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1. Das Schicksalsjahr 1524 (Kap. 1—4)
Prophezeiungen von Unglück für das Jahr 1524 – Veränderungen durch die Lehre Luthers – Anfeindungen der Klöster – Austritte von Ordensleuten – Angriffe gegen die Franziskaner als Beichtväter der Klarissen – Beschluß einer Bittschrift an den Rat
Zu wißen, das[1] etwan lange zeit pronosticirt[2] ist worden auf dy zeit, wen man zellen wirt anno domini 1524 sollt ein große sindfluß kumen, durch dy alles, das auf erden ist, verandert und verkert soll werden und wywoll solchs gemeynglich auf ein waßersindfluß verstanden ist worden, hat es sich doch in der erfarung erfunden, das daz gestyrn nit als gar waßer angezaigt hat als vill trubsal, angst und not und nachvolgent groß plutvergyßen; dann in dem vorgemelten[3] jar hat es sich begeben, das durch dy newen lere der luterey gar vil ding verandert sind worden und vil zwyspaltung in dem cristlichen gelawben sich erhebt haben, auch dy ceremonia der kirchen vil abgethun sind worden und nemlich der standt der geistlichen an vil ortten schyr gancz zu grunt gangen, dann man prediget dy cristlichen freyheit, das dy gesacz der kirchen und auch die gelub der geistlichen nichs gelten sollten und nymant schuldig wer sy zu hallten.
Auß demselben entsprang, das vill nunnen und munch, dy sych solcher freyheit geprauchten, auß den clostern luffen, ir orden und habit hynwurffen, etlich sich verheyraten und theten, was sy wolten. Auß solchen ursachen komen uns vil widerwertigkeit und anfechtung, dann vill leut unter den gewaltigen und schlechten[4] komen uber tag zu irn freuntyn[5], dy sy pey uns im closter hetten, den predigten und sagten sy von der newen lere und disputirten unaufhorlich, wy der closterstandt so verdemlich und verfurisch wer und wy nit muglich wer, das man darinnen sellig kundt werden, dann wir wern all des teuffels. Darumb wolten etlich ire kind, swester und mumen mit gewalt auß dem closter haben mit vill trowortten und auch mit großem verhayssen, des sy on zweiffel kaum halbs gelast[6] hetten.
Diß fechten und streytten weret lange zeit, offt mit großem zorn und schentwortten[7]. Da aber von den genaden gottes sich keyn swester bewegen wolt loßen, do gab man den munchen zu den parfussern[8] dy schuld und saget iderman, dyselben verwißen uns also, das nit muglich wer, das man uns zu dem newen gelauben bekeret, dyweyl wir sy zu predigern und peichtvettern hetten.
Do wir nun vernamen, das in einem erbern rat beschlossen was worden, das man uns dy veter mit gewalt wolt nemen, do heyelt ich solchs dem convent fur, het irn rot[9], do betrachten dy swester, was in daran gelegen wer, solt das closter auß dem ordenlichen regiment der vetter kumen und unter den gewalt der wilden pfaffen und ausgeloffen munch; zu demselben wolt sich keyn swester begeben und stympten all mit gemeyn ein rot, man solt nit haren[10], piß man uns dy veter mit gewalt nem, dann es wer alsdann nit woll widerzupringen, wen wir schun vill clagten. Wir sollten vorhyn supplicirn[11] und einen erbern rot genugsam anzaigen, was beschwert und schaden uns zeitlich und geistlich auf solcher verenderung stund in ganczer hofnung, sy wurden in[12] solch unßer scheden zu herczen loßen gen.
Also volgt ich in, stelt dy supplicacion, dy hernoch auch geschriben stet, dy ich dem convent vorlaß, darein aber all swester, keine außgenumen, vergunstigeten und ryetten mir darpey, das ich neben der supplicacion dem pfleger, herr Jheronimo Ebner, auch h[errn] Merthein[13] Gewder auch schrib, auf das dy supplicacion dester mer furgangs het. […]
2. Der Kampf um die Schwester Margarete Tetzel (Kap. 5—12)
Bittschrift an den Rat im Advent 1524 wegen Entzuges der Franziskaner als Beichtväter – Weder die Schwestern noch die Patres haben dazu irgendeinen Anlaß gegeben – Der Vorwurf, die Schwestern hätten den Franziskanern viel geschenkt, wird zurückgewiesen – Die Absicht, den Schwestern an Stelle ihrer bisherigen Beichtväter Anhänger der neuen Lehre zu geben, ist ein Eingriff in die Gewissensfreiheit der Schwestern – Sie rühmen sich ihrer guten Werke nicht, sie wollen nur ihrem Glauben treu bleiben
Diß ist die supplicacion, dy wir einem erbern rot zugeschickt haben in dem advent anno domini 1524.
Fursichtig erber weiß lieb herrn!
Durch unßer veter zu den parfussen werden wir bericht, wie E E W[14] an sie hab synnen laßen sich unßer closters zu eußern, auch unßer zu entschlahen als in langer handellung an nott[15] zu erzeln, die weil E W zu frischer gedechtnus ist, wie woll wir nun in keinen zweiffel seczen solche handellung sey durch E W auß keiner andern meinung furgenommen, dann das die pey derselben fur nucz und gut angesehen, so kan doch die unverhort unßer nicht genczlich oder genugsam verston[16], was uns an der gelegen ist, auch zu was beswerden und nachteyl uns die leiplich und geistlich reichen mag. Demnach pitten wyr arme ellende E W kinder umb gottes willen, die woll diß unßer schreiben an verdrieß vernemen und genediglich zu herczen fassen, uns auch als die, so nach got zu nymandt dann zu E W zuflucht haben, trewlich und veterlich bedencken.
Erbern weißen herrn, wir hoffen E W sey unvergeßen, welcher maß wir und unßer fordern uns albegen[17] und je piß auf diße zeit gegen derselben erzeigt haben und in allen dingen, so an uns gesunen synd worden, gefolgt und wilfart unangesehen, ob uns auch zu zeitten was swerlich gewest ist, denoch haben wir auch an[18] widerspenigkeit[19] verwilligt E W alles unßers einnemens und außgebens zu verrechnen, auch derhalb rechnung zu thun, wie wol solchs do vor[20] der prawch nit gewest ist. Domit E W wissen tragen mocht, wie unßer sach gelegen und gestalt wer, wie wir uns auch mit allem unßerm thun, lassen und hawßhaben[21] schickten und hylten und insunders auß dem verdacht komen, als solten wir unßern vetern zu den parfussen vil anhencken.
Wir haben uns auch nachvolgent auf E W gesynnen mit ubergab unßer zynß in dißer stat nach derselben willen und wolgefallen gehalten und alle unßer gehabte eygenschaft[22] E W und gemeiner stat zugestellt, des sich doch ander ordenslewt gewidert haben und gar nit haben thun wollen.
Das melden wyr allein darumb, das wir verhoffen, es sey je nichcz durch uns zu keinem mal gehandelt, darab E W mysfallen oder beswerung haben mugen. Synd auch noch gancz willig und geneygt E W in allen zymlichen und leidlichen dingen zu willfarn; der trostlichen zuversicht, wir sollen des pey E W nit entgelten, sunder nach pilligkeit genyßen; zu dem hoffen wir, wir haben uns auch gegen dem gemeinen man, auch in andern unßern thun und loßen dermaßen gehalten, das uns (an rom[23] zu reden) nymandt mit warheit einig unpilligkeit oder unerlich sach zumessen mag, als wir auch nit zweiffeln, uns von E W gar nit peygelegt werd. Noch dann, wo unßer veter, so uns und unßer forfordern nun pißher in drytthalb hundert jarn mit der geistligkeit[24] versehen haben, in dißer widerwerttigen und aufrwigen zeit von uns abgefodert und genomen solten werden, wurd an zweiffel der gemein man, so an das[25] zum ergsten geneygt ist, solchs nit zum pesten außlegen, sunder darfur halden, E W wer durch sunder [!] der veter ader[26] unßer verhandellung zu solcher ordenung verursacht worden, welches uns dann nit in einen cleinen leymundt geperen wurd, ja nit allein uns, auch E W, als unßern vetern, gesypten frewnten[27] und gunstigen herrn.
Dieweyl nun aller argwon, wo der umbgangen mag werden, vermytten sol beleiben, so zymt E W nit allein uns arme hyrinn, sunder auch sich selbs wol und weißlich zu bedencken, die weil unßer smach an[28] E W unerung nit ergen kan noch mag. Uns ist auch unverporgen, das wir pey vil lewtten verdacht syndt als solten wir gemelten[29] vetern vil geben und anhencken, von welchem verdacht uns aber unßer selbs nott und armut entschuldigt, dan was mochten wir vil von uns geben, so wir selbes kawm zu leben haben und durch die vergangen krieg und zufell, wie E W wissen tregt, also verarmuth syndt, auch noch teglich einpußen, das uns notter wer zu nemen denn vil außzugeben, wie denn E W durch unßer jerlich rechnung selbs weiß und verstet.
Es ist auch die warheit, das wir den zweyen vetern, so uns mit predigen, peichthörn und andern geistlichen sachen versehen, nit mer dann die schlecht[30] narung und cleidung geben, darumb uns warlich aber die weltlichen prister nit dynen noch sich benungen wurdten laßen. Solten wir in denn vil geben und derhalb selbs noch mer mangel leiden, wer uns unßers achtens nit allein beswerlich, sunder gancz unpillich. Hoffen aber E W werd uns inn verdacht[31] unßers vermugens kein weitter purd auflegen noch zu etwan bedrangen, das uns nit allein in unßern gewissen, sunder auch in zeittlichen gut beswerlich und unmüglich ist.
Wyr achten auch genczlich darfur, wo E W, des wir uns doch je nit versehen wollen, geleich in irem vorhaben verharrn und die sach mit der that angreiffen wolt, der wurd umb mangel willen geschickter person so vil beswerung begegen, das die selbs die unmüglikeit spürn und erfinden würd. Dieweil geschickt vorgeer und, wie sie nach meinung S[ant] Paulßen sein solten, leider tewr[32] syndt, solten wir dan mit ungeschickten oder denen, so wir nicht gern hetten und doch haben müsten, uberladen werden; hat E W wol abzunemen, was frucht ader[33] nucz das pringen würd, dann ye der geist frey und ungezwungen sein will und muß, auch nymandt gedrungen wirt in der weltligkeit einem herrn zu dynen, der im nicht gefellig ist, vil mynder ein herschaft genott dyner anzunemen, die in[34] nit füglich syndt; wie vil mer gezymt sich dan der geistligkeit[35] ungenött und frey zu loßen, soll sie anders in rechter und gutter würckung beleiben; das aber darpey etlichen der argkwon eingewurczelt hat als solten uns unßer veter verpietten das heillig ewangelium und andre pucher zu leßen, daran geschicht in[36] warlich unrecht und ob sie sich solchs zu thun untterstunden, würden wir in[37] gar nicht volgen und vil ee[38] E W gegen in[39] umb hillff anruffen, dann uns das wort gottes und andre nüczliche pücher also verpietten lassen.
Mugen[40] auch E W pey hochster warheit sagen, das wir das alt und new testament dewtsch und latteinisch im teglichen geprawch und ubung haben und nach unßerm vermügen befleissen das recht und wol zu versten und nit allein leßen wir die bibel, sunder auch was teglich furfellt und uns zukumpt ausserhalb der smechpucher[41], die uns unßer gewissen beswern und unßers achtens nicht alweg der cristenlichen einfeltigkeit gemeß syndt. Hoffen je, got werd uns seinen heilligen und waren geist auff unßer herczliche pitt nit versagen noch verhalten, damit wir das wort gottes recht und nach seinem waren verstandt mügen vernemen, nicht allein dem puchstaben nach, sunder auch dem geist nach. Darumb wie woll uns von etlichen peygelegt will werden als verlaßen wir uns auf unßere eygene werck, hoffen allein durch dieselben selig zu werden, so ist uns doch von den genaden gottes unverporgen – es sag yderman, was er woll – das durch die werck allein kein mensch, wie der heillig Paulus sagt, gerechtferttiget werden kan, sunder durch den gelawben unßers herrn Jesu Christi; zu dem, das uns der herr Jesus Christus selbs lert, wenn wir die werck alle gethun haben, das wir uns dennoch unnucz dyner achten sollen. Wir wissen aber herwiderum auch, das ein rechter warer gelawb nicht an[42] gutte werck kan sein, als wenig als ein gutter pawm an gutte frucht, das auch got einem ytlichen menschen nach seinem verdynst lonen wird und, so wir vor dem gericht Christi erscheinen werden, das meniglich[43] nach seinen wercken, sie synd gutt oder poß entpfahen würdt. Darumb auch der heillig Jacobus sagt, der gelawb sey an[44] die werck todt und ein ytlich[45] mensch, der den gelawben mit den wercken nicht anzeigt, sey einem menschen geleich, der sich in einem spigel ansicht, geth weg und weiß nicht, wie er gestalt geweßen ist. Derhalben der gelawb nit im mundt oder in wortten allein stet, sunder, der do recht gelawbt und wol würckt, der wirt selig.
Wir wissen auch, das wir allein uns die eygen werck nit sollen zumessen, geschicht aber etwas guttes durch uns, das solchs nit unßer, sunder gottes werck ist. Darumb uns an[46] grunt peygelegt wirt, das wir uns unßerer werck romen[47], sunder unßer rom[48] ist allein in dem verschmechten und gekrewczigten Christo, der uns heist sein crewcz auf uns zu nemen und im nachvolgen. Derhalben erkenn wyr uns schuldig, werden auch das geheißen den alten Adam untterzutrucken, den leib dem geist durch kestigung[49] untterwürffig zu machen, der wir geleichwoll im closter mer stat und ursach haben dann außwendig; das wir ausserhalb auch nit selig hoften zu werden, sunder das wir je gern in der beruffung, zu der uns got erfordert hat, pleiben wolten, dann warlich syndt wir [nit] von guttes leben wegen im closter oder nemen unßern lon hie ein, so weiß got und die welt, das wir arm ellend lewt syndt, aber unßer hoffnung streckt sich weitter, dieweill wir wißen, das wir hie kein beleibende stat haben.
Uns ist auch unverporgen, das die seligkeit nit in essen und trinkken noch in speiß stet; das wissen wir aber herwiderumb, das sie nit in essen und trincken, noch auch in fullerey[50] stet. Es muß dennoch gepett, gefast und gewacht, hunger und durst erliden werden, soll anders der sterblich leib vertruckt werden und der beleibend geist die oberhant gewynnen. Der aber durch zeitlich wollust gedenckt das hymelreich zu erlangen, mocht sich selbs woll betrigen, es sey denn, das die heillig geschrift falsch sey, nachdem die cristenlich freyheit nicht in dem fleisch, sunder in dem geist stet.
Wyr verachten auch den elichen standt nicht, dann wir wissen, wer sein junckfrawen verheyret, das derselbig wol thut, aber nach s[ant] Paulus ler wissen wir auch, wer sein junckfrawen nit verheyret, das derselb noch paß[51] thut. Ob wir nun got in der junckfrawschaft zu dynen uns untersten, kan uns warlich von nymandt verstendigem verwißen werden, wer aber zu solchem nicht geneygt oder nicht gern pey uns wer, der solt uns warlich auch unmer[52] sein; gedencken darumb kein swester pey uns mit gewalt oder irn eltern vorzuhalten, wollent auch derhalb nymandt urteyln, sunder ein ytlich mensch urteyl sich selbs; wirt meniglich wol rechnung thun, so wir alle fur das gericht gottes kumen. Aber als wir nymandt gern betrangen wolten als gern wolten wir auch unbedrangt und mit dem geist, nicht dem leib frey sein; das aber nit sein kent noch mocht, wo wir mit fremden selsorgern belestiget solten werden, dieweil solchs eygentlich der weg der erstörung unßer samlung[53] wer, dann ob wir geleich mit dem gottes wort und sacramentten versehen wurden, must dennoch, so sich die parfusser unßer entschlahen solten und der pischoff nicht uber uns zu pitten hat, die visitacion verpleiben, an der dan nit der wenigst teyl eines clösterlichen lebens gelegen ist, gesweigen ander zufell, so sich teglich pey den clöstern eräugen.
Wes wolt sich aber E W selbs zeihen und das arm gertlein der lang hergeprachten pflanzung also zergen laßen, warumb wolt sich die mit solcher handelung der gewissen beswern und uns ein purd auflegen, die uns nicht mynder erschrocklich und grawssam wer dan der zeitlich oder leiplich todt, den wir, wiß got, mit geringerm herczen leiden wolten, dann das uns dißer swerer eingang gemacht werden solt. nit darumb, das wir der münch geratten musten, sunder das wir vor unßern augen die geferlikeit unßer selnheyl und die zertrennung[54] unßer versamlung sehen. Es ist warlich in dißer geferlichen zeit unnot ursach zu ergerung und misshandelung zu geben, dann sich dieselben an das[55] teglich, wie E W weiß uberflüssig ereugnen. Wo[56] sich E W recht bedencken will, synd wir warlich derselben vil erlicher[57] in dem closter, dieweil wir gern und ungezwungen darinnen synd dann heraußen. Got woll, das E W mit vernunftiger vor [?] betrachtung ermeß und nit mit der that erfar. Wir wissen auch eygentlich, wo[58] E W als woll als wir diße unßer bewerung wurden betrachten, die wurd sich nit allein uber uns erparmen, sunder auch ein mitleiden trewlich mit uns haben, ob die auch ein steinen hercz het, dieweil uns diße sach nit allein das zeitlich, sunder, wie vor gemelt, unßer sel heyl und ewigs betreffen will; haben wir uns einiger sach ungepürlich gehalten oder was verwürckt, woll wir uns gern, wo uns das angezeigt wirt, pessern, auch straff darum leiden; haben wir aber nichts verhandelt, darumb uns dißer swerer last solt auffgelegt werden, als wir auch zu dem almechtigen got hoffen, nicht geschehen sey. Wes wolt uns ellende dan E W zeihen, wir wissen und erkennen uns vor got arm und ellend sunderin, dieweil vor desselben augen auch kein newgeporn kindt rein kan sein, aber gegen der welt und E W wissen wir uns alles untadels frey und rein.
Dem allen nach pitten wir E E W umb unßers und des hochsten gottes willen, umb die menschwerdung unßers herrn Jesu Christi und seins heilligen leidens, umb sein tewr plut, das er umb unßer erloßung willen vergossen hat, umb cristenlicher lieb und hoffnung willen, die alle menschen auf das kunftig leben haben, die selb wöll dißes ires furnemens[59] gunstiglich absten und uns armen, ellenden kinden und plöden[60] frawenpild pey vorigen unßern unstrefflichen, lang hergeprachten weßen entlich beleiben und got dem herrn dynen laßen und dißes uberswerlichen lasts genediglich uberheben, auff das euch got an seinem großen tag auch genediglich und parmhercziglich sey und das mitteyl, so ir andern auch mitgeteylt habt. Wo[61] aber E W je nit gelegen sein wolt ires furnemens[62] yczt und alspald abzusten, so pitten wir doch abermals auffs hochst und umb gottes willen, dieselbig woll doch die sach auffzyehen[63], diß mal yn rw stellen und auff diße geferliche, ellende zeit ein lenger aufsehen[64] haben. Wirt villeicht mittlerzeit, als wir hoffen, got sein genad geben, das alle ding in pesser weßen und ordenung, dann sie icz sein, gekert werden, wo nit die welt umb irer sundt wegen gestrafft solt werden, oder aber der tag des herrn sich nehnen [!] wirdt, wollen und müßen wir das auch wie die andern cristgelewbigen menschen erwartten und unßer hoffnung allein in die genad und parmherczigkeit gottes seczen, die woll E W den rechten warn geist geben zu handeln, das derselben und uns armen, ellenden, betrubten kinden zu irer sel seligkeit am nüczten und pesten sey. Wollen uns damit E W in aller demütigkeit befelhen und nach got unßer hoffnung und trost in dieselben geseczt haben, genedige antwordt wartten.
Auf diße supplicacion wurd uns kein andre antwurt den ein E R[65] wolt die sach auf dißmal in rw stellen piß auf weytern bescheid. […]
Kapitel 32
Nach dem Weggang der Gesandten hält die Äbtissin mit dem Convent eine Beratung ab und hört jede Schwester einzeln zu den fünf Punkten – Bezüglich der Gelübde sind alle Schwestern einmütig dafür, unter allen Umständen ihren Gelübden treu zu bleiben und der Äbtissin auch weiterhin Gehorsam zu leisten – Um Schlimmeres zu verhüten, solle ein Gesichtsfenster angelegt werden, doch wollen die Schwestern nicht allein mit ihren Angehörigen sprechen, damit ihnen nicht Reden nachgesagt würden, die sie nicht geführt haben – Wegen der Kleider erkundigten sich die Schwestern bei ihnen gut gesinnten Personen, diese berichteten ihnen die Begebenheit mit den Schwestern in Pillenreuth, für die sich Christoph Kreß, Vertreter Nürnbergs beim Schwäbischen Bund, eingesetzt hatte, daß sie ihre Ordenskleidung behalten durften, man wolle daher mit dem Ändern und Färben der Kutten noch warten.
Do sy nun auß dem closter komen, fodert ich den c[onvent] zu capitel[66], het ir aller rot, wy wir uns in dißem schwern punckten hallten solten, auf dem dy zerstorung unsers closters und aller geistligkeit stund; begeret von einer itlichen in sunderheit zu wissen, wes ich mich gegen in[67] versehen sollt, ob sye dy regel wollten annemen, dy in dy herrn geben hetten.
Also stymenten sye alle einhelliglich, eyn itliche in sunderheit, keine außgenumen, daz sy mit der hielf gottes hallten wollten dy regel, dy sye got gelobt heten und gar nit dy regel, dy in der rot geben het und erpotten sych gar demutiglich und williglich: sy begertten nit frey zu sein, sye wollten mir gern gehorsam sein und thun, was mir lieb wer, daz ich neurt pey in belieb und sye in den engsten und notten nit lyeß. Also gelobt ich in auch widerumb trew zu laysten, pey in zu beleiben und leib und leben pey in zu loßen piß in den todt, so lang sye stanthafftig belieben in dem worn cristlichen gelauben und in dem geistlichen standt, wenn sye aber lutterisch wollten werden oder trewpruchlich an irm gesponßen[68] oder eyn offen closter wollten machen, so wollt ich nit ein tag pey in beleiben.
Also trosten wir trewlich an eynander zu peden[69] seytten mit vill leyßen zechern[70] und vereinten uns auf ein news miteinander in aller swesterlicher lieb trew aneinander zu laysten piß in den todt. Wir protestyrten auch do conventlich vor dem lebendigen got, daz wir mit willen nichs wollten aufnemen, daz wider got und unßer h[eilig] regel wer; wurden wir aber zu etwas gezwungen wider unßern willen, begerten wir daz unßer herr anseh, daz wir gewallt musten leiden, des wir uns nit kunden erwern. Verpundten uns auch miteinander, wenn wir geleich izunt etwas musten annemen, daz wider dy regel wer, so wollten wir daz doch nit lenger geprauchen, denn so lang wir musten und sopald diß weßen peßer wurd, wollt wir von stund an des wider absten.
Item des gesichtfensters halb stymeten dy swester, wywoll sye es gancz nit begerten, doch so es nit anders mocht seyn und dy regel daz gesicht auch nit gar abschlug, ein pößers zu vermeyden, sollt ich eyn einigs[71] redfenster zu einem gesichtfenster machen loßen und daz prauchen, so vill es muglich wer nach der regel. Es meldent vil swester des alleyn redens halben sy begerten desselben gar nit, sy hetten nichs mit irn freunten[72] zu reden, des sy sich vor den hererin[73] scheuchten, es wer ferlich[74] mit welltlichen leutten alleyn zu reden, denn man mocht von in sagen, sye hetten geredt, des sye in nye gedacht hetten, so man uns doch on das all unßere wort und werck verkert.
Aber der clayder halb was es in gancz schwer, begerten man sollt etlich gut freunt rots frogen, wye wir uns des und anderer ding kundten erwern. Das thet ich, fraget etlich, dy der sach verstendig warn und uns guts guntten. Dy sagten, all gedencken wern daran verlorn, das wir den leutten mochten widersten, wir musten in etwas nachgeben, wollten wir anders nit, daz das closter zu trumern gyng, dann alle ding thetten diß leut mit großem gewallt, man seh nit an weder gerechtigkeit noch pilligkeit, man furchet [!] weder pabst noch keyßer, ya auch got selbs nit, denn alleyn mit wortten; es gelt iczunt nit anders, denn das man sprech, daz wöll wir also gehabt haben, daz muß also sein, daz und keyn anders, denn sye loßen sich horn, sy sind stercker den der bapst selber. Aber sye sagten, das wer wor, daz das gesichtfenster fur ein mytel wer furgeschlagen den eingang in daz closter zu vermeyden, wann es wer vor etlichen wochen genczlich in einem rot beschloßen worden, daz ein itlicher zu seiner freuntyn[75] in dy frawencloster het mugen gen, so offt es in gelust und gelangt het. Es sollten auch dy swester herauß zu irn freunten gen, wen sye kranck wern, wen auch etwan dy freunt ein guts mütlein[76] wollten haben, so mochten sye dy swester laden, sollt dy abbt[issin] keyner daz abschlagen, sunder der geladen ein gespyln[77] zugeben, dy mit ir außen sollt essen und sye darnoch wider heym belaytet[78]. Dißen eingang[79] het man zu sant Katerina schun angefangen, was eyn groß ein- und außlauffen, frw[80] und spet, also daz auch der lutterisch prediger zum spital, der Thomas, mit andern gutten geselln seine clayder verendert het und in daz closter kumen was und mit den jungen swestern ungeistlich geschympft und etlich angemut, sy sollten im dy ee verheyssen. Alß er nun wider herauß was kumen, het er vill unzuchtiger und unwarhafftiger ding von den armen swestern gesagt, der sye in nye gedacht hetten. Do hetten sy dem rot uber in geclagt, daz hetten etlich herrn, dy auf unßer seytten sind, nemlich herr Merthen Geuder, herr Jheronimus Holczschucher und herr Jacob Muffel groß zu herzen genumen und getrewlich gearbeyt, daz dy eingeng in dy frawencloster abgetriben wurden; hetten unter andern dingen in dem rot gesprochen: Lieben herrn, was wollt ir euch zeichen[81], daz ir euch selber dy große schandt wollt anthun, ir habt ewr pludt und flaysch, ewr kinder und dochter, ewr swester, mumen und paßen vill in den clostern; soll denn einem itlichen puben gegunt werden, do auß und einzugen; kundt ir selbs ermeßen, was darauß entspringen mocht, es wirt on sundt und schandt und ergerung nit ergen; es wern mer offener gemeyner hewßer denn closter wern. Dyselben herrn hetten das gesichtfenster furgeschlagen, dann sye achten, es wer uns mynder beschwerlich, das wir dazselb eyn zeit lang annemen, denn daz wir den einganck musten leyden.
Darumb ryetten uns dy gutten freunt, wir sollten den herrn willfarn, daz wir ein gesichtfenster lyeßen machen, so man doch dasselb woll mit zucht und eren und gutter bescheydenheit mocht prauchen, aber mit der claydung sollt wir uns der weyll nemen, dann man versech sich, es wurd eyn mittel in dazselb kumen und was daz dy sach: Dy frawen zu Bildenreut[82] hetten sich gar hoch beschwert irs ordens clayd hynzulegen, het ir schafferin Magdalena Kerssin irn pruder herrn Cristoff Kressen, der dozumall eyn pundtsherr[83] was, gepetten, er sollt ir beholfen sein, das sy ir kutlein mochten anbehallten, der het zu den rotherrn gesprochen: Ich hab mein swester geheyßen, hab sye nit genung an einer kutten, das sy 3 ubereinander anleg, ich will sehen, wer irs wern woll oder ir dy abzichen. Do meynent man, wen sys behyellten, so wurd wir der sach auch genyßen, wenn wir anders all eintrechtiglich auf einer meynung verharenten.
Darnach am samstag der h[eiligen] tryfalltigkeit obent, do entpot herr Jheronimus Ebner und unßer pfleger herr Caspar Nuczel irn tochtern pey uns, Katerina Ebnerin und Clara Nuczlin, nochdem ein e[rber] rot uns gepotten het unßere clayder zu verendern, torfften sy sich nit anders clayden, dann sye wollten sy auf dy kunftig wochen holn loßen und sye selber clayden. O, do hub sich angst und not und herczenlayd umb dy armen kind; man kan nit gelauben, was sy von derselben stund an fur ein elende zeit haben gehabt, wywoll sye dennoch imer hoffenten, sye wollten sich erretten.
8. Vier Frauen verlangen den Austritt ihrer Töchter (Kap. 33—34)
Bericht über die Ankunft der Frauen Ebner, Nützel, Tetzel und Fürer, um ihre Töchter aus dem Kloster zu holen – Die Äbtissin verweigert ihnen den Eintritt ins Kloster und teilt ihnen mit, daß die betreffenden Schwestern vorher mit ihren Vätern sprechen wollten – Die Äbtissin will den Frauen jedoch Gelegenheit geben, allein mit ihren Töchtern in der Kapelle zu reden, das lehnen die Frauen aber ab – Sie verleumden die Äbtissin nachher beim Rat – Im Auftrag des Rats kommen Sebald Pfinzing und Endres Imhof und stellen die Äbtissin zur Rede – Sie legt den wirklichen Sachverhalt dar, wodurch die Frauen als Lügnerinnen entlarvt werden
Am montag darnoch kom dy Jheronimus Ebnerin, Caspar Nuczlin, Fryderich Teczlin, Sigmundt Furerin auf einem wagen gefarn, wollten mit gewallt herein in das closter. Do ich in das abschlug und in das in keinem weg gestatten wolt, sagten sye, sy hetten dy erlaubtnus von irn herrn und von einem ganzen e[rbern] rot, das sye herein wollten gen als offt sye gelust und gelangt.
Sagt ich: Es wer mir ein anders befolhen von einem e[rbern] rot, dy mir zu hetten gesagt, sye wollten keyn offens closter haben.
Sagten sye: Wen sye schon hereingingen, es wer darumb keyn offen closter.
Sprach ich: Wen ir hereynget, so wollen ander leut auch hereingen, dy kinder ynnen haben, damit wurd das closter geoffent, das will ich mit der hielf des lebentigen gotes nit leyden, dyweyll es mir zugehort.
Do sy sahen, daz ich sye ye nit herein wollt loßen, do wollten sye doch mit gewalt, daz ich in[84] ire kinder in dy kirchen hynauß lyeß gen, das sy frey mit in mochten reden von gocz wort und der sel hayl. Das wollt ich auch nit gestatten.
Sagt ich: Ich het dy kind mit der herrn willen hereingenummen, ich wollt sy on irn willen nit hynauß loßen gen.
Sagten sye: Sy hetten befelh und gewallts genung, wollten wir nit, so musten wir; ich sollt ins[85] neurt[86] kurz sagen, ob ich in[87] ire kinder wider des rots gepot wollt vorhallten, so wollten sye einen gewallt pringen, das ich must sehen, das es ernst wer.
Sprach ich: Dy kind hetten begert irer vetter, das sye vor[88] ir meynung hortten. Wurden sy zornig, sagten, was es ir vetter anging, sye hetten dy kinder getragen und wern in[89] sawr worden, sy westen woll, was sye thetten und weß sy befelh hetten. Item sye frogten, wo dy gesichtfenster wern, dy uns ein e[rber] rot gepotten het zu machen; sye sehen woll, daz wir in allen dingen einem rot widerspenig wern. Sprach ich: Nun wer es nit muglich gewest, daz wirs in der kurzen zeit hetten kunen loßen machen, wir hetten 4 wochen fryst, in den wollt ich eins loßen machen. Sprach die Ebnerin: Sye must eins allein fur sich haben, ee sye ir dochter genungsam im goczwort unterrichtet.
Nach langem gezenck erpot ich mich, ich wollt sye allein mit irn dochtern loßen reden an dem redfenster oder in der capeln an dem fensterlein, do man uns das h[och] w[irdig] sacrament geb oder wo sye sunst wollten. Das wollten sye gar nit thun; sye wern nit sicher in der cappeln, das man in[90] nit zuhoret und zurneten auf das allerhochst, wollten dy kinder nit zu in[91] loßen kumen, sagten mit vill trowortten, sy wollten auf dißmal hynscheyden und wollten gewallts genung pringen, das ichs must innen werden.
Am eritag[92] verclagten sy mich hefftiglich vor einem ganczen rot durch Nyclos Haller, der was ir advocat, wye ich so spyczig, stolz und heftig mit in[93] gehandelt het, wye ich in ire kind mit gewallt wider eins e[rbern] rots befelh vorgehallten het, wy ich sye weder wenig noch vill mit irn kinden het wollen loßen reden, wye ich sye het lyegen[94] heyßen; das kom auß dem, sy verhuben mir, ich lyeß sunst ander frawen in das closter und nennten mir etlich, dy worlich keyn tryt in das closter nye herein sind kumen; sagten, sy wollten mir leut unter dy augen stellen, dy mit irn augen hetten gesehen, das ich dy und dy herein het geloßen. Do ich das mit worheit laugnet, sprach dy Ebnerin, sy west woll, das sye mir alwegen must lyegen[95], ich het irs vor[96] mer gethun. Sprach ich: Ich heyß euch nit lyegen[97], das ist aber ye nit wor. Diß und andere meine wort hetten sye mir hefftig verkert und vill andere poße ding uber mich geclagt.
An demselben tag nach disch schickt man mir 2 rotherrn, Sebolt Pfinczing und Endres Imhof, dy sagten mir das capitel[98], wy mich dy frawen verclagt hetten und wye ein e[rber] so hart uber mich erzurnt wer, das ich ir gepot veracht het und in die kind freffelich vorgehallten het irn eltern, den sy noch dem gotlichen gepot schuldig wern gehorsam zu sein; was auch sunst ein e[rber] rot geordent het, dem wer ich widerspenig, das vertruß dy herrn nit unpillich und wurd mir und dem convent nichs guts darauß erwachßen; ich het dy frawen mit irn kinden nit wollen loßen reden wider alle pilligkeit, darumb wer eins rots entliche[99] meynung und befelh, so dy leut ire kindt nit lenger pey uns wollten wissen, so sollt wir wissen, das dy mutter ire kind des andern tags wollten holn, so sollt ich in[100] dy frey on alles widerreden geben. Das und kein anders, das wollt ein e[rber] rot gehabt haben, es wer halt den kinden lieb oder layd.
Sagt ich in[101], dy sach het sich nit also verloffen, wie einem e[rbern] rot angesagt wer worden; ich het dy frawen zum dickern mal[102] angemut[103], das sye doch mit den kinden selbs redten an dem redfenster oder an dem gesichtfenster in der capeln, des hetten sye nit wollen thun, sunder neurt[104] mit gewallt wollen in das closter gen oder das dy kind hynauß in dy kirchen gen sollten; wer woll wor, ich het mich desselben hynauß- und eingens gewerdt nit auß freffel, sunder auß irm befelh, dann sye ped[105] herrn wern selbs personlich darpey gewest, das uns h[err] Sigmundt Furer zugesagt het an eins [rots] stat, keyn offen closter zu machen, so man denn also auß- und eingen wollt, so wer ye das closter geoffent und wurd pald ein großer einpruch; was man einem thet, wollt daz ander auch haben; hoffet ye, man wurd mir laysten, was mir von eines rots wegen verheyßen wer, auf das wollt ich mich verloßen und mit der hyelf des lebendigen gottes keyn offen closter loßen machen dyweill ich lebet.
Hub doch an und saget in[106] nach worheit, wye alle ding mit den frawen ergangen wern. Hetten sye ein groß wundern daran, sagten es wer einem e[rbern] rot gar vil hefftiger und anders angesagt worden und ich wer worlich hart in keßel gehawt worden, ich sollt neurt[107] gedencken und solt in dy kind nit weytter mit gewallt vorhallten, wenn sys hollten, wir wurden worlich keyn rw haben, dyweyll sye hynen wern; es wurd villeicht dy sach darnoch peßer und wurden wir des teglichen uberlaufs und unrw etwas entladen wern.
Saget ich in[108], wy dy kinder so herzlich begerten, das man in[109] ir 2 vetter heraußhyeß, ee dy mutter widerkomen, das sye doch ir notturft[110] mit in[111] mochten reden. Sprachen sye, es wurd eygentlich nit geschehen, wen sye nun in ir vetter hewßer kömen, wurden sye dennoch zeit genung haben mit irn vettern zu reden.
Pat ich sye zuleczt, das sy einem e[rbern] rot meyn antwurt wider sagten und mich in der unpilligen anclag mit worheit entschuldigten. Das hetten sy getrewlich gethun, do het man den Nicklas Haller gefragt, warumb er einem e[rbern] rot so un geleiche ding fur het pracht; het er gesagt, er het nichs furpracht, denn was im dy weyber hetten gesagt, er het darfur gehabt, sye sagten wor. Also bestunden sye wy dy rincklerin[112].
Kapitel 34
Bericht über die gewaltsame Herausholung der Schwestern Margaret Tetzel, Katharina Ebner und Klara Nützel durch ihre Mütter aus dem Kloster an Fronleichnam des Jahres 1525
Am mitwoch sant Veytsobent, was auch unßers lieben herrn fronleichnamsobent, welchen allerheilligsten tag man weder feyret noch beging noch dy allermynste referencz[113] dem h[och] w[irdigen] sacrament bewyeß, do schickten dy poßen weyber ein stund vor essens zu mir, sy wollten unter essens kumen und dy kinder holn, wollten auch ander leut mit in pringen, daz ich seh, daz sy gewalts genung hetten. Do schickt ich pald auf das rothawß und begeret, daz man mir 2 zeugen schicket, dy pey dißem hendel wern, so sy leut mit in[114] wollten pringen, das auch etlich auf unßer seytten do wern, auf das mich dy weyber nit aber[115] unpillig verclagten als vor. Aber dy armen kinder westen noch nit eygentlich, wenn es geschehen wurd, hetten vill anschleg[116], hofften noch imer, wen es schun an das treffen gyng, sy wollten sich noch erretten, man wurd in[117] wider irn willen keinen solchen gewallt anlegen. Aber do ich sye berufft und in saget, ir mutter wurd sye in der selben stund holn, do fyeln sye all 3 auf das ertrich[118] und schryen, weynten und heulten und hetten solch cleglich geperd, es mocht got im himel erparmt haben. Sye wern gern geflohen und hetten sich verporgen, des wollt ich in[119] nit gestatten, dann wir besorgten, man wurd mit gewallt hereinlauffen und sye an allen ortten suchen und das ungeluck noch großer wern. Desgeleichen weynet und claget der gancz convent, dann es sind frume und geschickte kind gewest, dy sych woll pey uns gehallten haben und sich von herczen und sel ungern von uns schyden.
Dye swester Margret Teczlin was XXIII jar alt und IX jar im h[eiligen] orden gewest; Katerina Ebnerin und C[lara N[üczlin] kamen bed[120] an einem tag in den h[eiligen] orden, theten auch an einem tag profeß auf inventionis sanctae crucis[121], was VI jar gewest, das sy in das closter kumen warn: Katerina Ebnerin was XX jar alt, C[lara N[uczlin] XIX, da man sy hinaußnam. Do theten wyr in[122] mit vil zehern dy weyel[123] und sayl[124] ab und dy weißen rock, legten in[125] hemdlein an und weltlich gurtel und auflegerleyn auf das haubt. Furt ich sy mit etlichen rotswestern in dy cappeln, do warteten wir woll ein gancze stund, piß dy grimigen wolfin gefarn komen auf 2 kamerwegen; dyweyl was daz geschrey unter daz gemeyn volck kumen; dy samelten sych in großer menig[126] als wen man einen armen menschen will außfurn[127]; stund dy gancz gaßen und kirckhof voll, also das dy weyber mit irn wegen kaum auf den kirchhof kundten kumen; do schembten sy sich, daz so vil volcks do was, hetten gern gesehen, das wirs zum hyntern thor im gartten hynauß hetten thun, schickten desselben halben dy 2 herrn Sebolt Pfinczing und Endres Imhof zu mir, dy von einem rot darzu verordent warn, als ich begert het zu gezeugtnus. Do wollt ichs nit thun, ich wollt nit heymlich mit der sach umbgen; sprach, thetten sye recht, so torfften sy sich nit schemen, ich wollt sye an keinem andern ort hynaußgeben denn do ich sye herein het genumen, daz was durch dy cappeln thur.
Also umb dy 11. or[128] komen dy grimigen wollf und wollfin unter meine herczliebe scheflein, gingen in dy kirchen, tryben das volck alles hynauß und spert die kirchen zu, must ich laider des closters thur in der capeln aufsperen, wolten sie ye, ich sollt mit den kinden hynnauß in die kirchen gen. Das wolt ich nit thun, da wolten sie ye, ich solt die kinder mit gewalt allein hynnauß hayßen gen; daz wolt ich auch nit thun; seczt ins haym[129], da wolt ir keins in kein weg uber das tryscheufel[130] hynnauß, paten, die herrn solten fluxs[131] endt geben, dann das volck luff noch imer zu; besorgten sich eins auflaufs. Sprach ich zu den herrn: So get ir herein und redt mit in[132], das sies gern thun, ich kann und will sie nit notten zu dem, das in[133] von sel und hercz wider ist. Also gingen die 2 herrn herein; sprach ich, da stell ich euch meine arme waißlein, wie ir mir gester von rats wegen gepoten habt und befelh sie dem öbersten hirten, der sie mit seinem tewrn plut erlöst hat. Gesegenten an einander[134] mit unzelligen hayßen zechern, fielen die kinder alle 3 umb mich, heulten und schryen und begerten, ich solt sie nit loßen, aber ich kunt in[135] laider nit helfen; ging ich mit den s[western] davon und ließ die armen kindt allein in der capeln und speret die thur der capeln auf den kirchof zu, das nymant in das closter kunt.
Da lieffen die poßen weyber herein als die grymigen wulfin, die Fricz Teczlin mit einer tochter, Jeronimus Ebnerin, Sigmundt Furerin, unßer pflegerin Caspar Nuczlin mit irm pruder Linhart Held, der an des pflegers stat da was und auch des Sebolt Pfinczing sünlein usw. Da hießen die weyber die kinder hynnaußgen mit guten worten, wolten sie es aber nit gütlich thun, so wolten sies mit gewalt hynnauß zerren. Da werten sich die starcken rytterin Cristi mit worten und wercken als vil sie mochten mit großem weynen, schreyen, piten und flehen, aber mynder[136] parmherczigkeit was da denn in der hel[137].
Sprachen dy müter zu den kinden, sie wern in[138] schuldig gehorsam zu sein nach dem gots gepot; sie wolten gehabt haben, das sie hynnaußgingen, dann sie weren darumb da, das sie ir sel auß der hell wolten erloßen, sie seßen dem teuffel in dem rachen, das kunten sy nymer an ir gewyßen erleiden. Schryen die kinder, sie wolten sich von dem frumen heiligen convent nit schayden, sie weren gar nit in der hel, aber wenn sies hynnaußprechten, wurden sies in abgrunt der hel furen, sie wollten ir sel an dem jüngsten tag vor dem strengen richter von in[139] fodern, wiewol sie ir müter werden [!], so weren sie in doch nit schuldig gehorsam zu sein in den dingen, die wider ir sel wern.
Sprach Katerina Ebnerin zu ir mutter: Du pist ein mutter meins flaysch, aber nit meins geist, dann du hast mir mein sel nit geben, darumb pin ich dir nit schuldig gehorsam zu sein in den dingen, die wider mein sel sind. Auß dem und andern machten sie ein groß gespött, sagten, sie wolten die sach vor got wol verantwurten und die sund all auf sich nehmen. Der Heldt hielt die handt auf, das im Clara Nuczlin darein solt schlagen, das er all ir sundt, die sie in der welt wurd thun, auf sein sel wolt nehmen und die am jungsten tag wolt verantwurten.
Kriget[140] ein ytliche muter mit ir dochter, verhyeßen in[141] ein weyl vil und trötten[142] in[143] ein wyel vil. Aber die kindt weynten und schryen unaufhörlich, weret der streyt und zangk ein lange zeit, redet die Katerina Ebnerin so dapfferlich und bestendiglich und beweret alle ire wort mit der heiligen geschrif[!] und fing sie in all iren worten und sagt in[144], wie sie so großlich wider das heilig ewangelium handelten. Es heten darnach die herren draußen gesagt, sie heten all ihr lebtag den menschen geleichen nye gehort, sie het schier die gancze stundt an[145] unterloß geredt, aber kein vergebens wort, sunder so wol bedechtlich, das ein ylichs [!] wort 1 pfund het gewogen [?].
Da nun kein teyl dem andern wolt weichen, die kinder wolten nit gen, so wolten die weltlichen das wort nit haben, das sies mit gewalt angryfen; da tröet in der Heldt und auch die weyber, wenn sie schon yczo nit mit in[146] wolten gen und sie ab musten loßen, so solten sie doch wissen, das sie nit hynnen wolten loßen, kurczumb sie musten hynnaus, es stund kurcz oder lang an, das und kein anders, sie wolten in wol leut schicken, die in[147] starck genug wern, man must in[148] hendt und fuß zusamenpinten und sie hynnaustragen wie die hundt. Aber es half alles nit, die kindt wolten sich nit begeben.
Da schickten die herrn wider nach mir und clagten mir, wie sie so engstig wern, sie westen nit, wie sie all iren dingen thun solten, es wolt kein tayl dem andern weichen; so wer die Katherina E[bnerin] zumol truczig und hefftig, sie heten mit in[149] gefochten, das sie keinen trucken faden an in[150] heten; heten sie den streyt vor[151] gewist, sie wolten nit 30 f[152] genumen haben, das sie darzu kumen wern, es solt sie mit der hilf gotes ir lebtag nymant zu einem solchen schymf[153] mer pringen; sprachen, wenn sie schun yczo darvon ließen, so wurd worhaftig mir und dem convent ein groß ungluck darauß entsten, man wurd uns mit gewalt nit uberfallen und must doch am leczten geschechen; ich solt mit in[154] reden, das sie gingen. Des weret ich mich starck, paten sie mich, ich solt sie doch der gelübt ledig sagen, ob sie villeicht mit der gehorsam verstrickt wern, das sie nit gen dörfften. Sprach ich: Ir habt vor mer[155] von mir gehört, das ich nit gewalt hab aufzuloßen, was got gelobt ist. Begerten sie, ich solt doch wider in die capeln zu in[156] gen, das die frawen sechen[157], das der mangel nit an mir wer, sie wolten mir schucz und schyrm halten, das si mir kein hochmut bewißen. Also ging ich wider in die capeln hynnein mit etlichen s[western]. Da stunden meine arme waißlein unter den grymigen wolfen und strytten von all iren kreften; grust ich die frawen, saget, het in[158] nach gepot des rots ire kindt frey daher gestelt, so sechen[159] sie wol, wie gern sie hynauskomen; begerten sie, ich solt sie der gehorsam ledig zelen. Sprach ich unter andern worten: Lieben kinder, ir wist, was ir got gelobt habt, das ichs nit kann aufloßen, will mich in dazselb gancz nit schlagen, sunder dem almechtigen got befelhen, der wirts zu seiner zeit wol außrichten, aber was ir mir pisher schuldig seyt gewest, will ich euch ledig sagen als vil ich soll und mag, als ich dann heut auch hab gethun, da ich allein pey euch bin gewest. Daran heten die weltlichen ein guts benungen[160], sagten, ich het das mein gethun, begerten nit mer, was got gelobt wer, gelt on daz nit, gelübt wern schun hynn, sie heten nit gewalt gehabt etwaz zu geloben denn in der tauff.
Schryen die 3 kindt als auß einem mundt; wir wolten nit ledig gezelt sein, sunder was wir got gelobt haben, wollen wir mit seiner hilf halten, wenn uns schun die w[irdig] muter aufpütt[161] und aller convent da wer, wolten wir dennoch nit auß, dann wir sind nit schuldig gehorsam zu sein wider unßer profesion[162]. Schrye Margaretha Teczlin: O liebe muter, treibt uns nit von euch! Sprach ich: Liebe kindt! Ir secht, das ich leider euch nit helfen kann, dann der gewalt ist zu groß; solt dann dem convent weytter unglück entspringen, secht irs auch nit gern; ich hof wir wöllen darumb nit geschyden sein, sunder wider zusamen kumen und ewiglich pey unßerm treuen hirten beleiben, dem befilh ich euch, der euch mit seinem teuren plut erlost hat.
Sprach Katherina Ebnerin: Da stee ich und will nit weichen, kein mensch soll mich vermugen hynnaußzugen, zeucht man mich aber mit gewalt hynnauß, solß doch mein will nymer ewiglich sein, wils got im himel und aller welt auf erden clagen. Als pald sie das gesprach, nom sie der Held unter die armen, fing sie an zu ziechen und zerren. Da lief ich davon mit den s[western], möcht des jamers nit sechen, etlich s[western] belieben vor der capelnthür; die horten das groß zancken, zerren und schleppen mit großem schreyen und weynen der kinder. Heten je 4 menschen an ir eyner gezogen, 2 foren[163] gezogen, 2 hynnten geschoben, also das das Ebnerlein und Teczelein auf dem tryscheuffel[164] aufeinander zu hauffen wern gefallen, het man dem armen Teczelein schier[165] einen fuß abgetretten, stunden die pößen weyber da und gesegnenten ir döchter hynnauß in aller rytten[166] nomen.
Dröet die Ebnerin ir dochter, wolt sie nit furpaß gen, so wolt sies die stiegen auf dem predigstul hynnabstoßen; da sies kaum hinnabpracht, tröt sie ir, sie wolts wider die erden werffen, das sie wider aufprallen müst. Da sies nun mit vil schelten und fluchen in die kirchen prachten, da hub sich erst ein ungeleublich schreyen, clagen und weynen, ee sie in[167] den heiligen orden[168] abryßen und in weltliche klaider anlegten, sie fürten aber die kutten mit in[169] haym. Das geschrey und gefecht hörenten die s[western] alles inn dem kor und auch die weltlichen leut, die vor der kirchen stunden, die sich gesamelten heten in einer solchen menig[170] als wenn man einen armen menschen zu dem tödt fürt.
Da man sie nun auf die wogen[171] wolt seczen vor der kirchen, wurd aber[172] großer jamer, ruften die armen kindt mit lauter stym zu den leuten und clagten in[173], sie lieden gewalt und unrecht, das man sie mit gewalt auß dem closter gezogen het. Die Clara Nuczlin het laut gesprochen: O, du schune muter gotes, du waist, das es mein will nit ist. Da man sie nun hynnfüret, waren ytlichen kamerwagen vil hundert puben und ander leut nachgeloffen, heten unsere kinder imer laut geschryen und geweynnt, het die Ebnerin ir Ketherlein[174] in den mundt geschlagen, das es angefangen het zu pluten den ganczen weg auß und auß. Da nun ytlicher wagen fur ir vaterhauß wer kumen, heten sie ein neus schreyen und lauts weynen angehebt, das die leut groß mitleiden mit in heten gehabt; auch landsknecht, die mit in geloffen warn, heten gesagt, wann sie nit eins auflaufs besorgten und die statknecht, die auch da waren, so wolten sie mit dem schwert dareingeschlagen haben und den armen kinden geholfen. Vor des Ebners thür am obsmark was das Keterlein[175] abgestigen, het die hendt ob dem kopff zusamengeschlagen und aber mit großem weynen den leuten geclagt, wie im gewalt und unrecht geschech wider seinen willen, das die öbserin[176] schier all mit im geweynt heten.
Wie es den armen kinden unter den grymigen wolffen darnach weytter ist gangen, kunen wir nit wisen, denn das man uns am fierten tag darnoch saget: die Clara Nüczlin het noch keinen pyßen in der welt geeßen, so [?] weyneten die andern on alles aufhörn, sie haben ye allen irn fleyß gethun, des gib ich in gezeugnus vor got und den menschen; so haben sie dem convent nye nichs poß nochgeredt, sunder alwegen, wo man sie angeloßen het, das pest von uns gesagt und groß senen und belangen wider in ir closter gehabt. Got helf uns mit freuden wider zusamen! Wir haben uns ye mit großem herczelaidt geschyden. Wir heten worlich einen betrübten unser berrn fronleichnamsabent; der convent ging erst nachmittag gen disch.
Anmerkungen
Quelle: Die Denkwürdigkeiten der Äbtissin Caritas Pirckheimer, herausgegeben von Frumentius Renner. St. Ottilien: EOS Verlag, 1982, S. 1–2, 8–13, 73–84.