Quelle
I. Hitlers Befehl vom 19. März 1945
Betr.: Zerstörungsmassnahmen im Reichsgebiet.
Der Kampf um die Existenz unseres Volkes zwingt auch innerhalb des Reichsgebietes zur Ausnutzung aller Mittel, die die Kampfkraft unseres Feindes schwächen und sein weiteres Vordringen behindern. Alle Möglichkeiten, der Schlagkraft des Feindes unmittelbar oder mittelbar den nachhaltigsten Schaden zuzuführen, müssen ausgenutzt werden. Es ist ein Irrtum zu glauben, nicht zerstörte oder nur kurzfristig gelähmte Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- und Versorgungsanlagen bei der Rückgewinnung verlorener Gebiete für eigene Zwecke wieder in Betrieb nehmen zu können. Der Feind wird bei seinem Rückzug uns nur eine verbrannte Erde zurücklassen und jede Rücksichtnahme auf die Bevölkerung fallen lassen.
Ich befehle daher:
1. Alle militärischen, Verkehrs-, Nachrichten-, Industrie- und Versorgungsanlagen sowie Sachwerte innerhalb des Reichsgebietes, die sich der Feind für die Fortsetzung seines Kampfes irgendwie sofort oder in absehbarer Zeit nutzbar machen kann, sind zu zerstören.
2. Verantwortlich für die Durchführung dieser Zerstörung sind die militärischen Kommandobehörden für alle militärischen Objekte einschl. der Verkehrs- und Nachrichtenanlagen,
die Gauleiter und Reichsverteidigungskommissare für alle Industrie- und Versorgungsanlagen sowie sonstige Sachwerte; den Gauleitern und Reichsverteidigungskommissaren ist bei der Durchführung ihrer Aufgabe durch die Truppe die notwendige Hilfe zu leisten.
3. Dieser Befehl ist schnellstens allen Truppenführern bekanntzugeben, entgegenstehende Weisungen sind ungültig.
gez. Adolf Hitler
Quelle: Bundesarchiv Berlin R 3/1623a. „Abänderung des Zerstörungsbefehls vom 19. 3. 1945, Führerbefehle vom 30. 3 und 7. 4. 1945 mit handschriftlichen Korrekturen Hitlers und Speers“; auch abgedruckt als (Beweisstück Speer-25) Zerstörungsbefehl Hitlers vom 19. März 1945: Alle wichtigen Anlagen und Sachwerte im Reichsgebiet, die sich der Feind für Fortsetzung seines Kampfes nutzbar machen kann, sind zu zerstören (Dokument Speer-27), in Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof. Nürnberg 14. November 1945 - 1. Oktober 1946. Band XLI, Amtlicher Text – Deutsche Ausgabe, Urkunden und anderes Beweismaterial. Nürnberg 1949. Fotomechanischer Nachdruck: München, Delphin Verlag, 1989, S. 430-31.
II. Albert Speers Antwort vom 29. März 1945
[…] Als ich Ihnen am 18. März meine Schrift übergab, war ich der festen Überzeugung, daß die Folgerungen, die ich aus der gegenwärtigen Lage zur Erhaltung unserer Volkskraft zog, unbedingt Ihre Billigung finden werden. Denn Sie hatten selbst einmal festgelegt, daß es Aufgabe der Staatsführung ist, ein Volk bei einem verlorenen Krieg vor einem heroischen Ende zu bewahren.
Sie machten mir jedoch am Abend Ausführungen, aus denen — wenn ich Sie nicht mißverstanden habe — klar und eindeutig hervorging: Wenn der Krieg verloren geht, wird auch das Volk verloren sein. Dieses Schicksal ist unabwendbar. Es sei nicht notwendig, auf die Grundlagen, die das Volk zu seinem primitivsten Weiterleben braucht, Rücksicht zu nehmen. Im Gegenteil sei es besser, selbst diese Dinge zu zerstören. Denn das Volk hätte sich als das schwächere erwiesen und dem stärkeren Ostvolk gehöre dann ausschließlich die Zukunft. Was nach dem Kampf übrigbliebe, seien ohnehin nur die Minderwertigen; denn die Guten seien gefallen.
Nach diesen Worten war ich zutiefst erschüttert. Und als ich einen Tag später den Zerstörungsbefehl und kurz danach den scharfen Räumungsbefehl las, sah ich darin die ersten Schritte zur Ausführung dieser Absichten.
Ich glaubte bis dahin aus ganzem Herzen an ein gutes Ende dieses Krieges. […]
Ich kann aber nicht mehr an den Erfolg unserer guten Sache glauben, wenn wir in diesen entscheidenden Monaten gleichzeitig und planmäßig die Grundlagen unseres Volkslebens zerstören. Das ist ein so großes Unrecht unserem Volk gegenüber, daß das Schicksal es mit uns dann nicht mehr gut meinen kann.
[…]
Ich bitte Sie daher, nicht selbst am Volk diesen Schritt der Zerstörung zu vollziehen.
Wenn Sie sich hierzu in irgendeiner Form entschließen könnten, dann würde ich wieder den Glauben und den Mut haben, um mit größter Energie weiter arbeiten zu können.
Sie werden Verständnis dafür aufbringen, was in mir vorgeht. Ich kann mit voller Arbeitskraft nicht wirken und das notwendige Vertrauen nicht ausstrahlen, wenn gleichzeitig mit meiner Anforderung an die Arbeiter zum höchsten Einsatz die Zerstörung ihrer Lebensbasis von uns vorbereitet wird.
[…]
Quelle: Bundesarchiv Koblenz N 1340/215 „29. März 1945 Schreiben Speers an Adolf Hitler Zusammenbruch des Deutschen Reiches, Opposition, insbes. gegen die Zerstörungsbefehle Hitlers (vgl. R 3/1538)“; auch abgedruckt als (Beweisstück Speer-24) Schreiben Speers an Hitler vom 29. März 1945: Ersuchen um Aufhebung des Zerstörungsbefehls Hitlers vom 19. März 1945 (Dokument Speer-30), Beweisstück Speer-24, in Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof. Nürnberg 14. November 1945 - 1. Oktober 1946. Band XLI, Amtlicher Text – Deutsche Ausgabe, Urkunden und anderes Beweismaterial. Nürnberg 1949. Fotomechanischer Nachdruck: München, Delphin Verlag, 1989, S. 425-29.