Kurzbeschreibung

Reichsbankrat Albert Thoms war Leiter der Edelmetallabteilung der Reichsbank und als solcher zuständig für den Empfang der Lieferungen des Raubgoldes und anderer von den Nazis erbeuteter Wertgegenstände, die im Mai 1945 vom amerikanischen Militär in den Salzbergwerken in Merkers entdeckt wurden. Nach seiner Verhaftung machte er als Zeuge in den Nürnberger Prozessen umfangreiche Aussagen und kooperierte bei der Aufklärung der Verstrickung der Reichsbank in den Umschlag des Nazi-Raubgutes mit den amerikanischen Besatzungskräften, um selbst einer Anklage zu entgehen.

Seit August 1942 lieferte der dem SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt angehörige Hauptsturmführer Bruno Melmer Schmuck, Devisen, Münzen und Edelmetalle, darunter auch Zahngold, an die Reichsbank, welches den Opfern des Holocaust in Osteuropa im Zuge der „Aktion Reinhardt“ in den Vernichtungslagern Belzec, Sobibor, Treblinka und Auschwitz geraubt worden war. Die Reichsbank behielt die Devisen, Schmuckstücke wurden an die Berliner Pfandleihanstalt übergeben, während das Gold eingeschmolzen wurde. Der aus Verwertung und Verkauf des Raubgutes erzielte Gewinn wurde einem Konto der SS zugeführt und ein großer Teil des eingeschmolzenen Goldes zur Kriegsfinanzierung an Schweizer Banken verkauft. Der Gesamtwert der Melmer-Lieferungen belief sich nach amerikanischen Schätzungen auf ca. 36 Millionen Reichsmark. Die SS war nicht die einzige Organisation, die geraubte Wertgegenstände an die Reichsbank lieferte, die SS-Lieferungen stellten später jedoch aufgrund ihrer detaillierten Dokumentation das unanfechtbare Beweismaterial für die Verflechtung der Reichsbank in den Handel mit dem Eigentum der von den Nazis Ermordeten dar.

Als in den 1990er Jahren bekannt wurde, dass sich das Raubgold der Nazis noch immer in der Schweiz befand, wurden Nachforschungen eingeleitet, im Zuge derer sich herausstellte, dass das Verzeichnis der Lieferungen Melmers, die sog. „Melmer-Hefte“ in den 1970er Jahren in der Bundesrepublik offensichtlich vernichtet worden waren. Die Untersuchungen ergaben außerdem, dass der größte Teil des eingeschmolzenen Zahngoldes nicht in die Schweiz ging, sondern über die Deutsche und Dresdner Bank verkauft wurde.

Eidesstattliche Erklärung Albert Thoms’ über die Lieferung von Wertgegenständen von Opfern der Todeslager an die Reichsbank (26. Mai 1948)

  • Alfred Thoms

Quelle

Ich, Albert Thoms, nachdem ich darauf aufmerksam gemacht worden bin, dass ich mich wegen falscher Aussage strafbar mache, stelle hiermit unter Eid und ohne Zwang freiwillig folgendes fest:

Während meiner Amtszeit in Berlin bei der Deutschen Reichsbank wurden von der SS insgesamt 76 Ablieferungen von Wertgegenständen gemacht, die unter dem Namen Melmer geführt wurden. Ich habe diese Ablieferungen bereits anderweitig in einer Eidesstattlichen Erklärung und in meiner Aussage vor dem Internationalen Militärtribunal in Nürnberg am 15.5.1946 beschrieben. Von diesen 76 Ablieferungen gelangte ein Teil nicht mehr zur Verwertung, da durch die Kriegsumstände die Wertgegenstände der Reichsbank (Gold etc.) evakuiert und in Sicherheit gebracht wurden. Die Gesamtverlagerung wurde in das Quittungsbuch der Edelmetall-Ankaufskasse der Reichsbank auf speziell mit rot num[m]erierten Seiten 1-15 eingetragen. Ich erkenne die beigeschlossenen Photokopien als korrekte Kopien der Seiten 14 und 15 dieses Buches an. Die übriggebliebenen Melmer Lieferungen, insgesamt 207 Behälter, die ebenfalls verlagert wurden, setzten sich aus Gold, Devisen, Schmuckgegenständen, Edelsteinen, Perlen, ausgebrochenen Zahnkronen und Zahnersatz zusammen. Da diese Lieferungen nicht mehr bearbeitet und sortiert werden konnten, wurden sie in den Originalbehältern, Kisten, Paketen, Koffern und anderen Behältern nach den Salzbergwerken in Merkers verbracht.

Ich habe die obige Erklärung, bestehend aus einer Seite, sorgfältig durchgelesen, habe die notwendigen Korrekturen in meiner eigenen Handschrift gemacht und habe sie abgezeichnet und erkläre hiermit unter Eid, dass ich nach bestem Wissen und Gewissen die reine Wahrheit gesagt habe.

Albert Thoms

Quelle: U.S. National Archives and Records Administration, College Park, MD, Record Group 238, Entry 171, Box 255, NI-15533.

Eidesstattliche Erklärung Albert Thoms’ über die Lieferung von Wertgegenständen von Opfern der Todeslager an die Reichsbank (26. Mai 1948), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/deutschland-nationalsozialismus-1933-1945/ghdi:document-1536> [07.11.2024].