Quelle
Berlin, den 18. Juni 1942
Der Reichsminister der
Justiz
917C
Norweg./2-IIIa21263/42
An
den Herrn Reichskommissar für die
besetzten
norwegischen Gebiete
in Oslo
Betrifft: Widernatürliche Unzucht zwischen Frauen
Auf das Schreiben vom 27. Mai 1942
– I R Just 5 Tgb. Nr.
7812 –
Nach dem bisherigen Ergebnis der Beratungen der amtlichen Strafrechtskommission des Reichs ist nicht beabsichtigt, die widernatürliche Unzucht zwischen Frauen unter Strafe zu stellen.
Die Gründe für die Straflosigkeit sind im wesentlichen folgende:
Die gleichgeschlechtliche Betätigung zwischen Frauen ist – abgesehen von Dirnenkreisen – nicht so verbreitet wie bei Männern und entzieht sich angesichts der innigeren Umgangsformen des gesellschaftlichen Verkehrs zwischen Frauen mehr der Beobachtung der Öffentlichkeit. Die damit verbundene größere Schwierigkeit der Feststellung solcher Handlungen würde die Gefahr unberechtigter Anzeigen und Untersuchungen in sich tragen. Der wichtige Grund für die Strafbarkeit der Unzucht zwischen Männern, der in der Verfälschung des öffentlichen Lebens durch die Schaffung von persönlichen Abhängigkeitsverhältnissen liegt, trifft bei Frauen wegen ihrer weniger maßgebenden Stellung in staatlichen und öffentlichen Ämtern nicht zu. Endlich sind auch Frauen, die sich einem widernatürlichen Verkehr hingeben, nicht in dem Maße wie homosexuelle Männer für immer als Zeugungsfaktoren verloren, da sie sich erfahrungsgemäß oft später wieder einem normalen Verkehr zuwenden.
Im Auftrag
gez. Dr. Schäfer
Quelle: Homosexualität in der NS-Zeit. Dokumente einer Diskriminierung und Verfolgung. Herausgegeben von Günter Grau. Mit einem Beitrag von Claudia Schoppmann. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1993, S. 114–15.