Kurzbeschreibung

Unter Geheimrat J.N.F. Brauer wandte die Regierung Großherzog Carl Friedrichs den Code Napoleon auf die gesellschaftlichen und kulturellen Angelegenheiten Badens an. Außer dem Rheinland und Westfalen, welche direkt durch Gouverneure Napoleons regiert wurden, war Baden das einzige deutsche Fürstentum, welches den französischen Kodex übernahm, wenn auch in konservativer Form. Hier sind die Badener Bestimmungen hinsichtlich des Scheidungsrechts wiedergegeben.

Scheidungsrecht im Großherzogthum Baden (1809)

Quelle

I. Buch.

Sechster Titel. Von der Ehescheidung.

Erstes Kapitel. Von den Ursachen der Ehescheidung.

229. Der Mann kann die Ehescheidung wegen eines von seiner Frau begangenen Ehebruchs verlangen.

230. Die Frau ist befugt auf Ehescheidung anzutragen, wegen eines von dem Mann begangenen Ehebruchs, wenn er eine Beyschläferin in der gemeinschaftlichen Wohnung gehalten hat.

230a. Letzterer Fall wird für vorhanden geachtet, sobald sie, es sey im Land, oder im Ausland, so in der Nähe des Aufenthalts des Mannes ist; daß sie einander von da aus zuwandeln können.

231. Beyderseits können die Ehegatten die Ehescheidung nachsuchen wegen Lebensgefährlichkeit, harter Mißhandlungen, oder grober Verunglimpfungen des Einen gegen den Andern.

232. Die Verurtheilung eines Ehegatten zu einer entehrenden oder gesezlich gleichen Strafe soll für den andern die Ehescheidungs-Klage begründen.

232a. Auch Verschollenheit, dreyjährige Landflüchtigkeit oder Wahnsinnigkeit von gleicher Dauer, werden unter den schon ehemals gesezlich näher bestimmten Umständen ebenfalls als Scheidungs-Ursachen beybehalten.

233. Die beyderseitige und beharrliche Einwilligung der Ehegatten, ausgesprochen in den Formen, unter den Bedingungen und nach erstandenen Prüfungen, wie sie das Gesez vorschreibt, soll für einen hinlänglichen Beweis angenommen werden, daß das Beysammen-Leben ihnen unerträglich sey, und daß deshalb eine zureichende Ursache zur Ehescheidung da sey. []

II. Buch. I. Titel.

530. Jede Erbrente ist wesentlich ablöslich, die als Kaufpreis eines liegenden Guts, oder bey dem Uebertrag eines Grund-Stücks, aus belasteten oder unentgeltlichen Titeln, bedungen wird.

Der Gläubiger darf die Bedingungen der Ablösung feststellen.

Er kann bedingen, daß die Rente nicht eher gelöst werden soll, als nach einer gewissen Zeit, die jedoch niemals über dreysig Jahre hinausgehen darf. Jeder diesem zuwider laufende Vertrag ist ungültig.

530a. Auf vorhin bestandene Renten kann dieses nur so weit angewendet werden, als sie wegen ihrer Beschaffenheit für ablöslich besonders erklärt sind. []

II. Buch. II. Titel.

Drittes Kapitel. Vom Grund- und Nuz-Eigenthum.

577aa. Ein Nuz-Eigenthum entsteht durch Verträge, lezten Willen, oder Ersizung; es kann nur auf Liegenschaften statt finden, und besteht, mit oder ohne Abgaben an den Grund-Eigenthümer, für den entbehrenden Genuß.

577ab. Das Daseyn eines zertheilten Eigenthums ist nur da anzunehmen, wo in Veränderungsfällen von dem neuen Besizer eine besondere Anerkenntniß des Grund-Eigenthums nach bestimmten Formen, z. B. durch Erbleih-Erneuerung, Handlohnzahlung, geschieht; wo diese nicht besteht, da ist der Besizer voller Eigenthümer, wenn er gleich von dem Genuß eine Gült an einen Andern gibt, es mag auch in den alten Urkunden noch so viel von einem Eigenthum des Gültbeziehers die Rede seyn.

577ac. Der Nuz-Eigenthümer hat die unten beschriebenen Rechte und Pflichten des Nuzniessers die jedoch durch die Erblichkeit und Eigenthümlichkeit seines Genusses in nachbenannten Stücken sich erweitern.

577ad. Er genießt nicht nur die Früchte, welche die Sache, so wie sie ist, hervorbringt, sondern darf auch alle zur bessern Benuzung dienliche Veränderungen vornehmen; nur bey solchen Stücken, die ihm namentlich unter ihrer Benuzungsform, z. B. als Wald, als Mühle, übergeben worden sind, muß er die Bewilligung des Grund-Eigenthümers einholen, um solche Veränderungen vorzunehmen, welche bey dem Heimfall des Nuzeigenthums die Herstellung der vorigen Benuzungsform in einem Zeitraum von längstens zehn Jahren unmöglich machen würden; z. B. eine Waldausrottung.

577ae. Die durch den Gebrauch abgenuzt werdende Stücke muß der Nuzeigenthümer wieder ergänzen, so daß sie bey dem Heimfall in dem Zustand zurückgegeben werden können, in welchem sie urkundlich einst gegeben wurden.

577af. In Benuzung der Wälder und Bösche ist er nicht an den Gebrauch des Grundeigenthümers, sondern allein an die Forst-Ordnungen gebunden, und darf auch das hochstämmige Holz aller Art benuzen. []

577ah. Er hat auch das Recht zu neuen Gruben und Brüchen in seinem Nuzeigenthum und zu den Schäzen, die darinn gefunden werden.

577ai. Er giebt keine Sicherstellung für die schuldige Sorgfalt im Gebrauch der Sache.

577ak. Er muß alle bauliche Unterhaltung auf sich nehmen, und übergebene Gebäude, welche während des Nuzeigenthums verfallen, wieder aufbauen. Bey dem Heimfall kann er für Baukosten neuer Anlagen, nur so weit Vergütung fordern, als die Sache dadurch für den Grundeigenthümer nicht blos anmuthiger, sondern wirklich nüzlicher und besser geworden ist, als sie zuvor und zur Zeit der Entstehung des Nuzeigenthums urkundlich war.

577al. Er trägt die auf das Eigenthum fallende Lasten, so lang er nicht sein Nuzeigenthum dem Grundherrn heimschlägt.

577am. Auf ihn fallen auch die Kosten und Folgen solcher Rechtsstrittigkeiten, welche das Eigenthum betreffen, so gut wie jene die den Genuß angehen, jedoch diejenigen ausgenommen, welche dem Grundeigenthümer daraus entstehen, daß er zu Vertheidigung seines Vortheils dem Rechtsstreit beytritt.

577an. Heerden, die ganz fallen, muß er seiner Zeit wieder ersezen.

577ao. Der natürliche oder bürgerliche Tod endigt das Nuz-Eigenthum nur dann, wenn der Gestorbene der Lezte der Erbberechtigten ist, sonst wälzt er es nur auf den Nuzeigenthums-Erben.

577ap. Das Nuzeigenthum, welches an Körperschaften gegeben ist, endigt sich durch keinen Zeitverlauf, wenn es nicht durch seine Entstehungs-Urkunde auf Zeit bedingt ist.

577aq. Das Nuz-Eigenthum an einem Gebäude wirkt nach dessen Umsturz allemal ein Benuzungsrecht auf den Grund und Boden, und auf die Baustoffe.

577ar. Der Rechtstitel des Nuzeigenthümers kann einzelne der obgedachten Rechte und Pflichten auf andere Art bestimmen. []

III. Buch. II. Titel.

896. After-Erbsezungen sind verboten. Jede Verfügung, welche einem Geschenknehmer, Erbnehmer, oder Erbstücksnehmer auferlegt, einem Dritten etwas aufzubewahren, und ihm zurückzuliefern, ist für sie unverbindlich. Nur dasjenige Gut, welches durch Verordnung des Staats-Oberhaupts zu Gunsten seiner eigenen Familienglieder, oder der Stamm- auch Lehen-Erbberechtigten Familien für Stamm-Gut erklärt ist, kann nach den desfalsig besondern Gesezen als Erbe für die Nachkommen unveräusserlich seyn.

Quelle: Land-Recht für das Großherzogthum Baden nebst Handelsgesetzen. Karlsruhe: C. F. Müller, 1814, S. 62 f., 139, 153–55, 249; abgedruckt in Walter Demel und Uwe Puschner, Hrsg., Von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongreß 1789–1815, Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Hrsg. Rainer A. Müller, Band 6. Stuttgart: P. Reclam, 1995, S. 225–30.

Scheidungsrecht im Großherzogthum Baden (1809), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/das-heilige-roemische-reich-1648-1815/ghdi:document-3634> [05.11.2024].