Kurzbeschreibung

Obwohl die nationalsozialistische Rassenpolitik die extremste Form der Eugenik-Gesetzgebung darstellte, war die besondere Art der Eugenik, die in Deutschland umgesetzt wurde, lediglich ein Element einer weit verbreiteten, internationalen Forschung und Politik zur Eugenik. Insbesondere die Forscher, Politiker und Aktivisten, welche die Eugenik-Gesetzgebung ausarbeiteten und ihr die Legitimation einer Wissenschaft verliehen, waren hauptsächlich in den USA ansässig, und die Nationalsozialisten beriefen sich häufig auf die Pionierarbeit der amerikanischen Bewegung. Zudem gab es zwischen amerikanischen und deutschen Eugenikern eine intensive Zusammenarbeit und einen regen Gedankenaustausch. Marie E. Kopp war eine amerikanische Befürworterin der Eugenik und reiste 1932 und 1935 nach Deutschland, um Studien über die Anwendung der deutschen Rassenpolitik in diesen Jahren durchzuführen. Kopp erwies sich in amerikanischen Eugenik-Kreisen als einflussreich und setzte sich für die Rassenpolitik der Nazis ein. Auf der 25. Tagung der Eugenics Research Association in New York 1937 erklärte sie, dass sie nicht nur davon überzeugt sei, dass die deutschen Rassengesetze „in völliger Fairness“ angewandt wurden und Diskriminierung keine Rolle spielte, sondern dass die Politik der Nationalsozialisten darauf abzielte, die Gesundheit der Nation durch die Förderung „rassisch reiner“, gesünderer und besserer Menschen zu schützen. Sie lobte die deutsche Politik, Frauen aus dem Arbeitsleben zu entfernen, um sicherzustellen, dass junge Männer eine Beschäftigung finden und früh heiraten und dass Frauen Kinder unter „angemessenen“ Bedingungen aufziehen könnten.

Ein weiterer prominenter Eugeniker, Charles M. Goethe, half bei der Gründung der Eugenics Society of Northern California und der Immigration Study Commission und war Präsident der American Eugenics Research Association. Goethe wollte die Einwanderung aus Lateinamerika und insbesondere aus Mexiko stark einschränken. Er war zudem Präsident der Goethe-Bank, was häufige Reisen nach Deutschland erforderte, wo er die Rassenpolitik der Nationalsozialisten in der Praxis studierte. In seinen Briefen nach Hause reflektierte Goethe darüber, inwieweit das amerikanische Eugenik-Denken und insbesondere die Arbeit des Eugenikers Eugene S. Gosney die deutsche Politik beeinflusst hatte und forderte Amerika auf, eine ähnliche Politik zu verfolgen.

Eugeniker in NS-Deutschland und den USA (1937)

Quelle

I. Aus einem Artikel von Marie Kopp:

Das Sterilisationsgesetz wird als segensreiche Gesetzgebung akzeptiert, die dazu bestimmt ist, die Schwierigkeiten der Betroffenen zu minimieren. Es werden alle möglichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um Justizirrtümer zu verhindern, in welcher Form sie auch immer auftreten mögen. . . Ich bin davon überzeugt, dass das Gesetz in aller Fairness gehandhabt wird und dass es keine Diskriminierung aufgrund von Klasse, Rasse, Glauben, politischer oder religiöser Überzeugung gibt. Ich sage dies mit Zuversicht, weil ich die seltene Gelegenheit hatte, Fallgeschichten in großer Zahl in verschiedenen Teilen des Landes zu prüfen und mich mit den Verfahren der Erbgesundheitsgerichte vertraut zu machen.

II. Aus einem Brief von Charles Goethe:

Es wird Sie interessieren, dass Ihre Arbeit eine wichtige Rolle bei der Meinungsbildung der Gruppe von Intellektuellen gespielt hat, die hinter Hitler in diesem epochalen Programm stehen. Überall spürte ich, dass ihre Meinungen durch das amerikanische Denken und insbesondere durch die Arbeit der Human Betterment Foundation enorm stimuliert wurden. Ich möchte, dass Sie, mein lieber Freund, diesen Gedanken für den Rest Ihres Lebens mit sich tragen, dass Sie wirklich eine große Regierung von 60.000.000 Menschen aufgerüttelt haben.

Quelle der englischen Originaltexte: Stefan Kühl, The Nazi Connection: Eugenics, American Racism, and German National Socialism. Oxford: Oxford UP, 1994, S. 56;58.

Übersetzung: Insa Kummer