Kurzbeschreibung

Die Tötung eines unbeteiligten Zuschauers namens Benno Ohnesorg bei einer Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien schockierte und empörte die Berliner Studenten, denn die Brutalität auf Seiten der Polizei, die verzerrende Berichterstattung der Medien und die fehlende Sensibilität des sozialdemokratischen Bürgermeisters schienen die Unterdrückungsmethoden „des Systems“ zu beweisen.

Flugblatt der sozialistischen Studentenschaft anlässlich des Todes von Benno Ohnesorg (3. Juni 1967)

  • Königliche Regierung, Abtheilung des Innern Arnsberg

Quelle

Flugblatt des Sozialdemokratischen Hochschulbundes, Berlin: „Student erschlagen“

Gestern Abend erschlugen Berliner Polizisten den Studenten der FU, Benno Ohnesorg, 26 Jahre alt. Er befand sich unter den deutschen und persischen Demonstranten, die sich gegen den Besuch des Schah von Persien empörten. Der Repräsentant unserer Stadt, der Regierende Bürgermeister Heinrich Albertz, rechtfertigte am Samstagmorgen in einer Presseerklärung das brutale Vorgehen der Berliner Polizei. Er versuchte, den Totschlag an Benno Ohnesorg den Demonstranten anzulasten.

Tatsache ist:

Die Vorfälle vor der Deutschen Oper haben gezeigt, daß entgegen der Darstellung des Regierenden Bürgermeisters die Polizei schwere Zusammenstöße provozierte. Polizeikommandos stürzten Demonstranten von einem Bauzaun. Dann zerrten sie einzelne über die Absperrungen und schlugen sie vor den Augen der übrigen zusammen. Die Polizisten weigerten sich, die Karten mit ihren Dienstnummern auszuhändigen.

Erst nach diesen Zusammenstößen wurden die Demonstranten aufgefordert, die Bismarckstraße und die angrenzende Krumme Straße zu räumen. Zugleich wurden Wasserwerfer eingesetzt. Versprengte Studenten und Jugendliche wurden von Stoßtrupps in Zivil und Uniform in Hauseingänge und Hinterhöfe abgedrängt und auf brutalste Weise niedergeknüppelt. Bei einer dieser Aktionen wurde Benno Ohnesorg tödlich verletzt.

Die Demonstranten sammelten sich noch einmal auf dem Kurfürstendamm. Dort versuchte die Polizei, die Bevölkerung gegen die Demonstranten zu mobilisieren. Die Polizei verbreitete über Lautsprecher die Falschmeldung, ein Polizist sei von Demonstranten erstochen worden.

Soweit nur einige Tatsachen über die Polizeiaktion am Abend des 2. Juni.

Wir stellen fest:

Die Polizeiaktion zielte darauf ab, einzelne Demonstranten zur Abschreckung zusammenzuschlagen. Als die Prügelei begann, ging es nicht darum, den Schah zu schützen – er war bereits in der Oper.

Es ist unwahr, daß Demonstranten die Polizei mit Steinwürfen angegriffen haben. Vielmehr mußten sie sich gegen wahllos prügelnde Polizeiketten regelrecht verteidigen. Solche paramilitärischen Aktionen der Polizei sind aber gegen Würfe von Tomaten und Eiern, die den Schah wegen der großen Entfernung gar nicht treffen konnten, in keiner Weise angemessen.

Es ist unwahr, daß Benno Ohnesorg ein ‚Rädelsführer‘ war. Er hatte zum erstenmal an einer Protestdemonstration teilgenommen.

Soweit ist es gekommen!

Der Repräsentant unserer Stadt, ein Sozialdemokrat, empfängt mit Riesenaufwand einen Diktator, dem Folterung und Mord an Hunderten von Politikern, Journalisten, Studenten und Arbeitern nachgewiesen wurde. Ihr Verbrechen war: Einsatz für Freiheit, Demokratie und soziale Gerechtigkeit. Berliner Polizisten erschlugen den Studenten Benno Ohnesorg. Sein Verbrechen war: Demonstration gegen diesen Diktator. Der Regierende Bürgermeister, ein Sozialdemokrat, feiert die Unterdrückung in Persien, verurteilt die Demonstration und rechtfertigt einen Totschlag.

Heinrich Albertz hat sich nicht nur als Politiker als unfähig erwiesen und disqualifiziert, er hat auch als Mensch völlig versagt, als er offensichtlich in Unkenntnis der Tatsachen eine unglaublich zynische Erklärung abgab.

Der Sozialdemokratische Hochschulbund fordert den Rücktritt derjenigen, die für die Polizeischlägerei politisch verantwortlich zu machen sind.

Quelle: Flugblatt des Sozialdemokratischen Hochschulbundes, Berlin: „Student erschlagen“; abgedruckt in: Jürgen Miermeister und Jochen Staadt, Hrsg., Provokationen. Die Studenten- und Jugendrevolte in ihren Flugblättern 1865–1971. Darmstadt, 1980, S. 97–98; auch abgedruckt in Karl A. Otto, Hg., Die APO. Die Außerparlamentarische Opposition in Quellen und Dokumenten 1960–1970. Köln, 1989, S. 174–75.