Kurzbeschreibung

Da Kultur- und Bildungsangelegenheiten traditionell zum Verantwortungsbereich der Länder gehören und nicht zentralistisch geregelt werden, kommt den Verfassungen der Länder für das Schulwesen besondere Bedeutung zu. Die Verfassung des Landes Baden vom 18. Mai 1947 erlaubt die Fortführung des bisherigen gegliederten Schulsystems einschließlich der Privatschulen, betont den christlichen Charakter der öffentlichen Schulen und hält am Religionsunterricht als ordentlichem Lehrfach fest.

Auszug aus der Verfassung des Landes Baden (18. Mai 1947)

Quelle

Zweiter Hauptabschnitt

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Grundpflichten und Gemeinschaftsleben

Abschnitt I:

Familie, Erziehung und Bildung

Artikel 21.

Ehe und Familie genießen als die wichtigen Grundlagen der Volksordnung den besonderen Schutz und die Förderung des Staates. Das Leben der Familie soll sich frei von äußerem Zwang und störenden Eingriffen entfalten.

Die der Familie gewidmete häusliche Arbeit der Frau wird der Berufsarbeit gleichgeachtet. An dem während der Ehe erworbenen Vermögen soll der Frau ein angemessener güterrechtlicher Anteil zustehen.

Kinderreiche Familien haben Anspruch auf angemessenen Ausgleich.

Artikel 22.

Die Mutterschaft hat Anspruch auf Schutz und Fürsorge des Staates.

Artikel 23.

Elternlose Kinder, die nicht in einer Familie aufwachsen können, sind in Heime aufzunehmen, die ihnen ein gesundes Familienleben ersetzen können. Im beruflichen und öffentlichen Leben stehen eheliche und uneheliche Kinder gleich.

Artikel 24.

Die Jugend ist gegen Ausbeutung sowie gegen Gefährdung ihres sittlichen, geistigen und körperlichen Wohles zu schützen. Staat und Selbstverwaltungskörperschaften haben die erforderlichen Einrichtungen zu schaffen. Ihre Aufgaben können durch Einrichtungen der freien Wohlfahrt wahrgenommen werden.

Fürsorgemaßnahmen im Wege des Zwanges sind nur auf gesetzlicher Grundlage zulässig.

Artikel 25.

In allen Erziehungsfragen ist der Elternwille entscheidend nach Maßgabe der Verfassung.

Artikel 26.

Die Jugend ist in der Ehrfurcht vor Gott, in der Liebe zu Volk und Heimat, im Geiste der Friedens- und Nächstenliebe und der Völkerverständigung, zu sittlicher und politischer Verantwortung, zu beruflicher und sozialer Bewährung und zu freiheitlicher demokratischer Staatsgesinnung zu erziehen.

Artikel 27.

Es besteht allgemeine Schulpflicht.

Das gesamte Schulwesen untersteht den Gesetzen und der Aufsicht des Staates. Die Schulen aller Arten und Stufen sind grundsätzlich Anstalten des Staates oder der Selbstverwaltungskörperschaften. Privatschulen dürfen nur nach Maßgabe von Gesetzen mit staatlicher Genehmigung errichtet werden. Der Besuch der öffentlichen Volksschulen und Berufsschulen ist unentgeltlich. Begabten Kindern minderbemittelter Eltern ist der Besuch der höheren Lehranstalten und der Hochschulen aus öffentlichen Mitteln zu erleichtern, insbesondere durch Schulgeldfreiheit und durch Erziehungsbeihilfen. Für die Aufnahme in bestimmte Schulen, einschließlich der Hochschulen, sind nur Anlagen und Neigung, nicht aber die wirtschaftliche, berufliche oder gesellschaftliche Stellung der Eltern maßgebend.

Artikel 28.

Die öffentlichen Schulen sind Simultanschulen mit christlichem Charakter im überlieferten badischen Sinn. An allen Schulen sind beim Unterricht die religiösen Empfindungen aller zu achten. Der Lehrer hat in jedem Fach auf die religiösen und weltanschaulichen Empfindungen aller Schüler Rücksicht zu nehmen und die religiösen und weltanschaulichen Auffassungen sachlich darzulegen.

Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach in allen Volksschulen, Berufsschulen, mittleren und höheren Lehranstalten. Er wird in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der betreffenden Religionsgemeinschaft erteilt und von dieser beaufsichtigt. Kein Lehrer darf gezwungen oder gehindert werden, Religionsunterricht zu erteilen; aus seiner Entscheidung dürfen ihm keine Nachteile erwachsen. Die Lehrer für den Religionsunterricht bedürfen der Bevollmächtigung durch ihre Religionsgemeinschaft. Soweit der Religionsunterricht von den Religionsgemeinschaften selbst erteilt wird, sind ihnen die erforderlichen Schulräume zur Verfügung zu stellen. Das Nähere bestimmt das Schulgesetz.

Die Teilnahme am Religionsunterricht und in kirchlichen Veranstaltungen bleibt der Willenserklärung der Erziehungsberechtigten überlassen. Für Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, ist ein Sittenunterricht einzurichten.

Lehrpersonen darf aus ihrer Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem religiösen Bekenntnis kein Nachteil für ihren beruflichen Aufstieg erwachsen.

Artikel 29.

Staatsbürgerkunde auf der Grundlage der Verfassung ist ordentliches Lehrfach aller Schularten. Jedem Schüler ist beim Abgang aus der Schule ein Abdruck der Verfassung in feierlicher Weise zu überreichen.

Artikel 30.

Die Hochschule ist frei in Forschung und Lehre. Sie verwaltet ihre Angelegenheit nach Maßgabe der Gesetze und unter Aufsicht des Staates. An den sie berührenden Angelegenheiten der staatlichen Unterrichtsverwaltung wird sie vom Staate mitbeteiligt; sie wird insbesondere bei der Ergänzung des Lehrkörpers mit ihren Vorschlägen gehört.

Die theologische Fakultät an der Hochschule bleibt mit den bisherigen Rechten erhalten. Die Besetzung der Lehrstühle erfolgt im Einvernehmen mit der Kirche.

Artikel 31.

Die Bildung der Erwachsenen durch Volkshochschulen, wissenschaftliche Büchereien und Volksbüchereien, öffentliche Theater, Konzerte, Museen und sonstige Bildungsstätten erfährt die staatliche Förderung.

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Quelle: Bodo Dennewitz und Boris Meißner, Hrsg., Die Verfassungen der modernen Staaten. Eine Dokumentensammlung, Bd. 2. Hamburg: Hansischer Gildenverlag, 1948, S. 123–32; abgedruckt in Udo Wengst, Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland. Bd. 2/2: 1945–1949: Die Zeit der Besatzungszonen. Sozialpolitik zwischen Kriegsende und der Gründung zweier deutscher Staaten. Dokumente. Baden-Baden: Nomos, 2001, Nr. 156, S. 342–44.