Kurzbeschreibung

Das Erzählen eines Witzes scheint eine simple und leicht zu ignorierende Handlung zu sein. Doch der Inhalt eines Witzes und das soziale und politische Klima, in dem er erzählt wird, können sehr aufschlussreich für die Emotionen, Meinungen und Themen sein, die in einer Gemeinschaft wichtig sind. Die im Folgenden wiedergegebenen Witze wurden zu verschiedenen Zeiten während des NS-Regimes geschrieben und erzählt. Diese „Flüsterwitze“, wie sie später genannt wurden, machten sich über das Wesen der deutschen Gesellschaft unter den Nationalsozialisten, die öffentlichen Persönlichkeiten führender Parteigrößen wie Adolf Hitler, Hermann Göring und Joseph Goebbels, die Einrichtung von Konzentrationslagern und die steigenden Anforderungen an die Arbeiter im Zuge der Kriegsvorbereitungen lustig. Die Schwierigkeit für Historiker/innen besteht darin, zu beurteilen, was diese Witze als Quellen aussagen. Es war offensichtlich riskant, einen regimekritischenWitz zu erzählen. Doch was sagt das Erzählen eines Witzes über die Meinung der Deutschen über das Regime aus? Ist das Erzählen eines Flüsterwitzes schon ein Akt des politischen Widerstands? Oder waren diese Witze ein Spiegelbild des Lebens in einer Diktatur, in der sich viele Menschen wohlfühlten, wenn sie das Regime mit einer humorvollen Äußerung kritisierten, solange sie diese Worte nicht in tatsächlichen Widerspruch umsetzten? Waren die Witze über Konzentrationslager und den Zusammenbruch des Regimes womöglich eine Form der Bewältigung der Gewalt und der Aushöhlung der Rechtsstaatlichkeit, die tagtäglich stattfanden?

Flüsterwitze im Nationalsozialismus (1933-1945)

Quelle

Ein Engländer wird nach seinem Deutschlandbesuch gefragt, wie er die Deutschen gefunden habe. Er antwortet: „Oh, sie gefallen mir sehr gut, sie sind ehrlich, intelligent und nationalsozialistisch. Nur schade, daß diese drei Eigenschaften nie zusammentreffen. Ein Deutscher hat immer nur zwei davon. Entweder ist er ehrlich und intelligent, dann ist er nicht nationalsozialistisch, oder er ist intelligent und nationalsozialistisch, dann ist er nicht ehrlich, oder er ist ehrlich und nationalsozialistisch, aber dann ist er nicht intelligent.“

Göring sagt zu Goebbels: „Ich habe bemerkt, daß die Leute nicht nehr mit Heil Hitler grüßen. Wie wäre es, wenn Sie zur Abwechslung wieder mal Guten Tag propagierten?“ Darauf antwortet Goebbels: „Ausgeschlossen, solange unser geliebter Führer lebt, wird es keinen guten Tag mehr geben!“

Im KZ treffen sich zwei alte Bekannte. „Warum bist du denn hier?' „Ich habe am 5. Mai gesagt: ,Heß ist verrückt‘. Und du?“ „Ich habe am 15. Mai gesagt: ,Heß ist nicht verrückt‘.“[1]

Adolf Hitler besucht die Staatskrankenanstalt Friedrichsberg, die früher die Bezeichnung Irrenanstalt trug. Die Patienten sind im geschlossenen Block aufgestellt und begrüßen ihr Staatsoberhaupt infolge langer Instruktion sehr hübsch mit dem Deutschen Gruß. Adolf sieht jedoch, daß sich einige Arme nicht zum Gruß erheben. Befremdet fragt er: „Warum grüßen Sie denn nicht?“ Worauf ihm geantwortet wird: „Mein Führer, wir sind doch nicht verrückt; wir sind die Wärter!“

Volksstimmung 1942. Hitler möchte direkt erfahren, wie das Volk über ihn denkt Er verschafft sich eine Perücke, schneidet sich den Bart ab und begibt sich auf die Straße. Den ersten, den er trifft, fragt er: „Wie denken Sie über den Führer?“ Der Mann flüstert: „Das kann ich Ihnen hier auf der Straße nicht sagen“ und führt Hitler in eine Seitengasse, betritt mit ihm ein Hotel, geht mit ihm in ein Zimm er, sieht dort unters Bett, verschließt die Tür, kontrolliert die Schränke und deckt das Telephon mit einem Kissen zu. Dann nähert er sich Hitler und flüstert ihm ins Ohr: „Ich sympathisiere mit dem Führer.“

Hitler zu Mussolini: „Italien ist zu beneiden. Über Italien lacht immer der blaue Himmel.“ Darauf antwortet Mussolini: „Was heißt das schon? Über Deutschland lacht doch die ganze Welt!“

Die Naziherrschaft ist zu Ende. Das Urteil ist gesprochen. Hitler, Göring und Goebbels hängen am Galgen. Da wendet sich Göring noch einmal rechthaberisch zu Goebbels und röchelt ihm zu: „Ich habe es dir ja immer gesagt: Die Sache wird in der Luft entschieden!“

Nach der Gleichschaltung der Länder sind wir ein Volk; es gibt keine Preußen, Bayern, Thüringer und Sachsen mehr. Es gibt nur noch Braun-Schweiger.

Hitler fragt einen Arbeiter: Wie lange arbeiten Sie täglich?
Acht Stunden.
Nun, und wenn Sie in einen Rüstungsbetrieb kämen, wie lange dann?
Sechzehn Stunden.
Und wenn Sie gar für unsere Partei arbeiten sollten?
Dann natürlich 24 Stunden.
Sehr brav! Was sind Sie denn eigentlich?
Totengräber!

Wenn jetzt neue Konzentrationslager eingerichtet werden, soll das auf Berggipfeln geschehen!
Warum?
Man erwartet, daß die Häftlinge dort schneller braun werden!

In der Schweiz erkundigt sich ein NS-Funktionär nach dem Zweck eines imposanten öffentlichen Gebäudes. „Das ist unser Marineministerium,“ erklärt der Schweizer. Darauf der Nazi spöttisch: „Ihr mit euren paar Schiffen. Wozu braucht ihr ein Marineministerium?“ Darauf der Schweizer: „Na, und ihr? Wozu braucht ihr denn ein Justizministerium?“

In Deutschland wurde ein neuer Ufa-Film gespielt. Sein Titel lautet: „Ein Mann will nach Deutschland.“ Während bisher in den Kinos gähnende Leere herrschte, waren sie, als der Film anlief, buchstäblich überfüllt. Die Besucher wollten nämlich den Mann sehen, der nach Deutschland wollte.

Da man im Ausland behauptet, daß die Nazis humorlos sind, veranstaltet Reichspropagandaminister Joseph Goebbels ein Preisausschreiben für die besten politischen Witze.
Folgende Preise wurden vorgesehen: Erster Preis: Fünf Jahre Zuchthaus.
Zweiter Preis: Drei Jahre Konzentrationslager Dachau,
Dritter Preis: Besuch im Keller des Gestapo-Sitzes Prinz Albrecht-Straße mit anschließendem Verhör.

Zwei Männer wurden im Landesgericht wegen Gerüchtemacherei zum Tode verurteilt. Im letzten Augenblick werden sie aber doch noch begnadigt, jedoch mit der eindringlichen Warnung, nie mehr Gerüchte zu erzählen, beziehungsweise weiterzusagen. Kaum sind sie beim Tor draußen, sagt der eine zum andern:
Weißt warum s’ uns begnadigt habn?
Naa. Warum denn?
Weil s’ kane Strick zum Aufhängen mehr habn.

Welches Eintopfgericht ist in Deutschland am weitesten verbreitet?
Gedämpfte Zungen.

Hitler zu Göring: Wie lange haben wir noch zu essen?
Göring: Zirka sieben Jahre.
Hitler darauf erfreut: Ach herrlich. Das werde ich gleich dem Volk verkünden.
Göring: Um Gottes willen. Nur das nicht. Ich meine doch nur für uns beide.

Anmerkungen

[1] Rudolf Heß flog am 10. Mai 1941 nach England.

Quelle 1-7: Hans-Jochen Gamm, Der Flüsterwitz im Dritten Reich. München: List Verlag, 1990.

Quelle 8-16: Franz Danimann, Flüsterwitze und Spottgedichte unterm Hakenkreuz. Wien: Böhlau, 1983, S. 91-101.

Flüsterwitze im Nationalsozialismus (1933-1945), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/deutschland-nationalsozialismus-1933-1945/ghdi:document-5175> [07.11.2024].