischen Dienstherren und Dienstgesinde, von welchem, als einem zur Familie mit gehörigen, wir hier zu sprechen haben, ist keineswegs das gemeine Contractsverhältniß zwischen Einem, welcher Dienste verlangt, und dem Andern, der dieselben gegen Bezahlung (überhaupt Vergütung) leistet, und dessen Inhalt durch die Formel: „do, ut facias“ oder „facio, ut des“ ausgedrückt wird; sondern es unterscheidet sich davon zumal durch zwei eigenthümliche und wesentliche Charaktere. Einmal nehmlich ist das Dienstgesinde gegen den Herrn nicht blos zu bestimmten (oder auch unbestimmten) Arbeiten oder Verrichtungen, wie ein gemeiner Lohnarbeiter oder Dienstleistender, verbunden, sondern es hat sich zugleich zum Gehorsam verpflichtet, ist also gegenüber dem Herrn in eine untergeordnete Stellung getreten und hat einen Theil seiner Persönlichkeit demselben hingegeben. Solcher Gehorsam oder solche Unterwürfigkeit ist zur Erhaltung der Hausordnung, also des ungestörten Familienlebens, unumgänglich nothwendig und daher ein sich von selbst verstehender (also, wenn auch nicht ausdrücklich, so doch stillschweigend bedungener) Artikel des in Sprache stehenden Vertrags. Es kommt dazu, daß viele Dienstboten, wenn sie eintreten, noch minderjährig sind und, weil jetzt von den Eltern getrennt, durch den Eintritt in den Dienst gewissermaßen in die väterliche (hausväterliche) Gewalt der Dienstherren übergehen. In dem einfachen, naturgemäßen Zustand wird aus solchem Verhältniß sich leicht auch das einer Art von Gesellschaft entwickeln, insofern nehmlich das Gesinde in vertraulichere Berührung mit den Dienstherren kommt, etwa auch einen Theil des gemeinschaftlichen Erwerbs an Lohnes Statt angewiesen erhält, oder dem eigentlichen Familienkreis durch Verehelichung mit den Töchtern oder Söhnen der Dienstherrschaft einverleibt wird. Ihr Verhältniß zum Familienhaupt ist alsdann jenem der erwachsenen Kinder selbst ähnlich, kann jedoch nicht im Allgemeinen bestimmt werden, sondern hängt von besonderer, ausdrücklicher oder stillschweigender, Vertragsbestimmung, zumal auch von der hier oder dort jeweils herrschenden Sitte oder Gewohnheit (welcher nehmlich die nichts Anderes Festsetzenden sich stillschweigend unterwerfen) ab. Jedenfalls wird, wenn auch wirklich einige gesellschaftliche Rechte dem Gesinde eingeräumt werden, dasselbe gleichwohl, so wie die Kinder, der patriarchalischen Obergewalt des Familienhauptes unterworfen bleiben.

Die zweite Eigenthümlichkeit dieses Dienstbarkeitsverhältnisses ist, daß es, eben wegen der Unterwürfigkeitspflicht und dann auch wegen der Zusammenwohnung, eine Art von dinglichem (d. h. dinglich-persönlichem) Recht des Dienstherrn, verbunden mit einem wirklichen Besitzrecht, begründet, ein Recht, welches zwar die Persönlichkeit des Dienenden in Allem, was jenseits der Sphäre der eben bemerkten Verpflichtung liegt, unangetastet läßt, innerhalb solcher Sphäre aber, und zumal gegen Fremde, sich als ein dem Eigenthum ähnliches äußert. Der Dienstherr nehmlich kann für die vertragsmäßig festgesetzte Zeit das Verbleiben des Gesindes in seinem Dienst und in seinem Hause selbst erzwingen und er schließt mittelst dieses seines Allen erkennbar vorliegenden Rechtes diese Alle dergestalt aus, daß, so lange das bemerkte Verhältniß währt, Keiner solches Gesinde verlocken oder in den eigenen Dienst nehmen, oder an der Dienstleistung, wie immer, hindern darf. Thut Einer es gleichwohl, so hat er den Dienstherrn wirklich beleidigt, d. h. dessen dingliches Recht verletzt, und, was er gethan, ist rechtlich ungültig.

[]

Quelle: Carl von Rotteck und Carl Welcker, Hrsg., Das Staats-Lexikon: Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände, zweite neubearbeitete und vermehrte Auflage. Altona: Verlag von Johann Friedrich Hammerich, 1845–48, Bd. 4, S. 592–95, 598–99, 601, 606.