Kurzbeschreibung

Obgleich der Verfasser des Beitrags über „Geschlechterverhältnisse“ im Staats-Lexikon eine grundsätzliche Verschiedenheit der Geschlechter postuliert, befürwortet er dennoch ein gewisses Maß an rechtlicher Gleichheit. Während aber die als tatkräftig und vernünftig gezeichneten Männer öffentlich tätig und politisch aktiv sein sollen, werden die als passiv, emotional und familienorientiert dargestellten Frauen auf die Rolle von Bittstellerinnen, Zuschauerinnen im Parlament und das Feld der Wohltätigkeit verwiesen.

Auszüge aus dem Staats-Lexikon: „Geschlechterverhältnisse“ (1845–48)

  • Carl von Rotteck
  • Carl Welcker

Quelle

Geschlechtsverhältnisse, Frauen, ihre rechtliche und politische Stellung in der Gesellschaft, Rechtswohlthaten und Geschlechtsbeistände der Frauen, Frauenvereine und Vergehen in Beziehung auf die Geschlechtsverhältnisse. — I. Das allgemeinste und wichtigste Verhältniß der menschlichen Gesellschaft, das schwierigste für eine juristische und politische Theorie ist unstreitig das Verhältniß der beiden Geschlechter. Dieses geheimnißvolle Grundverhältniß ist die immer neue Lebensquelle für die ganze Gesellschaft, für die physische und moralische Bildung oder Verbildung der Gesellschaftsglieder, jeder neuen Generation derselben. Es muß gerecht und weise bestimmt, es muß sittlich rein und gesund sein, wenn es die Gesellschaft selbst sein oder bleiben soll. Wäre alles Andere in den orientalischen, namentlich auch in den muhamedanischen Reichen vortrefflich gewesen, ihre Sklaverei der Frauen und ihre Vielweiberei würden nie eine dauernde höhere Cultur und Entwickelung, nie wahre Freiheit in denselben zugelassen haben, und sie werden sie auch ferner nicht zulassen. Durch sie ist der Despotismus in der Breite und Tiefe begründet. Hätten alle herrlichen Kräfte der Griechen, alle ihre politische Weisheit und Bildung in jeder anderen Beziehung sich verdoppelt: — mit ihren wenigstens noch halb sklavischen, die Rechte der Frauen verkennenden und ein würdiges Familienleben ausschließenden Bestimmungen der Geschlechtsverhältnisse konnten sie nie auf die Dauer die Freiheit und Kraft ihrer Staaten behaupten. Was aber kann zugleich schwieriger zu bestimmen sein als dieses wichtigste tiefste Verhältniß der Schöpfung? Unsere heutige vollkommnere naturrechtliche und christliche Staatstheorie ordnet nicht mehr, so wie die griechische und römische, die Menschheit dem Staate, dem Bürger den Menschen unter. Sie macht vielmehr das Menschenrecht zur Grundlage des bürgerlichen Rechts, gründet also die Gleichheit des letzteren auf die Gleichheit des ersteren. Und doch ist so vielfache Ungleichheit zwischen dem Manne und der Frau, so große Verschiedenheit ihrer Lebensaufgaben und ihrer Kräfte, also auch ihrer Rechtsverhältnisse, schon durch die Natur selbst bestimmt. Wo aber finden und zeichnen wir nun die richtige, die keines von beiden Geschlechtern verletzende, die beiden und dem Gesammtwohle der Gesellschaft entsprechende Scheidungslinie für diese Verschiedenheiten?

Daß hier die Stimme der Natur nicht so ganz leicht verständlich für Alle spricht, und daß wenigstens Gewohnheit und menschliche Leidenschaft so viele Generationen hindurch ihre Stimme verfälschten, dieses zeigt die ganze Geschichte. Sie zeigt, wie die Gewalt und Herrschsucht der stärkeren Männer die schwächeren Frauen unterdrückten und eine weit größere Rechtsungleichheit für dieselben Jahrtausende hindurch festhielten, als jetzt die freien, gesitteten Nationen für recht und zulässig erklären, während neuerlich, zuweilen auch von geistreichen Männern, wie von Bentham, St. Simon, Fourier, und von revolutionären Frauen, wie Harriet Martineau, solche Rechtsgleichheiten gefordert werden, welche so vielen Anderen als unvernünftig und für die Frauen selbst verderblich erscheinen. Eilten nun diese einzelnen Männer und Frauen vielleicht nur ihrer Zeit voraus? Soll eine weiter fortschreitende Civilisation uns wirklich dahin führen, die Unterordnung der Frau unter den Mann, und somit auch alle Festigkeit des Ehebandes und das wahre Familienleben aufzugeben, dahin, daß wir, statt der Weiblichkeit, Keuschheit und Schamhaftigkeit der Frauen, ihre gleiche unmittelbare Theilnahme an unseren öffentlichen Wahl- und Parlamentsversammlungen und an den Staatsämtern, überhaupt an allen männlichen Bestrebungen und Kämpfen, auch den kriegerischen, als ihre höchsten Ehren und Güter ansehen sollen? Oder sollen wir umgekehrt die Zustände der Alten preisen und mit Herrn Vollgraff unser würdigeres Familienleben als das Hinderniß wahrer Freiheit betrachten? Ist nicht auch die Zulassung der weiblichen Königswürde bei den gebildetsten Völkern, dieses als unnachtheilig gefundene Zugeständniß gerade des höchsten aller männlichen politischen Rechte, der Beweis, daß nur Vorurtheil oder Despotismus von der einen, Erniedrigung von der anderen Seite der vollen Rechtsgleichheit bisher entgegenstanden? Und haben endlich die Gegner des freien, auf Einwilligung und Vertrag gegründeten Gesellschaftssystems, haben die Haller und Bonald wirklich Recht, daß dieses System durch das Ausschließen des politischen Mitstimmens und der völligen politischen Gleichheit der Frauen sich selbst aufgebe? Eine Ansicht, welche jene ultrademokratischen Anhänger der politischen Gleichheit natürlich zur Unterstützung ihrer Theorie benutzen. Bedenkt man, in welchem Grade die Gewohnheit bisheriger Zustände, Vorurtheile und die Interessen der Stärkeren hier, wie überall, bei despotischen und aristokratischen Verhältnissen das Urtheil auch der besten Forscher bestachen, so wird schon aus diesem Gesichtspunkte die Entscheidung über diese Rechtsverhältnisse die möglichst unbefangene Prüfung erheischen. Sie thut es um so mehr, da der heutige große Reformationstrieb auch in dieser Beziehung sich äußert und öfter die rechten Bedingungen und Gränzen übersieht. Es möchte auch für uns Männer nicht ziemlich und es möchte vielfach nachtheilig sein, auch nur den Schein übrig zu lassen, als beständen die bisherigen Verhältnisse nur durch den Despotismus und die Eigensucht der Männer fort. Jedenfalls aber kann endlich nur eine von den richtigen Gründen ausgehende Bestimmung uns, selbst wenn wir die volle Gleichheit der Rechte nicht zugestehen könnten, die rechte Art und das rechte Maß der Beschränkung geben, unnöthige, also ungerechte Ungleichheit ausschließen, jene Zweifel in Beziehung auf die allgemeine Staatstheorie beseitigen und die Gesetzgebung über die Vergehen in Beziehung auf die Geschlechtsverhältnisse richtig leiten.

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2) Der Mann beendigt mit dem Acte der Begattung, mit der Zeugung des individuellen Lebens, vor der Hand seinen Antheil an der Fortpflanzung. Auch ist seine ganze Organisation und Lebensthätigkeit vor dieser Zeugung bei Weitem nicht so sehr für den Zweck der Fortpflanzung bestimmt und in Anspruch genommen als die des Weibes, bei welchem, wie Burdach sich ausdrückt, „das Lebensziel die Liebe ist, und alle Kräfte sich auf die Erhaltung der Gattung beziehen“. Der Mann sieht sich mithin freier und mehr auf anderweitiges äußeres Wirken angewiesen. Die Bestimmung des Weibes besteht auch nach der Empfängniß vorzugsweise in fortdauernder Erhaltung der Gattung durch innere Entwickelung, oder darin, das gezeugte Kind wie einen Theil ihres eigenen Lebens in ihrem mütterlichen Schooße zu hegen und zurückzuhalten, durch die Harmonie ihres eignen Lebens mit dem seinigen zur Entwickelung zu bringen und auch nach seiner Geburt zu ernähren und zu pflegen, und erst das zum selbstständigen Dasein herangereifte Individuum in die Außenwelt zu entlassen, wo es alsdann der Mann in die Welt einführt.

Auf höchst merkwürdige Weise harmonirt nun mit dieser zwiefachen Hauptverschiedenheit auch die ganze übrige Verschiedenheit des organischen Baues und der organischen Lebensfunctionen der beiden Geschlechter. Mit Beziehung auf Burdach‘s Nachweisungen und nähere Ausführungen heben wir nur einige Hauptzüge zur Veranschaulichung hervor.

Während in der physischen Organisation des Mannes überhaupt die Richtung auf das individuelle Schaffen und auf kräftiges Wirken nach Außen vorwiegen, überwiegt in der weiblichen Organisation die Richtung auf die innerliche Bildung und Erhaltung; es überwiegt eine regere Aneignung so wie die Bindung der Stoffe gegen die Zersetzung, so daß das Weib nur einer mäßigen, wenig reizenden, milden und leichten Kost bedarf, wogegen dem Manne stärkere Ausscheidungen, Anregungen und Erneuerungen, häufigeres, kräftigeres Athmen in frischer Luft, kräftigere Fleischkost, Gewürze und geistige Getränke mehr Bedürfniß sind, und er nicht so sehr und so lange Nahrung entbehren kann wie das Weib. Auf die Erhaltung der Gattung ist ein größerer Theil weiblicher Organe und Functionen gerichtet, und die Fortpflanzung ist noch mehr dem Weibe als dem Manne Bedürfniß; es leidet mehr durch Ehelosigkeit als er. Die Blutbildung geht bei dem Weibe leichter vor sich, Zellgewebe und Fett sind reichlicher und die äußeren Formen daher weicher und sanfter, während die Aussonderungen geringer sind und im Ganzen das Leben länger widersteht oder sich länger erhält. — Der weibliche Körper ist zarter, die Empfänglichkeit für Reize höher, der Blutlauf und Puls schneller. Die Entwickelung schreitet früher vor und alle Perioden folgen schneller auf einander. — Während bei dem Manne die Muskelkraft vorwaltet, ist bei dem Weibe die Nerventhätigkeit überwiegend, und die Muskeln sind dünner, weniger äußerlich sich bezeichnend, weicher und schwächer. Die Gelenke sind beweglicher, die Flechsen und Bänder geschmeidiger, die Bewegungen weniger kräftig, aber, bei dem Uebergewichte der Centralorgane und ihrer Herrschaft über sie, leichter, lebhafter, anmuthiger. Die Knochen sind dünner, die Gliedmaßen zarter, die Stimme schwächer, aber höher, geschmeidiger und biegsamer. Ueberall ist im weiblichen Organismus das Innere, Centrale, im Verhältnisse zum äußeren Peripherischen, mächtiger. Demgemäß sind auch die Sinnesorgane kleiner und zarter und bei einer leiseren Empfänglichkeit mehr zur Aufnahme feinerer Eindrücke als zu einer Wirksamkeit in größeren Kreisen geeignet.

So weiset also wirklich schon die ganze physische Natur die beiden Geschlechter darauf hin, sich übereinstimmend mit der bestehenden Einrichtung gegenseitig zu ergänzen. Sie bezeichnet den stärkeren, kühneren, freieren Mann als schaffenden Gründer, Lenker, Ernährer und Schützer der Familie und treibt ihn hinaus ins äußere Leben zum äußeren Wirken und Schaffen, in den Rechts- und Waffenkampf, zu schöpferischen neuen Erzeugungen, zur Erwerbung und Vertheidigung. Sie bezeichnete die schwächere, abhängigere, schüchternere Frau zum Schützling des Mannes, wies sie an auf das stillere Haus, auf das Tragen, Gebären, Ernähren und Warten, auf die leibliche und humane Entwickelung und Ausbildung der Kinder, auf die häusliche Bewirthung und Pflege des Mannes und der häuslichen Familie, auf Erhaltung des vom Manne Erworbenen, auf die Führung des Haushaltes, auf die Bewahrung der heiligen Flammen des häuslichen Heerdes.

V. Die Natur aber so wie auch die bestehende Einrichtung haben zugleich solche psychische oder geistige und moralische Eigenthümlichkeiten der verschiedenen Geschlechter begründet, welche ganz jenen obigen physischen Hauptverschiedenheiten in Beziehung auf die Fortpflanzung und den bezeichneten, auch durch die christliche Gesetzgebung geheiligten eigenthümlichen Richtungen der gemeinschaftlichen Lebensaufgabe entsprechen.

Auch in diesen intellectuellen Eigenthümlichkeiten oder im Seelenleben überwiegt:

1) Bei dem Manne jene mehr active Richtung auf neues freies Erzeugen individuellen Lebens, auf freies äußeres Schaffen, Gründen und Geben, die freiere Selbstthätigkeit; bei dem Weibe dagegen die mehr passive Richtung, das abhängigere Empfangen und das Erhalten und Pflegen der Gattung und die innerlich bildende Thätigkeit dafür. Bei dem Manne überwiegt der schaffende Geist, die Vernunft, mit ihrer Absonderung, Reflexion und Abstraction, mit ihrer Durchdringung, schöpferischen Verbindung und neuen äußeren Gestaltung; bei dem Weibe das empfängliche Gemüth, das für Eindrücke leicht erregbare Gefühl, die Aufnahme durch die unmittelbare Anschauung der Dinge in ihrer Ganzheit und die Innerlichkeit. In philosophischer und poetischer Schöpfungskraft, in gründlicher tiefer Wissenschaft konnten selbst die außerordentlichsten unter den weiblichen Schriftstellern die mittelmäßigen unter den männlichen nicht übertreffen. Burdach (S. 176) sagt: „Während das Weib mit Leichtigkeit und Gewandtheit im Leben, in der Kunst und selbst öfter in der Wissenschaft sich bewegt, geht ihm schöpferische Selbstthätigkeit, Originalität und Genialität ab. Auch die Religion ist ihm mehr Gegenstand des Gefühls als der Forschung. So ruht auch seine Sittlichkeit mehr im natürlichen Gefühle, und bei solcher Harmonie in sich verlangt es auch mehr Uebereinstimmung in der äußeren Erscheinung mit dem inneren Wesen, liebt mehr die Form, namentlich die leichte, zierliche, anmuthige. Es strebt daher weniger nach Anerkennung von Kraft und Verdienst als von Liebenswürdigkeit, in welcher das Geistige unter gefälligen Formen sich äußert. Dem Manne kommen die mehr activen, dem Weibe die mehr passiven Tugenden zu, so daß das Verhältniß beider Geschlechter in den Gegensätzen von Schaffen und Erhalten, von Erwerblust und Sparsamkeit, von Mäßigung und Genügsamkeit, von Gerechtigkeit und Nachsicht, von Festigkeit und Fügsamkeit, von Muth und Ergebung, von Standhaftigkeit und Geduld sich ausspricht.“

2) Bei dem Manne überwiegt jene freiere ausgedehntere Wirksamkeit in der Außenwelt, bei der Frau die größere Beschränkung auf die Fortpflanzung, die Familie, das Haus. Burdach drückt stark sich so aus (S. 475): „Der ganze Sinn des Weibes ist auf Familien- und Geschlechtsverhältniß gerichtet, und die Pflichterfüllung in dieser Beziehung macht allein seinen Werth aus. In der Liebe giebt sich das Weib ganz hin und macht sie zum Zielpunkte seines Lebens, während der Mann seine Selbstständigkeit dabei behauptet und anderweitige Zwecke verfolgt. So vereint das Weib nicht nur die Glieder der Familie, sondern ist auch überhaupt mehr zur Sympathie gestimmt, und mit einem vorherrschenden allgemeinen Wohlwollen verbindet sich auch ein höherer Grad von religiöser Gesinnung.“ In dem geistigen Gebiete zeigt das Weib ebenfalls weniger Umfassung und Kraft für das Entferntere und Tiefere, wohl aber desto lebendigeren empfänglichen Sinn und Blick für das Nähere, Besondere. Und in Verbindung mit jener leichten Erregbarkeit, mit der Feinheit des Gefühls und mit dem Sinne für die unmittelbare Anschauung übertrifft das Weib den Mann in jenem feinen sicheren Takt des Urtheilens und Benehmens und in jenem, wenn auch seiner Gründe nicht bewußten, doch sicheren, gesunden Verstande und Urtheile über Persönlichkeiten und Lebensverhältnisse, die durch mühsame Schlußfolgerungen nicht aufgehalten, durch Grübeleien nicht geirrt, unmittelbar zum rechten Ziele führen.

3) Die beiden bezeichneten physischen und moralischen Hauptverschiedenheiten, in Verbindung mit jenen verschiedenen Bestimmungen, begründen aber noch einen neuen moralischen Hauptunterschied. Jene männlichen Eigenthümlichkeiten, die größere männliche Kraft und Freiheit, die Vorherrschaft des Verstandes und des nur allzunahe mit dem Zerstören verbundenen Schaffens und die männliche Lebensbestimmung der kräftigen Schützung und Leitung der Familie, der Vermögenserwerbung und des politischen und Waffenkampfes für sie begründen ihm die größere Kühnheit, den männlichen, den auch physischen und offensiven Muth und die natürlichen, oft nothwendigen Begleiter desselben, männlichen Affect, Zorn, Rechtstrotz und Unduldsamkeit, den unbeugsamen Willen und Entschluß, die rauhere Außenseite und eine gewisse männliche Härte oder Strenge. Die schönste Form aller seiner Tugend aber bleibt die männliche Würde. Dagegen begründen eben so natürlich bei dem Weibe ihre Eigenthümlichkeiten, ihre größere Schwäche und Weichheit, ihr Ueberwiegen des Gemüths und Gefühls und des Sinnes für Erhaltung, in Verbindung mit ihrer Schutzbedürftigkeit und häuslichen Lebensbestimmung, die weibliche Schüchternheit und keusche Schamhaftigkeit, die Weichheit und Sanftmuth, die größere Fähigkeit und Kunst für das Dulden und Nachgeben und nöthigenfalls einen Muth — einen oft bewundernswerthen sittlichen Muth — des Duldens, jedenfalls aber mehr nur den Muth einer enthusiastischen Erregtheit als den des kalten männlichen Entschlusses, endlich die mildere gewinnende Form und Sitte und die weibliche Anmuth — diese schönste Form aller weiblichen Tugend. []

VI. Kaum bedarf es nun wohl noch besonderer Beweisführungen, daß bei solchen Verschiedenheiten der Geschlechter, bei solcher Natur und Bestimmung ihrer Verbindung, eine völlige Gleichstellung der Frau mit dem Manne in den Familien- und in den öffentlichen Rechten und Pflichten, in der unmittelbaren Ausübung derselben, der menschlichen Bestimmung und Glückseligkeit widersprechen und ein würdiges Familienleben zerstören würde, daß dabei die Frauen ihrer hohen Bestimmung im häuslichen Kreise und für die Bildung der nachfolgenden Geschlechter, daß sie dem Schmucke und der Würde der Frauen, der wahren Weiblichkeit und ihrem schönsten Glücke entsagen und sich den größten Gefahren blosstellen müßten.

Klar ist es wohl fürs Erste, daß wirklich ein dauerndes würdiges, ein friedliches eheliches und Familienleben mit solchen unweiblichen Mannweibern unmöglich wäre, welche den Mann als das Haupt der Familie nicht anerkennen und neben ihm und gegen ihn unmittelbare Stimm- und Entscheidungsrechte über die gemeinschaftlichen gesellschaftlichen Angelegenheiten geltend machen und die gleiche kriegerische Wehrpflicht ausüben wollten. Nie kann eine Gesellschaft, und vollends eine Gesellschaft über die wichtigsten Lebensverhältnisse, bestehen, in welcher die Theilnehmer immer mit Stimmengleichheit neben einander stehen wollen, ohne Entscheidung bei der Meinungsverschiedenheit über das Gemeinschaftliche. Deshalb erklärten die Römer mit Recht eine bloße Societät als jeden Augenblick und bei jeder Meinungsverschiedenheit beliebig auflöslich für jedes Gesellschaftsmitglied. Ist aber damit noch eine wahre, eine christliche Ehe und Familie und Familienerziehung der Kinder vereinbarlich? Weil sie es nicht sind, deshalb erlaubten denn auch die Saint-Simonisten den Frauen beliebige geschlechtliche Verbindungen mit fremden Männern und Trennungen der Ehen nach Belieben, konnten aber natürlich den Strafgesetzen, welche unsere Familien- und Staatsordnung schützen, nicht entgehen. So berühren sich die Extreme. Jene Theorieen, die, gleichgültig gegen die Rechte der Frauen, dieselben despotisch als Mittel für die Männer und ihren Verein misbrauchten, mußten auf das edelste Gut für die Männer und den Staat, auf ein häusliches oder Familienleben und sittliche Familienerziehung der Kinder verzichten. Die, welche, bei einseitiger Verfolgung einer abstracten Gleichheitsregel die Gesetze und Schranken der Natur übersehend, für die Frauen mehr Rechte in Anspruch nahmen, als diese nach jenen Gesetzen und Schranken nur wollen können, zerstören diese heiligste, festeste Grundlage menschlicher und bürgerlicher Tugend und Glückseligkeit aufs Neue.

Eine eben so tief in der Natur begründete und durch alle Erfahrung bestätigte Wahrheit ist es ferner, daß überall die Frau für die höchste Achtung und Liebe des Mannes, für seine Schützung, Aufopferung und Schonung gar keinen wirksameren Titel hat als eben ihre Weiblichkeit, als selbst ihre weibliche Schwäche, als ihre weibliche Liebe, Hingebung und Sanftmuth. Wollen die schwächeren Frauen so thöricht sein, mit den stärkeren Männern in naturwidrige und unweibliche Kämpfe sich einzulassen — was werden sie nicht Alles wagen und verlieren!

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Und somit wird die Gesetzgebung auch den Frauen gerecht, wenn sie nur das Princip festhält, daß dieselben eine gleich heilige menschliche Würde und zuletzt eine gleiche gemeinschaftliche höchste menschliche Bestimmung, und eben deshalb auch gleiche gemeinschaftliche Rechte haben, so weit nur nicht etwa wegen der besonderen Kräfte und Aufgaben des weiblichen Geschlechts und zu ihrem und des Vaterlandes Wohle nach jener freien verfassungsmäßigen Gesellschaftsüberzeugung Beschränkungen dieser Gleichheit als vernünftig, als nothwendig und gerecht anerkannt wurden.

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XII. In Beziehung auf die politischen Rechte aber folgt aus den obigen Grundsätzen nur die Begünstigung der Frauen, daß sie von allem Kriegs- und allem öffentlichen Dienst befreit bleiben, und dagegen die Beschränkung, daß sie an den entscheidenden Abstimmungen über die öffentlichen Angelegenheiten und den dazu führenden Streitverhandlungen keinen unmittelbaren thätigen Antheil nehmen und keine öffentlichen Aemter verwalten können. Nur dieses wird im Allgemeinen zur Erhaltung ehelicher und Familienverhältnisse und der wahren Weiblichkeit und weiblichen Lebensbestimmung ausgeschlossen. Alles Uebrige kann das allgemeine Gesetz unbedenklich der Sitte, der erlaubten Leitung von Vätern und Ehemännern, dem freien Ermessen und dem Schicklichkeitsgefühle der Frauen, je nach ihren besonderen Verhältnissen, endlich der freien öffentlichen Meinung überlassen. Und es muß dieses thun, weil jede nicht absolut nothwendige allgemeine Beschränkung der rechtlichen Gleichheit ungerecht und nur als Folge der alten barbarischen Unterdrückung der Frauen erklärlich ist. Es würde aber auch eine gänzliche Ausschließung der Frauen von aller Theilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten höchst verderblich für die Familien und den Staat, für die Erziehung, für die Männer wie für die Frauen selbst wirken. Es soll die Frau als treue Lebensgefährtin des Mannes, als Bildnerin seiner Söhne, auch an allen seinen höheren Interessen Antheil nehmen. Und vor Allem auch in lebendigem patriotischen Gemeingeiste sollen Männer und Frauen sich innig verbinden. Die Frauen sollen, für denselben in der Erziehung und Bildung ihrer Kinder wirken. Ihre Lebenskreise und die der Familien sollen nicht des Adels der höheren, der edelsten menschlichen Richtungen, und der Mann und das Vaterland sollen nimmermehr der wohlthätigen Einwirkungen der Einsichten, der Erfahrungen, der Gefühle und der Antriebe edler tüchtiger Frauen entbehren. Unermeßlich wirksam und heilsam war bei allen gesitteten Völkern in ihren besseren Zeiten dieser Einfluß. Er möge es ferner sein. Hinweg also mit jeder gesetzlichen Beschränkung der Frauen im Schreiben und Lesen, Hören und Sehen in Beziehung auf öffentliche Dinge, im Zuhören in landständischen Versammlungen, öffentlichen Gerichten und Vorlesungen, in Ausübung des Petitions- wie der Preßfreiheitsrechte und in jeder rechtmäßigen Einwirkung auf die öffentliche Meinung, auf die öffentliche Sitte und Ehre, endlich im freien Rechte der Gründung von Frauenvereinen für erlaubte wohlthätige öffentliche Zwecke.

XIII. Würdig und wohlthätig für die edelste Begeisterung, zur Linderung der Noth, zur Befriedigung der wichtigsten Bedürfnisse und zur Veredelung der Frauen selbst und der öffentlichen Gesinnungen können insbesondere Frauenvereine wirken. Dieses liegt seit den großen Befreiungskriegen und den damals und seitdem für die verschiedensten Zwecke, insbesondere auch für Volkserziehung und die sogenannten Kleinenkinderschulen, so vielfach und oft unter Mitwirkung edler Fürstinnen entstandenen Frauenvereinen so sehr vor Aller Augen, daß man nur darauf hinzudeuten braucht. Sie sind eine der edelsten und ruhmwürdigsten Erscheinungen, ja Erfindungen unserer Zeit.

XIV. Das Petitionsrecht der Frauen und vorzüglich auch dessen Schicklichkeit in bestimmten Fällen vertheidigte neuerlich ein kräftiger Redner in dem amerikanischen Congresse. Die Verhandlung fand Statt bei Gelegenheit einer Petition von Frauen zu Gunsten der Aufhebung der Sklaverei, dieses scheußlichsten aller Institute in menschlichen Gesellschaften. Mit welchem rechtlichen, mit welchem christlichen Grundsatz wollte man wohl christliche Frauen, die ja auch in den ersten Christengemeinden eine so würdige und bedeutende Rolle spielten, diese natürlichsten Vertreterinnen religiösen Sinnes und humaner Milde, selbst von dem Rechte der Bitte um Aufhebung eines solchen unchristlichen, Verderben bringenden Schandfleckes ihres Vaterlandes ausschließen!

XV. Die Zulassung der Frauen zu den landständischen Versammlungen hat sich nun in Baden, in den beiden Kammern der Stände, seit mehr als 20 Jahren als völlig unschädlich und als heilsam bewährt. Nie habe ich auch nur den geringsten Nachtheil davon anführen hören. Wohl aber hat diese Theilnahme der Frauen auf würdigen, anständigen Ton und vorzüglich auf eine lebendige und würdige öffentliche Meinung — diese Seele aller freien Verfassungen — sichtlich wohlthätig eingewirkt. Die Frauen — gerade weil sie nicht an den leidenschaftlichen Kämpfen unmittelbaren entscheidenden Antheil nehmen, sich auch um keine Orden und Aemter bewerben, und da also ihre freie Meinungsäußerung nicht durch Leidenschaft und niedrige Motive der Furcht und der Interessen bestochen ist, wie die so vieler Männer — die Frauen mit ihrem feinen unmittelbaren Sinne und Takte für das Würdige, mit ihrem schnellen Blicke insbesondere für männliche Würdigkeit und Unwürdigkeit, haben zu allen Zeiten, so weit sie Antheil nahmen an der öffentlichen Meinung, dem Würdigen und Rechten ihre Beistimmung gegeben. Sie haben gewiß auch veredelnde Kenntnisse und Gefühle und höhere Gesichtspunkte in ihre häuslichen und gesellschaftlichen Kreise und Unterhaltungen und vor Allem in ihre mütterlichen Erziehungsbeschäftigungen aus dieser Theilnahme am Oeffentlichen zurückgebracht.

XVI. Auch öffentliche Rechte, welche an bestimmte Grundstücke oder Vermögensbesitzungen geknüpft sind und nur nicht in unmittelbarem Mitstimmen und Mitdiscutiren in öffentlichen Männerversammlungen und in Ausübung öffentlicher Aemter bestehen, also auch Stimmrechte, die durch Bevollmächtigte abgegeben werden, können unverheirathete und verwittwete selbstständige Frauen eben so ausüben, wie sie auch Gewerben und ökonomischen Wirthschaften vorstehen dürfen. Von beiden enthalten auch englische und französische Gesetze Beispiele.

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Quelle: Carl von Rotteck und Carl Welcker, Hrsg., Das Staats-Lexikon: Encyklopädie der sämmtlichen Staatswissenschaften für alle Stände, zweite neubearbeitete und vermehrte Auflage. Altona: Verlag von Johann Friedrich Hammerich, 1845–48, Bd. 5, S. 654–56, 660–62, 665, 670, 672–73.