Kurzbeschreibung

Mit ihrem neuen Jugendprogramm appellierte die SED an den Idealismus der jungen Leute, die bereits in der DDR geboren wurden, und experimentierte mit dem Versprechen, ihnen mehr Freiraum bei der Wahl ihres eigenen Lebensstils zu lassen, solange sie sich dem allgemeinen Ziel des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaft verpflichtet fühlen.

Das neue Jugendprogramm der kommunistischen Partei (21. September 1963)

Quelle

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Welchen Sinn hat unser Leben?

Jeder junge Mensch stellt sich früher oder später die Frage: „Welchen Sinn hat mein Leben?“ Jeder junge Mensch möchte glücklich leben. Die meisten jungen Menschen haben den Wunsch, einen geachteten Platz unter ihren Mitmenschen einzunehmen. Sie träumen davon, etwas Großes zu vollbringen. Ob diese Wünsche allerdings in Erfüllung gehen, hängt nicht nur vom jungen Menschen selbst ab, sondern auch von der Zeit, in die er hineingeboren ist, von der Gesellschaftsordnung, in der er lebt und arbeitet, von den Menschen, mit denen er zusammenlebt, sowie vom Charakter des Staates, dessen Bürger er ist.

Die heutige Jugend lebt in einer Zeit, die selber jung ist. Im Zeitalter des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus und zum Kommunismus auf der ganzen Welt. Alles ist in diesen Tagen, Wochen, Monaten, Jahren und Jahrzehnten im Umbruch begriffen. Die Welt des Krieges, der Ausbeutung, der Konkurrenz und der Käuflichkeit verliert immer mehr an Boden. Hingegen entwickelt sich immer kräftiger die neue Welt des Friedens, der sozialen Gerechtigkeit, der Freiheit, der gegenseitigen Hilfe und kameradschaftlichen Zusammenarbeit. Sie gewinnt ständig an Boden und meistert mit immer größerem Erfolg ihre eigenen Entwicklungsprobleme. In der Welt des Sozialismus und Kommunismus wird der Mensch immer mehr zum Herrn seiner eigenen Verhältnisse und stellt in zunehmendem Maße Naturkräfte in seine Dienste.

Vor den Augen der jungen Generation von heute, unter ihrer tätigen Mitwirkung vollzieht sich der von Marx und Engels vorhergesagte Übergang des Menschen aus dem Reich der blinden Notwendigkeit in das Reich der Freiheit!

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Amboß oder Hammer sein?

Die heutige Jugend ist nicht nur in eine Zeit des Umbruchs, sondern auch in eine Zeit der Entscheidung hineingeboren. Denn Frieden, soziale Sicherheit, soziale Gerechtigkeit, Menschlichkeit und wahre Freiheit kommen auch in unserer Zeit nicht von selbst, sondern wollen tagtäglich errungen sein. Natürlich entwickelt sich die Welt gesetzmäßig und unaufhaltsam zum Sozialismus und Kommunismus hin. Doch diese Entwicklung vollzieht sich um so schneller, je mehr jeder junge Mensch in der DDR seine Arbeit heute besser macht als gestern und damit dazu beiträgt, die friedliche Koexistenz zu erzwingen und die große Entwicklung unserer Tage zu beschleunigen.

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Diese tägliche Entscheidung kann Euch niemand abnehmen: Ihr müßt Euch ihr stellen.

Und wenn Euer Leben einen Sinn haben soll, müßt Ihr Euch täglich und stündlich für den Sozialismus entscheiden.

Noch für keine andere Jugend war das Goethe-Wort so gültig wie für Euch: „Du mußt steigen und sinken, Du mußt herrschen und gewinnen, oder dienen und verlieren, leiden oder triumphieren, Amboß oder Hammer sein.“

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Verdient die Jugend unser Vertrauen?

Es gibt in der DDR viele ältere Menschen, die der Jugend vertrauen, sie verstehen und ihr helfen. Manche ältere Bürger der DDR stehen aber der Jugend noch mit Unbehagen und einem gewissen Mißtrauen gegenüber. Sie wissen zwar, daß unsere Jugend anders ist als die Jugend Westdeutschlands. Sie glauben aber, unsere Mädchen und Jungen würden den hohen Anforderungen, die der umfassende Aufbau des Sozialismus an sie stellt, nicht genügen können. Solche Skeptiker beurteilen unsere jungen Arbeiter und Genossenschaftsbauern, unsere jungen Techniker, Ingenieure, Künstler und Wissenschaftler nach äußerlichen Erscheinungen. Sie befassen sich meist nur oberflächlich mit den Problemen der Jugend. Sie gehen mit bürokratischen Methoden an die Jugend heran und wundern sich dann, daß die Arbeit unter der Jugend „kompliziert“ ist. Sie kennen nicht den Hinweis Lenins, daß die Jugend anders zum Sozialismus kommt als ihre Väter. Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands hat mit all denen, die unserer Jugend mißtrauen nichts gemein. Unsere Partei geht von dem Grundsatz aus, daß hohe Anforderungen an junge Menschen zugleich das beste Vertrauen in sie darstellen.

Von Euch, den Mädchen und Jungen in der Deutschen Demokratischen Republik, wird viel verlangt: Gestützt auf die mehr als ein Jahrhundert währende Tradition der deutschen Arbeiterbewegung, getreu dem Rat und den Erfahrungen der Väter, sollt Ihr mithelfen, in der DDR den Staat der deutschen Zukunft zu errichten. Jedem selbständig denkenden jungen Menschen ist es inzwischen klargeworden, daß die Zukunft ganz Deutschlands nur in einer sozialistischen Ordnung liegt.

Die Mädchen und Jungen, die heute gut für die DDR arbeiten, wirken damit zugleich für die ganze Nation!

Wir appellieren an die klugen und fleißigen Jungen und Mädchen, das, was sie selbst, was ihre Mütter und Väter in der DDR geschaffen haben von niemandem in den Schmutz ziehen zu lassen! Dort, wo es noch Mode sein sollte, schlecht von der DDR und ihren Errungenschaften zu sprechen, sollten die jungen Menschen, denen ihre eigene Leistung teuer ist, stets der Wahrheit die Ehre geben und peinlich genau die großen Errungenschaften von den noch vorhandenen Mängeln unterscheiden.

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Wie werden junge Menschen heute zu Sozialisten?

Unsere Jugend ist im allgemeinen schon früh in hohem Maße arbeitsliebend und geistig leistungsfähig. Sie hat ein großes Selbstbewußtsein und strebt nach gerechten Wertmaßstäben, vor denen nichts gelten soll, außer gerechte Leistung. Deshalb hat sie selbst einen großen Leistungswillen, jeder einzelne will etwas gelten, will etwas schaffen, das nicht nur ihm die Achtung und Anerkennung seiner Freunde und der ganzen Gesellschaft einbringt, sondern auch unserer Republik in der Welt Achtung und Anerkennung verschafft. Unsere Jugend ist früher reif und will auch früher ernstgenommen werden, sie ist kritisch und erträgt schlechte Leiter nicht oder nur für kurze Zeit, sie gestaltet ihr Leben im ständigen Kampf um die Meisterung der neuen Produktionsaufgaben und gegen vielfältige Hindernisse, die durch alte Gewohnheiten und ungenügende Kenntnisse entstehen. Sie respektiert den Älteren besonders, wenn er Vorbild im Leben ist und etwas leistet. Dem Alter gebührt Ehre! Damit die Jugend die älteren Menschen aus tiefstem Herzen schätzen kann, sollten die Besten unter ihnen viel mehr Erfahrungen aus ihrem kampferfüllten Leben den Mädchen und Jungen weitergeben. Durch unsere sozialistische Ordnung die der Jugend von früh an alle Möglichkeiten gibt, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und Verantwortung zu übernehmen, hat sie auch früh eigene Erfahrungen und einen starken Willen zur Selbsterziehung.

Jeder junge Mensch soll wissen: Hohe Anforderungen an sich selbst stellen ist die Voraussetzung für schöpferisches Tun. Unter unseren gesellschaftlichen Bedingungen ist jeder Jugendliche selbst im größten Teil für seine Leistungen, seine Charaktereigenschaften und sein Verhalten verantwortlich. Deshalb sucht er nach Vorbildern, nach Menschen, die ihn durch ihr Beispiel zur Nachfolge veranlassen. Unsere Mädchen und Jungen sind wißbegierig und gern bereit, von jedem zu lernen, der sie zu etwas Nützlichem anleiten kann.

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Ideen und Ideale an der Quelle schöpfen!

Die junge Generation von heute fühlt sich auf Grund ihrer Leistungen in der Produktion, ihrer Bildung, ihrer Wahrheitsliebe und ihres Gerechtigkeitssinnes, unter dem Einfluß der sozialistischen Ethik und Moral zu den Ideen des Sozialismus hingezogen. Das heißt jedoch nicht, daß sie „von selbst“ und ohne Widersprüche zum Sozialismus gelangt. Sie kommt auch auf anderen Wegen zur wissenschaftlichen Weltanschauung als die ältere Generation.

Es ist Aufgabe der älteren Generation, der Jugend zur Erkenntnis zu verhelfen, daß nur der Sozialismus ihren Interessen dient. In den jungen Menschen müssen Liebe zur Qualitätsarbeit, zum exakten Lernen und zum sozialistischen Vaterland wachsen – keine blinde Liebe, sondern eine Liebe, die sich auf gründliche Kenntnisse von den Entwicklungsgesetzen der menschlichen Gesellschaft gründet. Nur so bilden sich feste Überzeugungen, die auch in schwierigen Situationen ein richtiger Kompaß sind.

Aber gerade auf diesem wichtigen Gebiet der Überzeugungsarbeit liegt noch manches im Argen. Unsere Jugend wird immer noch in der Schule und auf Versammlungen, vielfach mit Oberflächlichkeit, unbewiesenen Behauptungen und überflüssigen Phrasen traktiert, anstatt sie zum selbständigen, wissenschaftlichen Denken anzuregen und zu befähigen.

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Lernt – Ihr müßt die Verantwortung übernehmen!

Um die Hausherren der nächsten 50 Jahre, um die Bürger des künftigen sozialistischen Deutschlands gut auszubilden, müssen an unser sozialistisches Bildungswesen höhere Anforderungen gestellt werden. Das Niveau des Unterrichts muß steigen, es muß dem wissenschaftlichen Niveau der Zeit entsprechen. Namentlich der Unterricht in Mathematik, Naturwissenschaften und Fremdsprachen muß den Schülern eine noch höhere Bildung als gegenwärtig vermitteln. Besser, gründlicher lernen kann man aber nur, wenn eine mustergültige Ordnung an unseren Schulen einzieht.

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Habt Mut zur Anstrengung des eigenen Denkens

Der umfassende Aufbau des Sozialismus in der DDR braucht hochqualifizierte Fachleute, die selbständig wissenschaftlich lenken, schöpferisch arbeiten, die Kollektive von Menschen sachkundig zu leiten vermögen, die ehrlich, bescheiden und einsatzfreudig sind. Wir brauchen keine mit Thesen und Leitsätzen vollgestopften „Bücherwürmer“, sondern gebildete und vorwärtsdrängende Menschen, die sich nicht scheuen, mitten ins Leben zugreifen, seine Probleme aufzuspüren und ohne Ansehen der Person kämpferisch zu lösen. An unseren Hoch- und Fachschulen wurden in den vergangenen Jahren bereits viele hochqualifizierte und selbständig denkende Fachleute ausgebildet. Doch das reicht nicht aus.

Wir wenden uns gegen Erscheinungen des Schematismus in den Instituten, Hochschulen und Universitäten, die echte wissenschaftliche Leistungen behindern. Wir rufen alle Lehrkräfte auf, die ihnen anvertrauten jungen Menschen zu selbständig denkenden Sozialisten zu erziehen und nicht zuzulassen, daß gute Zensuren von der Festlegung auf eine subjektive Lehrmeinung abhängig gemacht werden.

Höhere Anforderungen auf allen Gebieten, Lehrveranstaltungen, welche die Studenten zum selbständigen Arbeiten und Forschen anregen, Verbindung zur sozialistischen Praxis sind Voraussetzungen, um in den jungen Herzen und Hirnen den prometheischen Drang nach neuer Erkenntnis und schöpferischer Weltveränderung zum Wohle der Menschheit zu entzünden. Das wissenschaftliche Gewissen pflegen heißt, sozialistische Menschen mit Rückgrat zu erziehen, die für ihre Erkenntnisse einstehen und für ihre Pläne kämpfen, die den Streit nicht scheuen, und der Arbeit nicht aus dem Wege gehen. Es ist daher an der Zeit mit Erscheinungen des Formalismus in den Lehrveranstaltungen, Prüfungen und Praktika Schluß zu machen. Studienpläne sind kein Dogma, sondern Anleitungen zur eigenverantwortlichen Bildung und Erziehung.

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Weder Gängeln noch Selbstlauf

Dank der fleißigen Arbeit der werktätigen Menschen hat unsere Jugend heute mehr Freizeit als die Arbeiterjugend der Vergangenheit. Je größeren Raum allerdings die Freizeit im Leben eines jungen Menschen einnimmt, desto wichtiger wird es für ihn sie sinnvoll zu nutzen. Zeit ist ein sehr kostbares Gut. Aber sie ist nicht wiederholbar. Vertane Zeit ist vertanes Leben!

Wir appellieren an alle Mädchen und Jungen:

Nutzt klug eure Zeit!

Ungenutzte Freizeit führt zu Langeweile, Lustlosigkeit, Kraftlosigkeit, Übermut und Überdruß.

Deshalb rufen wir alle Eltern, Erzieher, Meister, Klubhausleiter, FDJ-, Gewerkschafts- und Sportfunktionäre auf, der Jugend vor allem im Wohngebiet in origineller und wirksamer Weise zu helfen ihre Freizeit sinnvoll im eigenen und im Interesse der Gesellschaft zu nutzen.

Diese Hilfe kann jedoch nicht in Gängelei, Zeigefingerheben und Administrieren bestehen. Man kann keinen jungen Menschen zu kulturellen oder sportlichen Veranstaltungen zwingen, zu denen er keine Lust hat. Es kommt vielmehr darauf an, diese Lust und Liebe zu wecken und anzuregen, damit die Jungen und Mädchen ihre Freizeit weitgehend selbst organisieren und verleben.

So wenig wie Gängelei die Jugend zur sinnvollen Freizeitbeschäftigung führen kann, so wenig kann man diese allerdings auch dem Selbstlauf überlassen. Der psychologische Krieg, der aus Westdeutschland und Westberlin gegen unsere Republik geführt wird, geht nämlich gerade darauf hinaus, das Interesse unserer Jugend in ihrer Freizeit zu gewinnen. Die Freizeit ist aber ein wichtiger Teil des sozialistischen Lebens, deshalb sollte auch nicht eine Stunde davon dem Klassengegner überlassen werden. Durch noch interessantere kulturelle und sportliche Veranstaltungen, Vorträge, Streitgespräche usw. ist seinem Einfluß entgegenzuwirken. Das gilt namentlich für die Dörfer.

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In der letzten Zeit gab es viele Diskussionen über bestimmte Tanzformen, hervorgerufen einerseits durch Einflüsse westlicher Unkultur und andererseits durch engstirnige Praktiken gegenüber Jugendlichen. Die Haltung der Partei zu diesen Fragen ist nach wie vor klar und deutlich. Wir betrachten den Tanz als einen legitimen Ausdruck von Lebensfreude und Lebenslust. Manchen Menschen fällt es schwer, den Unterschied zwischen einer Tanzveranstaltung und einer politischen Versammlung zu begreifen. Auf einer politischen Versammlung werden politische Fragen mit Verstand und Leidenschaft erörtert. Dort tritt vor allem der Kopf in Aktion. Auf einer Tanzveranstaltung ist das ein klein wenig anders. Dort bringt man zwar auch den Kopf mit, aber dort äußert man seine Gefühle und Stimmungen nicht in erster Linie durch Reden, sondern durch Bewegungen.

Niemandem fällt es ein, der Jugend vorzuschreiben, sie solle ihre Gefühle und Stimmungen beim Tanz nur im Walzer oder Tangorhythmus ausdrücken. Welchen Takt die Jugend wählt, ist ihr überlassen, Hauptsache, sie bleibt taktvoll!

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Quelle: „Kommuniqué des Politbüros des Zentralkomitees der SED zu Problemen der Jugend in der DDR,“ Neues Deutschland, 21. September 1963. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.