Kurzbeschreibung

Der preußische Kultusminister Friedrich Eichhorn (1779–1856) spricht sich in dem hier wiedergegebenen Brief an den preußischen Innenminister Adolf Heinrich von Arnim (1803–1868) vom 7. Juni 1844 ebenfalls gegen die liberalisierenden Bestrebungen von Intellektuellen vor allem in der Rheinprovinz aus. Um dem konservativen Regierungsstandpunkt besser Geltung zu verschaffen, schlägt er die Gründung einer subventionierten Zeitung vor.

Friedrich Eichhorn an Adolf Heinrich von Arnim (7. Juni 1844)

  • Karl Friedrich von Eichhorn

Quelle

E. E. haben in dem Schreiben vom 22. Mai den Wunsch geäußert, daß ich die Ausführung der Kabinettsordre vom 26. April übernehmen möge, wodurch Professor Bercht in Frankfurt zum außerordentlichen Professor der Pädagogik an der Universität Bonn ernannt und ihm eine Subvention von 3000 Taler zur Herausgabe einer neuen Zeitung bewilligt worden ist. Ich bin gern bereit, diesem Wunsche nach Kräften zu entsprechen, würde aber ohne E. E. und des Herrn Ministers der auswärtigen Angelegenheiten geneigte Unterstützung und Mitwirkung der Aufgabe nur unvollkommen genügen können. Indem ich daher um diese ganz ergebenst bitte, erlaube ich mir zuvörderst die Gesichtspunkte zu bezeichnen, welche die Redaktion der neuen Zeitung m. E. unter den gegenwärtigen Umständen ins Auge zu fassen hat.

Das Bedürfnis eines freieren Spielraums für die Äußerungen der öffentlichen Meinung ist durch die Erweiterung der Preßfreiheit anerkannt worden. Diese Tatsache, die nicht mehr zu ändern ist, bildet den Punkt, von welchem aus der Plan für die Zeitung in Betrachtung gezogen werden muß. Es wäre allerdings sehr zu wünschen gewesen, wenn man vor dem Eintritte der erweiterten Preßfreiheit auf Mittel mit Erfolg hätte Bedacht nehmen können, den zu erwartenden Angriffen auf das konservative Prinzip geordnete und geübte Verteidigungskräfte entgegenzustellen. Wir dürfen uns nicht verhehlen, daß es hauptsächlich diesem Mangel an Gegenwirkung zuzuschreiben ist, wenn jenes Prinzip seit drei Jahren immer mehr Boden verloren hat. Gegenwärtig fragt es sich, welche Stellung ein gouvernementales Blatt zu nehmen hat, um mit Aussicht auf Erfolg den weiteren Fortschritten eines auflösenden Liberalismus Einhalt zu tun. Die Ideen, welche den Durchbruch ins praktische Leben suchen, finden an und für sich in den reellen Verhältnissen des Gesellschaftszustandes keinen Anknüpfungspunkt; auch ist Deutschland bis jetzt noch nicht der Boden, wo sie, sobald sie die Sphäre der Theorie verlassen und das Leben gestalten wollen, auf Gedeihen mit Erfolg hoffen könnten. Insofern könnte man sie daher vom Standpunkte der Staatsverwaltung aus, wie früher oft so auch jetzt, als das Gebaren einer bloß philosophischen Lebensansicht gewähren lassen. Es sind aber diese Ideen einer großen Anzahl leichtfertiger und leidenschaftlicher Literaten geläufig geworden, welche sie, zum Teil mit großer sophistischer Geschicklichkeit, im Interesse ihres Unterhalts und ihrer Hoffnungen in der Tendenz verarbeiten, die Begriffe und Ordnungen zu profanieren, auf welchen das gesellige Leben tatsächlich beruht. Daß ihnen dieses durch schonungslose und ungehemmte Angriffe auf das bestehende Gebäude der gesellschaftlichen Einrichtungen und auf die Personen, welche dasselbe tragen, in einem nicht ganz unbedenklichen Grade gelungen ist, dürfte nicht geleugnet werden können. Diese gefährlichste Seite ihres Wirkens ist aber meines Erachtens zugleich auch diejenige, wo sie durch eine geschickte Enthüllung ihrer Unredlichkeit und Lügenhaftigkeit am ersten um ihren Kredit gebracht werden können. Irre ich mich hierin nicht, so würde die neue Zeitung das Feld der Theorien möglichst zu meiden und die verschiedenen Systeme, welche sich auf demselben tummeln, ruhig sich selbst zu überlassen haben, dagegen aber, sobald sie sich auf den Schauplatz des Handelns wagen – sei es sophistisch kritisierend oder fälschlich referierend – ihnen mit überwiegender Einsicht und Ruhe entgegentreten müssen. Dazu ist, wie es mir scheint, der Professor Bercht der geeignete Mann. Was den Erfolg betrifft, so zweifle ich keinen Augenblick, daß in der Nation gesunde Kräfte genug vorhanden sind, die unter dieser Überflutung des gegenwärtigen Mißbrauchs der Presse nur auf ein würdiges Organ warten, in welchem sie sich entfalten können.

Ist erst den Bestrebungen der Partei Einhalt getan, welche alles Bestehende keck angreift, um ihren Theorien Eingang zu verschaffen, so werden sich auch die Parteien, welche für ihre besonderen, politischen oder kirchlichen, Zwecke und Pläne im trüben wirken und für den Staat vielleicht noch gefährlicher sind als jene leichtfertigen und auf nichts gestellten Literaten, zu einer größeren Vorsicht genötigt sehen. Ich traue es Bercht zu, daß er diese Parteien und ihre Wege nicht allein durchschaut, sondern auch Feinheit genug besitzt, um ihnen Warnungen zuzuwinken, vor welchen sie mit Scheu zurückweichen müßten.

Wenn E. E. mit dieser Ansicht einverstanden sind, so werde ich nicht ermangeln, Bercht die erforderlichen Andeutungen zu machen. Derselbe wird aber den Erwartungen nur dann entsprechen können, wenn er mit dem erforderlichen Material ausgerüstet wird. Dazu bedarf es eines bestimmten Weges, auf welchem ihm dasselbe nach einem stillschweigenden Einverständnisse regelmäßig zufließt. Der in meinem Ministerium angestellte Geheime Regierungsrat Eilers steht seit vielen Jahren mit Bercht in einem vertrauten Verhältnisse und hat überdem durch einen zwanzigjährigen Aufenthalt in der Rheinprovinz Gelegenheit gehabt, die dortigen Zustände in den verschiedenen Sphären des Lebens genauer kennen zu lernen. Ich halte ihn daher für vorzüglich geeignet, von hier aus die Hauptkorrespondenz mit Bercht zu führen, und bin gern bereit, ihn damit zu beauftragen, sofern ihm nur nicht die Ausarbeitung von Artikeln zugemutet wird. Da die zu E. E. Ressort gehörigen Angelegenheiten einen besonders wichtigen Teil des Inhalts der neuen Zeitung bilden werden, so stelle ich ganz ergebenst anheim, die Einrichtung treffen zu wollen, daß Eilers diejenigen Materialien regelmäßig zugestellt werden, welche Sie in der oben angedeuteten Weise behandelt zu sehen wünschen. Es wird dabei weniger auf ausführliche Artikel, als auf schlagende Berichtigung sowohl der Ansichten als der tatsächlichen Verhältnisse ankommen. Von seiten Eilers' wird nur dafür möglichst gesorgt werden, daß alles vermieden würde, was die hergebrachten Lebensansichten und Empfindungen der Rheinländer verletzen könnte, was um so mehr zu wünschen ist, als gerade solche Verletzungen der Parteien die erfolgreichsten Gelegenheiten geboten haben, das Volk mit Vorurteilen gegen die Regierung zu erfüllen.

Quelle: GStA PK, I. HA Rep. 77 Ministerium des Innern, Tit. 2, Spec., Lit. R, Nr. 57: Errichtung einer neuen politischen Zeitung in der Rheinprovinz, 1844 bis 1848, Bl. 26r-28v (Kultusminister Eichhorn an den Minister des Innern Graf v. Arnim, Berlin, den 7. Juni 1844); abgedruckt in Rheinische Briefe und Akten zur Geschichte der politischen Bewegung 1830–1850, gesammelt und herausgegeben von Joseph Hansen, Bd. I, 18301845. Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde XXXVI, Bd. I, 1919; S. 65557. Wiedergabe auf dieser Website mit freundlicher Genehmigung des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz.

Friedrich Eichhorn an Adolf Heinrich von Arnim (7. Juni 1844), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/vom-vormaerz-bis-zur-preussischen-vorherrschaft-1815-1866/ghdi:document-251> [06.04.2024].