Quelle
Die ganze zivilisierte Welt war erschüttert, als am Abend des 10. Mai 1933 die Bücher von Autoren, die den Nazis missfielen, sogar einschließlich die unserer eigenen Helen Keller, feierlich auf dem riesigen Franz-Josefs-Platz zwischen der Berliner Universität und der Staatsoper an der Straße Unter den Linden verbrannt wurden. Ich war ein Zeuge dieser Geschehnisse.
Den ganzen Nachmittag lang waren Nazitrupps in öffentliche und private Bibliotheken gegangen und hatten Bücher, die Dr. Goebbels’ höhere Weisheit als für Nazideutschland ungeeignet erachtet, auf die Straße geworfen. Dort hatten Nazikolonnen von Bierhallenkämpfern diese ausrangierten Bände aufgehoben und sie zu oben genanntem Platz gebracht.
Hier wurde der Bücherhaufen immer größer, und alle paar Minuten traf eine neue grölende Meute ein und warf weitere Bücher auf den eindrucksvollen Scheiterhaufen. Bei Einbruch der Nacht führten dann die Universitätsstudenten unter Anleitung des kleinen Doktors regelrechte Indianertänze auf und skandierten Beschwörungsformeln, während die Flammen in den Himmel stiegen. Als die Orgie ihren Höhepunkt erreicht hatte, fuhr eine Autokavalkade vor. Es war der Propagandaminister höchstpersönlich in Begleitung seiner Leibgarde und einer Anzahl Fackelträgerkameraden der neuen Nazi-Kultur. „Meine Kommilitonen! Deutsche Männer und Frauen!“, rief er, als er ans Mikrofon schritt, auf dass ganz Deutschland ihn hören möge. „Das Zeitalter eines überspitzten jüdischen Intellektualismus ist nun zu Ende, und der Durchbruch der deutschen Revolution hat auch dem deutschen Wesen wieder die Gasse frei gemacht. […] Deshalb tut ihr gut daran, um diese mitternächtliche Stunde den Ungeist der Vergangenheit den Flammen anzuvertrauen. Das ist eine starke, große und symbolische Handlung – eine Handlung, die vor aller Welt dokumentieren soll: Hier sinkt die geistige Grundlage der Novemberrepublik zu Boden. Aber aus diesen Trümmern wird sich siegreich erheben der Phönix eines neuen Geistes. […] Das Alte liegt in den Flammen, das Neue wird aus der Flamme unseres eigenen Herzens wieder emporsteigen. […] Und wie so oft […] schließen wir uns zusammen in einem Gelöbnis, […] – in demselben Gelöbnis, das heute wieder unter diesem Himmel und umleuchtet von dieser Flamme ein Schwur sein soll: Das Reich und die Nation und unser Führer Adolf Hitler: Heil! Heil! Heil!“
Quelle: Louis P. Lochner, Hrsg., The Goebbels Diaries 1942-43. Washington, DC, 1948, S. 177–80; abgedruckt in Jeremy Noakes und Geoffrey Pridham, Hrsg., Nazism, 1919–1945, Band 2: State, Economy and Society 1933–1939. Exeter: University of Exeter Press, 2000, S. 207–08.