Kurzbeschreibung

Im Oktober 1938 erklärte das NS-Regime alle Pässe von Juden für ungültig, die nicht mit einem „J“ gestempelt waren. Pässe wie der von Marianne Strauss, der hier abgebildet ist, machten deutlich, dass sie zu einer jüdischen Familie gehörte. Marianne Strauss (1923-1996) war ein junges jüdisches Mädchen aus einer wohlhabenden Familie in Essen. Als die Nationalsozialisten mit der Deportation der Juden aus Essen begannen, konnte die Familie Strauss aufgrund ihrer Stellung zunächst der Deportation entgehen. Stattdessen wurden sie de facto als Vermittler zwischen dem Regime und ihren jüdischen Nachbarn eingesetzt. Im Jahr 1943 teilte die Gestapo der Familie Strauss jedoch mit, dass sie den nächsten Zug in den Osten besteigen sollten, der zwei Stunden später abfahren sollte. Marianne Strauss gelang die Flucht und sie erhielt Unterstützung durch den Bund, einer linken Untergrundorganisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Juden und politische Verbündete zu schützen. Mit ihrer Hilfe änderte Strauss ihr Haar und ihre Kleidung und begann ihr Leben im Versteck für die nächsten zwei Jahre. Sie erhielt einen Postausweis (zweites Bild), der sie nun nicht mehr als Jüdin auswies. Dies war jedoch kein richtiger Ausweis, und sie war gezwungen, bis zur Kapitulation Deutschlands 1945 alle größeren Polizeikontrollen zu meiden. Das dritte Bild zeigt ihren Nachkriegsausweis, der sie als Verfolgte des NS-Regimes auswies. Mariannes Geschichte ist selten. Sie entging der Gefangennahme und Deportation während der gesamten restlichen Kriegsjahre. Weder verrieten ihre Freunde sie, noch erregte sie den Verdacht der örtlichen Behörden und Nachbarn. Sie war das einzige Mitglied ihrer unmittelbaren Familie, das überlebte. Von den 5.000 bis 7.000 Juden, die nach Mai 1945 in der Stadt Berlin verblieben, wird geschätzt, dass 1.400 den Krieg im Untergrund auf ähnliche Weise überlebt hatten wie Marianne Strauss.

Drei Ausweise von Marianne Strauss: Kennkarte mit ,,J“-Stempel (1939), Postausweis (1943), Verfolgtenausweis (1945)

Quelle

Quelle: Fotos: Marianne Ellenbogen. Mit freundlicher Genehmigung der University of Southampton

Mark Roseman, A Past in Hiding: Memory and Survival in Nazi Germany. New York: Picador, 2002.

Drei Ausweise von Marianne Strauss: Kennkarte mit ,,J“-Stempel (1939), Postausweis (1943), Verfolgtenausweis (1945), veröffentlicht in: German History in Documents and Images, <https://germanhistorydocs.org/de/deutschland-nationalsozialismus-1933-1945/ghdi:image-5211> [06.11.2024].