Kurzbeschreibung

Am 7. April 1944 gelang den beiden slowakischen Häftlingen Alfred Wetzler und Rudolf Vrba die Flucht aus Auschwitz, dem größten Konzentrationslagerkomplex des NS-Regimes. Das im Süden Polens gelegene Lager Auschwitz setzte sich aus drei Hauptlagern sowie 39 Nebenlagern zusammen, in denen sich zehntausende Insassen zu Tode arbeiten mussten. Im sogenannten Auschwitz II (Auschwitz-Birkenau), dem eigentlichen Vernichtungslager des Komplexes, starben insgesamt mehr als eine Million Menschen.

Wetzler (der sich später Josef Lanik nannte) und Vrba (eigentlich Walter Rosenberg) verbrachten beide ungefähr zwei Jahre in Auschwitz. Wetzler war am 13. April 1942 aus dem Lager Sered in der südlichen Slowakei dorthin verlegt worden, Vrba kam Ende Juni 1942 im Lager an, nachdem er zwei Wochen im KZ Majdanek nahe Lublin in Polen verbracht hatte.

Nach ihrer Flucht nahmen Wetzler und Vrba Kontakt zu Vertretern des Judenrates in Zilina (Slowakei) auf und verfassten den folgenden detaillierten Bericht, der die Organisation und Funktion des Lagers enthüllt.

Der Bericht wurde zunächst auf Slowakisch verfasst und vom slowakischen Judenrat ins Deutsche übersetzt. Später wurde er in mehrere weitere Sprachen übersetzt, um auch das Ausland auf die Geschehnisse in Auschwitz aufmerksam zu machen. Ziel des Berichts war es insbesondere, die ungarische jüdische Gemeinde vor ihrer durch das Nazi-Regime geplanten, unmittelbar bevorstehenden Vernichtung zu warnen. Dem Bericht wurde seitens der ungarischen Juden jedoch wenig Glauben geschenkt und konnte deren systematische Deportation, die nach zwei Monaten der Besetzung durch die Nazis ab Mitte Mai 1944 begann, nicht verhindern. Innerhalb von zwei Monaten wurden schätzungsweise 440.000 Juden aus Ungarn deportiert, von denen die meisten nach Auschwitz gebracht wurden.

Die Veröffentlichung des Berichts in der Schweizer Presse erregte aber schließlich im Ausland derartige Empörung, dass sich der ungarische Reichsverweser Admiral Miklós Horthy auf politischen und militärischen Druck vor allem der Alliierten Anfang Juli 1944 gezwungen sah, weitere Deportationen zu verbieten. Nach dem Putsch durch die faschistischen Pfeilkreuzler am 15. Oktober 1944 wurde die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung Ungarns jedoch durch Todesmärsche in Arbeitslager in Österreich fortgesetzt, auf denen Tausende Menschen ums Leben kamen.

Der Vrba-Wetzler-Bericht gehörte 1945 zu den Hauptdokumenten der Anklage in den Nürnberger Prozessen.

Bericht der Auschwitzflüchtlinge Alfred Wetzler und Rudolf Vrba (Ende April 1944)

  • Rudolf Vrba
  • Alfred Wetzler

Quelle

TATSACHENBERICHT ÜBER AUSCHWITZ UND BIRKENAU

[]

[Aussage des ersten Flüchtlings[1]]

Am 13. April 1942 wurden wir – 1000 Mann- im Sammellager Sered einwaggoniert. Die Wagentüren wurden geschlossen, weshalb wir die Fahrtrichtung nicht feststellen konnten. Als die Türen nach langer Fahrt geöffnet wurden, konstatierten wir, dass wir die slowakische Grenze passiert haben und uns in Zwardon befinden. Die Bewachungsmannschaft, welche bis hierher durch die Hlinka-Garde gestellt wurde, wurde durch die Waffen-SS abgelöst. Nach Abkopplung eines kleineren Teiles des Transportes fuhren wir dann weiter und kamen bei Nacht in Auschwitz an, wo wir auf einem Nebengeleise haltmachten. Die Zurücklassung des kleinen Transportteiles erfolgte angeblich wegen augenblicklichen Raummangels in Auschwitz. Übrigens kamen uns diese nach einigen Tagen nach. Wir wurden nun in Fünfer-Reihen gestellt und gezählt. Wir waren [mit] 643 Mann angekommen. Nach einem Marsch von etwa 20 Minuten mit unserem schweren Gepäck – wir sind gut ausgerüstet aus der Slowakei weggefahren – kamen wir in das Lager Auschwitz.

Wir wurden da sofort in eine grosse Baracke geführt. An der einen Seite mussten wir hier das ganze Gepäck abgeben, an der anderen Seite uns völlig nackt ausziehen und unsere Kleider und Wertsachen abführen. Nackt begaben wir uns dann in eine benachbarte Baracke, wo unser Kopf und Körper rasiert und durch Lysol desinfiziert wurde. Beim Ausgang aus dieser Baracke erhielt ein Jeder eine Nummer in die Hand gedrückt. Die Nummern begannen mit 28600 und waren fortlaufend. Mit diesen Nummern in der Hand jagte man uns dann in eine dritte Baracke, wo dann die Aufnahme stattfand. Die Aufnahme bestand daraus, dass uns die in der zweiten Baracke erhaltene Nummer auf eine äusserst brutale Art – wobei viele von uns in Ohnmacht fielen – an die linke Brust tätowiert und unsere Personalien aufgenommen wurden. Wir wurden in Hundertergruppen in einen Keller gebracht, später in eine Baracke, wo wir gestreifte Häftlingskleider und Holzschuhe bekamen. Diese ganze Prozedur dauerte bis 10 Uhr vormittags. Noch am selben Nachmittag wurden uns die Häftlingskleider abgenommen und durch alte schmutzige russische Militärmonturen (eher Monturfetzen) ersetzt. So ausgerüstet wurden wir dann nach Birkenau geführt.

Auschwitz ist ein Konzentrationslager für politische, sogenannte Schutzhäftlinge. In der Zeit meiner Einlieferung d.i. April 1942 befanden sich dort etwa 15.000 Häftlinge, vorwiegend Polen, Reichsdeutsche und zivile sogenannte Schutzrussen. Einen kleineren Teil der Häftlinge stellten die Kategorien der Kriminalhäftlinge und der „arbeitsscheuen Elemente“.

Dem Lagerkommando Auschwitz ist auch das Arbeitslager Birkenau, ferner die kleine Lagerlandwirtschaft Hermense unterstellt. Alle Häftlinge werden in Auschwitz präsentiert, dort mit Häftlingsnummern versehen und dann entweder dort behalten, oder nach Birkenau oder in ganz geringer Zahl nach Hermense geschickt. Die Häftlinge werden nach der Reihenfolge ihrer Einlieferung nummeriert. Eine jede Nummer wird nur einmal benützt, sodass die letzte Nummer immer die jeweilige Gesamtzahl aller bisher eingelieferten Häftlinge zeigt. Zur Zeit unserer Flucht aus dem Lager Birkenau d.i. April 1944 war diese Zahl um die 180.000. Die Nummern wurden anfangs auf die linke Brust tätowiert, später – weil sich dort die Tätowierung etwas verwischt hat – an den linken Unterarm. – Alle Häftlinge – ohne Rücksicht auf die Kategorie oder Nationalität – werden gleichmäßig behandelt. Zur Erleichterung der Evidenz sind sie aber unterschiedlich durch verschieden gefärbte Dreiecke an der linken Oberbrust unter der Häftlingsnummer gekennzeichnet, wobei der Anfangsbuchstabe die Nationalität des Häftlings verrät. Dieser Buchstabe (z.B bei Polen „P“) erscheint im Innern des Dreiecks. Die einzelnen Farben bedeuten:

rotes Dreieck

= politische Schutzhäftlinge

grünes Dreieck

= Berufsverbrecher

schwarzes Dreieck

= arbeitsscheu, asozial (vorwiegend Russen)

rosa Dreieck

= homosexuell

violettes Dreieck

= Angehörige der Sekte der Bibelforscher

Die Bezeichnung der jüdischen Häftlinge unterscheidet sich von der beschriebenen Art der Bezeichnung der Arier darin, dass das entsprechende Dreieck (im überwiegenden Teile rot) durch gelbe Spitzen zu einem Davidstern ergänzt ist.

Innerhalb des Gebietes des Lagers Auschwitz befinden sich diverse Fabriken. Eine Fabrik der deutschen Aufrüstungswerke (DAW), eine Fabrik der Fa. Krupp und eine der Siemens-Werke. Ferner etwas außerhalb des Lagerbereichs ein sich auf viele Kilometer ausbreitendes riesiges Bauobjekt „Buna“ genannt. In diesen Betrieben arbeiten die Häftlinge.

Das Wohngebiet, also das Lager im engeren Sinne, liegt auf einen Territorium von einem etwaigen Ausmaße von 500 mal 300 m. Es ist mit einer doppelten Reihe von 3 m hohen Betonpfosten umgeben, die beiderseits (also von innen nach außen) durch dicht angelegte, auf Isolatoren befestigten Hochspannungsleitungen miteinander verbunden sind. Zwischen diesen beiden Zäunen, in einem Abstand von 150 m stehen 5 m hohe Wachtürme, die mit Maschinengewehren und Scheinwerfern ausgestattet sind. Etwas vor dem inneren Hochspannungszaun ist noch ein gewöhnlicher Drahtzaun. Schon die Berührung dieses Zaunes wird durch Schießen aus den Wachtürmen beantwortet. Dieses Bewachungssystem wird „kleine Postenkette“ genannt.

Das Lager selbst besteht aus 3 Häuser-Reihen. Zwischen der ersten und zweiten Reihe führt die Lagerstrasse, zwischen der zweiten und dritten war in der ersten Zeit eine Mauer. In den Häusern der durch diese Mauer getrennten Reihe waren bis Mitte August 1942 jene jüdischen Mädchen aus der Slowakei untergebracht – 7000 an der Zahl – die in den Monaten März-April 42 deportiert wurden. Nach der Überführung dieser Mädchen nach Birkenau wurde die Mauer zwischen der Häuser-Reihe zwei und drei abgetragen. Quer durch die Häuser-Reihen führt der Einfahrtsweg. Über dem Eingangstor, das selbstverständlich immer bewacht wird, ist mit großen Buchstaben die ironische Aufschrift „Arbeit macht frei“ angebracht.

Das ganze Lager ist in einem Umkreis von etwa 2000 m in einem Abstand von 150 m wieder mit Wachtürmen umgeben, d.i. die „große Postenkette“. Im Raume zwischen der kleinen und großen Postenkette befinden sich die Betriebe und sonstige Arbeitsstellen.

Die Türme der kleinen Postenkette sind nur bei Nacht besetzt, zugleich wird auch der elektrische Strom in die doppelte Umzäunung eingeschaltet. Bei Tag wird die Wachturm-Besatzung der kleinen Postenkette abgezogen und zur gleichen Zeit werden die Türme der großen Postenkette besetzt. Eine Flucht durch die Postenketten – es hat viele Versuche gegeben – ist fast ausgeschlossen. Die kleine Postenkette bei Nacht zu passieren, ist ganz und gar unmöglich, während die Türme der großen Postenkette so dicht beieinander stehen (nur 150 m, also ein pro Turm zu bewachender Umkreis von einem Radius von 75 m), dass ein unbemerktes Herannahen unmöglich ist. Bei Herannahen wird ohne Aufforderung geschossen. Der Abzug der Bewachungsmannschaft der großen Postenkette nach der Abenddämmerung erfolgt erst nach dem innerhalb der kleinen Postenkette abgehaltenen Appell, wo festgestellt wird, dass sich alle Häftlinge im Kreise der kleinen Postenkette befinden. Wird beim Appell festgestellt, dass ein Häftling fehlt, wird durch Sirenen Alarm geblasen.

Die Bewachung der großen Postenkette bleibt in ihren Türmen, die Mannschaft der kleinen Postenkette bezieht ihre Stellungen bei den Postenketten und dann beginnt das Absuchen des Terrains zwischen den beiden Postenketten, welches von hunderten SS-Leuten und Spürhunden durchgeführt wird. Durch den Sirenenton wird auch die weitere Umgebung von Auschwitz in Alarmzustand versetzt, sodass, wenn es dem einen oder anderen Häftling auf ganz wunderbare Art irgendwie gelungen ist, die große Postenkette zu passieren, mit großer Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass er durch die dichten Patrouillen der deutschen Polizei und SS erwischt wird. Ein großes Hindernis für den Flüchtling ist der kahl geschorene Kopf, die gekennzeichnete Kleidung (gestreifte Häftlingskleider oder andere mit roter Farbe bestrichene Fetzen) und das im besten Falle passive Verhalten der ungemein stark eingeschüchterten Bevölkerung. Nicht nur eine kleine Hilfeleistung, schon die Unterlassung einer sofortigen Anzeige über das Verweilen eines vermeintlichen Flüchtlings wird durch den Tod bestraft.

Wenn der Flüchtling nicht eher erwischt wird, bleibt die große Postenkette 3 Tage und 3 Nächte hindurch bewacht. Nach dieser Zeit wird angenommen, dass es dem Flüchtling gelungen ist, die Postenkette irgendwie zu passieren, weshalb am nächstfolgenden Abend die Bewachung eingezogen wird. Wenn der Flüchtling lebend erwischt wird, wird er in Anwesenheit des ganzen Lagers gehenkt. Wenn er tot aufgefunden wird, wird seine Leiche immer – mag sich der Auffindungsort wo immer befinden – in das Lager zurückgebracht (durch die eintätowierte Nummer kann die Identität und Lagerzugehörigkeit leicht festgestellt werden), sodann am Eingangstor bei der kleinen Postenkette mit einer Tafel in der Hand hingesetzt. Die Tafel trägt die Aufschrift: „Hier bin ich“.

Es hat während unserer fast zweijährigen Haft sehr viele Fluchtversuche gegeben. Bis auf 2-3 Fälle wurden aber die Flüchtlinge immer lebend oder tot zurückgebracht. Ob es den ganz Wenigen, die nicht wieder in das Lager gebracht wurden, gelungen ist, tatsächlich zu entkommen, wissen wir nicht. Mit Sicherheit kann aber behauptet werden, dass von den Juden, die aus der Slowakei nach Auschwitz bezw. Birkenau eingeliefert wurden, bis heute wir die Einzigen sind, denen es geglückt ist, sich zu retten.

Wie bereits erwähnt, wurden wir am ersten Tage unserer Ankunft in Auschwitz nach Birkenau gebracht. Eine Gemeinde mit der Benennung „Birkenau“ existiert eigentlich nicht. Auch der Name Birkenau ist neu geprägt und von dem in der Nähe liegenden Birkenwald (Brezinky) abgeleitet. Das Gebiet, das heute den Namen „Birkenau“ trägt, wurde und wird noch heute von der Bevölkerung „Rajska“ genannt. Das heutige Lagerzentrum von Birkenau liegt vom Lager Auschwitz ca. 4 km entfernt. Die beiden großen Postenketten von Auschwitz und Birkenau berühren sich, sie werden voneinander lediglich durch ein Eisenbahngleis getrennt. Von Neu-Berun, das wir unbegreiflicherweise als Poststelle angeben mussten, haben wir nie etwas vernommen. Diese Stadt dürfte 30 – 40 km von Birkenau entfernt sein.

Zur Zeit, als wir in Birkenau ankamen, fanden wir dort lediglich eine enorm große Küche für 15.000 Personen vor, ferner 2 fertiggestellte und ein sich im Bau befindliches Steinhaus. Diese Bauobjekte waren mit einem gewöhnlichen Stacheldrahtzaun umgeben. Die Häuser, welche wir vorfanden, als auch jene, die später erbaut wurden, beherbergen die Häftlinge. Sie sind alle nach dem gleichen Muster gebaut. Ein jedes Haus ist etwa 30 m lang und 8–10 m breit. Die Wandhöhe dürfte kaum 2 m überschreiten, während der Dachstuhl unverhältnismäßig hoch, ca 5 m, ist. Es erweckt den Eindruck eines Stalles, über welchem ein großer Heuboden gebaut ist. Der Raum ist von innen nicht abgedeckt, sodass die innere mittlere Raumhöhe sich auf etwa 7 m beläuft. Der Raum wird durch eine Wand, welche durch die Mitte der Länge nach gezogen wird, in zwei Teile geteilt, wobei diese in der Mitte abgebrochen ist, um die Kommunikation zwischen den beiden Teilen des Raumes zu ermöglichen. Sowohl an den beiden Seitenwänden, als auch an beiden Seitenteilen der mittleren Teilungswand sind der ganzen Länge nach je zwei parallele Etagen in einer Höhe vom Fußboden und voneinander ca. 70-80 cm eingebaut. Diese Etagen sind durch vertikale Teilungswände auf kleine Kammern aufgeteilt. Es entstehen hierdurch drei Etagen (Fußboden und 2 Etagen aus den Seitenwänden). In einer Kammer werden normalerweise drei Personen untergebracht. Sie sind, wie es sich aus den Massen ergibt, zu schmal, um ausgestreckt liegen zu können und kaum genug hoch, um darin aufrecht sitzen zu können. Vom Stehen kann gar keine Rede sein. Auf diese Weise werden in einem Haus oder „Block“ – wie sie genannt werden – 400–500 Personen untergebracht.

Das heutige Lager Birkenau liegt auf einem Territorium von etwa 1600 mal 850 m, welches ebenso wie das Lager Auschwitz mit einer sogenannten kleinen Postenkette umgeben ist. Anschließend wird derzeit auf einem Territorium gearbeitet, welches noch größer ist, als das bereits bestehende Lager und soll nach Fertigstellung dem bereits bestehenden Lager angeschlossen werden. Der Zweck dieser riesenhaften Vorbereitungen ist uns nicht bekannt. In einem Umkreis von 2 km ist das Lager Birkenau, ebenso wie das Lager Auschwitz mit einer großen Postenkette umgeben. Das Bewachungssystem ist das gleiche wie im Lager Auschwitz.

Die Bauobjekte, welche wir bei unserer Ankunft in Birkenau vorfanden, wurden von 12.000 russischen Kriegsgefangenen errichtet, die im Dezember 1941 hingebracht wurden. Sie arbeiteten im strengsten Winter unter solchen unmenschlichen Bedingungen, dass sie bis auf eine ganz kleine Anzahl, und zwar jene, die in der Küche beschäftigt waren, umgekommen sind. Sie waren von 1 bis 12.000 nummeriert, dies jedoch ausserhalb der laufenden, früher beschriebenen Nummerierung. Bei der Einlieferung von weiteren russischen Gefangenen erhielten diese in Auschwitz nicht die laufenden Nummern der sonstigen Häftlinge, sondern immer wieder eine Nummer von 1–12000 anstelle eines bereits verstorbenen Russen. Bei dieser Häftlingskategorie kann also aus der eben erteilten Nummer nicht auf die Anzahl der bisher Eingelieferten geschlossen werden. Angeblich sollen russische Gefangene von den Gefangenenlagern strafweise nach Auschwitz bezw. Birkenau versetzt werden.

Den Rest dieser Russen trafen wir in schrecklich verwahrlostem Zustande an, sie bewohnten die noch nicht fertiggestellte Baustelle, ohne jedeweden Schutz vor Kälte und Regen und starben in Massen. Ihre Leichen wurden zu Hunderten und Tausenden ganz oberflächlich in die Erde gekratzt und verbreiteten einen pestartigen Gestank. Später mussten wir diese Leichen ausgraben und der Verbrennung zuführen.

Eine Woche vor unserem Eintreffen in Auschwitz ist dort der erste jüd. Männertransport (die Mädchen wurden separat behandelt und hatten eine mit den Männern parallele Nummerierung. Die slowakischen Mädchen erhielten die Nummern 1–8000) 1.300 naturalisierte französische Juden aus Paris eingetroffen. Sie wurden beiläufig mit Nr. 27.500 beginnend nummeriert. Da wir – wie bereits erwähnt – Nummern mit 28.600 beginnend erhielten, ergibt sich, dass zwischen dem französischen und unserem Transport kein Männertransport in Auschwitz eingetroffen war. Den am Leben gebliebenen Rest dieser französischen Juden, etwa 700 an der Zahl, trafen wir in fürchterlich herabgekommenen Zustande in Birkenau an. Die fehlende Hälfte ist innerhalb der einen Woche gestorben.

In den drei fertigen Blocks waren untergebracht:

I. die sogenannte Prominencia – Berufsverbrecher und ältere polnische politische Häftlinge, die die Lagerverwaltung innehatten.

II. Rest der französischen Juden, ca. 700 an der Zahl.

III. slowakische Juden, anfangs 643. Nach einigen Tagen kamen auch die in Zwardon Zurückgebliebenen an.

IV. die noch heute lebenden Russen leben in dem noch nicht fertiggestellten Bau und auch im Freien. Ihre Zahl nahm derart rapid ab, dass sie keine nennenswerte Gruppe mehr repräsentierten.

Die slowakischen Juden arbeiteten zusammen mit dem Rest der russischen Gefangenen beim Bau, während die französischen Juden Erdarbeiten verrichten mussten. Nach 3 Tagen wurde ich zusammen mit 200 slowakischen Juden zur Arbeit in die deutschen Aufrüstungswerke nach Auschwitz kommandiert. Wir gingen zeitlich früh zur Arbeit und kehrten abends zurück. Wir arbeiteten in der Tischlerwerkstätte und bei Straßenbauten. Zu Essen bekamen wir zu Mittag 1 Liter Suppe aus Steckrüben und am Abend 30 dkg. schlechtes Brot. Die Arbeitsbedingungen waren von einer unvorstellbaren Härte, sodass die Meisten von uns, durch das Hungern und durch das ungenießbare Essen geschwächt, es nicht aushielten. Die Mortalität war erschreckend. Wir hatten täglich in unserer zweihunderter Gruppe 30–35 Tote. Sehr viele wurden von den Aufsehern, „die Capos“, ohne dass sie sich eine Schuld zukommen ließen, während der Arbeit einfach erschlagen. Der Ausfall, welchen die Gruppe durch das Sterben erlitt, wurde aus dem in Birkenau arbeitenden Teil täglich ergänzt.

Sehr schwer und für uns gefährlich war allabendlich die Rückkehr aus der Arbeit. Wir mussten unsere Arbeitsgeräte, Brennholz, schwere Kochkessel und unsere Toten, die während der Arbeit starben oder erschlagen wurden, auf einer Strecke von 5 km nach Hause schleppen. Es musste mit der schwersten Last marschiert werden. Wer der Capo missfiel, wurde grausam geschlagen, wenn nicht erschlagen. Bis der zweite slowakische Männertransport nach etwa 14 Tagen bei uns ankam, blieben von unserem Transport nur ungefähr 150 am Leben. Allabendlich wurden wir gezählt, die Leichen wurden auf flache Feldbahnwagen gelegt oder auf ein Lastauto verladen und nach dem sich in der Nähe befindlichen Birkenwald (Brezinsky) geführt, wo sie in einer einige Meter tiefen und etwa 15 m langen Grube verbrannt wurden.

Auf dem Wege zum Arbeitsplatz begegneten wir täglich einem Kommando (Arbeitsgruppe) von 300 jüdischen Mädchen aus der Slowakei, die in der nahen Umgebung Erdarbeiten verrichteten. Sie waren in alten russischen Uniformfetzen angezogen und trugen Holzschuhe. Die Köpfe hatten sie kahl geschoren, sprechen konnten wir sie leider nicht.

Bis Mitte Mai 1942 trafen insgesamt 4 jüdische Männertransporte aus der Slowakei in Birkenau ein, die auf dieselbe Art wie wir behandelt wurden. Von den Angehörigen des ersten und zweiten Transportes wurden 120 Mann (darunter auch ich) ausgewählt und auf Verlangen der Lagerverwaltung Auschwitz, welche Ärzte, Dentisten, Hochschüler und Berufsbeamte anforderte, derselben zur Verfügung gestellt. Die Gruppe bestand aus 50 slowakischen und 50 französischen Juden. Da ich mir inzwischen in Birkenau eine gute Stelle erkämpft hatte, indem ich einem Kommando von 50 Personen vorstand und hierdurch einen unbedeutenden Vorzug genoss, wollte ich anfangs nicht nach Auschwitz. Doch ließ ich mich überreden und ging. Nach 8 Tagen wurden von den 120 Intelligenzlern 18 Ärzte und Krankenpfleger und 3 weitere Personen ausgewählt. Die Ärzte wurden im „Krankenbau“ Auschwitz beschäftigt, wir drei wurden nach Birkenau zurückgeschickt. Meine zwei Genossen Ladislav Braun aus Trnava und Gross aus Vrbové die seitdem gestorben sind, kamen zum slowakischen Block, ich zum französischen, wo wir mit der Verrichtung der Evidenzarbeit und der sogenannten „Krankenpflege“ betraut wurden. Die restlichen 99 Personen wurden in die Kiesgrube zur Arbeit geschickt, wo sie alle nach kurzer Zeit umgekommen sind.

Kurz darauf wurde in einem Objekt ein sogenannter „Krankenbau“ errichtet. Es war der berüchtigte „Block 7“. Ich wurde dort zuerst als „Hauptpfleger“ später als Verwalter angestellt. Chef dieses Krankenbaues war der Pole Viktor Mordarki, Häftlingsnummer 3550.

Der Krankenbau war nichts anderes als eine Sammelstelle von Todeskandidaten. Hierher wurden alle arbeitsunfähigen Häftlinge eingeliefert. Von einer ärztlichen Behandlung oder Pflege kann gar keine Rede sein. Täglich hatten wir ca 150 Tote zu verzeichnen. Die Leichen wurden täglich in das Krematorium nach Auschwitz geführt.

Gleichzeitig begannen auch die sogenannten „Selektionen“. Zweimal wöchentlich, Montag und Donnerstag, bestimmte der Standortarzt (Lagerarzt) die Zahl jener Häftlinge, die durch Vergasung getötet und dann verbrannt werden sollen. Die Selektierten wurden in Lastautos verladen und in den Birkenwald geführt. Jene, die dort noch lebend ankamen, wurden in einer bei der Verbrennungsgrube zu diesem Zweck errichteten grossen Baracke vergast und dann in die Grube geworfen und verbrannt. Der wöchentliche Ausfall im Block 7 war um die 2.000, hiervon etwa 1.200, die eines „natürlichen“ Todes und etwa 800, die durch Selektionen starben. Über die nicht Selektierten wurden Totenmeldungen ausgestellt und diese dem Lageroberkommando nach Oranienburg eingesandt. Über die Selektierten wurde ein Buch mit der Bezeichnung „SB“ (Sonderbehandlung) geführt. Bis zum 15. Januar 1943, bis zu welcher Zeit ich im Block 7 die Verwaltung innehatte und daher die Möglichkeit besaß, die Geschehnisse unmittelbar zu beobachten, sind in diesem eines natürlichen Todes oder durch Selektionen ca 30.000 Häftlinge umgekommen.

[Aussage der beiden Flüchtlinge]

Da die Häftlinge – wie bereits beschrieben – fortlaufend nummeriert wurden, sind wir in der Lage, die Reihenfolge und das Los der einzelnen eingelieferten Transporte mit einer ziemlichen Genauigkeit zu rekonstruieren. Der erste jüd. Transport, welcher nach Auschwitz bzw. Birkenau eingeliefert wurde, war – wie bereits erwähnt – der Transport, der 1320 naturalisierten französischen Juden mit Häftlingsnummern.

ca. 27.400 – 28.600

der erste Transport mit französischen Juden

ca. 28.600 – 29.500

im April 1942 der erste Transport mit slowakischen Juden (unser Transport)

ca. 29.600 – 29.700

100 Männer (Arier) aus diversen Konzentrationslagern.

ca. 29.700 – 32.700

3 komplette Transporte mit slowakischen Juden

ca. 32.700 - 33.100

400 Berufsverbrecher (Arier) aus Warschauer Gefängnissen.

ca. 33.100 – 35.000

2000 Krakauer Juden

ca. 35.000 – 36.000

1000 Polen (Arier) politische Häftlinge

ca. 36.000 – 37.300

im Mai 48 1330 slowakische Juden aus Lublin-Majdan

ca. 37.300 – 37.900

600 Polen aus Radom (Arier) darunter einige Juden.

ca. 37.300 – 38.000

100 Polen aus dem Konzentrationslager Dachau

ca. 38.000 – 38.400

400 französische naturalisierte Juden. Diese Juden kamen mit ihren Familienangehörigen an. Der ganze Transport zählte etwa 1600 Seelen. Hievon wurden ca. 400 Männer und ca. 200 Mädchen durch die beschriebene Prozedur dem Lager zugeführt, während die übrigen 1000 Personen (Frauen, Alte, Kinder und auch Männer) ohne jedwede Evidenz oder Behandlung direkt vom Abstellgleis nach dem Birkenwald geführt, dort vergast und verbrannt wurden.

Von diesem Zeitpunkt an wurden alle jüdischen Transporte ähnlich behandelt. Ungefähr 10% der Transportteilnehmer an Männern und 5% an Frauen wurden dem Lager zugeführt, während die Übrigen unmittelbar vergast wurden. Mit polnischen Juden wurde auch schon früher auf diese Weise verfahren. Unaufhörlich brachten Lastautos während langer Monate hindurch tausende von Juden aus den verschiedenen Ghetti direkt zur Grube in den Birkenwald.

ca. 38.400 – 39.200

800 naturalisierte französische Juden. Rest des Transportes – wie oben beschrieben – vergast.

ca. 39.200 – 40.000

800 Polen (Arier), politische Häftlinge.

ca. 40.000 – 40.150

150 slowakische Juden. Familientransport. Ausser weiteren 50 Mädchen, die dem Frauenlager zugeführt wurden, wurden alle übrigen im Birkenwald vergast. Unter den 150 Männern die in das Lager kamen, befanden sich u.a.: Zucker aus der Ostslowakei (Familienname unbekannt) Sonnenschein Viliam aus der Ostslowakei.

ca. 40150 – 43.800

ca. 4.000 französische naturalisierte Juden, durchwegs Intellegenzler. Aus diesen Transporten wurden gleichzeitig etwa 1000 Frauen dem Frauenlager zugeführt, die restlichen ca. 3.000 Personen wurden in Birkenwald vergast.

ca. 43.800 – 44.200

400 slowakische Juden aus Lublin, darunter Matej Klein und Nr. 43.820 Meiloch Laufer aus der Ostslowakei. Dieser Transport kam am 30. Juni 1942 an.

ca. 44.200 – 45.000

200 slowakische Juden. Der Transport bestand aus 1000 Personen. Eine Anzahl von Frauen wurden dem Frauenlager zugeführt, der Rest im Birkenwald vergast. Unter denen, die den Lagern zugeführt wurden, befanden sich: Josef Zelmanowie, Snina; Adolf Kahan, Bratislava; Walter Reichmann, Sucany; Ester Kahan, Bratislava. Mit der Letzteren habe ich am 1.4.1944 Gelegenheit gehabt zu sprechen. Sie ist Blockälteste im Frauenlager.

ca. 45.000 – 47.000

2000 Franzosen (Arier), Kommunisten und andere politische Häftlinge, darunter der Bruder von Thorez und der junge Bruder von Leon Blum. Letzterer wurde furchtbar gemartert, dann vergast und verbrannt.

ca. 47.000 – 47.500

500 Juden aus Holland, vorwiegend deutsche Emigranten. Der Rest des Transportes, etwa 2.500 Personen im Birkenwald vergast.

ca. 47.500 – 48.300

Einige Hundert sogenannte Schutzrussen

ca. 48.300 – 48.620

320 Juden aus der Slowakei. Etwa 70 Mädels wurden in das Frauenlager gebracht, der Rest von ca. 650 Personen im Birkenwald verbrannt. In diesem Transport befanden sich 80 Personen, welche seitens der ungarischen Polizei nach Sered überstellt waren. Mit diesem Transport kamen u.a.

Dr. Zoltan, Presow (inzwischen gestorben); Holz (Vorname unbekannt), Fleischhauer aus Piestany, wurde später nach Warschau geschickt; Miklos Engel, Tilina; Chaim Katz, Snina, arbeitet derzeit in der „Leichenhalle“, Frau und Kind wurden vergast.

ca. 49.000 – 64.800

15.000 naturalisierte französische und belgische und holländische Juden. Die obige Zahl dürfte kaum 10% der Transportteilnehmer ausmachen. Dies war in der Zeit vom 1. Juli bis 15 September 1942. Große Familientransporte kamen aus allen Ländern, die direkt nach dem Birkenwald geführt wurden. Das Sonderkommando, welches bei der Vergasung und Verbrennung, arbeitete in Tag- und Nachtschicht. Zu Hunderttausenden wurden in dieser Zeit Juden vergast.

ca. 64.800 – 65.000

200 slowakische Juden. Aus diesem Transport wurden etwa 100 Frauen dem Frauenlager zugeführt, der Rest nach dem Birkenwald. Unter den Eingebrachten befanden sich:

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Ludwig Katz, Zilina

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Avri Burger, Bratislava-Poprad (Frau gestorben)

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Mikulas Steiner, Povazka Bystrica

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Juraj Fried, Buchwald

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Josef Rosenwasser (Ostslowakei)

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Julius Neumann, Bardejow

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Sandor Wertheimer, Vrbove

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Misi Wertheimer

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Bela Blau, Zilina

ca. 65.000 – 68000

naturalisierte französische, belgische und holländische Juden. Aus den angekommenen Transporten wurden ca 1000 Frauen dem Frauenlager zugeführt und zumindestens 30.000 Personen vergast.

ca. 68.000 – 70.500

2500 deutsche Juden aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen.

ca. 71.000 – 80.000

naturalisierte französische, belgische und holländische Juden. Die in das Lager eingebrachte Zahl ist kaum 10% der Gesamtzahl der Transporte. Bei vorsichtiger Schätzung kann man annehmen, dass 65–70.000 Personen vergast wurden.

Am 17. Dezember wurden 200 jüdische Jungen aus der Slowakei, die als sogenanntes Sonderkommando bei der Vergasung und der Verbrennung der Leichen gearbeitet haben, in Birkenau hingerichtet. Die Hinrichtung erfolgte wegen vorbereiteter Meuterung und Fluchtversuch, welches Vorhaben frühzeitig durch einen Juden verraten wurde. Das Kommando wurde durch 200 polnische Juden, die soeben mit einem Transport aus Makow eintrafen, abgelöst. Unter den Hingerichteten befanden sich:

Alexander Weiss, Trnava
Fero Wagner Trnava
Scheiner Oskar, Trnava
Wetzler, Dezider Trnava
Aladar Spitzer, Trnava
Vojtech Weiss, Trnava

Durch den hierdurch eingetretenen Wechsel beim Sonderkommando haben wir den direkten Kontakt mit dieser „Arbeitsstelle“ verloren, was sich insbesondere auf unsere Versorgung sehr schlecht auswirkte. Die Transporte welche nach dem Birkenwald gebracht wurden, – wenn sie auch ihr Gepäck in Auschwitz lassen mussten – brachten ganz beträchtliche Summen Geldes in Valuten, vorwiegend Papier- und Golddollars, eine Unmenge von Gold und Edelsteinen, ferner auch Lebensmittel mit sich. Obwohl die Wertsachen selbstverständlich abzuführen waren, konnte es doch nicht vermieden werden, dass nicht einige Wertgegenstände (hauptsächlich Golddollars) bei der Durchsuchung der zurückgelassenen Kleider der Vergasten in die Taschen unserer Burschen verschwinden sollen.

Sie brachten auf diese Art beträchtliche Mittel in das Lager, ausserdem auch Lebensmittel. Man konnte wohl für Geld im Lager offiziell nichts kaufen, man konnte jedoch mit den SS-Leuten und sonstigen Zivilarbeitern, die bei verschiedenen Facharbeiten im Lagergebiet verwendet wurden und Gelegenheit hatten, etwas Lebensmittel und Zigaretten mitzubringen, Geschäfte machen. Die Preise waren selbstverständlich den Umständen gemessen, ganz abnormal. Für einige hundert Zigaretten wurde eine 20 Dollar-Goldmünze gezahlt. Auch der Tauschhandel florierte. Die Teuerung spielte aber bei uns keine Rolle, Geld hatten wir, soviel wir nur wollten. Auch Kleidungsstücke erhielten wir durch das Sonderkommando. Wir konnten unsere Fetzen durch die guten Kleider der zur Vergasung Gelangten austauschen. Der Rock, den ich noch heute anhabe, gehörte einem holländischen Juden (im Innern desselben ist tatsächlich das Firmenzeichen eines Amsterdamer Schneiders angebracht).

Die Leute des Sonderkommandos wohnten abgesondert. Man hatte mit ihnen auch schon wegen des fürchterlichen Geruchs, der von ihnen ausging, wenig Verkehr. Sie waren immer dreckig, ganz verwahrlost, waren ganz verwildert und ungemein brutal und rücksichtslos. Es war nicht selten – es galt übrigens auch bei den anderen Häftlingen als Sensation – dass der Eine den Anderen einfach erschlug. Das Erschlagen eines Häftlings ist kein Delikt. Es wird einfach registriert, dass Nr. so-und-soviel gestorben ist. Auf welche Art jemand in das Jenseits befördert wird, ist ganz nebensächlich. Einmal habe ich zugesehen, wie ein junger polnischer Jude namens Jossel einem SS-Mann gegenüber das „fachmännische Morden“ an einem Juden vordemonstrierte, indem er den Juden mit der Hand, ohne irgendeine Waffe zu benützen, ermordete.

Mit Nr. ca. 80.000 begann die systematische Vernichtung der poln. Ghetti.

ca. 80.000 - 85.000

ca. 5000 Juden aus diversen polnischen Ghetti, darunter aus: Mljawa, Makow, Zichenow, Iomza, Grodno, Bialistok. 30 Tage hindurch rollten diese Transporte unaufhörlich. Bloss 5.000 von ihnen wurden den Lagern zugeführt, alle anderen sofort vergast. Das Sonderkommando arbeitete in zwei Schichten 24 Stunden täglich. Sie konnten mit der Vergasung und Verbrennung kaum nachkommen. Ohne Übertreibung kann man annehmen, dass die aus diesen Transporten zur Vergasung Gelangten mit 80-90.000 zu beziffern sind. Diese Transporte brachten besonders viel Geld, Valuten und Edelsteine mit sich.

ca. 85.000 - 92.000

6000 Juden aus Grodno, Bialistok und Krakau und 1000 arische Polen. Der weit größere Teil der jüdischen Transporte wurde direkt vergast. Täglich wurden ca. 4000 Juden in die Gaskammern getrieben.

Mitte Januar 1943 kamen 3 Transporte zu je 2.000 Personen aus Theresienstadt. Sie trugen die Bezeichnung „CU“, „GR“ und „R“. (Die Bedeutung dieser Bezeichnung sind uns unbekannt) Diese Bezeichnungen war an den Gepäckstücken angebracht. Aus diesen 6000 Personen wurden nur ca. 600 Männer und 300 Frauen den Lagern zugeführt, die übrigen wie gewöhnlich vergast.

ca. 99.000-100.000

Ende Januar 1943 kamen große Transporte mit französischen und holländischen Juden. Nur ein Bruchteil von ihnen kam in das Lager.

ca. 100.000-102.000

Im Februar 1943 2000 arische Polen, vorwiegend Intelligenz.

ca. 102.000-103.000

700 Tschechen-Arier. Später wurden die noch am Leben Gebliebenen dieses Transports nach Buchenwald geschickt.

ca. 103.000-108.000

3.000 französische und holländische Juden und 2.000 Polen (Arier)

Im Februar 1943 kamen täglich durchschnittlich 2 Transporte mit polnischen, französischen und holländischen Juden, die zum größten Teil – ohne dass man auch nur einen Bruchteil in das Lager gebracht hätte vergast wurden. Die Zahl der in diesem Monat zur Vergasung Gelangten kann mit ca. 90.000 beziffert werden.

Ende Februar 1943 wurde das neu gebaute moderne Krematorium und die Vergasungsanstalt in Birkenau eröffnet. Die Vergasungen und Verbrennungen der Leichen wurden in Birkenwald aufgelassen und fortab wurden diese Prozeduren in den 4 neuen, zu diesem Zwecke gebauten Krematorien durchgeführt. Die große Grube wurde ausgeschüttet, das Terrain planiert, die Asche wurde auch schon vorher als Dünger in der Lagerlandwirtschaft Hermense verwendet, sodass man heute kaum eine Spur des fürchterlichen Massenmordens, das hier stattgefunden hat, entdecken kann.

Derzeit sind in Birkenau 4 Krematorien in Betrieb. Zwei größere I. und II und zwei kleinere III. und IV. Die Krematorien der Type I und II bestehen aus drei Teilen. A der Ofenraum, B die große Halle, C die Vergasungskammern. (Vergleiche Fotokopie der Zeichnung) Aus der Mitte des Ofenraumes ragt ein riesiger Kamin in die Höhe. Ringsum sind 9 Öfen mit je 4 Öffnungen. Eine jede Öffnung fasst 6 normale Leichen auf einmal, welche innerhalb 1 1/2 Stunden vollkommen verbrennen. Dies entspricht einer täglichen Kapazität von etwa 2.000 Leichen. Daneben ist die große Vorbereitungshalle, die so ausgestattet ist, dass sie den Anschein erweckt, als ob man in der Halle einer Badeanstalt wäre. Sie umfasst ungefähr 2.000 Personen und es soll sich angeblich darunter noch eine grosse Wartehalle befinden.

Von hier geht eine Tür und einige Treppen führen hinunter in die etwas tiefer gelegene schmale und sehr lange Vergasungskammer. Die Wände dieser Kammer sind durch blinde Duschanlagen maskiert, sodass sie einen riesigen Waschraum vortäuscht. Am flachen Dach sind 3 durch Klappen von außen hermetisch verschließbare Fenster. Von der Gaskammer führt durch die Halle ein Gleispaar zum Ofenraum.

Die Vergasung wird nun so vorgenommen, dass die Unglücklichen in die Halle B gebracht werden, wo ihnen gesagt wird, dass sie in das Bad geführt werden. Dort müssen sie sich auskleiden und um sie in der Meinung, wonach die tatsächlich in das Bad geführt werden, zu bekräftigen, erhält ein jeder von zwei in weißen Mänteln gekleideten Männern ein Handtuch und ein Stückchen Seife. Hierauf werden sie in die Gaskammer C gedrängt. 2.000 Personen füllen diese Kammer derart, dass ein jeder nur aufrecht stehen kann. Um diese Menschen in die Kammer einpferchen zu können, werden öfters Schüsse abgegeben, um die sich bereits in den Kammern Befindlichen zu veranlassen, dass sie sich zusammendrängen. Wenn schon alles in der Kammer ist, wird die schwere Tür geschlossen. Eine kleine Zeit wird dann abgewartet, vermutlich darum, dass die Temperatur auf eine gewisse Höhe steigen soll, dann steigen SS-Männer mit Gasmasken auf das Dach, öffnen die Fensterklappen und schütten aus Blechdosen ein Präparat in Staubform in die Kammer. Die Dosen tragen die Aufschrift: „Cyklon“ zur „Schädlingsbekämpfung“ und werden in einer Hamburger Fabrik erzeugt. Es ist anzunehmen, dass es sich um ein Cyanpräparat handelt, welches sich bei einer gewissen Temperatur vergast. Nach 3 Minuten ist in der Kammer alles tot. Es ist bisher noch niemand angetroffen worden, der bei Öffnung der Kammer ein Lebenszeichen gegeben hätte, was bei dem primitiven Verfahren im Birkenwalde keine Seltenheit war. Die Kammer wird dann geöffnet, gelüftet und das Sonderkommende führt die Leichen auf flachen Feldbahnwagen zum Ofenraum, wo die Verbrennung stattfindet. Die beiden anderen Krematorien III und IV sind im großen und Ganzen auf ähnlicher Grundlage errichtet, ihre Kapazität ist aber halb so groß. Die Gesamtkapazität der 4 Krematorien in Birkenau ist somit 6000 Vergasungen und Krematorien täglich.

Zur Vergasung gelangen grundsätzlich nur Juden, Arier nur in seltenen Ausnahmefällen. Diese werden gewöhnlich durch Erschießen „sonderbehandelt“. Vor der Inbetriebnahme der Krematorien geschah dies im Birkenwalde, wo die Leichen nachher in der Grube verbrannt wurden, später in der großen Halle des Krematoriums, welche zu diesem Zwecke eine besondere Einrichtung hatte.

Bei der Einweihung des ersten Krematoriums anfangs März 1943, welche durch die Vergasung und Verbrennung von 8000 Juden aus Krakau begangen wurde, kamen prominente Gäste aus Berlin, hohe Offiziere und Zivile. Sie waren mit der Leistung sehr zufrieden und haben fleißig das Guckloch, welches an der Tür zur Gaskammer angebracht ist, benützt. Sie sprachen sich sehr lobend über das neu errichtete Werk aus.

ca. 109.000 - 119.000

Anfang März 1943 kamen 45.000 Juden aus Saloniki. 10.000 von ihnen kamen ins Lager, außerdem ein kleiner Teil von Frauen, der Rest mit über 30.000 in das Krematorium. Fast alle 10.000 aus diesem Transport starben kurz darauf entweder durch eine malariaähnliche Krankheit, die unter ihnen gewütet hat und scheinbar ansteckend war, ferner Flecktyphus und infolge der allgemeinen im Lager herrschenden Bedingungen, die sie nicht ertragen konnten.

Da die Malaria unter griechischen Juden und der Flecktyphus überhaupt die Mortalitätsziffer der Häftlinge sehr in die Höhe schießen ließ, wurden die „Selektionen“ zeitweise eingestellt. Die kranken griechischen Juden wurden aufgefordert, sich zu melden. Trotz der unsererseits erfolgten Mahnung haben sich von ihnen tatsächlich viele gemeldet. Sie wurden alle durch intercordiale Fenolinjektionen getötet. Diese Injektionen wurden von einem Sanitätsgefreiten, wobei ihm tschechische Häftlingsärzte assistieren mussten, verabreicht. Die Ärzte waren: Dr. Honsa Cespira, Prag (Jetzt KZ Buchenwald), Dr. Zdenek Stich, Prag (jetzt KZ Buchenwald), die ihr Möglichstes taten, um den Opfern zu helfen.

Der noch am Leben gebliebene Rest der 10.000 griechischen Juden, nahezu 1000 Männer wurden mit weiteren anderen 500 Juden zusammen zu Fortifikationsarbeiten nach Warschau geschickt. Einige Wochen später kamen einige Hundert von ihnen im hoffnungslosen Zustand zurück und wurden sofort vergast. Der andere Teil ist vermutlich dort umgekommen. 400 malariakranke griechische Juden wurden nach Einstellung der Fenol-„Behandlung“ angeblich zur „weiteren Behandlung“ nach Lublin geschickt. Sie sollen dort tatsächlich angekommen sein. Über ihr weiteres Schicksal ist uns aber nichts bekannt. Soviel steht allerdings fest, dass sich heute kein einziger griechischer Jude von diesen 10.000 im Lager befindet.

Gleichzeitig mit Einstellung der Selektionen wurde das Ermorden der Häftlinge verboten. Berüchtigte Mörder, wie

der reichsdeutsche

Berufsverbrecher

Alexander Neumann

der reichsdeutsche

Berufsverbrecher

Zimmer

der reichsdeutsche

Berufsverbrecher

Albert Hämmerle

der reichsdeutsche

Berufsverbrecher

Rudi Osteringer

der reichsdeutsche

Berufsverbrecher

Rudi Berchert

der reichsdeutsche

polit. Häftling

Alfred Kien

der reichsdeutsche

polit. Häftling

Alois Stahler

wurden wegen häufig begangenen Mordens bestraft und mussten eine schriftliche Erklärung darüber abgeben, dass sie eine Anzahl von Häftlingen ermordet haben.

Anfang des Jahres 1943 erhielt die politische Abteilung in Auschwitz 500.000 Entlassungsformulare. Wir nahmen nun mit Freude an, dass wenigstens einige Entlassungen vorgenommen werden. Sie wurden aber mit den Daten der zur Vergasung Gelangten ausgefüllt und im Archiv hinterlegt.

ca. 119.000 – 120.000

1000 Polen (Arier) aus dem Zuchthaus Pawiak-Warschau

ca. 120.000 – 123.000

3.000 griechische Juden, welche teilweise dann als Ersatz für ihre verstorbenen Landsleute nach Warschau gesandt wurden. Der Rest ist rasch ausgestorben.

ca. 123.000 – 124.000

1000 Polen (Arier) aus Radom und Tarnow

ca. 124.000 – 126.000

2000 Personen aus gemischten arischen Transporten

Inzwischen kamen pausenlos Transporte polnischer als auch einiger französischer und belgischer Juden, die restlos, ohne dass auch nur ein Teil in das Lager gebracht wurde, vergast wurden. Darunter auch ein Transport von 1.000 polnischen Juden aus Majdanek, unter welchen sich auch 3 Slowaken befanden. Der eine unter ihnen war ein gewisser Spira aus Stropkow oder Vranow.

Ende Juli 1943 hat die Flut der Transporte plötzlich aufgehört. Es ist eine kleine Pause eingetreten. Die Krematorien wurden gründlich gereinigt, die Einrichtungen repariert und für den weiteren Betrieb vorbereitet. Am 3. August begann die Mordmaschine wieder zu laufen. Es kam der erste Transport der Juden aus Bendsburg und Soanowitz und weitere folgten während des ganzen Monats August.

ca. 132.000 – 136.000

Nur 4000 Männer und eine kleine Anzahl Frauen wurden in das Lager gebracht. Weit über 35.000 wurden vergast. Von den 4.000 in das Lager gebrachten Männern sind zufolge Schikanierungen, Hunger und zugezogenen Krankheiten, als auch direkten Morden viele schon in der sogenannten Quarantäne gestorben. Die Hauptschuld trägt hierfür der reichsdeutsche Verbrecher Tyn aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen und der polnische politische Häftling Nr. 8516 Mieczislav Katerzinski aus Warschau.

Die Selektionen wurden wieder eingeführt und zwar in erschreckend hohem Maße, besonders im Frauenlager. Der Lagerarzt, ein SS-Hauptsturmbannführer, der Sohn oder Neffe des Berliner Polizeipräsidenten (Der Name ist uns entfallen) hat sich hierbei durch seine Brutalität ausgezeichnet. Das System der Selektion wurde von nun an unaufhörlich bis zu unserer Flucht fortgesetzt.

ca. 137.000 – 138.000

Ende August kamen 1000 Polen aus dem Zuchthaus Pawiak und 80 Juden aus Griechenland.

ca. 138.000 – 141.000

3000 Männer aus diversen arischen Transporten.

ca. 142.000 – 145.000

anfangs September 1943 3000 Juden aus polnischen Arbeitslagern und russische Kriegsgefangene.

ca. 148.000 – 152.000

In der Woche nach dem 7. September trafen Familientransporte mit Juden aus Theresienstadt ein.

Es war für uns ganz unverständlich, dass dieser Transport eine noch nie dagewesene Ausnahmestellung genoss. Die Familien wurden nicht getrennt, kein Einziger kam zur sonst selbstverständlichen Vergasung. Ja, sie wurden gar nicht geschoren und wurden so wie sie gekommen sind, Männer, Frauen und Kinder zusammen, in einem abgestellten Lagerabschnitt untergebracht und durften sogar ihr Gepäck behalten. Die Männer mussten nicht zur Arbeit, für die Kinder wurde sogar eine Schule unter der Leitung von Fredy Hirsch (Makkabi, Prag) gestattet und hatten sogar freie Schreibbewilligung.

Sie wurden lediglich durch ihren „Lagerältesten“ einen reichsdeutschen Berufsverbrecher namens Arno Böhm, Häftlingsnummer 8 einem der größten Banditen im Lager, in unerhörter Weise schikaniert. Unsere Verwunderung ist noch gestiegen, als wir nach einiger Zeit das offizielle Verzeichnis dieses Transportes zu sehen bekamen, dessen Aufschrift lautete: „SB-Transport tschechischer Juden mit 6 monatl. Quarantäne“ Wir wussten sehr gut, was „SB“ („Sonderbehandlung“) bedeutet, konnten uns aber die Behandlungsweise und die überaus lange Quarantänezeit von 6 Monaten nicht erklären, zumal die höchste Quarantäne-Frist 3 Wochen nie überschritten hat. Wir wurden stutzig. Je mehr sich aber die 6-monatliche Quarantäne-Frist ihrem Ende näherte, umso mehr gewannen wir die Überzeugung, dass auch das Los dieser Juden in der Gaskammer enden wird. Wir suchten Gelegenheit, mit den Leitern dieser Gruppe in Verbindung zu kommen. Wir haben es ihnen klargelegt, wie es um sie steht und was sie zu erwarten haben. Einige von ihnen, insbesondere Fredy Hirsch, der augenscheinlich das Vertrauen seiner Lagergenossen hatte, haben uns mitgeteilt, dass sie für den Fall, dass sich unsere Befürchtungen bewahrheiten sollte, einen Widerstand organisieren werden. Die Leute des „Sonderkommandos“ sagten uns zu, dass im Falle sich die tschechischen Juden sich zur Wehr setzen werden, sie sich ihnen auch anschließen werden. Einige glaubten auf diese Art eine Generalrevolte im Lager inszenieren zu können.

Am 6. März erfuhren wir, dass die Krematorien zur Aufnahme der tschechischen Juden vorbereitet werden. Ich eilte zu Fredy Hirsch, um ihm dies mitzuteilen und bat ihn eindringlich zu handeln, da sie ja nichts mehr zu verlieren hätten. Er antwortete mir, er wisse, was seine Pflicht ist. Vor Abend schlich ich wieder zum tschechischen Lager, da erfuhr ich, dass Fredy Hirsch im Sterben liege. Er hat sich mit Luminal vergiftet. Am nächsten Tag, den 7. März 1944 wurde er im bewusstlosen Zustand mit seinen 3.791 Gefährten, die am 7.9.1943 nach Birkenau kamen, mit Lastautos zu den Krematorien gebracht und vergast. Die Jugend fuhr singend in den Tod. Es hat zu unserer größten Enttäuschung keinen Widerstand gegeben. Die Männer des Sonderkommandos, die entschlossen waren, mitzutun, haben vergeblich gewartet.

Etwa 500 ältere Personen starben noch während der Quarantänezeit. Nur 11 Zwillingspaare wurden von diesen Juden am Leben gelassen. An diesen Kindern werden in Auschwitz verschiedene medizinische Versuche durchgeführt. Als wir Birkenau verließen, waren diese noch am Leben. Unter den Vergasten befand sich u.a. aus der Slowakei stammend auch Rozsi Fürst aus Sored. Eine Woche vor der Vergasung, also am 1.3.1944 mussten alle Lagerinsassen an ihre Angehörigen im Ausland über ihr Wohlbefinden schreiben. Die Briefe mussten mit dem Datum 23.–25. März 1944 versehen werden. Es wurde ihnen aufgetragen, Paketsendungen von den Angehörigen im Ausland zu verlangen.

ca. 153 – 154.000

1000 polnische Arier aus dem Zuchthaus Pawiak

ca. 155 – 150.000

Im Oktober und November 1943 4000 Personen aus diversen Zuchthäusern und kleinere Transporte von Juden aus Bendsburg und Umgebung, die aus ihren Verstecken ausgehoben wurden, ferner eine Gruppe von Schutzrussen aus dem Gebiet Minsk-Witebsk. Es kamen auch russische Kriegsgefangene, die, wie bereits erwähnt, Nummern von 1-12.000 erhielten.

ca.160.000 – 165.000

Im September 1943 5000 Männer aus Transporten von vorwiegend holländischen, französischen, belgischen und zum ersten Male auch italienischen Juden aus Fiume, Triest und Rom. Mindestens 30.000 Personen aus diesen Transporten wurden sofort vergast.

Die Mortalität unter diesen Juden war enorm groß. Außerdem wütete noch immer das System der Selektion. Diese Bestialität erreichte ihren Höhepunkt um den 10. und 24. Januar 1944, als man auch kräftige, gesunde Jugend, ohne Rücksicht auf Beruf und Arbeitseinteilung – bis auf Ärzte – selektierte. Alles musste antreten, es wurde streng kontrolliert, ob alles anwesend ist, dann wurde die Selektion durch den Lagerarzt und den Lagerführer von Birkenau SS-Untersturmbannführer Schwarzhuber vorgenommen. Die Juden, die sich im „Krankenbau“ befanden, der inzwischen vom Block 7 in eine separate Abteilung übersiedelte und wo in der letzten Zeit annehmbare Bedingungen herrschten, wurden restlos vergast. Außer diesen wurde zufolge dieser Aktion 2500 Männer und über 6000 Frauen vom Frauenlager in die Gaskammern gebracht.

ca. 165.000 – 168.000

Am 20. Dezember 1943 kamen wieder 3.000 Juden aus Theresienstadt. Die Transportliste trägt dieselbe Aufschrift wie bei denen, die am 7. September angekommen sind: „SB-Transport, tschechische Juden mit 6 monatlicher Quarantäne“. Nach ihrer Ankunft wurden sie, Männer, Frauen und Kinder in dem Lagerabschnitt zu den im September Angekommenen logiert. Sie genießen alle Vergünstigungen, ebenso wie ihre Vorgänger. 24 Stunden von der Vergasung der ersten Gruppe wurden sie in das zufällig leerstehende Nebenquartal gebracht und auf diese Weise von der Gruppe abgesondert. Noch heute befinden sie sich in diesem Quartal. Nachdem nach Vergasung der ersten Gruppe keine Zweifel mehr darüber bestehen, was man mit ihnen plant, bereiten sie sich schon heute auf Widerstand vor. Die Organisierung des Widerstandes wird von Ruzenka Laufschner, Prag, und Hugo Langsfeld, Prag, durchgeführt. Sie beschaffen sich langsam Brennstoff und beabsichtigen im Ernstfalle, die Blocks ihres Quartals anzuzünden. Ihre Quarantäne-Frist läuft am 20. Juni 1944 ab.

ca. 169.000 – 170000

1000 Personen aus diversen kleinen Gruppen, Juden Polen und Schutzrussen

ca. 170.000 – 171000

1000 Polen und Schutzrussen, auch eine Anzahl von Jugoslawen.

ca. 171.000 – 174000

Ende Februar, Anfang März - 3000 Juden aus Holland, Belgien und zum ersten Male altansässige französische (nicht naturalisierte) Juden aus Frankreich. Der überaus größere Tell dieser Transporte wurde nach Ankunft sofort vergast.

Mitte März kam eine kleine Gruppe von Bendsburger und Sosnowitzer Juden, die aus ihren Verstecken ausgehoben wurden. Von diesen erfuhren wir, dass sich viele polnische Juden nach der Slowakei und von dort nach Ungarn retten und dass ihnen hierbei die slowakischen Juden helfen.

Nach der Vergasung des Theresienstadter Transports hatten wir bis zum 15. März 1944 keinen Zuwachs. Der Lagerstand sank, weshalb dann alle Männer von fortlaufend ankommenden Transporten von insbesondere holländischen Juden in das Lager gebracht wurden. Wir verließen das Lager am 7. April 1944 und hörten noch, dass größere Transporte mit griechischen Juden ankommen.

Das Lager Birkenau besteht aus drei Bauabschnitten. Derzeit sind nur die Bauabschnitte I und II durch die kleine Postenkette umgeben, weil der Abschnitt III sich noch im Bau befindet und unbewohnt ist. Zur Zeit, als wir Birkenau verließen, war das Lager wie folgt belegt:

Bauabschnitt I (Frauenkonzentrationslager)

-

Slow. Juden

andere Juden

Arier

Anmerkung

I a und Ib

ca. 300

ca. 7.000

ca. 6.000

Außer den 300 slow. jüd. Mädchen sind noch ca.100 im Stabsgebäude Auschwitz

Bauabschnitt II

-

-

-

-

IIa Quarantänelager

2

ca. 200

ca. 800

Unter den 2 slow. Juden Dr. Andreas Müller aus Podolines, Blockältester

II b Juden aus Theresiensatdt

-

ca. 3.500

-

Mit Quarantänefrist von 6 Monaten

IIc derzeit unbelegt

-

-

-

-

II d Stammlager

58

ca. 4.000

ca. 6.000

-

IIe Zigeunerlager

-

-

4.500

Das ist der Rest von 16000 Zigeunern. Sie werden zur Arbeit nicht verwandt, sterben rasch aus

IIf Häftlings-Krankenbau

6

ca. 1000

ca. 500

die 6 slow. Juden sind alle Funktionäre im Häftlingskrankenbau, und zwar

Nr. 36.832

Walter Spitzer – Blockältester aus Hemsova von Lublin nach Birkenau gekommen

Nr. 29.867

Josef Neumann („Leichencapo“) aus Snina

Nr. 44.989

Josef Zetmanowie „Personal“ aus Snina

Nr. ?

Chaim Katz „Personal“ aus Snina

Nr. 32.407

Ludwig Eisenstädter, „Tätowierer“ aus Krampachy

Nr. 30.049

Ludwig Solmann „Schreiber“ aus Komsrok

Die innere Verwaltung des Lagers Birkenau erfolgt durch hierzu bestimmte Häftlinge. Die Blocks werden nicht nach Nationalitäten bewohnt, sondern vom Gesichtspunkt der gleichen Arbeitseinteilung (Arbeits-Kommando). Ein jeder Block hat 5 Funktionäre u.s.w.

ein Blockältester
der Blockschreiber
der Pfleger
2 Stubendienste

Der Blockälteste.

trägt eine Binde am linken Arm mit der Bezeichnung seines Blockes: Block Nr.... Er ist für die allgemeine Ordnung im Block verantwortlich, ist in seinem Block Herr über Leben und Tod. Bis Februar 1944 waren etwa 50% aller Blockältesten Juden, dann kam aus Berlin die Direktive, wonach Juden diesen Posten nicht bekleiden dürfen. Sie wurden also bis auf 3 slowakische Juden, die diesen Posten trotz des Verbotes weiter behalten konnten abgelöst. Die drei slowakischen Juden sind:

Arnest Rosim (Hazek)

– Zilina – Blockältester im Block 24, Aufräumungskommando und Bendsburger Handwerker

Dr. Andreas Müller

Podolinec – Blockältester im Block 13, Quarantänelager

Walter Spitzer

Neusova – Blockältester im Block 14, Krankenbau

Der Blockschreiber

ist ausführendes Organ des Blockältesten, er macht alle angeordneten schriftlichen Arbeiten, führt den Stand und die Kartei. Die Arbeit des Blockschreibers ist sehr verantwortungsvoll. Der jeweilige Stand ist peinlich genau zu führen. Die Häftlinge werden nach ihren Nummern und nicht nach ihrem Namen in Evidenz gehalten, weshalb sich ein Irrtum leicht einschleichen kann. Dies kann aber verhängnisvoll werden. Hat der Blockschreiber irrtümlich eine Nummer tot gemeldet – was bei der gewohnt hohen Mortalität leicht möglich ist und auch öfter vorgekommen ist – so wird dieser Fehler einfach dadurch gutgemacht, dass der Betreffende tatsächlich nachträglich hingerichtet wird. In der einmal weiterbeförderten Meldung kann keine Korrektur vorgenommen werden. Die Blockschreiber-Stelle ist eine Machtstellung im Block und wird häufig missbraucht.

Der Pfleger und die Stubendienste

haben die manuellen Arbeiten in und um den Block zu erledigen, wobei von einer Pflege natürlich keine Rede sein kann.

Über dem ganzen Lager steht der Lagerälteste. Er ist auch Häftling. Der gegenwärtige Lagerälteste in Birkenau ist: Häftlingsnummer 11.182 Franz Danisch, politischer Häftling aus Königshütte, O/S. Er ist uneingeschränkter Herr über das ganze Lager, er kann Blockälteste und Blockschreiber ernennen oder absetzen, Arbeitsstellen anweisen usw. Danisch verhält sich auch Juden gegenüber sehr korrekt, ist objektiv und unbestechlich.

Neben dem Lagerältesten steht der Rapportschreiber. Er besitzt die größte Machtposition im Lager. Er steht in direkter Verbindung mit dem Lagerkommando, indem er derjenige ist, der die Befehle der Lagerführung übernimmt und ihr auch alle Meldungen erstattet. Er übt einen großen Einfluss auf die Lagerführung aus. Ihm unterstehen direkt alle Blockschreiber die ihre Meldungen ihm zu unterbreiten haben. Der Rapportschreiber im Lager Birkenau ist:

Häftlingsnummer: 31.029 Kasimir Gork, Pole, ehemaliger Bankbeamter aus Warschau. Er ist wohl Antisemit, hat aber den Juden direkt nicht geschadet.

Die obere Kontrolle über die Blocks haben 6-8 „Blockführer“ inne. Diese sind SS-Männer. Durch diese wird allabendlich der Appell abgehalten, dessen Ergebnis sodann ihrem Vorgesetzten der Lagerführer Untersturmbannführer Schwarzhuber aus Tirol gemeldet wird. Schwarzhuber ist Alkoholiker und Sadist.

Über dem Lagerführer steht der Lagerkommandant. Er ist gleichzeitig Lagerkommandant von Auschwitz. Das Konzentrationslager Auschwitz hat ebenfalls einen Lagerführer, der dem gemeinsamen Lagerkommandanten Auschwitz-Birkenau unterstellt ist. Der Lagerkommandant heißt: Höss.

Führer der Arbeitskommandos (Arbeitsgruppen) sind die Capo. Während der Arbeit ist der Capo die höchste Autorität, er verfügt vollkommen über die ihm unterstellten Häftlinge. Es ist nicht selten, dass der Capo einen ihm unterstellten Häftling während der Arbeit erschlägt. Bei größeren Kommandos gibt es mehrere Capos, über welchen dann der Obercapo steht. Früher waren häufig auch Juden Capos, eine Verfügung aus Berlin hat dies jedoch verboten. Ein Jude hat diesen Posten dennoch beibehalten können, es ist ein gewisser

Roth aus Michalovoe, von Beruf Installateur.

Die höchste Arbeitskontrolle wird durch die deutschen Fachleute durchgeführt.

[Aussage des zweiten Flüchtlings[2]]

Am 14. Juni 1942 verließen wir Novaky, passieren Zilina und kamen gegen 5 Uhr abends in Zwardon an. Dort mussten wir aussteigen und wurden gezählt. Die Transporte wurden durch SS-Männer übernommen. Der eine SS-Mann hat sich sehr darüber aufgeregt, dass wir ohne Wasser fuhren, indem er die laute Bemerkung machte: „Diese Barbaren Slowaken, kein Wasser gegeben!“ Die Fahrt ging dann weiter, nach zwei Tagen kamen wir in Lublin an. In Lublin wurde der Befehl gegeben: „Arbeitsfähige zwischen 15 und 50 Jahren aussteigen, Kinder und Alte sollen im Waggon bleiben“. Wir sind ausgestiegen. Die Station war von Litauern in SS-Uniform umgeben, die mit Maschinenpistolen bewaffnet waren. Die Waggons, in welchen sich die Arbeitsunfähigen, Kinder und Alte befanden, wurden sofort geschlossen und der Zug fuhr ab. Wohin und was mit ihnen geschah, wissen wir nicht.

Der kommandierende SS-Scharführer sagte uns, dass wir einen längeren Weg vor uns haben. Wer sein Gepäck mitnehmen will, kann es tun, wer hingegen nicht, kann es auf einen bereitstehenden Lastwagen aufladen, dieser wird bestimmt ankommen. Ein Teil unseres Transportes hat sein Gepäck mitgeschleppt, der andere Teil seins auf den Wagen aufgeladen. Gleich hinter der Stadt lag eine Fabrik „Bekleidungswerke“. Im Hofe der Fabrik standen etwa 1.000 Menschen in Reihen, mit schmutzigen, gestreiften Häftlingskleidern, sie warteten auf das Mittagessen. Dieser Anblick, – wir erkannten, dass es Juden waren – war nicht allzu hoffnungserregend. Ganz plötzlich erblickten wir von einer Anhöhe das riesenhaft große Barackenlager Majdanek, umgeben von einem 3 m hohen Stacheldrahtzaun.

Kaum passierte ich das Lagertor, da sah ich den Trnavaer Maco Winkler der mich sofort darauf aufmerksam machte, dass hier einem jedem alles abgenommen wird. Rings um uns standen slowakische Juden in verwahrlostem Zustand, abgeschoren, alle in schmutzigen Häftlingskleidern, mit Holzschuhen oder barfuss, abgerissen, sehr viele mit geschwollenen Füssen. Sie haben gebettelt, dass wir ihnen etwas von unserem Proviant schenken sollen. Was möglich war, haben wir unter ihnen verteilt, weil uns ja gesagt wurde, dass uns alles abgenommen wird. Wir wurden zur Effekten-Kammer geführt, wo wir alles, was wir bei uns hatten, abgeben mussten. Dann wurden wir im Laufschritt zu einer anderen Baracke gejagt, wo wir uns auskleideten, unsere Haare wurden geschoren, wir mussten unter eine Dusche, erhielten dann Häftlingskleider und Wäsche, Holzschuhe und eine Mütze.

Ich wurde auf das sogenannte „Arbeitsfeld 2“ zugeteilt. Das ganze Lager bestand nämlich aus 3 voneinander durch Drahtzaun abgeteilte Arbeitsfelder. Das Arbeitsfeld 2 war von slowakischen und tschechischen Juden besetzt. Zwei Tage wurden wir darin unterwiesen, wie wir die Mütze zum Grusse abnehmen und wieder aufzusetzen haben, wenn wir einem Deutschen begegnen. Dann wurden in strömenden Regen stundenlange Appelle abgehalten. Die Barackeneinrichtung war ganz originell. Drei lange Tische (fast so lang wie die Barackenlänge) waren aufeinandergestellt. Diese 4 Etagen (Fußboden und 3 Tische) dienten als Nachtlager. Um die Tische, entlang der Wände, wurde ein schmaler Gang freigelassen.

Zum Essen bekamen wir in der Frühe eine „Suppe“. Sie war ziemlich dicht und musste mit der Hand gegessen werden. Mittag eine ähnliche Suppe, am Abend sogenannten Tee und 30 dkg ungenießbar schlechtes Brot. Außerdem 2-3 dkg. Marmelade oder Kunstfett, ärgster Qualität.

Das größte Gewicht wurde in den ersten Tagen auf die Erlernung der „Lagerhymne“ gelegt. Stundenlang standen wir und mussten singen:

Aus ganz Europa kamen
wir Juden nach Lublin
Viel Arbeit gibt‘s zu leisten
Und dies ist der Beginn

Um diese Pflicht zu meistern
Vergiss Vergangenheit
Denn in der Pflichterfüllung
liegt die Gemeinsamkeit

Drum rüstig an die Arbeit
Ein Jeder halte mit
Gemeinsam wollen wir schaffen
Im gleichen Arbeitsschritt

Nicht Alle wollen begreifen
Wozu in Reihen wir stehen
Die müssen wir dann zwingen
Dies alles zu verstehen

Die neue Zeit muss Alle
Uns Alle stets belehren
Dass wir schon nur die Arbeit
Der Arbeit angehören

Drum rüstig an die Arbeit
Ein Jeder halte mit
Gemeinsam wollen wir schaffen
Im gleichen Arbeitsschritt

Das Arbeitsfeld I. war durch slowakische Juden besetzt; Das Arbeitsfeld II. durch slowakische und tschechische Juden; Das Arbeitsfeld III. durch Partisanen. Das Arbeitsfeld IV und V. wurde von den Juden der Arbeitsfelder I. und II. gebaut. Die Partisanen im Arbeitsfeld III waren in ihren Baracken eingesperrt, haben nichts gearbeitet, das Essen wurde ihnen wie Hunden hingeworfen. Die Wache traute sich nicht in ihre Nähe. Sie starben in ihren überfüllten Baracken massenhaft und wurden seitens der Wache bei allen möglichen Gelegenheiten erschossen.

Die Capos waren Reichsdeutsche und Tschechen. Die Ersteren waren brutal, während die Tschechen, wo es ihnen nur möglich war, halfen. Der Lagerälteste war ein Zigeuner aus Holic, namens Galbavy, sein Stellvertreter der Sereder Jude Mittler.

Wahrscheinlich hat Mittler seine Stellung seinem brutalen Vorgehen zu verdanken gehabt. Er hat seine Machtposition dazu benützt, um die schon ohnedies schwer geprüften Juden noch mehr zu peinigen, er schlug und schikanierte sie, wo er etwas Böses anstellen konnte, hat er es nicht versäumt. Bei den allabendlichen Appellen wurden wir von den SS-Männern auf brutalste Weise schikaniert. Stundenlang mussten wir draußen stehen – nach der schweren Arbeit – und die „Hymne“ singen, wobei ein jüdischer Kapellmeister vom Dache eines Hauses unter hellem Gelächter der SS-Männer dirigieren musste. Bei diesen Anlässen ließen es die SS-Männer an körperlichen Züchtigungen nicht fehlen. Auf tragische Weise endete der Sereder Rabbiner Eckstein. Er kam einmal einige Minuten verspätet zum Appell, weil er Diarrhö hatte und auf dem Klosett war. Der Scharführer ließ ihn hierauf zweimal nacheinander mit dem Kopf nach unten tief in die Klosettmündung tauchen, worauf er ihn mit kaltem Wasser abgoss, seinen Revolver zog und ihn erschoss.

Zwischen dem Arbeitsfeld I. und II. stand das Krematorium. Dort wurden die Leichen verbrannt. Die Mortalitätsziffer pro Feld betrug bei einer Gesamtzahl von 6 – 8.000 Personen etwa 30 pro Tag, später hat sich diese Zahl auf das fünf- und sechsfache gehoben. Dann wiederholten sich Fälle, dass man aus den Marodenzimmer 10-20 Kranke in das Krematorium brachte, wo sie auf eine mir unbekannte Art umgebracht und dann verbrannt wurden. Es war ein durch elektrischen Strom geheiztes Krematorium bei welchem Russen beschäftigt waren.

Zufolge der unmöglichen Kost und der sonstigen sehr schlechten Lebensbedingungen vermehrten sich allmählich die Krankheiten. Ausser den schweren Magenerkrankungen grassierte im Lager eine unheilbare Fußödem. Die Menschen bekamen geschwollene Füsse und konnten sich nicht bewegen. Man begann diese Kranke in immer größerer Anzahl in das Krematorium zu führen. Als dann am 26. Juni 1943 die Zahl der im Krematorium umgebrachten Kranken auf 70 stieg, beschloss ich, die sich mir eben bietende Gelegenheit auszunützen, um mich freiwillig zur Versetzung nach Auschwitz zu melden.

Am 27. Juni 1942 führte ich die Sträflingskleider ab, erhielt Zivilkleider und fuhr mit einem Transport nach Auschwitz. Nach einer Fahrt von 48 Stunden, welche wir im Waggon eingeschlossen, ohne Essen und Trinken verbracht haben, kamen wir halbtot in Auschwitz an. Am Eingangstor begrüßte uns die große Aufschrift: „Arbeit macht frei“. Der Hof war rein, geordnet, die Ziegelbauten machten auf uns nach den schmutzigen und primitiven Baracken in Lublin einen sehr guten Eindruck. Wir dachten, einen guten Tausch gemacht zu haben. Wir wurden sofort in einen Keller geführt, bekamen Tee und Brot. Am nächsten Tag wurden uns die Zivilkleider abgenommen, wir wurden rasiert, unsere Häftlingsnummern wurden uns am linken Unterarm eintätowiert, schließlich erhielten wir ähnliche Häftlingskleider, wie wir sie in Lublin hatten und nachdem sie unsere Personaldaten aufgenommen hatten, waren wir regelmäßige sogenannte „politische“ Häftlinge im Konzentrationslager Auschwitz.

Wir wurden im Block 17 untergebracht, wo wir auf dem Fußboden zu liegen hatten. In einer Häuserreihe, welche von uns durch eine Mauer getrennt war, waren die jüdischen Mädchen aus der Slowakei, die im März und April 1942 nach Auschwitz gebracht wurden, untergebracht. Als Arbeitsplatz wurde uns die Baustelle des enorm großen Fabrikobjektes „Buna“ zugewiesen. Um 3 Uhr früh wurden wir zur Arbeit getrieben. Zu essen bekamen wir mittags eine Kartoffel- oder Steckrübensuppe, am Abend Brot. Während der Arbeit wurden wir fürchterlich misshandelt. Da die Arbeitsstelle außerhalb der großen Postenkette lag, wurde der Arbeitsplatz auf Quadrate von 10 mal 10 m geteilt. Jedes Quadrat wurde durch einen SS-Mann bewacht. Wer während der Arbeit die Grenzlinie seines Quadrates überschritt, wurde ohne Warnung „auf der Flucht erschossen“. Es kam oft vor, dass der SS-Mann einem Häftling die Weisung gab, ein Werkzeug oder einen Gegenstand, welches jenseits der Quadratlinie war, zu holen. Wenn dann der Häftling den Befehl befolgte, wurde er wegen Übertretung der Grenzlinie erschossen. Die Arbeit war sehr schwer, man gewährte uns keine Ruhepause. Der Weg von der Arbeit musste in strammer, militärischer Ordnung zurückgelegt werden. Wer aus der Reihe trat, wurde erschossen. Zur Zeit, als ich auf diese Arbeitsstelle kam, arbeiteten dort etwa 3000 Personen, darunter ca. 2.000 slowakische Juden. Die harte Arbeit, ohne Nahrung und Rast haben aber sehr wenige von uns ausgehalten. Fluchtversuche, obwohl diese gar keine Aussicht auf Erfolg hatten, waren an der Tagesordnung. Wöchentlich wurden einige gehängt.

Nach einigen Wochen qualvoller Arbeit auf der Baustelle „Buna“ brach im Lager plötzlich eine fürchterliche Flecktyphus-Epidemie aus. Die geschwächten Häftlinge starben zu Hunderten. Lagersperre wurde angeordnet und die Arbeiten am „Buna“ wurden eingestellt. Die noch am Leben Gebliebenen von dieser Arbeitsstelle wurden Ende Juli 1942 in die Kiesgrube geschickt. Die Arbeit war hier womöglich noch schwerer, als die am „Buna“. Mit unseren geschwächten Kräften konnten wir beim besten Willen keine Leistung vollbringen, die unsere Aufseher zufriedengestellt hätte. Die Meisten von uns bekamen geschwollene Füße. Unser Kommando wurde daher angezeigt, dass wir faul sind und unordentlich arbeiten. Es kam eine Kommission. Ein Jeder von uns wurde eingehend untersucht. Alle jene, die geschwollene Füße hatten oder nicht ganz sicher auftreten konnten, wurden separiert. Obwohl ich in den Füßen furchtbare Schmerzen verspürte, habe ich mich beherrscht und trat stramm vor die Kommission. Ich wurde für gesund befunden. Von 300 Personen wurden ca. 200 für krank befunden. Sie wurden sofort nach Birkenau geschickt und im Birkenwald vergast.

Ich wurde dann zur Arbeit in die DAW (Deutsche Ausrüstungswerke) kommandiert. Wir hatten dort Skier mit Farbe anzustreichen. Die vorgeschriebene Anzahl war täglich minimum 120 Stück. Wer dieses Quantum nicht fertigstellte, wurde am Abend tüchtig durchgeprügelt. Man musste schon fleißig zugreifen, um der Prügel zu entgehen. Eine andere Gruppe stellte Kisten für Granaten her. Als einmal 15.000 solcher Kisten fertig waren, stellte es sich heraus, dass sie um einige Zentimeter zu klein waren. Hierauf wurde eine Anzahl von jüdischen Häftlingen, darunter Erdelyi (er soll in Banovce Verwandte haben) wegen Sabotage erschossen.

Mitte August 1942 wurden die jüdischen Mädchen aus der Slowakei, die jenseits der Mauer untergebracht waren, nach Birkenau überführt. Ich hatte sie kurz sprechen können. Sie waren sehr herabgekommen und ausgehungert. Sie waren mit zerfetzten alten russischen Uniformen bekleidet und trugen Holzschuhe oder gingen barfuss herum. Die Haare hatten sie abgeschoren und waren ganz verwahrlost.

Am selben Tage wurden wir wieder alle streng untersucht, alle Flecktyphusverdächtigen wurden nach dem Birkenwald geschickt, wir Gesunden wurden nackt in die Ubikationen, die die Mädchen eben geräumt hatten, einquartiert. Ich erfuhr zufällig, dass beim „Aufräumungskommando“ Plätze frei geworden sind. Ich habe mich gemeldet und wurde hin angestellt.

Das „Aufräumungskommando“ zählte 100 Häftlinge, ausschließlich Juden. Wir wurden in eine völlig abgeteilte Ecke des Lagers gebracht, wo riesige Berge und volle Magazine von Rucksäcken, Koffern und allerhand Gepäck waren. Unsere Arbeit bestand darin, dieses Gepäck zu öffnen und die darin befindlichen Gegenstände in Koffern bzw. separaten Magazinen zu sortieren. Es gab also Koffer mit Kämmen, Spiegeln, Zucker, Konserven, Schokolade, Medikamenten. Die Koffer wurden dann laut Sorten gestapelt. Die Wäsche und Konfektion wurden in eine große Baracke gebracht, wo diese durch jüdische Mädchen aus der Slowakei sortiert und gepackt wurden. Diese Textilien wurden dann in Waggons verladen und zum Versand gebracht. Die schlechten unbrauchbaren Kleidungsstücke wurden an die Adresse: „Textilfabriken, Memel“ gesandt, während die brauchbaren irgendeinem Ankleidungsheim (ich habe die Anschrift vergessen) nach Berlin geschickt wurden. Ein sehr großer Teil dieser Gegenstände wurde aber von der SS-Aufsicht gestohlen oder ist in die Taschen der hier beschäftigten Häftlinge verschwunden. Chef dieser Sortierungsarbeit, der eine Autorität in diesem Fach geworden, ist Albert Davidowie aus Spisska Nova Vos der diesen Posten noch heute bekleidet.

Kommandant der Abteilung ist der SS-Scharführer Wykleff, ein roher brutaler Mensch, der auch die Mädchen oft verprügelte.

Anlässlich meiner ersten Nachtschicht hatte ich zum ersten Mal die Gelegenheit gehabt, zuzusehen, wie die nach Auschwitz angekommenen Transporte behandelt wurden. Es kam ein Transport mit polnischen Juden. Sie hatten in den Waggons kein Wasser und als sie ankamen, hatten sie etwa 100 Tote. Die Waggontüren wurden geöffnet und wir mussten die von der Reise und den Entbehrungen völlig erschöpften Juden mit einem großen Geschrei aus den Waggons treiben. Sie wurden auch durch häufige Stockhiebe der SS-Mannschaft zum raschen Aussteigen veranlasst. Sie wurden dann in Fünfer-Reihen gestellt. Die Waggons von den Toten, Halbtoten und Paketen zu räumen war unsere Aufgabe. Die Toten wurden auf einer Sammelstelle auf einen Haufen geworfen. Alles, was nicht auf eigenen Füßen gehen konnte, galt als tot. Die Pakete wurden auf einen Haufen gelegt und die Waggons mussten gründlich gereinigt werden. Es durfte vom Transport keine Spur zurückbleiben. Eine Kommission der politischen Abteilung hat dann ca. 10% Männer und 5% Frauen ausgewählt, die abgeführt und durch die bekannte Prozedur den Lagern zugeteilt wurden. Die Restlichen wurden auf Lastautos verladen und nach dem Birkenwald geschickt, wo sie vergast wurden. Die Toten und die sich unter ihnen befindlichen Halbtoten wurden ebenfalls auf Autos verladen. Diese wurden in Birkenwald direkt verbrannt. Häufig wurden kleine Kinder auf die Autos der Toten geschleudert. Die Pakete wurden durch Lastautos in die Magazine gebracht und dann auf die bereits beschriebene Weise sortiert.

In der Zeit von Juli bis September 1942 hatte im Lager Auschwitz, besonders aber im Frauenlager Birkenau die Flecktyphusepidemie gewütet. Die Kranken wurden überhaupt nicht behandelt. Anfangs wurden alle Typhus-Verdächtigen durch Fenolinjektionen getötet, später massenweise vergast. In zwei Monaten starben 15-20.000 Häftlinge, meistens Juden. Insbesondere schwer litt das Mädchenlager. Es hatte gar keine sanitären Einrichtungen, die Mädchen waren total verlaust. Allwöchentlich fanden große Selektionen statt. Die Mädchen hatten sich hierzu, ohne Rücksicht auf die Witterung, nackt zu präsentieren und mussten jedes Mal mit Todesangst erwarten, ob sie selektiert werden oder ob ihnen noch eine Woche Aufschub gewährt werden wird.

Es gab sehr viele Selbstmorde, die einfach so begangen wurden, dass man sich abends zur kleinen Postenkette begab und sich an die Hochspannungsleitung lehnte. Dies ging so lange, bis ihre Zahl auf nur ca. 5% des ursprünglichen Standes sank. Heute leben noch in Auschwitz und Birkenau nur ca. 400 dieser Mädchen, der größte Teil von ihnen konnte sich später gute administrative Posten im Frauenlager sichern. Die Eine von ihnen, eine gewisse Katja (Familienname mir unbekannt) aus Povazska Bystrisa (wo sie Verwandte namens Langfelder hat) bekleidet den hohen Posten des Rapportschreibers. Etwa 100 jüdische Mädels aus der Slowakei fanden im Stabsgebäude in Auschwitz Beschäftigung. Sie verrichten da die gesamte schriftliche Arbeit, die mit der Verwaltung der Lager Auschwitz und Birkenau zusammenhängt. Dank ihrer Sprachkenntnis werden sie zu Dolmetscherdiensten bei Verhören von fremdsprachigen Häftlingen verwendet. Teilweise arbeiten sie auch in der Küche und in der Wäscherei des Stabsgebäudes. In der letzten Zeit sind diese Mädchen verhältnismäßig gut gekleidet, da sie die Möglichkeit hatten, ihre Garderobe aus dem Bestand des Arbeitskommandos entsprechend zu ergänzen. Häufig tragen sie sogar Seidenstrümpfe. Sie lassen ihre Haare wieder wachsen und es geht ihnen verhältnismäßig gut. Dies kann freilich keineswegs von den anderen, einige tausend Köpfe zählende Häftlinge des Frauenlagers behauptet werden. Die slowakischen Mädchen sind die ältesten Häftlinge im Frauenlager. Sie haben bis heute unsagbar viel gelitten und haben jetzt eine kleine Ausnahmeposition.

Meine verhältnismäßig gute Einteilung beim Aufräumungskommando konnte ich aber nicht lange beibehalten. Nach kurzer Zeit wurde ich strafweise nach Birkenau versetzt, wo ich über

1 ½ Jahre verbrachte. Am 7. April 1944 gelang es mir, mit meinem Gefährten zu entkommen.

Vorsichtige Schätzung der in Birkenau seit April 1942 bis April 1944 vergasten Juden nach Herkunftsländern.

Polen (in Lastautos zugeführt)

ca.

300.000

Polen (per Eisenbahn zugeführt)

ca.

600.000

Holland

ca.

100.000

Griechenland

ca.

45.000

Frankreich

ca.

150.000

Belgien

ca.

50.000

Deutschland

ca.

60.000

Jugoslawien, Italien, Norwegen

ca.

50.000

Litauen

ca.

50.000

Böhmen, Mähren und Oesterreich

ca.

30.000

Slowakei

ca.

30.000

div. Lager fremdländischer Juden in Polen

-

300.000

-

ca.

1.765.000

Anmerkungen

[1] d.h. Alfred Wetzler – Hg.
[2] d.h. Rudolf Vrba

Quelle: „Tatsachenbericht über Auschwitz und Birkenau“, Franklin D. Roosevelt Presidential Library, Hyde Park, NY.