Quelle
Familiengesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik vom 20. Dezember 1965
Die Familie ist die kleinste Zelle der Gesellschaft. Sie beruht auf der für das Leben geschlossenen Ehe und auf den besonders engen Bindungen, die sich aus den Gefühlsbeziehungen zwischen Mann und Frau und den Beziehungen gegenseitiger Liebe, Achtung und gegenseitigen Vertrauens zwischen allen Familienmitgliedern ergeben.
Die gesellschaftlichen Verhältnisse in der Deutschen Demokratischen Republik sind die feste Grundlage für die sozial gesicherte Existenz der Familie. Mit dem Aufbau des Sozialismus entstanden gesellschaftliche Bedingungen, die dazu führen, die Familienbeziehungen von den Entstellungen und Verzerrungen zu befreien, die durch die Ausbeutung des Menschen, die gesellschaftliche und rechtliche Herabsetzung der Frau, durch materielle Unsicherheit und andere Erscheinungen der bürgerlichen Gesellschaft bedingt waren.
Mit der sozialistischen Entwicklung in der Deutschen Demokratischen Republik entstehen Familienbeziehungen neuer Art. Die von Ausbeutung freie schöpferische Arbeit, die auf ihr beruhenden kameradschaftlichen Beziehungen der Menschen, die gleichberechtigte Stellung der Frau auf allen Gebieten des Lebens und die Bildungsmöglichkeiten für alle Bürger sind wichtige Voraussetzungen, die Familie zu festigen und sie dauerhaft und glücklich zu gestalten. Harmonische Beziehungen in Ehe und Familie haben einen großen Einfluß auf die Charakterbildung der heranwachsenden Generation und auf das persönliche Glück und die Lebens- und Arbeitsfreude des Menschen.
In der Deutschen Demokratischen Republik hat die Familie große gesellschaftliche Bedeutung. Sie entwickelt sich zu einer Gemeinschaft, in der die Fähigkeiten und Eigenschaften Unterstützung und Förderung finden, die das Verhalten des Menschen als Persönlichkeit in der sozialistischen Gesellschaft bestimmen.
Es ist die Aufgabe des Familiengesetzbuches, die Entwicklung der Familienbeziehungen in der sozialistischen Gesellschaft zu fördern. Das Familiengesetzbuch soll allen Bürgern, besonders auch den jungen Menschen, helfen, ihr Familienleben bewußt zu gestalten. Es dient dem Schutz der Ehe und Familie und dem Rechte jedes einzelnen Mitgliedes der Familiengemeinschaft. Es soll Familienkonflikten vorbeugen und auftretende Konflikte überwinden helfen. Es regelt in diesem Zusammenhang Pflichten und Aufgaben der staatlichen Organe und Institutionen.
Das Familiengesetzbuch lenkt die Aufmerksamkeit der Bürger, der sozialistischen Kollektive und der gesellschaftlichen Organisationen auf die große persönliche und gesellschaftliche Bedeutung von Ehe und Familie und auf die Aufgaben jedes einzelnen und der gesamten Gesellschaft, zum Schutz und zur Entwicklung jeder Familie beizutragen.
Erster
Teil
Grundsätze
§ 1
(1) Der sozialistische Staat schützt und fördert Ehe
und Familie. Staat und Gesellschaft nehmen durch vielfältige
Maßnahmen darauf Einfluß, daß die mit der Geburt, Erziehung und
Betreuung der Kinder in der Familie verbundenen Leistungen
anerkannt und gewürdigt werden. Staat und Gesellschaft tragen zur
Festigung der Beziehungen zwischen Mann und Frau und zwischen
Eltern und Kindern sowie zur Entwicklung der Familie bei. Die
Bürger haben ein Recht auf staatlichen Schutz ihrer Ehe und
Familie, auf Achtung der ehelichen und familiären
Bindungen.
(2) Die sozialistische Gesellschaft erwartet von
allen Bürgern ein verantwortungsvolles Verhalten zur Ehe und
Familie.
§ 2
Die Gleichberechtigung von Mann und Frau bestimmt
entscheidend den Charakter der Familie in der sozialistischen
Gesellschaft. Sie verpflichtet die Ehegatten, ihre Beziehungen
zueinander so zu gestalten, daß beide das Recht auf Entfaltung
ihrer Fähigkeiten zum eigenen und gesellschaftlichen Nutzen voll
wahrnehmen können. Sie erfordert zugleich, die Persönlichkeit des
anderen zu respektieren und ihn bei der Entwicklung seiner
Fähigkeiten zu unterstützen.
§ 3
(1) Die Bürger gestalten ihre familiären Bindungen so,
daß sie die Entwicklung aller Familienmitglieder fördern. Es ist
die vornehmste Aufgabe der Eltern, ihre Kinder in vertrauensvollem
Zusammenwirken mit staatlichen und gesellschaftlichen
Einrichtungen zu gesunden und lebensfrohen, tüchtigen und
allseitig gebildeten Menschen, zu aktiven Erbauern des Sozialismus
zu erziehen.
(2) Die Erziehung der Kinder ist zugleich
Aufgabe und Anliegen der gesamten Gesellschaft. Deshalb
gewährleistet der sozialistische Staat durch seine Einrichtungen
und Maßnahmen, daß die Eltern ihre Rechte und Pflichten bei der
Erziehung ihrer Kinder ausüben können. Besondere Aufmerksamkeit
gilt der Hilfe für kinderreiche Familien und für alleinstehende
Mütter und Väter.
§ 4
(1) Die staatlichen Organe, insbesondere die Organe
der Volksbildung, der Jugendhilfe und des Gesundheits- und
Sozialwesens, und die Organe der Rechtspflege sind verpflichtet,
in geeigneter Weise die Ehegatten bei der Entwicklung ihrer
Familienbeziehungen zu unterstützen und den Eltern bei der
Erziehung der Kinder zu helfen. Dabei sollen die
gesellschaftlichen Organisationen, Arbeitskollektive und
Elternbeiräte entsprechend ihren Möglichkeiten mitwirken.
(2)
Durch die staatlichen Organe sind in Zusammenarbeit mit den
gesellschaftlichen Organisationen Ehe- und
Familienberatungsstellen einzurichten, in denen lebenserfahrene,
sachkundige Bürger denen Rat und Hilfe gewähren, die vor einer
Eheschließung stehen oder sich sonst in Familienangelegenheiten an
sie wenden. Die Mitarbeiter der Ehe- und Familienberatungsstellen
sind zur vertraulichen Behandlung der ihnen vorgetragenen Anliegen
verpflichtet.
[…]
Quelle: Familiengesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik vom 20. Dezember 1965, Gesetzblatt I 1966, Nr. 1, S. 1. Online verfügbar unter: http://www.verfassungen.de/ddr/familiengesetzbuch65.htm