Kurzbeschreibung

Der 40. Jahrestag der Gründung der DDR gab Erich Honecker Anlass, die glorreichen Errungenschaften des Sozialismus – wie zum Beispiel die steigende Wirtschaftsproduktion, die Ausweitung des Sozialstaats und die Bewahrung des Friedens – zu feiern. Dies geschah genau zu jenem Zeitpunkt, an dem die Kritik der Opposition und die Unzufriedenheit der Bevölkerung sein Regime bereits zum Wanken brachten.

Erich Honecker verteidigt die Erfolge des Sozialismus anlässlich des 40. Jahrestags der DDR (6. Oktober 1989)

  • Erich Honecker

Quelle

Liebe Freunde und Genossen!
Verehrte ausländische Gäste!
Meine Damen und Herren des diplomatischen Korps!

Vor 40 Jahren wurde der erste sozialistische Staat auf deutschem Boden, die Deutsche Demokratische Republik, gegründet. Jeder, der das Glück hatte, an diesem historisch bedeutsamen Ereignis beteiligt zu sein, denkt nicht ohne Bewegung an die Tage zurück, in denen die Arbeiter und Bauern im Bunde mit der Intelligenz und allen Werktätigen im wahrsten Sinne des Wortes ihre Macht errichteten. Im Westen, wo das Potsdamer Abkommen mit Füßen getreten wurde, war, ohne das Volk zu fragen, ein Separatstaat entstanden. Dort wurde die Restauration der alten Gesellschaft in Gang gesetzt, der Aufbau der neuen Wehrmacht mit den alten Generalen für die NATO vorbereitet. Die Vergangenheit blieb unbewältigt. Heute ist klarer denn je: Die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik, die durch die Volksbewegung für Einheit und gerechten Frieden zustande kam und deren Verfassungsentwurf bereits in allen Zonen auf breiter Basis diskutiert wurde, war geradezu eine geschichtliche Notwendigkeit.

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Unsere Republik gehört heute zu den zehn leistungsfähigsten Industrienationen der Welt, zu den knapp zwei Dutzend Ländern mit dem höchsten Lebensstandard. Und vergessen wir dabei nicht, daß der Wohlstand hierzulande weder aus der Erde sprudelt noch auf Kosten anderer erreicht wurde. Die DDR ist das Werk von Millionen, von mehreren Generationen, die in harter Arbeit ihren Arbeiter-und-Bauern-Staat aufgebaut haben, einen Staat mit moderner Industrie und Landwirtschaft, mit einem sozialistischen Bildungswesen, mit aufblühender Wissenschaft und Kultur. Schließlich – die DDR, eine Weltnation im Sport. Mit unseren Händen und Köpfen haben wir das zuwege gebracht, unter Führung der Partei der Arbeiterklasse. Nichts, aber auch gar nichts wurde uns geschenkt oder ist uns in den Schoß gefallen. Zudem waren hier nicht nur mehr Trümmer wegzuräumen als westlich der Elbe und Werra, sondern auch noch die Steine, die uns von dort in den Weg gelegt wurden. Heute ist die DDR ein Vorposten des Friedens und des Sozialismus in Europa. Dies zu keiner Zeit zu verkennen, bewahrt uns, sollte aber auch unsere Feinde vor Fehleinschätzungen bewahren.

Wie die Sowjetunion, die uns befreit hat, wie die Volksrepublik China, die in diesen Tagen ebenfalls ihr 40. Gründungsjubiläum beging, wie Volkspolen und die ČSSR, wie die anderen sozialistischen Länder wird die DDR die Schwelle zum Jahr 2000 mit der Gewißheit überschreiten, daß dem Sozialismus die Zukunft gehört. Der Sozialismus ist eine junge Gesellschaft, gleichwohl übt er einen großen Einfluß auf die internationale Entwicklung aus. Er hat gesellschaftlich Bedeutendes vollbracht und wird dies auch fortan tun. Seine Existenz gibt nicht nur unserem Volk neue Hoffnung, sondern der ganzen Menschheit.

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40 Jahre DDR – das waren 40 Jahre heroische Arbeit, 40 Jahre erfolgreicher Kampf für den Aufstieg unserer sozialistischen Republik, für das Wohl des Volkes. Auch weiterhin wird das so sein. Wichtig ist, daß die führende Partei unserer Gesellschaft, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, in Vorbereitung ihres XII. Parteitages die eigenen Reihen weiter festigt, sich noch enger mit der Arbeiterklasse verbindet, den Genossenschaftsbauern, der Intelligenz, dem gesamten Volk. Wir werden auch weiterhin im Sinne der Erkenntnis von Karl Marx handeln, daß es darauf ankommt, die Welt nicht nur zu interpretieren, sondern sie zu verändern. Wir werden unsere Republik in der Gemeinschaft der sozialistischen Länder, durch unsere Politik der Kontinuität und Erneuerung auch künftig in den Farben der DDR verändern. Die Ziele sind im Programm unserer Partei niedergelegt. Es geht um die weitere Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft.

Selbstverständlich ist dies kein Vorhaben, das binnen kurzer Zeit und nach fertigen Rezepten, ohne unablässige Suche nach den jeweils zweckmäßigsten Lösungen zu bewältigen wäre. Es handelt sich vielmehr um einen historischen, einen langfristigen Prozeß tiefgreifender Wandlungen und Reformen in allen Bereichen. Dadurch erlangt der Sozialismus als reale Alternative zum Kapitalismus eine ständig höhere Stufe, wirken seine Vorzüge um so nachhaltiger auf das Leben der Menschen. Sie selbst sind, bei aktiver Beteiligung an allen gesellschaftlichen Belangen nach unserem Grundsatz „arbeite mit, plane mit, regiere mit“ die Schöpfer ihrer Gegenwart und Zukunft. Soviel steht fest, für uns gilt die in der Gründerzeit der DDR geprägte Losung: Vorwärts immer, rückwärts nimmer.

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Ein Vergleich der DDR von heute mit der DDR von 1949 spricht für sich selbst. Eindrucksvoll tritt der große revolutionäre Umgestaltungsprozeß zutage, der hier auf deutschem Boden vollzogen wurde und in dem sich die Fähigkeit der Arbeiterklasse und ihrer Bündnispartner erwies, die Macht auszuüben. Die vertrauensvolle, kameradschaftliche Zusammenarbeit der SED, der anderen Parteien und Massenorganisationen im Demokratischen Block und in der Nationalen Front der DDR bewährte sich als eine unserem Land gemäße Form der demokratischen Einbeziehung aller gesellschaftlichen Kräfte. So gelang es auch, eine Vielzahl von Wandlungen zu realisieren – die Bodenreform, die Überführung der entscheidenden Betriebe in Volkseigentum, die Schulreform, das Gesetz über die örtlichen Volksvertretungen, die Industriepreisreformen, die Strukturveränderungen in der Volkswirtschaft.

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In 40 Jahren entwickelte sich bei uns eine Wirtschaft von moderner Struktur und großer Leistungskraft. Dynamik und wachsende Effektivität sind für sie kennzeichnend. 1989 werden 279 Milliarden Mark Nationaleinkommen erzeugt, elfmal soviel wie 1949. Auf das Zehneinhalbfache stieg die Arbeitsproduktivität. In der Industrie erhöhte sich die Produktion in diesem Zeitraum sogar auf das Achtzehnfache. Die Bauproduktion ist fast in einem Monat so hoch wie im gesamten Jahr 1949. Nahezu verdoppelt hat sich die Pflanzenproduktion unserer Landwirtschaft, und die Erzeugung von Schlachtvieh stieg auf das Achtfache. Der tägliche Umsatz an Industriewaren für die Bevölkerung ist heute dreizehneinhalbmal so groß wie vor 40 Jahren.

Überblicken wir die jüngste Vergangenheit, so können sich unsere Ergebnisse ebenfalls sehen lassen. Das Nationaleinkommen stieg im Durchschnitt der achtziger Jahre, dank der Arbeit der Werktätigen, jährlich um vier Prozent, eine auch international beachtete Rate. Angesichts der starken Veränderungen auf dem Weltmarkt, einer immer härteren Konkurrenz konnten wir uns behaupten. Das ist eine Tatsache, die für sich selbst spricht, wenn wir auch keinesfalls übersehen dürfen, daß uns der rasche Wandel von Wissenschaft und Technik in der Welt vor eine noch größere Herausforderung stellt. Wir haben diese Herausforderung angenommen. Es bleibt dabei: Unser Arbeitsplatz ist ein Kampfplatz für Frieden und Volkswohlstand.

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Die modernen Technologien stärken unser wirtschaftliches Potential und bieten zugleich für viele Werktätige ein interessantes Feld schöpferischer Arbeit und persönlicher Entfaltung. Das gilt insbesondere für die junge Generation. Gehört es nicht überhaupt zu den größten Errungenschaften unserer Republik, daß ausnahmslos alle jungen Leute eine Zukunft haben, daß sie nicht auf der Straße stehen müssen, ohne Ausbildung bleiben, an der Drogennadel hängen oder gar ohne Dach über dem Kopf dahinvegetieren müssen? „Der Jugend Vertrauen und Verantwortung“, das ist unsere, die bessere Welt. Wer nach Sinnerfüllung im Leben strebt, der wird den faulen Zauber, der da drüben glänzt, schnell als das erkennen, was er ist.

Sich in der modernen Produktion dem Wettlauf mit der Zeit zu stellen, verlangt viel Kraft, heißt Risiko, auch vor Fehlern ist man auf Neuland manchmal nicht gefeit. Es geht mit Strukturveränderungen und Anspannungen einher, doch wo in der Welt würde sich die Bewältigung der wissenschaftlich-technischen Revolution reibungslos vollziehen. Unsere Probleme allerdings lösen wir selbst, mit unseren sozialistischen Mitteln. Ratschläge, die zur Schwächung des Sozialismus führen sollen, fruchten bei uns nicht. Massenarbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, soziale Unsicherheit, welche die moderne Technik in der BRD begleiten, gibt es bei uns weder heute noch in Zukunft. Es ist eine Pervertierung der Menschenrechte, wenn ein Drittel, ein Viertel oder welcher Teil der Gesellschaft auch immer ins Abseits gestellt, ausgegrenzt wird. Die wissenschaftlich-technische Revolution vollzieht sich bei uns in sozialer Sicherheit, ist, um mit Karl Marx zu sprechen, eine der Springquellen des gesellschaftlichen Reichtums.

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So haben wir in unserer Sozialpolitik Prioritäten gesetzt, die dem Wesen unseres Arbeiter-und-Bauern-Staates entsprechen. Auf die Befriedigung der grundlegenden Bedürfnisse der Menschen wurden die Mittel konzentriert. Gewiß, alles zur gleichen Zeit läßt sich nicht lösen, denn wie jeder weiß, kann man die Mark nur einmal ausgeben. Mit weiter steigenden Leistungen wachsen auch hier unsere Möglichkeiten.

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Eine feste Grundlage unserer ökonomischen Strategie ist die immer tiefere Zusammenarbeit mit der Sowjetunion und den anderen Ländern des RGW. Bei meinen Treffen mit unserem Freund und Genossen Michail Gorbatschow wurden in den letzten Jahren die Möglichkeiten der Arbeitsteilung und Kooperation immer tiefer ausgelotet und entsprechende praktische Schritte eingeleitet. So können wir verzeichnen, daß sich gerade im Bereich der Hochtechnologie, der von so großer Zukunftsbedeutung ist, gegenwärtig ein engeres und effektiveres Zusammenwirken entwickelt hat als jemals zuvor. Das erfüllt uns mit Freude.

Die Zusammenarbeit mit der Sowjetunion geht einher mit millionenfachen Begegnungen zwischen den Bürgern beider Länder. Wer erinnert sich nicht jener faszinierenden Begegnung der „besonderen Art“ im Jahre 1978 zwischen Sigmund Jähn und Waleri Bykowski im Orbit? Dank unserer Freundschaft war der erste Deutsche im All eben ein Bürger der DDR. Auch dieses Ereignis darf im Rückblick auf 40 Jahre DDR nicht fehlen.

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Auf der Grundlage steigender ökonomischer Leistungen werden wir unsere Sozialpolitik fortführen, wobei der Wohnungsbau ein erstrangiges Anliegen ist. Zugleich gilt es, dem sich differenzierter entwickelnden Bedarf an Konsumgütern und Dienstleistungen mehr Augenmerk zu widmen. Selbstverständlich nehmen bei all diesen Schritten Handwerk und Gewerbe ihren Platz ein und werden gefördert.

Jeder hat in der DDR seinen Platz, unabhängig von Weltanschauung und Religion. Der Sozialismus bietet mit seinem humanistischen Anliegen Raum für die Entfaltung jeder Persönlichkeit. So ist auch jeder angesprochen, an unseren gemeinsamen Vorhaben zum Wohle des Volkes schöpferisch mitzuarbeiten.

Die Entwicklung der Deutschen Demokratischen Republik war stets begleitet von einem reichhaltigen geistig-kulturellen Leben. Durch den Bau zahlreicher Kulturstätten wurden dafür weitere bedeutende Möglichkeiten geschaffen. Es ist unser Wunsch und unsere Überzeugung, daß die Kulturschaffenden ihr Talent, ihr Können und die ihnen gebotenen gesellschaftlichen Möglichkeiten noch aktiver nutzen, um das geistige Leben der Menschen, inspiriert durch große humanistische Ideale, zu bereichern und die Werte des Sozialismus zu vermitteln.

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40 Jahre DDR, die einen völlig neuen Abschnitt in der Geschichte unseres Volkes markieren, haben zugleich auf einprägsamste Weise die Notwendigkeit, aber auch die Kostbarkeit eines dauerhaften Friedens zu Bewußtsein gebracht. Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen, dieses Bekenntnis entspricht einer entscheidenden Lehre aus der Vergangenheit. Es wurde bei uns zur Staatspolitik. Wir haben es allem obenan gesetzt, was wir bisher taten und weiterhin tun werden, damit die sozialistische DDR gut gedeiht und die Familie der europäischen Völker in Sicherheit und Eintracht leben kann. Zuverlässig erfüllt unser Land seine Verantwortung im Zentrum des Kontinents, an der Trennlinie zwischen den beiden Bündnissystemen.

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Die zügellose Verleumdungskampagne, die derzeit, international koordiniert, gegen die DDR geführt wird, zielt darauf ab, Menschen zu verwirren und Zweifel in die Kraft und die Vorzüge des Sozialismus zu säen. Dies kann uns nur darin bestärken, auch in Zukunft alles zu tun für ein friedliches europäisches Haus. Das Zusammenleben und die Zusammenarbeit der Staaten verschiedener sozialer Ordnung in einem solchen Haus sollen sich gut entfalten. Dafür besteht in der Schlußakte von Helsinki sowie den anderen KSZE-Dokumenten eine solide Grundlage. Wir werden aber niemandem gestatten, diese Vereinbarungen zur Destabilisierung des Sozialismus zu mißbrauchen. Strikte Achtung der Souveränität, der territorialen Integrität, der Unabhängigkeit, der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten sind unverzichtbar.

Die Deutsche Demokratische Republik hat ihren Weg mit Ergebnissen zurückgelegt, die unser Volk im Wissen um seine Kraft, um den Wert aller Mühen beim Aufbau eines neuen, eines menschenwürdigen, eines sinnerfüllten Lebens bestärken. Sozialismus und Frieden sind und bleiben die Schlüsselworte für das bisher Vollbrachte wie für das, was künftig zu leisten sein wird. Wir gehen es mit Tatkraft und Zuversicht an. Auch im fünften Jahrzehnt wird der sozialistische Staat der Arbeiter und Bauern auf deutschem Boden durch sein Handeln zum Wohle des Volkes, durch seinen Beitrag zu Frieden, Sicherheit und internationaler Zusammenarbeit ständig neu beweisen, daß seine Gründung im Oktober 1949 ein Wendepunkt war – in der Geschichte des deutschen Volkes und Europas.

Es lebe der 40. Jahrestag der Deutschen Demokratischen Republik!

Quelle: „Der Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzende des Staatsrats der DDR Erich Honecker auf der Festveranstaltung zum 40. Jahrestag der Gründung der DDR in Ost-Berlin“, Neues Deutschland, 6. Oktober 1989. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.