Kurzbeschreibung

Christian Wilhelm von Dohm (1751–1820), der sich als preußischer Diplomat und in weiteren administrativen Positionen hervortat, erlangte mit diesem Aufsatz, welcher großen Einfluss auf den sich herausbildenden politischen Prozess der jüdischen Emanzipation, sowohl in Deutschland als auch andernorts ausübte, europaweit Ruhm. Ausgehend von den aufklärerischen Standpunkten des universalistischen Naturrechts und religiöser Tolerierung, focht Dohms Aufsatz die damals gängigen anti-jüdischen Vorurteile an, indem er die negativen Lebensbedingungen herausstellte, unter welchen die Juden lange Zeit zu leben gezwungen waren. Dohm argumentierte, dass eine Öffnung der Landwirtschaft und besonders des Handwerks für die Juden den Auswirkungen entgegenarbeiten würde, die ihre Überkonzentration in den Bereichen des Handels und der Finanzen hervorrief. Da er keine negativen Reaktionen in der christlichen Beamtenschaft hervorrufen wollte, warnte Dohm aber davor, umgehend Stellen im Staatsdienst für jüdische Bewerber freizugeben. Obwohl er die Anpassung der Juden an die christliche Gesellschaft vorausahnte, glaubte er dennoch nicht, dass die jüdische Religion gänzlich aussterben würde.

Christian Wilhelm von Dohm, Über die bürgerliche Verbesserung der Juden (1781)

  • Christian Wilhelm von Dohm

Quelle

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Das grosse und edle Geschäft der Regierung ist, die ausschliessenden Grundsätze aller dieser verschiednen Gesellschaften so zu mildern, daß sie der grossen Verbindung, die sie alle umfaßt, nicht nachtheilig werden, daß jede dieser Trennungen nur den Wetteifer und die Thätigkeit wecken, nicht Abneigung und Entfernung hervorbringen, und daß sie sich alle in der grossen Harmonie des Staats auflösen. Sie erlaube jeder dieser besondern Verbindungen ihren Stolz, auch sogar ihre nicht schädliche Vorurtheile; aber sie bemühe sich jedem Gliede noch mehr Liebe für den Staat einzuflössen, und sie hat ihre grosse Absicht erreicht, wenn der Edelmann, der Bauer, der Gelehrte, der Handwerker, der Christ und der Jude noch mehr als alles dieses, Bürger ist. So trennete in den grossen Staaten des Alterthums kein Glaube an verschiedne Götter, die Bürger, denen das Vaterland das Liebste von allem war; und so kämpfen itzt am andern Ufer des Weltmeers Catholiken, Episcopalen und Puritaner für den neuen Staat, der sie alle vereinen soll, und für Freiheit und Rechte, die sie alle geniessen wollen. Und so sehn wir auch schon in einigen europäischen Landen die Bürger für das Glück dieses Lebens harmonisch vereint, wenn sie gleich das Glück des künftigen auf verschiednen Wegen suchen. Wenn also auch wirklich in dem Glauben der itzigen Juden einige Grundsätze enthalten seyn sollten, die sie zu sehr in ihre besondre Verbindung einschlössen, und zu ausschliessend von den übrigen Gliedern der grossen bürgerlichen Gesellschaft trennten; so würde dieses doch immer nicht, so lange ihre Gebote nur nicht denen der allgemeinen Sittlichkeit widersprechen, und ungesellige Laster billigen, die Verfolgung derselben rechtfertigen, die nur dienen kann, sie in ihren Gesinnungen noch mehr zu befestigen. Das einzige Geschäft der Regierung hiebey müßte seyn, zuförderst jene Grundsätze, oder vielmehr nur jene Folgerungen aus religiösen Grundsätzen und ihren würklichen Einfluß in die Handlungen, genau zu kennen. Und dann müßte sie sich bemühen, diesen Einstuß dadurch zu schwächen, daß sie die allgemeine Aufklärung der Nation und ihre von der Religion unabhängige Sittlichkeit, und die Verfeinerung ihrer Empfindungen beförderte. Vorzüglich aber würde der Genuß der bürgerlichen Glückseligkeit in einem wohlgeordneten Staat, und der so lange versagten Freiheit, die ungeselligen Religionsgesinnungen verschenchen. Der Jude ist noch mehr Mensch als Jude, und wie wäre es möglich, daß er einen Staat nicht lieben sollte, in dem er ein freyes Eigenthum erwerben, und desselben frey geniessen könnte, wo seine Abgaben nicht grösser als die andrer Vürger wären, und wo auch von ihm Ehre und Achtung erworben werden könnte? Warum sollte er Menschen hassen, die keine kränkende Vorrechte mehr von ihm scheiden, mit denen er gleiche Rechte und gleiche Pflichten hätte? Die Neuheit dieses Glücks, und leider! die Wahrscheinlichkeit, daß man es ihm noch nicht so bald in allen Staaten bewilligen werde; würden es dem Juden nur noch desto kostbarer machen, und schon die Dankbarkeit müßte ihn zum patriotischen Bürger bilden. Et würde das Vaterland mit der Zärtlichkeit eines bisher verkannten und nur nach langer Verbannung in die kindlichen Rechte eingesetzten Sohns ansehen; Diese menschlichen Gefühle würden in seinem Herzen lauter reden, als die sophistische Folgerungen seiner Rabbinen.

Wenn die Kenntniß der menschlichen Natur uns versichert, daß Verbindungen dieses Lebens stärker wirken, als die, welche sich auf das künftige beziehen; so beweiset uns auch die Geschichte, daß die Güte der Regierung und der Wohlstand, den sie unpartheylsch ihre Unterthanen geniessen läßt, den Einfluß der Religionsgrundsätze schwächt, und die gegenseitige Abneigung tödtet, die nur durch Verfolgung genährt wird. Der Glaube der Quäcker scheint Lehren zu enthalten, die offenbar den Grundsätzen der gemeinschaftlichen Verbindung im Staate zuwider sind, und seine Anhänger unfähig zu machen, sich als gute Bürger zu betragen. Die Vertheidigung des Staats gegen Angriffe, die seiner Erhaltung drohn, ist eine der ersten Pflichten jedes Gliedes der bürgerlichen Gesellschaft; der Quäcker sagt sich von derselben los, und behauptet keinen Beweggrund zu kennen, der ihm den Krieg erlaubte. Der Eyd scheint eine der wesentlichsten Stützen zu seyn, die der Staat von der Religion erwartet, nur durch ihn, glaubt man, kann die Treue der Unterthanen gesichert, und oft der Streit über das Leben und die Güter derselben unwiderrufbar entschieden werden; der Quäcker weigert sich ihn abzulegen. Er widersetzt sich ohnedem den allgemein eingeführten Gesetzen des Wohlstandes, und macht seine Trennung durch besondere Gebräuche und ein auszeichnendes Aeusseres noch auffallender: und doch sind die Quäcker und Mennonisten in allen Staaten, wo man sie aufgenommen, als sehr gute und nützliche Bürger bekannt. Der Catholick scheint durch seine Lehre noch mehr wie alle andre Glaubensgenossen, zu ausschliessenden Gesinnungen berechtigt, da er diese für die einzige durchaus nothwendige Bedingung der Seeligkeit hält, und die Ausbreitung dieser Lehre ihm zur Pflicht gemacht ist, und doch ist er in England, Holland, Preussen und Rußland ein sehr guter und patriotischer Bürger; eben so ist es der Lutheraner im Elsaß, der Reformirte und Socinianer in Siebenbürgen. Die Mohamedaner waren es ehmals in Spanien, ehe sie ein unerleuchteter Religionseifer verbannte, und sind es noch itzt in den österreichischen und rußischen Staaten. Auch die Juden waren im römischen Reich unter den heidnischen und ersten christlichen Kaisern sehr gute Unterthanen, welches ihnen das Recht nach eignen Gesetzen zu leben, und andere vorzügliche Freyheiten erwarb. Und so wenig sie auch bisher noch in irgend einem unsrer itzigen Staaten des Glücks der Bürger genossen haben; so haben sie doch schon in vielen derselben warme Theilnehmung an dessen Wohl und patriotische Aufopferungen bey Gefahren bewiesen. Gewiß also wird auch der Jude durch seine Religion nicht abgehalten werden, ein guter Bürger zu seyn, sobald ihm nur die Regierung die Rechte desselben angedeihen lassen will. Entweder enthält dieselbe nichts was den Pflichten eines Bürgers widerspricht, oder dieß Widersprechende wird durch sittliche und politische Verfügungen sehr bald aufgehoben werden können.

Vielleicht aber möchte man allen diesen Gründen die allgemeine Erfahrung unsrer Staaten von der politischen Schädlichkeit der Juden entgegensetzen, und das harte Betragen der Regierungen gegen sie damit rechtfertigen wollen, daß der Charakter und Geist dieser Nation nun einmal so unglücklich gebildet sey, und sie deshalb in keine bürgerliche Gesellschaft mit völlig gleichen Rechten aufgenommen werden könten. Man hört in der That diese Behauptung im gemeinen Leben sehr oft, nach welcher den Judert eine so verderbte Gesinnung beygemessen wird, daß nur die einschränkendste und drückendste Verfassung sie unschädlich machen könne. Diesen Unglücklichen, sagt man, ist von ihren Vorfahren, wenn auch nicht durch ihre älteste Lehre, doch durch die mündliche Ueberlieferung und durch die spätre sophistische Folgerungen der Rabbinen, ein so erbitterten Haß gegen alle diejenigen eingeflößt, die nicht zu den Ihrigen gehören, daß sie sich nie gewöhnen können, dieselben als Glieder einer gemeinschaftlichen bürgerlichen Gesellschaft anzusehen, und sich ihnen zu gleichen Pflichten verbindlich zu glauben. Der fanatische Haß, womit die Vorfahren der heutigen Hebräer den ersten Stifter des Christenthums verfolgten, ist noch auf ihre itzige späte Nachkommen gegen alle Bekenner desselben vererbt worden; und die Ausbrüche desselben haben sich oft deutlich gezeigt, wenn sie nicht durch Gewalt zurückgehalten wurden. Besonders ist von jeher unter allen Nationen den Juden, Mangel an Treue und Ehrlichkeit, die wesentlichste Eigenschaft in dem einzig ihnen verstatteten Nahrungsmittel, — dem Handel, schuld gegeben worden. Jede kleine Betrügerey in demselben wird einer Jüdischen Ersindung beygemessen, und die Münze eines Staats ist verdächtig, an welcher die Juden Antheil gehabt oder die oft durch ihre Hände gegangen. Auch hört man an allen Orten, wo man zu duldend die Zahl der Juden sich zu sehr vermehren lassen, die Beschwerde, daß sie die ihnen erlaubten Nahrungszweige fast ganz an sich ziehn, und die Christen neben ihnen nicht aufkommen können. Aus diesem Grunde, fährt man fort, haben die Regierungen fast aller Staaten mit einer Gleichheit der Grundsätze, die schon allein auf ihre Güte schliessen läßt, einschränkende Gesetze für diese Nation nöthig gefunden, und sich gezwungen gesehen, nur bey ihr von der allgemeinen Regel der immer zu vermehrenden Bevölkerung abzuweichen. Sie haben diese dem Wohlstand der übrigen Bürger schädliche Menschen nicht in gleiche Rechte mit denselben einsetzen können, und sich entschliessen müssen, bey den Wenigen, denen sie die Rechte der Menschheit gestatten, ein gewisses Vermögen zur Bedingung zu machen, das schon mehr in der sittlichen Ordnung erhält und von ungeselligen Vergehungen ableitet.

Wenn ich nicht sehr irre, so wird bey diesem Raisonnement der Fehler begangen, daß man für die Ursache angiebt, was vielmehr die Wirkung ist, und daß man das Uebel, welches die bisherige fehlerhafte Politick hervorgebracht hat, zur Rechtfertigung derselben anführt. Ich kann es zugeben, daß die Juden sittlich verdorbner seyn mögen, als andere Nationen; daß sie sich einer verhältnißmäßig größern Zahl von Vergehungen schuldig machen, als die Christen; daß ihr Charakter im Ganzen mehr zu Wucher und Hintergehung im Handel gestimmt, ihr Religionsvorurtheil trennender und ungeselliger sey; aber ich muß hinzusetzen, daß diese einmal vorausgesetzte größre Verdorbenheit der Juden eine nothwendige und natürliche Folge der drückenden Verfassung ist, in der sie sich seit so vielen Jahrhunderten befinden. Eine ruhige und unpartheyische Erwägung wird an der Richtigkeit dieser Behauptung nicht zweiflen lassen.

Der harte und drückende Zustand, in welchem die Juden fast allenthalben leben, würde auch noch eine viel grössere Verderbtheit derselben, als die, welcher man sie mit Wahrheit beschuldigen kann, wenn nicht rechtfertigen, doch erklären. Sehr natürlich wird durch denselben der Geist des Juden, der edeln Gefühle entwöhnt, in den niedern Geschäften des täglichen kümmerlichen Erwerbs versinken. Die mannichfache Arten von Drückung und Verachtung, die er erfährt, müssen natürlich seine Thätigkeit niederschlagen, und jede Empfindung von Ehre in seiner Brust ersticken. Da ihm fast kein ehrliches Mittel sich zu ernähren übrig gelassen, so ist es natürlich, daß er zu Betrug und Hintergehung herabsinkt, zu denen ohnedem der Handel mehr als andre Arten des Erwerbs, zu verführen pflegt. Wie darf man sich wundern, daß der Jude an Gesetze, die ihm kaum das Daseyn verstatten, nur dann sich gebunden glaubt, wenn er sie nicht ungestraft übertreten würde? Wie kann man von ihm willigen Gehorsam und Liebe eines Staats sodern, in dem er sich nur in so weit geduldet sieht, als er im Stande ist, Abgaben zu entrichten? Wie wundert man sich über seinen Haß einer Nation, die ihm so viele und so empfindliche Beweise des ihrigen giebt? Wie kann man Tugend von ihm erwarten, wenn man ihm keine zutrauet? Wie ihm Vergehungen vorwerffen, die man ihn zwingt zu begehen, da man ihm keinen schuldlosen Erwerb gestattet, ihn mit Abgaben unterdrückt und ihm nichts übrig läßt, um für die Erziehung und sittliche Bildung seiner Jugend zu sorgen.

Alles, was man den Juden vorwirft, ist durch die politische Verfassung, in der sie itzt leben, bewirkt, und jede andre Menschengattung, in dieselben Umstände versetzt, würde sich sicher eben derselben Vergehungen schuldig machen. Denn jene übereinstimmende Eigenheiten der Denkart, der Gesinnungen und Leidenschaften, die man bey dem grössern Theil der einzelnen Glieder einer Nation findet, und die man ihren bestimmten Charakter nennt, sind nicht unterscheidende und unabänderliche Eigenschaften einer ihnen eignen Modification der menschlichen Natur; sondern, wie man in unsern Zeiten deutlich anerkannt hat, theils des Himmelsstrichs, der Nahrungsmittel etc. theils und vornehmlich aber der politischen Verfassung, in der sich eine Nation befindet. Wenn also der Jude in Asien von dem in Deutschland verschieden ist, so wird man dieses für eine Folge der verschiednen physischen Situationen ansehen müssen; wenn er aber in Cracau wie in Cadir des Betrugs im Handel etc. angeklagt wird, so muß dieses eine Folge der gleichen Drückung seyn, die er an den entferntesten Enden von Europa erfährt. Die Beschuldigung, daß die itzigen Juden noch mit eben dem schwärmerischen Haß die Christen verabscheuen, mit dem einige ihrer Vorfahren vor achtzehn Jahrhunderten Christum kreuzigten, verdient kaum eine ernsthafte Beantwortung. Nur in dem Zeitalter der Barbarey konnte man die entferntesten Nachkommen in Frankreich und Deutschland noch zur Rechenschaft wegen eines Vergehens ziehn, daß vor so vielen Jahrhunderten an der asiatischen Küste des mittelländischen Meers begangen worden. Freilich hat sich die ungesellige Abneigung der beiden religiösen Gesellschaften, die einen gemeinschaftlichen Ursprung haben, stärker erhalten, als der Philosoph nach einem so langen Zeitraum und bey so fortschreitender Aufklärung vermuthen und wünschen möchte. Aber gerade dieses ist der Fehler der Regierungen, welche die trennenden Grundsätze der Religion nicht weiser zu mildern gewußt, und nicht vermocht haben, in der Brust des Juden und des Christen ein Gefühl des Bürgers anzufachen, das die Vorurtheile beyder längst verzehren müssen. Diese Regierungen waren christliche, und wir können also, wenn wir unpartheyisch seyn wollen, den Vorwurf nicht von uns ablehnen, daß wir zu den ungeselligen Gesinnungen beyder Partheyen das Meiste beygetragen haben. Wir waren immer die herrschenden, uns lag es daher ob, dem Juden menschliche Gefühle dadurch einzuflössen, daß wir ihm Beweise der unsrigen gäben; wir mußten, um ihn von seinen Vorurtheilen gegen uns zu heilen, die eignen zuerst ablegen. Wenn diese also noch itzt den Juden abhalten, ein guter Bürger, ein geselliger Mensch zu seyn, wenn er Abneigung und Haß gegen den Christen fühlt, wenn er sich durch die Gesetze der Redlichkeit gegen ihn nicht so gebunden glaubt; so ist dieß Alles unser Werk. Seine Religion gebietet ihm diese Vergehungen nicht, aber die Vorurtheile, die wir ihm eingeflößt haben, und noch immer bey ihm unterhalten, wirken stärker als die Religion. Wir sind der Vergehungen schuldig, deren wir ihn anklagen; und die sittliche Verderbtheit, in welche diese unglückliche Nation itzt durch eine fehlerhafte Politick versunken ist, kann kein Grund seyn, die fernere Fordauer der letztern zu rechtfertigen. []

Die Juden jedes Staats sind in demselben schon mehr eingebürgert, als Fremde erst nach geraumer Zeit werden können. Sie kennen kein andres Vaterland, als dasjenige, welches sie nun erhalten, und sehnen sich nicht nach einer fernen Heimath. Sie sind keine rohe und verwilderte Zigeuner, keine unwissende und ungesittete Flüchtlinge. Viele unter ihnen in jedem Staat besitzen doch einiges Vermögen, und noch mehrere, vorzügliche Geistesfähigkeiten und Geschicklichkeiten. Wenn es erlaubt ist, von dem grössern Theil einer Nation auf die eigenthümlichen Eigenschaften derselben zu schliessen, so läßt sich sicher nicht leugnen, daß die Juden vorzügliche Klugheit, Scharfsinn, Fleiß, Betriebsamkeit und die biegsame Fähigkeit, in alle Lagen sich zu versetzen, besitzen. Wenn die Juden in wichtigern öffentlichen Geschäften gebraucht worden, ist man fast immer mit ihrem Elfer und ihrem Verstande sehr zufrieden gewesen Ihr Glück im Handel und Fabriken ist bekannt, und sehr oft wird von denen, die es ihnen beneiden, ihrem Betruge zugeschrieben, was doch nur Folge ihrer grössern Aufmerksamkeit und Fleißes war. Wo den Juden die mechanischen Künste und Handwerker verstattet sind, liefern sie gewöhnlich sehr gute Arbeit. Die Drückung, in der sie bisher gelebt, ist Schuld, daß sie in den Wissenschaften und schönen Künsten nicht mehr gethan haben; an Fähigkeit dazu fehlt es ihnen sicher nicht. Die meisten, die sich mit denselben beschäftigt, haben es weit darin gebracht, wenn gleich das Publikum sie nicht, wie einen Moses Mendelssohn und Pinto, kennt. Unter ihren grössern Kaufteuten findet man vielleicht mehr übersehenden Blick und Geschicklichkeit der Combinationen, so wie unter den kleinern und überhaupt ihrem gemeinen Mann, mehr Klugheit und Betriebsamkeit, als unter einer gleichen Zahl Christen. Den moralische Charakter der Juden ist, so wie der aller Menschen, der vollkommensten Ausbildung und des unglücklichsten Verwilderung fähig, und der Einfluß der äussern Lage, wie ich schon bemerkt habe, hiebey nur zu sichtbar. Wenn man indeß zugiebt, daß die Juden in gewisser Absicht sittlich verderbt sind, so muß es doch auch dem unpartheyischen Beobachter einleuchten, daß sie durch manche andre Vorzüge sich desto vortheilhafter auszeichnen. Ich wage es, selbst die standhafte Anhänglichkeit an die ihren Vätern, von der Gottheit selbst verliehene Lehre, dem jüdischen Charakter als einen guten Zug anzurechnen, und ich hoffe hierin die Beystimmung eines Jeden zu erhalten, der nicht von allen andern Menschen verlangt, daß sie mit ihm in den Gesichtspunkt seiner Kindheit eintreten sollen, und der zu sehr an den Vorurtheilen seiner Erziehung klebt, um gegen eben dieselben bey Andern gerecht zu seyn Was dem Christen unwidersprechlich einleuchtend und deutlich scheint, ist für den Juden widersprechend und dunkel; was jener, dieses Blindheit und verstockte Hartnäckigkeit nennt, ist bey ihm standhafte Beharrlichkeit bey dem, was er einmal göttliches Gebot glaubt. Und können wir, wenn wir unpartheyisch richten wollen, ihn tadeln, daß er so lange der Wahrheit, wie er sie erkennt, getreu bleibt, bis ihm das Glück wird, sich von einer höhern überzeugen zu können, ein Glück, das nach der einstimmenden Lehre des Philosophen und des Christen, Niemand sich selbst wirken kann, daß vielmehr, wie dieser lehrt, nur nach einer höhern Leitung verthellet wird. Treue Befolgung der Grundsätze, die man für wahr hält, bestimmt den moralischen Werth eines Menschen, und wer kann es sich versagen, den Juden hochzuachten, den keine Martern bewegen können, zu essen, was er von Gott selbst sich verboten glaubt, und den Nichtswürdigen zu verachten, der nur um niedrigen Vortheils willen von dem ehrwürdigen Glauben seiner Jugend, seinen Verwandten und seinem Volk sich losreißt, und den heiligen Glauben der Christen dadurch entweiht, daß er sich zu ihm bekennt, ohne innere Ueberzeugung seiner göttlichen Wahrheit zu fühlen.

Schon allein diese Anhänglichkeit an den uralten Glauben ihrer Väter giebt dem Charakter der Juden eine Festigkeit, die auch zur Bildung ihrer Moralität überhaupt vortheilhaft ist. Die strenge Beobachtung vieler beschwerlichen Pflichten und Gebräuche nährt zwar von der einen Seite bey ihnen einen gewissen Geist der Kleinigkeiten, macht daß sie in die Beobachtung von Ceremonien zu viel Werth setzen etc. dagegen hält sie aber auch von vielen Vergehungen zurück, und bereitet sie zu genauerer Erfüllung ihrer Pflichten überhaupt vor.

Einen sehr glücklichen Einfluß aber auf die sittliche Bildung der Juden hat die engere Verbindung und die Absonderung, worin theils ihre eigenthümliche Lehre, theils die Drückung sie zu leben zwingt. Das fast gleiche Schicksal hat die Juden so genau mit einander verbunden, daß sie dasselbe mit mehrerem Interesse theilen, als unter einer zahlreichern Nation gewöhnlich ist. An keinem Orte fallen die Armen der Juden dem Staat zur Last, sie werden allein von den Vermögenden versorgt, und die ganze Gemeine nimmt sich der Angelegenheiten des Einzeinen an. Des Glücks des häuslichen Lebens scheinen die Juden mit mehr Simplicität zu geniessen, als es wenigstens in grossen Städten izt gewöhnlich ist. Sie sind meistens gute Ehemänner und Hausväter. Der Luxus ist bey ihnen noch lange nicht so weit gestiegen, als bey den Christen von gleichem Vermögen. Der Ehestand ist bey ihnen unbefleckter, und die Vergehungen der Unkeuschheit, besonders die unnatürlichen Laster, sind bey ihnen weit seltner. Fast nie hat man ein Beyspiel einer von einem Juden begangnen Verrätherey oder Vergehung wider den Staat bemerkt. Sie sind fast allenthalben dem Staate, in dem sie leben, wenn sie nur nicht gar zu sehr gedrückt werden, ergeben, und sie haben oft in Gefahren einen Eifer bewiesen, den man von so wenig begünstigten Gliedern der Gesellschaft nicht erwarten sollen.

Diesen guten Bestandthellen des jüdischen Characters steht die übertriebne Neigung der Nation zu jeder Art von Gewinn, ihre Liebe zum Wucher, zu betrügerischen Vortheilen, entgegen; ein Fehler, der bey vielen noch durch die ausschliessende Religionsgrundsätze und durch rabbinische Sophistereyen, und noch mehr durch die Drückung der Christen und die ihnen eingeflößte Abneigung gegen die Andersdenkende genährt wird. Die Uebertretung der Staatsgesetze welche zu Einschränkung des Handels dienen, Einfuhr oder Ausfuhr verbotuer Waaren, Verfälschung der Münzen und der edlen Metalle, sind natürliche Folgen jenes Fehlers, und fast in allen ntuern Staaten werden die Juden derselben beschuldigt. Aber diese Vergehungen sind, wie ich schon bemerkt habe, nicht eigenthümliche Modisicationen des jüdischen Nationalcharaeters, sondern blos der drückenden Lage, in der sich die Juden izt befinden, beyzumessen, und zum Theil Folgen des Gewerbes, auf das man sie allein eingeschränkt hat. Man findet diese Vergehungen von den Juden nicht bemerkt, da sie noch in ihrem eignen Staat bloß vom Ackerbau sich nährten; auch nicht in jener Zeit, da sie durch das römische Reich zerstreut, in demselben alle Rechte der Menschen und Bürger genossen. Nur erst seit dem Zeitpunkt, da man angefangen ihnen diese zu versagen, und da man sie so unpolitisch gezwungen, sich allein durch den Handel zu nähren, sind Betrug und Wucher als auszeichnende Züge in dem Charakter des Juden immer mehr bemerkt worden.

Jede Art von Beschäftigung und Gewerbe bringt ihre eigenthümliche Wirkungen in der Denkungsart und dem sittlichen Character hervor. Einer der merkwürdigsten Unterschiede dieser Wirkungen liegt darinn, daß manche Arten sich zu nähren einen beständig gleichen und durch den natürlichen Umfang der Beschäftigung bestimmten Gewinn geben, dagegen andere mehr vom Glück abhängig, bald ausnehmende Vortheile anbieten, bald großem Verlust aussetzen. Jene Nahrungswege fodern eine immer gleiche, anhaltende, ruhige Beschäftigung, eine Arbeit, die, wenn sie einmal begriffen ist, den Geist nicht weiter anstrengt, und bloß mechanisch wird, und deren Erfolg fast nie ungewiß ist; diese macht unaufhörliche Bemerkung und Benutzung der Umstände, Speculationen, und Plane in die Zukunft nothwendig. Ihr Erfolg ist fast nie mit Gewisheit vorauszusehn. Der Fleiß allein bestimmt ihn wenig, wenn nicht Scharfsinn und Glück hinzukommen, und letzteres thut oft Alles allein. Diese Unterschiede nebst ihrem Einfluß in den Charakter zeigen sich sehr deutlich in den verschiednen Veschäftigungen des Handwerkers, des Ackerbauers, und des Kaufmanns. Der erste hat die beständig gleiche Beschäftigung, den mäßigen, aber sichern Gewinn, den ich beschrieben habe. Bey den meisten und gemeinsten Handwerken ist die Art und der Umfang der Arbeit so wie des Absatzes, gewöhnlich so genau und gleichförmig bestimmt, daß wenig Abänderungen und Erweiterungen in denselben statt finden. Die meisten Orte haben so viele dieser Werkstätten, als hinreicht sie mit ihren Bedürfnissen zu versorgen, und der hiedurch bewirkte Absatz bringt gerade so viel ein, als der an eine mäßlge Nahrung gewöhnte Handwerker mit seiner Familie bedarf. Dieser Vortheil ist ihm gewiß, und bleibend; so lange sein Fleiß gleich anhaltend fortdauert, hat er weder Verminderung zu fürchten noch Vergrösserung zu hoffen. Nach dieser Einnahme, die der Handwerker so leicht und gewiß übersieht, macht er den kleinen Etat seiner häuslichen Einrichtung mit einer Bestimmtheit, der fast immer der Erfolg zusagt. Er gelangt, wenn er fleißig und gut arbeitet, gewöhnlich bald dahin, bequem und oft nach Verhältniß seines Standes, reichlich und überflüßig zu leben, und nach seinem Tode seinen Kindern ein Vermögen zu hinterlassen, das völlig hinreicht, sich auf gleiche Art zu etabliren, wie ihre Väter, und so entstehn wohlhabende und zuweilen reiche Handwerker-Familien, die sich viele Jahrhunderte hindurch erhalten, bis sie endlich ihr Glück verkennend, sich in einen sogenannten höhern Stand begeben, wo ihr Reichthum nicht mehr Reichthum, ihr Wohlstand nicht modisch ist, dessen Grundsätze sie nicht kennen, und wo oft der Nachkomme so viel reicher Handwerker als ein banquerouter Kaufmann oder ein dürftiger Gelehrter umkommt. In der That ist das Leben des geschickten Handwerkers vielleicht der reinste Genuß, der sich in unsrer bürgerlichen Gesellschaft finden mag. []

Diese Fehler, zu weichen die Beschäftigung des Handels nähere Veranlassungen enthält, müssen sich nun ungleich auffallender und stärker bey den jüdischen als den christlichen Kaufleuten äussern. Die letztern haben meistens bessere Erziehung, mehr Gefühl von Ehre als den erstern ihr Unvermögen und die Drückung ihrer Nation erlauben. Und hiezu kömmt noch der Umstand, daß die christlichen Familien selten einer Art von Beschäftigung durch viele Generationen getreu bleiben, daß also die Grundsätze vieler sich bey ihnen mischen, und eine die andere näher bestimmen und schwächen. Die Juden aber sind nun schon seit so vielen Jahrhunderten gezwungen, nur vom Handel zu leben. Wie darf man sich wundern, daß der Geist dieser Beschäftigung ganz der ihrige geworden ist, und daß er durch die lange Vererbung bey ihnen an Stärke und an fehlerhafter Stimmung des Charakters so viel mehr zugenommen hat? Die Liebe des Gewinns muß bey den Juden viel lebhafter seyn, da dieser Gewinn das einzige Mittel ihrer Erhaltung ist; die kleinen Künste der Uebervortheilung müssen bey ihnen bekannter seyn, da sie so lange geübt worden; Wucher und unbilliger Gewinn müssen von ihnen für erlaubter gehalten werden, da alle Zweige ihres Handels mit so starken Abgaben belegt worden, die von dem ordentlichen Vortheile nicht getragen werden können. Wie nothwendig muß die Seele des jungen Juden ganz darauf gestimmt werden, im Handel zu gewinnen, da er bald bemerkt, daß nur dieses für ihn der Weg ist, zu leben, da seine Eltern, und alle Bekannte seiner Nation keine andere Beschäftigung, keinen reichhaltigern Stoff ihrer Gespräche kennen, als den Handel. Man überdenke, wie nothwendig eine Beschäftigung, die seit mehr als einem Jahrtausend die einzige einer Nation war, ihren Character einseitig bestimmen, und ihre fehlerhafte Eindrücke mit ungeschwächter Kraft ihr mittheilen mußte.

Ist dieses Raisonnement richtig, haben wir in der bisherigen Drückung und in der eingeschränkten Beschäftigung der Juden die wahre Quelle ihrer Verderbtheit gefunden; so haben wir auch zugleich das Mittel entdeckt, diese Verderbtheit zu heilen und die Juden zu bessern Menschen und nützlichen Bürgern zu bilden. Mit der unbilligen und unpolitischen Behandlung der Juden werden auch die üblen Folgen derselben verschwinden, und wenn man aufhört, sie auf eine Art der Beschäftigung zu beschränken, wird auch der nachtheilige Einfluß derselben nicht mehr so merkbar seyn. Mit der Bescheidenheit, ohne die ein Privatmann seine Gedanken über öffentliche Angelegenheiten nie sagen sollte, und mit der sichern Ueberzeugung, daß allgemeine Vorschläge allemal in jedem Staat nach dem besondern Local bestimmt werden müssen, wenn sie nützlich angewandt werden sollen — wage ich es, nun nach dem bisher Gesagten itzt noch genauer meine Ideen anzugeben, wie die Juden glücklichere und bessere Glieder der bürgerlichen Gesellschaften werden könnten.

Um sie dazu zu machen, müßten sie Erstlich vollkommen gleiche Rechte mit allen übrigen Unterthanen erhalten. Sie sind fähig die Pflichten derselben zu erfüllen, und dürfen also auf gleich unpartheyische Liebe und Vorsorge des Staats gerechten Auspruch machen. Keine beschimpfende Unterscheidung müßte ferner geduldet, kein Weg des Erwerbs ihnen gesperrt, keine andre als die gemeinen Auflagen von ihnen gefordert werden. Alle im Staat übliche Abgaben müßten auch von ihnen entrichtet, aber ihre bloße Existenz nicht mit einem Schutzgeld erkauft, die Erlaubniß sich zu nähren nicht besonders bezahlt werden. Es versteht sich, daß nach den gleichen Grundsätzen der Billigkeit auch alle in manchen Staaten itzt bestehende Einrichtungen zum ausschllessenden Vortheil der Juden aufhören müßten, welche nur zuweilen ein abgedrungnes Gefühl des Mitleids hervorgebracht hat, das bey einer gerechten Verfassung nicht mehr statt finden kann. Wenn den Juden kein Weg des Erwerbs mehr verschlossen ist, so wird billig ihnen allein auch keiner vor allen übrigen Bürgern mehr verstattet werden können. Wenn die Regierung gut gefunden, den Zinsfuß festzusetzen, so wird auch der Jude ihn nicht überschreiten und keine andre als die landübliche Interesse nehmen dürfen. Wenn den Privatpersonen überall untersagt, oder nur unter gewissen Bedingungen erlaubt ist, auf Pfänder zu leihen, so werden die Juden gleiche Gesetze beobachten müssen.

Zweitens. Da es besonders die auf den Handel eingeschränkte Beschäftigung der Juden ist, welche ihrem sittlichen und politischen Charakter eine nachtheiliche Richtung gegeben; so würde die vollkommenste Freiheit der Beschäftigungen und Mittel des Erwerbs eben so sehr der Gerechtigkeit als der menschenfreundlichen Politik, die Juden zu brauchbaren und glücklichen Gliedern der Gesellschaft zu bilden, angemessen seyn. Sogar dürfte es zu Erreichung dieses grossen Zwecks dienlich seyn, wenn die Regierung die Juden vorerst von der Beschäftigung des Handels abzuleiten, und den Einfluß desselben dadurch zu schwächen sich bemühte, daß sie ihnen mehrere Veranlassungen und Reitzung gäbe, diejenige Art des Erwerbs vorzuziehn, welche am meisten einen entgegengesetzten Geist und Gesinnungen einzuflössen fähig ist; — ich meyne die Handwerke. Die stillsitzende Lebensart und der ruhige Fleiß, den diese fordern, ist dem unruhigen Umherschweifen des handelnden Juden, dieser ruhiger Genuß des Gegenwärtigen und Zufriedenheit mit Wenigem, seinen Hofnungen von der Zukunft, seiner Begierde nach Gewinn, seinen Rechnungen auf immer schwankende Procente entgegengesetzt. Zugleich wird die harte Arbeit, gröhre und stärkre Nahrung des Handwerkers auch auf seine physische Constitution einen vortheilhaften Einfluß haben; die mechanische Geschicklichkeiten werden neue Fähigkeiten entwickeln; die immer gleiche Arbeit, der mäßige Wohlstand, werden den Hebräer unserm ordentlichen Bürger und Einwohner der Städte mehr nähern. Auch würde der Uebergang zu den Handwerkern noch der leichteste für den grossen Haufen der Juden seyn, da er keine weitere Ausbildung des Verstandes, kein zu beträchtliches Vermögen fordert. Immer also, würde meiner Einsicht nach, die Regierung ihre grosse Absicht am sichersten erreichen, wenn sie vorzüglich die Juden zu Handwerken ermunterte. Mit Recht könnte sie von einem jüdischen Vater, der mehrere Söhne hätte, fordern, daß er einen derselben zum Handwerke bestimmte; könnte verordnen, daß nicht über eine gewisse Zahl jüdischer Kaufleute an einem Orte wohnen, oder daß wenigstens die über dieselbe verstattete eine besondre Abgabe entrichteten, weiche wieder zur Belohnung und Ermunterung angehender geschickter jüdischer Handwerker angewandt werden könnte. []

Neuntens. Sowohl die schriftlichen Gesetze Moses, welche sich nicht auf Palästina und die ehmalige gerichtliche und gottesdienstliche Verfassung beziehn, als die durch mündliche Ueberlieferung erhaltene, werden von den Juden für Gebote Gottes von immerwährender Verbindlichkeit gehalten. Auch verschiedne Erklärungen dieser Gesetze und Argumentationen aus denselben von berühmten jüdischen Lehrern haben bey der Nation ein gesetzliches Anseherhalten. Wenn man ihnen also einen vollkommenen Genuß der Rechte der Menschheit bewilligen will, so ist es nothwendig, ihnen zu erlauben, daß sie nach diesen Gesetzen leben und gerichtet werden. Sie werden hiedurch von den übrigen Bürgern des Staats nicht mehr getrennt, als eine Stadt oder Semeine, welche nach besondern Statuten lebt; und die Erfahrung sowohl in den ersten Zeiten des römischen Reichs als auch in manchen neuern Staaten, hat auch schon gelehrt, daß von der den Juden verstatteten Autonomie gar keine unbequeme oder nachtheilige Folgen zu besorgen sind. Wird es hierbey auch gleich nicht nothwendig erfordert, die Rechtspflege nach diesen Gesetzen durch Richter aus der Nation selbst verwalten zu lassen; so wird doch dieses derselben allemal angenehmer seyn, und auch dadurch manchen Schwierigkeiten begegnet werden, die aus der Unkunde der jüdischen sehr verwickelten und viele hebräische und rabbinische Sprachkenntnisse fordernden Rechtsgelehrsamkeit bey christlichen Richtern entstehn dürften. Es scheint daher zuträglicher zu seyn, wenn man in allen Privatstreitigkeiten der Juden mit Juden ihren eignen Richtern die Erkenntniß in erster Justanz, dabey aber den Juden allenfalls erlaubte, auch bey den ordentlichen christlichen Richtern ihre Klagen anzubringen. Diese aber sowohl als die höhern Instanzen, an welche von der Entscheidung des jüdischen Richters appellirt würde, müßten natürlich nach keinen andern als jüdischen Gesetzen entscheiden, []

Quelle: Christian Wilhelm von Dohm, Über die bürgerliche Verbesserung der Juden (1781). Georg Olms Verlag: Hildesheim und New York, 1973, S. 26–39, 91–100, 107–13, 125–26.