Quelle
Das Zentralkomitee der SED, der Staatsrat und der Ministerrat zur Intervention in der ČSSR
Wie durch Rundfunk und Fernsehen bekannt geworden, haben dem Sozialismus treu ergebene Persönlichkeiten der Partei und des Staates der ČSSR am 20. August offen den Kampf zum Schutz der sozialistischen Staatsordnung, gegen die konterrevolutionären Umtriebe aufgenommen. Dies wurde notwendig, nachdem durch einen verschärften Rechtskurs einer Gruppe in der Führung der KPČ und die erhöhte Aktivität der antisozialistischen Kräfte eine akute politische Krise in der ČSSR ausgelöst worden war.
Diese Persönlichkeiten der Partei und des Staates der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik haben sich am 21. August an die Regierungen der mit der ČSSR verbündeten sozialistischen Staaten der Volksrepublik Bulgarien, der Deutschen Demokratischen Republik, der Volksrepublik Polen, der Ungarischen Volksrepublik und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken mit der Bitte gewandt, in Anbetracht der durch die Wühlarbeit der konterrevolutionären Elemente und der Einmischungsbestrebungen der imperialistischen Mächte entstandenen Gefahr, dem tschechoslowakischen Brudervolk und Bruderstaat unverzüglich jegliche Hilfe, einschließlich militärischer Hilfe, zu erweisen. Entsprechend den abgeschlossenen Verträgen über Freundschaft, gegenseitigen Beistand und Zusammenarbeit haben die Ministerräte der sozialistischen Bruderländer diesem Ersuchen entsprochen.
Die Bürger der DDR hatten aufgeatmet, als sich im Ergebnis der bedeutsamen Beratung der kommunistischen und Arbeiterparteien sozialistischer Länder in Bratislava die Aussicht eröffnete, daß die dem Sozialismus feindlichen Kräfte in der ČSSR zurückgedrängt werden und ihnen die gebührende Niederlage bereitet wird. Bei den Beratungen in Cierna-nad-Tisou und in Bratislava hatte die Delegation der KPČ mit den Vertretern der Bruderparteien feste Vereinbarungen getroffen, um gemäß den Prinzipien des Marxismus-Leninismus und des sozialistischen Internationalismus und im Sinne der gemeinsamen Erklärung wirkungsvoll den Schutz der sozialistischen Errungenschaften des tschechischen und des slowakischen Volkes zu gewährleisten. Die Delegation der KPČ hatte sich verpflichtet, unverzüglich die politische Leitung von Presse, Rundfunk und Fernsehen im Geiste des Sozialismus zu sichern, ohne Verzögerung ein Gesetz zur Unterbindung der Tätigkeit der antisozialistischen Parteien, Klubs und Organisationen zu erlassen sowie auch die notwendigen Garantien für einen konsequenten, den Lebensinteressen der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik dienenden Kurs in der Partei- und Staatsführung zu schaffen.
Die Teilnehmer der Beratung von Bratislava hatten gehofft, daß diese Verpflichtungen ohne Verzögerung verwirklicht werden. Leider hat eine Gruppe im Präsidium des ZK der KPČ mit A. Dubcek an der Spitze die Durchführung der eingegangenen Vereinbarungen nicht nur nicht in Angriff genommen, sondern hat nach Bratislava ihren Rechtskurs verstärkt. Dadurch wurden die antisozialistischen Elemente ermutigt. Die genannte Gruppe verheimlichte die getroffenen Vereinbarungen vor den Mitgliedern der KPČ und vor dem tschechoslowakischen Volk. Sie heuchelte öffentlich Zustimmung zu den Beschlüssen von Bratislava, ließ aber gleichzeitig zu, daß die antisozialistischen Kräfte eine heimtückische Kampagne gegen die Ergebnisse der Beratung von Bratislava führten. Die Delegation der SED hat bei den Besprechungen in Karlovy Vary auf der konsequenten Verwirklichung der Erklärung von Bratislava bestanden. Doch die Delegation der KPČ hat es hartnäckig abgelehnt, die Vereinbarungen der Beratung von Bratislava zu verwirklichen, die auf den Kampf gegen die antisozialistischen und konterrevolutionären Kräfte sowie gegen alle Erscheinungsformen der bürgerlichen Ideologie gerichtet sind.
Der Plan der antisozialistischen Gruppierungen und Klubs bestand darin, die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei zu zersetzen und kampfunfähig zu machen, um auf diese Weise den Weg für das von ihnen erstrebte Ziel freizubekommen: den Sturz des Sozialismus unter Errichtung eines auf die imperialistischen Westmächte orientierten staatskapitalistischen Regimes in der Tschechoslowakei. Dies alles sollte sich unter der sozialdemokratischen Losung eines „demokratischen Sozialismus“ vollziehen. Das ist übrigens nichts Neues. Seit der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution haben die imperialistischen Kräfte in verschiedenen Ländern gerade den den Völkern teuer gewordenen Begriff Sozialismus wiederholt mißbraucht, um die Revolution, den Sozialismus und die Demokratie zu erwürgen.
Für jeden Bürger der DDR wird beim Blick auf die Landkarte verständlich, daß für unsere Republik und für die anderen sozialistischen Bruderländer eine unerträgliche Lage geschaffen worden wäre, wenn die insbesondere vom westdeutschen Imperialismus inspirierten antisozialistischen Kräfte vom Süden, also von unserer Flanke her, ihre konterrevolutionäre Tätigkeit hätten betreiben können.
Im Interesse ihrer Sicherheit, im Interesse der Völker und des Weltfriedens konnten und durften die sozialistischen Bruderländer nicht zulassen, daß die ČSSR aus der Gemeinschaft der sozialistischen Staaten herausgebrochen wird. Indem die Regierungen unserer Länder dem dringenden Hilfeersuchen der tschechoslowakischen Patrioten und Internationalisten unverzüglich Folge leisten, geben sie ein leuchtendes Beispiel des sozialistischen Internationalismus, verwirklichen sie mit all ihnen zu Gebote stehenden Kräften die feierliche Verpflichtung der Erklärung von Bratislava, wonach die Unterstützung, die Festigung und der Schutz der sozialistischen Errungenschaften der Völker die gemeinsame internationale Pflicht aller sozialistischen Staaten ist. […]
Quelle: „Das Zentralkomitee der SED, der Staatsrat und der Ministerrat zur Intervention in der ČSSR“, Neues Deutschland, 21. August 1968. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.