Kurzbeschreibung

Franz II. (1768–1835) war der letzte Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Als er 1792 den Kaiserthron bestieg, geriet er sofort in die Wirren der Französischen Revolution und kurz darauf in den Aufstieg Napoleons und die Napoleonischen Kriege. Nach der Niederlage gegen Napoleon und seine Armeen war Franz II. gezwungen, als Kaiser abzudanken und das Reich aufzulösen. Als politische Einheit hatte das Heilige Römische Reich tausend Jahre lang für Stabilität und Ordnung in Mitteleuropa gesorgt; seine Auflösung war ein Zeichen dafür, dass neue politische Institutionen im Entstehen waren.

Erklärung Sr. Maj. des Kaisers Franz II., woduch er die deutsche Kaiserkrone und das Reichsregiment niederlegt

Quelle

Erklärung Sr. Maj. des Kaisers Franz II., woduch er die deutsche Kaiserkrone und das Reichsregiment niederlegt, die Churfürsten, Fürsten und übrigen Stände, wie auch alle Angehörige und Dienerschaft des deutschen Reiches, ihrer bisherigen Pflichten entbindet[1]; datirt Wien den 6. August 1806.

Wir Franz der Zweite, von Gottes Gnaden erwählter römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs, Erbkaiser von Oesterreich ec., König in Germanien, zu Hungarn, Böhmein, Croatien, Dalmazien, Slavonien, Galizien, Lodomerien und Jerusalem, Erzherzog zu Oesterreich ec.

Nach dem Abschlusse des Preßburger Friedens war Unsere ganze Aufmerksamkeit und Sorgfalt dahin gerichtet, allen Verpflichtungen, die Wir dadurch eingegangen hatten, mit gewohnter Treue und Gewissenhaftigkeit das vollkommenste Genüge zu leisten, und die Segnungen des Friedens Unsern Völkern zu erhalten, die glücklich wieder hergestellten friedlichen Verhältnisse allenthalben zu befestigen, und zu erwarten, ob die durch diesen Frieden herbeigeführten wesentlichen Veränderungen im deutschen Reiche es Uns ferner möglich machen würden, den nach der kaiserlichen Wahlcapitulation Uns als Reichs-Oberhaupt obliegenden schweren Pflichten genug zu thun. Die Folgerungen, welche mehreren Artikeln des Preßburger Friedens gleich nach dessen Bekanntwerdung und bis jetzt gegeben worden, und die allgemein bekannten Ereignisse, welche darauf im deutschen Reiche Statt hatten, haben Uns aber die Ueberzeugung gewährt, daß es unter den eingetretenen Umständen unmöglich seyn werde, die durch den Wahlvertrag eingegangenen Verpflichtungen ferner zu erfüllem: und wenn noch der Fall übrig blieb, daß sich nach fördersamer Beseitigung eingetretener politischer Verwickelungen ein veränderter Stand ergeben dürfte, so hat gleichwohl die am 12. Julius zu Paris unterzeichnete, und seitdem von den betreffenden Theilen begnehmigte, Uebereinkunft mehrerer vorzüglichen Stände zu ihrer gänzlichen Trennung von dem Reiche und ihrer Vereinigung zu einer besondern Conföderation, die gehegte Erwartung vollends vernichtet.

Bei der hierdurch vollendeten Ueberzeugung von der gänzlichen Unmöglichkeit, die Pflichten Unseres kaiserlichen Amtes länger zu erfüllen, sind Wir es Unsern Grundsätzen und Unserer Würde schuldig, auf eine Krone zu verzichten, welche nur so lange Werth in Unsern Augen haben konnte, als Wir dem von Churfürsten, Fürsten und Ständen und übrigen Angehörigen des deutschen Reichs Uns bezeigten Zutrauen zu entsprechen und den übernommenen Obliegenheiten ein Genüge zu leisten im Stande waren.

Wir erklären demnach durch Gegenwärtiges, daß Wir das Band, welches Uns bis jetzt an den Staatskörper des deutschen Reichs gebunden hat, als gelöst ansehen, daß Wir das reichsoberhauptliche Amt und Würde durch die Vereinigung der conföderirten rheinischen Stände als erloschen und Uns dadurch von allen übernommenen Pflichten gegen das deutsche Reich losgezählt betrachten, und die von wegen desselben bis jetzt getragene Kaiserkrone und geführte kaiserliche Regierung, wie hiermit geschieht, niederlegen.

Wir entbinden zugleich Churfürsten, Fürsten und Stände und alle Reichsangehörigen, insonderheit auch die Mitglieder der höchsten Reichsgerichte und die übrige Reichsdienerschaft, von ihren Pflichten, womit sie an Uns, als das gesetzliche Oberhaupt des Reichs, durch die Constitution gebunden waren. Unsere sämmtlichen deutschen Provinzen und Reichsländer zählen Wir dagegen wechselseitig von allen Verpflichtungen, die sie bis jetzt, unter was immer für einem Titel, gegen das deutsche Reich getragen haben, los, und Wir werden selbige in ihrer Vereinigung mit dem ganzen österreichischen Staatskörper, als Kaiser von Oesterreich, unter den wiederhergestellten und bestehenden friedlichen Verhältnissen mit allen Mächten und benachbarten Staaten, zu jener Stufe des Glückes und Wohlstandes zu bringen beflissen seyn, welche das Ziel aller Unserer Wünsche, der Zweck Unserer angelegensten Sorgfalt stets seyn wird.

Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Wien, den sechsten August im eintausend achthundert und sechsten, Unserer Reiche des Römischen und der Erbländischen im fünfzehnten Jahre.

(L.S.) Franz
Johann Philipp Graf von Stadion
Ad Mandatum Sacrae Caesareae ac caes. regiae apost. Maj. Proprium
Hofrath von Hudelist.

Anmerkungen

[1] Aus Kais. Franz I polit. Gesetzen u. Verordnungn, Bd. 27, S. 1. Mit gegenüberstehender „Pragmatikal-Verordnung“ (Patent v. 1. Aug. 1804) abgedruckt in v. Meyer’s Corp. Constitt. Germaniae etc. S. 103 ff. Vgl. auch Bd. 22, S. 79. d. cit. Oestr. Ges. Samml. über die veränderten Titel, wo es beim kleinen Titel des Kaisers heißt: „diese Abweichungen rühren - - theils von den - - Tractaten von Campo-Formio, Luneville und Paris“*) - - her.
(* Vom 26. December 1802)“ – Vgl. hiermit oben S. 44 u. Anm., und den Kaisertitel S. 65 u. Anm.

Quelle: Corpus Juris Confoederationis Germanicae oder Staatsacten für Geschichte und öffentliches Recht des Deutschen Bundes, nach officiellen Quellen Hrsg. Philipp Anton Guido von Meyer, ergänzt ... von Heinrich Zoepfl. Frankfurt am Main: Brönner, 1858, S. 71–72. Online verfügbar unter: https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb11068570