Quelle
Richtlinie zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge (OV)
Die weitere Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft in der DDR, die allseitige Stärkung der sozialistischen Staatengemeinschaft, die weitere Durchsetzung der Prinzipien der friedlichen Koexistenz und der Kampf um die Erhaltung und Sicherung des Friedens erfolgen in harter Klassenauseinandersetzung mit dem Imperialismus.
Der zuverlässige Schutz der gesellschaftlichen Entwicklung und die allseitige Gewährleistung der inneren Sicherheit der DDR erfordern vom Ministerium für Staatssicherheit die zielstrebige, konzentrierte und schwerpunktmäßige vorbeugende Verhinderung, Aufdeckung und Bekämpfung aller subversiven Angriffe des Feindes.
Eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Lösung dieser Hauptaufgabe ist die ständige Qualifizierung der Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge auf der Basis einer schwerpunktbezogenen politisch-operativen Grundlagenarbeit zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung im jeweiligen Verantwortungsbereich.
Mit der zielstrebigen Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge ist vor allem vorbeugend ein Wirksamwerden feindlich-negativer Kräfte zu unterbinden, das Eintreten möglicher Schäden, Gefahren oder anderer schwerwiegender Folgen feindlich-negativer Handlungen zu verhindern und damit ein wesentlicher Beitrag zur kontinuierlichen Durchsetzung der Politik der Partei- und Staatsführung zu leisten.
Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben ihre Führungs- und Leitungstätigkeit auf die Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge zu konzentrieren und zu gewährleisten, daß die operativen Kräfte und Mittel, insbesondere die IM und GMS, zur Lösung dieser Aufgaben konzentriert eingesetzt und entwickelt werden. Durch die Leiter aller Leitungsebenen sind alle Möglichkeiten zur zielgerichteten politisch-ideologischen Erziehung der operativen Mitarbeiter und zu ihrer tschekistischen Befähigung für eine qualifizierte Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge zu nutzen.
[…]
Bei der Führungs- und Leitungstätigkeit zur Qualifizierung der Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge, bei der Vorbereitung und Durchführung aller darauf gerichteten politisch-operativen Maßnahmen sowie bei der Führung der Vorgangsakten sind die Festlegungen über die Gewährleistung von Konspiration und Geheimhaltung konsequent durchzusetzen.
1. Die zielstrebige Entwicklung Operativer Vorgänge
1.1 Die systematische, schwerpunktbezogene Erarbeitung von Ausgangsmaterialien für
Operative Vorgänge mit hoher sicherheitspolitischer Bedeutung
Zur Verwirklichung der dem MfS von der Partei- und Staatsführung gestellten Aufgaben hat die Entwicklung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge vor allem zur Sicherung politisch-operativer Schwerpunktbereiche und zur Bearbeitung politisch-operativer Schwerpunkte zu erfolgen. Das schließt ein, wenn Hinweise auf feindlich-negative Handlungen außerhalb bisher erkannter politisch-operativer Schwerpunktbereiche bekannt werden, diese ebenfalls zielstrebig zu Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge zu entwickeln bzw. anderweitig zu klären. Es ist zu gewährleisten, daß alle Hinweise auf feindlich-negative Handlungen rechtzeitig erkannt und konzentriert bearbeitet werden.
Die Leiter haben zu gewährleisten, daß Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge vor allem dort entwickelt werden, wo
-- durch feindliche Angriffe die größten Gefahren für die
innere Sicherheit der DDR hervorgerufen werden können;
-- der
Feind nach unseren Erkenntnissen mit hoher Wahrscheinlichkeit
angreifen wird und bedeutende Schäden herbeiführen kann;
--
feindlich-negative Handlungen, Einflüsse und Gefahren sowie
andere, die gesellschaftliche Entwicklung störende und hemmende
Erscheinungen offensiv zu bekämpfen sind;
-- begünstigende
Bedingungen und Umstände für die Schädigung der DDR bzw. den
Mißbrauch, die Ausnutzung und die Einbeziehung von Bürgern der DDR
in die Feindtätigkeit vorbeugend zu beseitigen sind.
Die systematische Entwicklung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge erfordert die gründliche und allseitige politisch-operative Durchdringung der politisch-operativen Schwerpunktbereiche. Sie hat folgenden Anforderungen gerecht zu werden:
1. Die umfassende Vertiefung der Kenntnisse über die sicherheitspolitische Bedeutung der politisch-operativen Schwerpunktbereiche, insbesondere hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Erfüllung der von der Partei- und Staatsführung gestellten Aufgaben und der in der Vergangenheit gegen die politisch-operativen Schwerpunktbereiche gerichteten feindlichen Angriffe bzw. aufgetretenen feindlich-negativen Handlungen.
2. Die Herausarbeitung der Bereiche, Prozesse, Personenkreise und Personen, die innerhalb des politisch-operativen Schwerpunktbereiches bedeutenden Einfluß auf die planmäßige Realisierung der gesellschaftlichen Schwerpunktaufgaben haben, zu denen operativ bedeutsame Hinweise vorliegen und die aus anderen Gründen im Mittelpunkt zu erwartender feindlicher Angriffe stehen.
3. Die Gewährleistung einer ständigen Übersicht über alle im politisch-operativen Schwerpunktbereich vorhandenen operativen Materialien, Personenkontrollakten, Operativen Vorgänge sowie anderen mit dem politisch-operativen Schwerpunktbereich im Zusammenhang stehenden politisch-operativen Arbeitsergebnisse, insbesondere die Ergebnisse der Klärung der Frage „Wer ist wer?“ im politisch-operativen Schwerpunktbereich, und deren exakte Analyse.
Der Einsatz der IM und GMS ist bei der politisch-operativen Durchdringung der politisch-operativen Schwerpunktbereiche zu konzentrieren auf das Erkennen und Herausarbeiten von
-- Hinweisen auf feindlich-negative Handlungen;
--
Personen bzw. Personenkreisen in den politisch-operativen
Schwerpunktbereichen, auf die sich der Feind konzentriert und über
die er seine Pläne, Absichten und Maßnahmen durchzusetzen
versucht, und Möglichkeiten des Feindes (Wege, Verbindungen,
Kontakte), auf diese Personenkreise Einfluß zu nehmen und wirksam
zu werden;
-- begünstigenden Bedingungen und Umständen für
die Durchführung und Verschleierung feindlich-negativer
Handlungen;
-- imperialistischen Geheimdiensten und anderen
feindlichen Zentren, Organisationen und Kräften, die gegen den
politisch-operativen Schwerpunktbereich wirksam werden;
--
Bereichen, Prozessen, Personenkreisen und Personen im
politisch-operativen Schwerpunktbereich, die für die
Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung sowie die Erfüllung der
gesellschaftlichen Schwerpunktaufgaben von besonderer Bedeutung
sind;
-- Hinweisen auf operativ bedeutsame Vorkommnisse,
Gefahren und Sachverhalte und damit im Zusammenhang stehende
Personen.
Auf der Grundlage der dabei erarbeiteten Informationen haben die Leiter der operativen Diensteinheiten den unterstellten Leitern und operativen Mitarbeitern konkret vorzugeben,
-- welche Bereiche, Prozesse, Personenkreise und Personen, die
innerhalb des politisch-operativen Schwerpunktbereiches
bedeutenden Einfluß auf die Erfüllung der gesellschaftlichen
Schwerpunktaufgaben haben, durch den konzentrierten Einsatz der
operativen Kräfte und Mittel langfristig und kontinuierlich zu
sichern sind;
-- wo und wann vorrangig Ausgangsmaterialien
über welche Personen oder Sachverhalte zur Abwehr
feindlich-negativer Handlungen zu entwickeln sind;
-- wo und
wann bei Vorliegen von Hinweisen auf die Planung, Vorbereitung und
Durchführung von Terror- oder Diversionsverbrechen, von
staatsfeindlichem Menschenhandel, ungesetzlichem Verlassen der
DDR, Gewaltverbrechen sowie schweren Militärstraftaten das
Einleiten von Sofortmaßnahmen zu deren rechtzeitigen Verhinderung
notwendig ist;
-- auf der Grundlage welcher bereits
verdichteter und überprüfter Ausgangsmaterialien ein Operativer
Vorgang anzulegen ist;
-- wo, wann und wie Informationen an
andere Staats- und wirtschaftsleitende Organe, Betriebe, Kombinate
und Einrichtungen sowie gesellschaftliche Organisationen und
Kräfte zur Einleitung wirksamer vorbeugender Maßnahmen zu
übergeben sind.
Die erforderlichen politisch-operativen Aufgaben und Maßnahmen zur Entwicklung Operativer Vorgänge sind entsprechend der Richtlinie Nr. 1/70 in die Arbeitspläne der Diensteinheiten aufzunehmen.
Für die Schaffung von Voraussetzungen zur Entwicklung von Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge ist eine auf die politisch-operativen Schwerpunktbereiche bezogene ständige analytische Einschätzung (Bestandsaufnahme) der Wirksamkeit der operativen Kräfte und Mittel, insbesondere der IM und GMS, vorzunehmen. Dabei ist vorrangig zu erarbeiten:
-- welche IM und GMS zur zielstrebigen Entwicklung von
Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge zur Verfügung
stehen;
-- mit welchen Aufträgen die IM und GMS bisher
eingesetzt wurden, welche Möglichkeiten vorhanden sind und welche
politisch-operativen Ergebnisse bisher durch die IM und GMS
erzielt wurden;
-- welcher konkrete Stand bei der planmäßigen
Qualifizierung der IM und GMS zur Entwicklung von
Ausgangsmaterialien für Operative Vorgänge erreicht wurde.
Die Leiter der operativen Diensteinheiten haben auf der Grundlage dieser Einschätzungen festzulegen,
-- wie die operativen Kräfte und Mittel, insbesondere die IM
und GMS, zur vorbeugenden Verhinderung und Aufdeckung von
feindlich-negativen Handlungen einzusetzen sind;
-- welche
Maßnahmen zur weiteren Qualifizierung und Profilierung der IM und
GMS eingeleitet werden müssen;
-- wie bestehende Lücken bei
der Sicherung der politisch-operativen Schwerpunktbereiche,
insbesondere durch zielgerichtete Gewinnung geeigneter IM und GMS,
zu schließen sind;
-- wie vorhandene Möglichkeiten für die
Entwicklung Operativer Vorgänge zu erschließen sind,
Diese Festlegungen sind in die Arbeitspläne und die Bearbeitungskonzeptionen für die politisch-operativen Schwerpunktbereiche aufzunehmen und haben die erforderlichen Verantwortlichkeiten und Termine zu enthalten.
[…]
Quelle: Richtlinie Nr. 1/76 zur Entwicklung und Bearbeitung Operativer Vorgänge (OV) (GVS MfS 008-100/76); abgedruckt in David Gill und Ulrich Schröter, Das Ministerium für Staatssicherheit: Anatomie des Mielke-Imperiums. Berlin: Rowohlt, 1991, S. 349–52.