Kurzbeschreibung

Am 27. November 1958 richtete das sowjetische Außenministerium, auf Chruschtschows Rede vom 10. November folgend, eine Note an die Regierungen der drei Westalliierten. Diese Note, die heute als Berlin-Ultimatum bekannt ist, rekapituliert die Vorkriegsentwicklungen, die alliierte Kooperation während des Krieges sowie die Beziehungen der Alliierten in der Nachkriegszeit aus sowjetischer Perspektive. Sie wirft den USA, Großbritannien und Frankreich schwere Verletzungen der Bestimmungen verschiedener Vier-Mächte Abkommen, hauptsachlich des Potsdamer Abkommens, vor. Die sowjetische Regierung argumentiert, durch die Verletzung der Abkommen hätten die Westalliierten ihr Recht auf eine Präsenz in Berlin verwirkt. Die Note gab den Westalliierten sechs Monate Zeit, West-Berlin zu entmilitarisieren und zur „freien Stadt“ zu erklären. Vierzehn Jahre zuvor hatten sich alle vier Alliierten auf eine gemeinsame Verwaltung der Hauptstadt Berlin in Übereinstimmung mit dem „Protokoll betreffend die Besatzungszonen und die Verwaltung von ‚Groß-Berlin‘” vom 12. September 1944 geeinigt, welche sowohl eine sowjetische als auch eine westliche Präsenz in Berlin garantierte. Durch das Berlin-Ultimatum erklärte die sowjetische Regierung das Abkommen für „ungültig“.

Das Berlin-Ultimatum (27. November 1958)

Quelle

Note der Regierung der UdSSR an die Regierungen Frankreichs, Großbritanniens, und der Vereinigten Staaten

Die Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken wendet sich an die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika als eine der Signatarmächte des Potsdamer Abkommens in der spruchreif gewordenen Frage der Lage Berlins.

Die Frage Berlins, das im Zentrum der Deutschen Demokratischen Republik liegt, dessen westlicher Teil jedoch durch ausländische Besetzung von der DDR abgetrennt ist, berührt zutiefst nicht nur die nationalen Interessen des deutschen Volkes sondern auch die Interessen aller Völker, die in Europa dauerhafte Friedensverhältnisse herzustellen wünschen. Dort in der historischen Hauptstadt Deutschlands berühren sich unmittelbar zwei Welten und auf Schritt und Tritt ragen Barrikaden des „Kalten Krieges“ auf. Seit vielen Jahren besteht in der in zwei Teile getrennten Stadt eine Atmosphäre ständiger Reibungen und Spannung.

Berlin, das Zeuge des großartigen Triumphs des gemeinsamen Kampfes unserer Länder gegen die faschistische Aggression war, ist jetzt zu einem gefährlichen Knoten der Gegensätze zwischen den Großmächten – den Alliierten im vergangenen Krieg geworden. Seine Rolle in den Beziehungen der Mächte kann mit einer glimmenden Zündschnur verglichen werden, die zu einem Pulverfaß gelegt worden ist.

Die daraus sich ergebenden Zwischenfälle, anscheinend sogar lokaler Bedeutung, können in der Atmosphäre der erhitzten Leidenschaften, des Argwohns und der gegenseitigen Befürchtungen einen Brand hervorrufen, den zu löschen schwierig sein wird.

Das ist das bedauerliche Finale, zu dem in den dreizehn Nachkriegsjahren die einstmals gemeinsam vereinbarte Politik der vier Mächte – der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs – hinsichtlich Deutschlands gelangt ist.

Um die wahre Bedeutung des Berlinproblems, vor dem wir heute stehen, richtig zu bewerten und die vorhandenen Möglichkeiten für die Normalisierung der Lage in Berlin festzustellen, ist es erforderlich, sich ins Gedächtnis zu rufen, auf welchen Wegen die Politik der Teilnehmermächte der Antihitlerkoalition hinsichtlich Deutschlands sich entwickelt hat.

Es ist bekannt, daß die USA sowie Großbritannien und Frankreich keineswegs gleich zur Schlußfolgerung kamen, daß die Zusammenarbeit mit der Sowjetunion notwendig ist, um der Hitlerschen Aggression entgegenzutreten, obgleich die Sowjetregierung ständig Bereitschaft dazu an den Tag legte.

In den Hauptstädten der Weststaaten gewannen lange Zeit hindurch die Oberhand entgegengesetzte Bestrebungen, die in dem Zeitabschnitt des Münchener Abkommens mit Hitler besonders deutlich sichtbar wurden. In der Hoffnung, sich den deutschen Militarismus willfährig zu machen und ihn gegen Osten zu dirigieren, duldeten und begünstigten die Regierungen der Westmächte die von Hitler durchgeführte Politik der Erpressung und der Drohungen und die direkten Aggressionsakte Hitlerdeutschlands und seines Verbündeten, des faschistischen Italien, gegen eine Reihe friedliebender Staaten.

Erst als das faschistische Deutschland die kurzsichtigen Kalkulationen der Inspiratoren von München über den Haufen geworfen hatte und sich gegen die Westmächte kehrte, als die Hitlerarmee ihre Bewegung gegen Westen begann und Dänemark, Norwegen, Belgien, Holland erdrückte und Frankreich zu Fall brachte, blieb den Regierungen der USA und Großbritanniens nichts anderes übrig als zuzugeben, daß sie sich verrechnet hatten, und den Weg der Organisierung gemeinsamen Widerstands mit der Sowjetunion gegen das faschistische Deutschland, Italien und Japan zu nehmen. Bei weitsichtiger Politik der Westmächte hätte diese Zusammenarbeit der Sowjetunion, der USA, Großbritanniens und Frankreichs viel früher, schon in den ersten Jahren nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland, aufgenommen werden können, und dann hätte es keine Besetzung Frankreichs, kein Dünkirchen und kein Pearl Harbour gegeben. Dann wäre es möglich geworden, die Millionen Menschenleben zu erhalten, die die Völker der Sowjetunion, Polens, Jugoslawiens, Frankreichs, Englands, der Tschechoslowakei, der USA, Griechenlands, Norwegens und anderer Staaten hingaben, um die Aggressoren zu bändigen.

Die Bildung der Antihitlerkoalition ist ein beispielloses Faktum in der Geschichte der Gegenwart schon deshalb, weil sich in dem gerechten Verteidigungskrieg gegen den gemeinsamen Feind Staaten mit verschiedenem gesellschaftlichen System vereinten. Die Sowjetregierung schätzt die Gemeinschaft der Länder hoch, die im Kampf gegen den Faschismus geschlossen und mit dem Blut der freiheitliebenden Völker besiegelt wurde. Das Sowjetvolk möchte das Vertrauen und die Freundschaft wahren und entwickeln, von denen seine Beziehungen mit den Völkern der USA, Englands, Frankreichs und der anderen Länder der Antihitlerkoalition in den schweren Jahren des vergangenen Krieges durchdrungen waren.

Als die Völker den Sieg über Hitlerdeutschland feierten, trat in Potsdam die Konferenz der Regierungschefs der Sowjetunion, der USA und Großbritanniens zusammen, um eine gemeinsame Politik hinsichtlich Nachkriegsdeutschlands auszuarbeiten. Das Potsdamer Abkommen, dem bald nach seiner Unterzeichnung Frankreich beitrat, war eine Zusammenfassung der geschichtlichen Erfahrungen des Kampfes der Völker um die Verhütung einer Aggression des deutschen Militarismus. Der ganze Inhalt dieses Abkommens war darauf gerichtet, Bedingungen zu schaffen, welche die Möglichkeit eines Angriffs Deutschlands – schon das wievielte Mal – auf friedliebende Staaten ausschlossen; er zielte darauf, daß die deutschen Militaristen nicht noch einen weiteren Weltkrieg vom Zaune brechen könnten, daß Deutschland sich auf immer von dem Wahn der Eroberungspolitik trenne und fest den Weg der friedlichen Entwicklung einschlage.

Entsprechend dem Willen der Völker, die unzählige Opfer um der Zerschmetterung der hitleristischen Aggressoren willen gebracht hatten, verpflichteten sich die Regierungen der vier Mächte feierlich, den deutschen Militarismus und Nazismus auszurotten, deren Wiedererstehen für immer vorzubeugen und alle Maßnahmen zu treffen, damit Deutschland niemals mehr seine Nachbarn oder die Erhaltung des Friedens in der ganzen Welt bedrohen kann. Die Teilnehmer der Potsdamer Konferenz bekundeten ihre Entschlossenheit, jeder faschistischen und militaristischen Betätigung oder Propaganda vorzubeugen. Sie verpflichteten sich auch, alle demokratischen politischen Parteien in Deutschland zu erlauben und zu fördern.

Um die wirtschaftlichen Grundlagen des deutschen Militarismus zu zerstören, wurde beschlossen, die übermäßige Konzentration in der Wirtschaft Deutschlands, dargestellt durch Kartelle, Syndikate, Trusts und andere Monopolvereinigungen, zu vernichten, die die Machtergreifung des Faschismus, die Vorbereitungen und die Durchführung der hitlerfaschistischen Aggression gewährleistet hatten.

Das Potsdamer Abkommen enthielt wichtige Bestimmungen dahingehend, daß auch während der Besatzungszeit Deutschland als wirtschaftliche Einheit zu betrachten ist. Das Abkommen sah auch vor, daß zentrale deutsche Verwaltungsabteilungen gebildet werden. Dem durch Beschluß der Potsdamer Konferenz errichteten Rat der Außenminister wurde die Verpflichtung auferlegt, eine friedliche Regelung für Deutschland auszuarbeiten.

Die Verwirklichung aller dieser Maßnahmen sollte dem deutschen Volk die Möglichkeit geben, eine grundlegende Rekonstruktion seines Lebens vorzunehmen und die Schaffung eines einheitlichen friedliebenden demokratischen deutschen Staates zu verbürgen.

Das sind die Hauptbestimmungen des Potsdamer Abkommens, die die gerechte Verknüpfung der Interessen der Völker, die gegen Deutschland gekämpft hatten, mit den ureigensten Interessen auch des deutschen Volkes selber sicherten und zugleich eine gute Grundlage für eine gemeinsame Politik der vier Mächte in der deutschen Frage und mithin für ihre umfassende und produktive Zusammenarbeit in den deutschen Angelegenheiten überhaupt schufen.

Die weitere Entwicklung der Ereignisse verlief jedoch durchaus nicht in der Richtung, die in Potsdam festgelegt wurde. Die Beziehungen zwischen der UdSSR und den drei Westmächten änderten sich immer mehr zum Schlechten; es wuchsen das Mißtrauen und der Argwohn gegeneinander, die jetzt bereits zu mißgünstigen Beziehungen gediehen sind.

Die Sowjetregierung hoffte aufrichtig, daß es nach der siegreichen Beendigung des Krieges durchaus möglich sein werde, bei aller Unvermeidlichkeit ideologischer Meinungsverschiedenheiten die ersprießliche Zusammenarbeit der Großmächte, die die Antihitlerkoalition leiteten, auf dem Boden einer nüchternen Anerkennung der im Ergebnis des Krieges entstandenen Lage fortzusetzen.

Auf die Politik der Westmächte übten jedoch die Kräfte immer größeren Einfluß aus, die von Haß gegen die sozialistischen und kommunistischen Ideen besessen sind, ihre der Sowjetunion feindlichen Pläne während des Krieges verborgen hielten. Infolgedessen wurde im Westen Kurs genommen auf eine fortschreitende Verschärfung des ideologischen Kampfes, an dessen Spitze sich die aggressiven Führer, die Gegner einer friedlichen Koexistenz der Staaten stellten. Das Signal dazu gab den Vereinigten Staaten und auch anderen westlichen Staaten W. Churchill in seiner wohlbekannten Fultonrede im März 1946.

An sich könnte der Konflikt zwischen zwei Ideologien – der Kampf der Geister und Überzeugungen – den Beziehungen zwischen den Staaten keinen besonderen Schaden zufügen. Der Kampf auf ideologischem Gebiet ließ nie nach und er wird fortdauern, sofern verschiedene Ansichten über die Gestaltung der Gesellschaft bestehen. Leider aber haben die Äußerungen von W. Churchill und seinen Gesinnungsgenossen auf die Geister anderer Staatsmänner der Westmächte gewirkt, was die traurigsten Folgen hatte. In den entbrannten ideologischen Kampf schalteten sich Regierungsorgane und bewaffnete Kräfte ein. Welche Resultate das gehabt hat, ist allgemein bekannt: anstatt daß sich die Zusammenarbeit zwischen den Hauptgroßmächten der Welt entwickelte, spaltete sich die Welt in einander entgegengesetzte militärische Gruppierungen, begann ein Wettbewerb in der Produktion und Hortung von Atom- und Wasserstoffwaffen, mit anderen Worten: es entfalteten sich Vorbereitungen zu einem Kriege.

Die Sowjetregierung bedauert zutiefst, daß die Ereignisse eine solche Wendung genommen haben, da dies dem Frieden schadet, den natürlichen Bestrebungen der Völker nach friedlicher Koexistenz und freundschaftlicher Zusammenarbeit widerspricht. Gab es doch eine Zeit, da Führer der USA und Großbritanniens, insbesondere der hervorragende Staatsmann Amerikas Franklin D. Roosevelt, diese Stimmungen der Volksmassen widerspiegelnd verkündete, daß ein solches System gegenseitiger zwischenstaatlicher Beziehungen nötig sei, bei dem sich die Völker sicher fühlen und die Menschen überall ihr ganzes Leben lang ohne Furcht leben könnten.

Eine besonders scharfe Wende in den Beziehungen der USA sowie Englands und Frankreichs zur Sowjetunion trat ein, als diese Staaten in Deutschland dazu übergingen, eine Politik zu betreiben, die dem Potsdamer Abkommen widerspricht.

Der erste Vorstoß gegen das Potsdamer Abkommen bestand darin, daß sich die Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs weigerten, ihre dem genannten Abkommen entspringenden Verpflichtungen einzuhalten, der Sowjetunion die vereinbarte Menge von Industrieausrüstungen aus Westdeutschland als teilweisen Ersatz für die Zerstörungen und Schäden zu übergeben, die die Aggression Hitlerdeutschlands der Volkswirtschaft der UdSSR zugefügt hat.

Doch damit nicht genug, gingen die Regierungen der USA und Großbritanniens mit jedem Jahr immer weiter von den Prinzipien ab, die dem Potsdamer Abkommen zugrunde liegen.

Auf dem gleichen Weg folgte auch Frankreich, das sich zwar später dem Potsdamer Abkommen angeschlossen hatte, sich aber natürlich nicht als frei von seinem Teil Verantwortung für die Erfüllung dieses Abkommens betrachten kann.

Die Westmächte, die an die Wiederherstellung des Kriegs- und Wirtschaftspotentials Westdeutschlands gingen, belebten und stärkten eben jene Kräfte, die die hitlerfaschistische Kriegsmaschine geschmiedet hatten. Wären die Westmächte dem Potsdamer Abkommen gefolgt, so hätten sie der Wiederherstellung der Positionen der deutschen Militaristen entgegenwirken, den Revanchestimmungen Einhalt bieten und verhindern müssen, daß Deutschland eine Armee und eine Industrie für Vernichtungsmittel schuf. Wie bekannt, haben die Regierungen der drei Mächte dies nicht nur nicht getan, sondern vielmehr die Aufstellung der westdeutschen Armee sanktioniert, und sie kurbeln die Aufrüstung der Bundesrepublik Deutschland an, wobei sie die in Potsdam übernommenen Verpflichtungen fallen lassen. Mehr noch: sie bezogen Westdeutschland in den hinter dem Rücken der Sowjetunion und, wie jedermann verständlich, gegen die Sowjetunion geschaffenen Nordatlantikblock ein und rüsten es nun mit Atom- und Raketenwaffen aus.

Wie man sieht, sind die bitteren Erfahrungen des blutigen Krieges für gewisse Staatsmänner der Westmächte umsonst gewesen, die wieder die berüchtigte München-Politik der Aufhetzung des deutschen Militarismus gegen die Sowjetunion, ihren jüngsten Waffengefährten, ans Licht zerren.

Es taucht die berechtigte Frage auf: können etwa die Inspiratoren der gegenwärtigen Deutschlandpolitik der Westmächte selbst garantieren, daß der von ihnen hochgezüchtete deutsche Militarismus nicht wieder seine jetzigen Partner überfällt, und daß das amerikanische, das englische und das französische Volk nicht mit ihrem Blut die Verletzung der Bündnisabkommen über die Entwicklung Deutschlands auf friedlichem und demokratischem Weg durch die Regierung der drei Westmächte bezahlen müssen? Kaum wird irgend jemand derartige Garantien geben können.

Die Politik der USA, Englands und Frankreichs gegenüber Westdeutschland hat dazu geführt, daß auch die auf Gewährleistung der Einheit Deutschlands als eines friedenliebenden und demokratischen Staats abzielenden Bestimmungen des Potsdamer Abkommens verletzt wurden. Und als in dem von den Truppen der drei Mächte okkupierten Westdeutschland separat ein Einzelstaat – die Bundesrepublik Deutschland – geschaffen wurde, blieb Ostdeutschland, wo die Kräfte ans Ruder kamen, die fest entschlossen sind, nicht zuzulassen, daß das deutsche Volk wieder in eine Katastrophe gestürzt wird, nichts anderes übrig, als seinerseits einen selbständigen Staat zu schaffen.

So sind in Deutschland zwei Staaten entstanden. Während in Westdeutschland, dessen Entwicklung von den USA, England und Frankreich gelenkt wurde, eine Regierung an die Macht gekommen ist, deren Vertreter aus ihrem Haß gegen die Sowjetunion kein Hehl machen und die Ähnlichkeit ihrer Bestrebungen mit den Plänen der Hitleraggressoren oft unumwunden affichieren, wurde in Ostdeutschland eine Regierung gebildet, die mit der aggressiven Vergangenheit Deutschlands unwiderruflich gebrochen hat. Das staatliche und gesellschaftliche Leben der Deutschen Demokratischen Republik wird durch eine Verfassung geregelt, die vollkommen den Prinzipien des Potsdamer Abkommens und den besten fortschrittlichen Traditionen der deutschen Nation entspricht. In der DDR wurden die Monopole und Junker ein für allemal entmachtet, der Nazismus ausgerottet und verschiedene andere soziale und ökonomische Umgestaltungen vorgenommen, die einer Wiedergeburt des Militarismus den Boden entzogen und die DDR in einen wichtigen Faktor des Friedens in Europa verwandelt haben. Die Regierung der DDR hat feierlich verkündet, daß sie die sich für sie aus dem Potsdamer Abkommen ergebenden Verpflichtungen strikt einhalten wird, was, nebenbei bemerkt, die Bundesregierung hartnäckig zu tun vermeidet.

Die Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in den Nordatlantikblock stellte die Sowjetunion vor die Notwendigkeit, Gegenmaßnahmen zu ergreifen, da die Verpflichtungen, die die Sowjetunion, die USA, Großbritannien und Frankreich verbanden, durch die drei Westmächte zerrissen wurden, die sich mit Westdeutschland und noch früher mit Italien gegen die Sowjetunion vereinigten, die die Hauptlast des Kampfes gegen die faschistischen Aggressoren getragen hatte. Die exklusive militärische Gruppierung schuf in gleichem Maß auch für andere Länder eine Gefahr. Diese Situation nötigte die Sowjetunion sowie eine Reihe anderer europäischer Länder, die unter der Aggression des deutschen und des italienischen Faschismus gelitten haben, eine eigene Verteidigungsorganisation zu gründen und zu diesem Zweck den Warschauer Vertrag zu schließen, dem auch die DDR beitrat.

Faßt man das oben Gesagte zusammen, so läßt sich nur eine Schlußfolgerung ziehen: das Potsdamer Abkommen ist von den Westmächten grob verletzt worden. Es gleicht dem Stamm eines Baums, der, einst mächtig und fruchtbar, nun angesägt und darüber hinaus seines Herzstücks beraubt ist. Die hohen Ziele, um derentwillen das Potsdamer Abkommen geschlossen worden war, sind von den Westmächten schon lange abgelehnt worden, und ihre praktische Tätigkeit in Deutschland ist direkt entgegengesetzt der im Potsdamer Abkommen vorgesehenen Tätigkeit. Die Sache ist natürlich nicht die, daß die Gesellschafts- und die Staatsordnung der DDR und der Bundesrepublik nach verschiedenen Grundsätzen organisiert ist. Die Sowjetregierung ist der Meinung, daß eine Entscheidung über die Frage der sozialen Struktur der beiden deutschen Staaten Sache der Deutschen selbst ist. Die Sowjetunion steht auf dem Boden der absoluten Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des deutschen Volkes wie auch jedes anderen Volkes. Doch die Bewegung der DDR zum Sozialismus hat bei der Bundesregierung eine mißgünstige, zutiefst feindselige Einstellung zur DDR hervorgerufen, und das findet volle Unterstützung und Förderung seitens der zur NATO gehörenden Staaten und insbesondere der USA.

Von den Westmächten angespornt, entfacht die Bundesregierung systematisch den „kalten Krieg“, und ihre Führer gaben wiederholt Erklärungen ab, daß die Bundesrepublik eine „Politik der Stärke“ durchführen werde, d. h. eine Politik des Diktats gegenüber dem anderen deutschen Staat. Also wünscht die Bundesregierung keine friedliche Vereinigung des deutschen Volkes, das in zwei Staaten mit verschiedener sozialer Basis lebt, sondern sie schmiedet Pläne zur Liquidierung der DDR und zur Verstärkung des eigenen militaristischen Staats auf Kosten der DDR.

Die Sowjetregierung versteht voll und ganz den Standpunkt der DDR, die die demokratischen und sozialen Errungenschaften der deutschen Werktätigen nicht annullieren will, die nicht will, daß das Eigentum der Kapitalisten und Großgrundbesitzer wiederhergestellt wird und daß dem Volk der Boden, die Fabriken, die Werke abgenommen werden und daß das militaristische Regime auf die DDR ausgedehnt wird. Die in diesen Tagen durchgeführten Wahlen in die Volkskammer und die örtlichen Machtorgane der DDR sind ein neues eindruckvolles Zeugnis dafür, daß die Bevölkerung der DDR die der Erhaltung des Friedens und der Wiedervereinigung Deutschlands auf friedlicher und demokratischer Grundlage geltende Politik ihrer Regierung einmütig unterstützt und von Entschlossenheit erfüllt ist, ihre sozialistischen Errungenschaften zu verteidigen. Die Sowjetunion gibt ihrer vollen Solidarität mit der DDR Ausdruck, die fest ihre legitimen Rechte verficht.

Sieht man der Wahrheit ins Auge, so muß man sagen, daß auch andere Länder keinen Eifer in der Unterstützung der Pläne der Bundesrepublik Deutschland zeigen, die auf gewaltsame Vereinigung Deutschlands gerichtet sind. Dies ist auch verständlich, da die den Völkern, darunter Frankreichs und Großbritanniens, durch Hitlerdeutschland zugefügten Wunden noch frisch sind.

Bei weitem noch nicht getilgt sind die Spuren des vergangenen Krieges, der über die Dörfer und Städte Frankreichs brauste. Noch nicht weggeräumt sind die Zerstörungen, die der Hauptstadt und vielen Städten Englands durch die Bombardements der Hitlerschen Luftwaffe zugefügt wurden, und Millionen Engländer können das tragische Schicksal Coventrys nicht vergessen. Den Völkern, die der Okkupation durch die Hitlerarmee unterworfen waren, sind diese Gefühle nah und verständlich.

Sie haben Millionen Menschen verloren, die getötet und zu Tode gemartert wurden: auf ihrem Boden hat es viele Tausende zerstörte Städte und eingeäscherte Dörfer gegeben. Aus dem Gedächtnis der Sowjetmenschen wird niemals Stalingrad schwinden: niemals werden die Polen Warschau und wird das tschechoslowakische Volk Lidice vergessen. Auch amerikanische Familien mußten die Bitternis des Verlustes ihrer Verwandten und Nächsten kennenlernen. Deutschland hat zweimal Weltkriege entfesselt und beide Male in den Krieg die Vereinigten Staaten von Amerika gezogen, deren Söhne genötigt waren, auf Territorien, die Tausende Kilometer von den amerikanischen Küsten entfernt sind, ihr Blut hinzugeben.

Eingedenk all dessen, können und werden die Völker eine Vereinigung Deutschlands auf militaristischer Grundlage nicht zulassen.

Es gibt ein anderes Programm der Vereinigung Deutschlands; es wird von der DDR vertreten. Es ist dies das Programm der Vereinigung Deutschlands als friedliebender und demokratischer Staat, und dieses Programm kann von den Völkern nur begrüßt werden. Es ist nur ein Weg zu seiner Verwirklichung vorhanden – Übereinkommen und Kontakte zwischen den beiden deutschen Staaten, Schaffung einer deutschen Konföderation. Ohne die sozialen Prinzipien der DDR und der Bundesrepublik Deutschland anzutasten, würde die Verwirklichung dieses Vorschlags die Bemühungen ihrer Regierungen und Parlamente in die einheitliche Bahn friedliebender Politik lenken und die allmähliche Annäherung und das Zusammenwachsen der zwei deutschen Staaten verbürgen.

Die Sowjetunion unterstützt, ebenso wie die anderen an der Festigung des Friedens in Europa interessierten Staaten, die Vorschläge der DDR, die auf die friedliche Vereinigung Deutschlands abzielen. Die Regierung der UdSSR bedauert, daß alle dahingehenden Bemühungen bislang keine positiven Ergebnisse erbracht haben, da die Regierungen der USA und der anderen NATO-Länder und hauptsächlich die Regierung der Bundesrepublik Deutschland in Wirklichkeit weder Sorge für den Abschluß eines Friedensvertrags, noch Sorge für die Vereinigung Deutschlands an den Tag legen.

Die Politik der USA, Großbritanniens und Frankreichs, die auf die Militarisierung Westdeutschlands und seine Hineinziehung in den militärischen Block der Westmächte abgestellt ist, hat die Erfüllung auch jener Bestimmungen des Potsdamer Abkommens vereitelt, die die Einheit Deutschlands betreffen.

Faktisch wird heute von allen alliierten Abkommen über Deutschland nur ein einziges eingehalten: das Abkommen über den sogenannten vierseitigen Status Berlins. Gestützt auf diesen Status wirtschaften die drei Westmächte in Westberlin und verwandeln es in eine Art Staat im Staate, entfalten von Westberlin aus eine Wühltätigkeit gegen die DDR, die Sowjetunion und die anderen Teilnehmerländer des Warschauer Vertrags. Die USA, England und Frankreich bedienen sich unbehindert für die Verbindung mit Westberlin Kommunikationen, die durch das Territorium und den Luftraum der DDR verlaufen, welche sie nicht einmal anerkennen wollen.

Die Regierungen der drei Mächte beanspruchen, daß die längst überlebten Teile der Abkommen der Kriegszeit in Kraft bleiben, durch die die Besatzung Deutschlands geregelt wurde und die ihnen im Vergangenen ein Recht auf Aufenthalt in Berlin gaben. Zu gleicher Zeit verletzen, wie dargelegt wurde, die Westmächte gröblichst die vierseitigen Abkommen einschließlich des Potsdamer Abkommens, das der konzentrierteste Ausdruck der Verpflichtungen der Mächte hinsichtlich Deutschlands ist.

Indessen sind die übrigen Abkommen der vier Mächte über die Besetzung Deutschlands, auf welche sich die Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs zur Begründung ihrer Rechte in Westberlin berufen, durch das Potsdamer Abkommen gutgeheißen oder in dessen Entwicklung getroffen worden. Mit anderen Worten, die drei Mächte fordern für sich die Beibehaltung der Besatzungsprivilegien, die auf jenen vierseitigen Abkommen beruhen, welche sie selber mit Füßen getreten haben.

Wenn sich die USA, England und Frankreich tatsächlich in Berlin gemäß dem Recht befinden, das den genannten internationalen Abkommen und vor allem dem Potsdamer Abkommen entspringt, so ergibt sich daraus für sie die Verpflichtung, diese Abkommen einzuhalten.

Derjenige, der diese Abkommen gröblichst verletzt hat, der hat das Recht zur Beibehaltung seiner Besatzungsverhältnisse in Berlin ebenso wie in jedem anderen Teil Deutschlands eingebüßt. Und kann man denn die Beibehaltung der Besatzungsverhältnisse in Deutschland oder in irgendeinem Teil Deutschlands nach mehr als dreizehn Jahren seit Kriegsende verfechten? Jede Besetzung ist ja eine zeitlich begrenzte Erscheinung, was in den Deutschland betreffenden vierseitigen Abkommen direkt ausbedungen wurde.

Es ist gut bekannt, daß die übliche Methode der Beendigung einer Besetzung der Abschluß eines Friedensvertrags durch die im Kriegszustand befindlichen Seiten ist, der dem besiegten Lande Bedingungen gewährt, wie sie für die Wiederherstellung des normalen Lebens erforderlich sind.

Wenn Deutschland bis jetzt keinen Friedensvertrag hat, so tragen die Schuld dafür vor allem die Regierungen der USA, Englands und Frankreichs, bei denen die Idee der Vorbereitung eines solchen Friedensvertrags, wie ersichtlich, niemals Sympathie gefunden hat. Es ist bekannt, daß die Regierungen der drei Mächte jedesmal negativ reagiert haben, wenn die Sowjetregierung sich an sie in Fragen der Vorbereitung des Friedensvertrags mit Deutschland wandte.

Gegenwärtig stemmen sich die USA, England und Frankreich, wie aus ihren Noten vom 30. September dieses Jahres hervorgeht, gegen die neuen Vorschläge hinsichtlich der friedlichen Regelung mit Deutschland, die von der Sowjetunion und der DDR gemacht worden sind, und zugleich machen sie selber keinerlei Vorschläge zu dieser Frage, wie sie solche Vorschläge in der ganzen Nachkriegszeit nicht entwickelt haben. Im Grunde genommen ist die letzte Note der Regierung der USA eine Wiederholung des gleichen als völlig lebensunfähig erwiesenen Standpunkts, demzufolge sich mit der Wiederherstellung der nationalen Einheit Deutschlands die UdSSR, die USA, Großbritannien und Frankreich zu befassen haben und nicht die deutschen Staaten, die es ja sind, die sich vereinigen sollen. Aus der Note der Regierung der USA geht ferner hervor, daß sie es aufs neue ablehnt, mit der Sowjetunion und den anderen interessierten Staaten in Verhandlungen zwecks Vorbereitung eines Friedensvertrags mit Deutschland einzutreten. Es ergibt sich ein Circulus vitiosus: die Regierung der USA wendet sich gegen die Vorbereitung des deutschen Friedensvertrags unter Berufung darauf, daß kein einheitlicher deutscher Staat besteht, und hindert zugleich die Wiedervereinigung Deutschlands, indem sie die einzig reale Möglichkeit der Lösung dieses Problems durch ein Abkommen zwischen den beiden deutschen Staaten ausschlägt.

Beziehen die Westmächte diesen Standpunkt in der Frage der Vorbereitung des Friedensvertrags nicht etwa deshalb, weil sie ihre Privilegien in Westdeutschland und das Besatzungsregime in Westberlin endlos verlängern wollen? Jetzt wird es immer klarer, daß so eben die Dinge stehen.

Die Sowjetregierung bekräftigt aufs neue ihre Bereitwilligkeit, jederzeit an Verhandlungen teilzunehmen, die der Vorbereitung des Friedensvertrages mit Deutschland gelten. Das Fehlen des Friedensvertrags darf jedoch in keiner Weise zur Rechtfertigung von Versuchen herhalten, das Besatzungsregime in irgendeinem Teil Deutschlands zu wahren.

Die Periode der Besetzung Deutschlands ist seit langem vorbei und die Versuche, sich dem Absterben der besonderen Rechte ausländischer Mächte in Deutschland entgegenzustemmen, werden zu einem gefährlichen Anachronismus. Das Besatzungsregime in Deutschland war niemals Selbstzweck. Es wurde errichtet, um den gesunden Kräften der deutschen Nation zu helfen, auf den Trümmern des militaristischen Deutschland einen neuen friedliebenden und demokratischen Staat zu schaffen.

Im Wunsch, in Frieden und Freundschaft mit dem ganzen deutschen Volk zu leben, hat die Sowjetunion normale diplomatische Beziehungen mit den beiden deutschen Staaten aufgenommen und unterhält diese Beziehungen. Enge freundschaftliche Beziehungen verknüpfen die Sowjetunion und die DDR. Diese Beziehungen wurden in dem Vertrag verankert, der zwischen der Sowjetunion und der DDR am 20. September 1955 geschlossen wurde. Entsprechend dem Vertrag gründen sich die Beziehungen zwischen den beiden Staaten auf völliger Gleichberechtigung, gegenseitiger Achtung der Souveränität und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten.

Von den gleichen Prinzipien geht die Sowjetregierung auch in ihren Beziehungen zu dem anderen deutschen Staat – zu der Bundesrepublik Deutschland – aus.

Die Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs haben ihrerseits mit der Unterzeichnung der Pariser Abkommen die Einstellung des Besatzungsregimes auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland, das sich unter ihrer Kontrolle und Verwaltung befindet, deklariert.

Der vierseitige Status Berlins ist seinerzeit in Verbindung damit aufgekommen, daß Berlin als Hauptstadt Deutschlands zum Sitz des Kontrollrats bestimmt war, der für die Verwaltung Deutschlands in der Anfangsperiode der Besetzung errichtet wurde. Dieser Status wurde von der Sowjetunion bis zum heutigen Tage gewissenhaft eingehalten, obgleich der Kontrollrat bereits vor zehn Jahren sein Bestehen eingestellt hat und in Deutschland bereits seit langem zwei Hauptstädte existieren. Was die USA, Großbritannien und Frankreich betrifft, so nahmen sie den Weg des grobschlächtigen Mißbrauchs ihrer Besatzungsrechte in Berlin, indem sie den vierseitigen Status Berlins für ihre Zwekke benutzen – für die Schädigung der Sowjetunion, der DDR und der anderen sozialistischen Länder.

Einstmals war das Abkommen über den vierseitigen Status Berlins ein gleichberechtigter Vertrag der vier Mächte, geschlossen um friedlicher demokratischer Ziele willen, die später als Potsdamer Prinzipien bekannt wurden. Damals entsprach dieses Abkommen den Erfordernissen des historischen Moments und den Interessen aller seiner Partner – der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs. Jetzt, wo die Westmächte Westdeutschland aufzurüsten und es in ein Werkzeug ihrer Politik gegen die Sowjetunion umzuwandeln begonnen haben, wurde der Kern des früheren Alliiertenabkommens über Berlin zunichte, gebrochen durch drei seiner Teilnehmer, die dieses Abkommen gegen den vierten Teilnehmer – die Sowjetunion – zu benutzen anfingen. Es wäre lächerlich, zu erwarten, daß die Sowjetunion oder an ihrer Stelle irgendein anderer sich selbst achtender Staat sich unter solchen Umständen den Anschein geben würde, die erfolgten Veränderungen nicht zu bemerken.

Es entstand eine sichtlich widersinnige Lage, wo die Sowjetunion gleichsam selber günstige Bedingungen für die gegen die UdSSR und ihre Verbündeten im Rahmen des Warschauer Vertrags gerichtete Tätigkeit unterstützt und erhält. Es liegt klar zutage, daß die Sowjetunion ebenso wie die anderen Teilnehmerländer des Warschauer Vertrags eine solche Lage nicht mehr dulden können. Die weitere Beibehaltung des Besatzungsregimes in Westberlin wäre gleichbedeutend mit der Anerkennung irgendeiner privilegierten Stellung der zur NATO gehörenden Länder, wofür es natürlich keinerlei Grundlagen gibt.

Kann denn irgendwer ernsthaft der Meinung sein, daß die Sowjetunion den aggressiven Kräften helfen wird, subversive Akte zu entfalten und gar, einen Angriff auf die sozialistischen Länder vorzubereiten? Jedem vernünftigen Menschen sollte verständlich sein, daß die Sowjetunion in Westberlin nicht eine Lage bestehen lassen kann, die ihren berechtigten Interessen, ihrer Sicherheit und der Sicherheit der anderen sozialistischen Länder Abbruch tut. Es würde nicht schaden, dessen eingedenk zu sein, daß die Sowjetunion kein Jordanien und kein Iran ist und daß sie es niemals zulassen wird, daß ihr gegenüber Methoden des Drucks angewandt werden, um Bedingungen aufzuzwingen, welche den Mächten, die der gegenüberstehenden militärischen NATO-Gruppierung zugehören, zum Vorteil gereichen. Doch gerade dies wollen von der Sowjetunion die Westmächte erreichen, die ihre Besatzerrechte in Westberlin zu wahren suchen.

Kann denn die Sowjetregierung alle diese Tatsachen außer acht lassen, die die grundlegenden Sicherheitsinteressen der Sowjetunion, ihres Verbündeten – der DDR – und aller anderen Teilnehmerstaaten des Warschauer Verteidigungsvertrags berühren? Natürlich nicht. Die Sowjetregierung kann sich an den Teil der Alliiertenabkommen über Deutschland nicht mehr für gebunden halten, der ungleichberechtigten Charakter angenommen hat und benutzt wird, um das Besatzungsregime in Westberlin aufrechtzuerhalten und sich in die inneren Angelegenheiten der DDR einzumischen.

In diesem Zusammenhang setzt die Regierung der UdSSR die Regierung der USA davon in Kenntnis, daß die Sowjetunion als ungültig betrachtet das „Protokoll der Abkommen zwischen den Regierungen der UdSSR, der Vereinigten Staaten von Amerika und des Vereinigten Königreichs über die Besatzungszonen Deutschlands und über die Verwaltung Großberlins“ vom 12. September 1944 und die mit ihm verbundenen Zusatzabkommen einschließlich des zwischen den Regierungen der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs getroffenen Abkommens vom 1. Mai 1945 über den Kontrollratsmechanismus in Deutschland, d. h. die Abkommen, deren Wirksamkeit für die ersten Jahre nach der Kapitulation Deutschlands berechnet waren.

Es ist nicht schwer zu sehen, daß die Sowjetregierung in dieser ihrer Erklärung nur die bereits entstandene faktische Lage der Dinge konstatiert, die so ist, daß die USA, Großbritannien und Frankreich längst von dem Hauptsächlichen sich losgesagt haben, das in den Verträgen und Abkommen festgelegt wurde, welche zur Zeit des Krieges gegen Hitlerdeutschland und nach seiner Niederlage geschlossen wurden. Die Sowjetregierung zieht lediglich die Schlußfolgerungen, die sich unvermeidlich aus dieser Sachlage für die Sowjetunion ergeben.

Im Einklang mit dem Dargelegten sowie ausgehend von dem Prinzip der Achtung der Souveränität der DDR wird die Sowjetregierung im entsprechenden Moment mit der Regierung der DDR in Verhandlungen über die Übertragung der Funktionen an die DDR eintreten, welche die sowjetischen Organe auf Grund der oben genannten Alliiertenabkommen sowie auf Grund des Abkommens zwischen der UdSSR und der DDR vom 20. September 1955 zeitweilig ausgeübt haben.

Die beste Lösung der Frage Berlins wäre eine solche, die auf der Einhaltung des Potsdamer Abkommens über Deutschland beruhen würde. Doch dies ist nur dann möglich, wenn die drei Westmächte zur gemeinsamen Politik mit der UdSSR in den deutschen Angelegenheiten zurückkehren, die dem Geist und den Prinzipien des Potsdamer Abkommens entspricht. Unter den gegenwärtigen Umständen würde dies den Austritt der Bundesrepublik Deutschland aus der NATO, bei gleichzeitigem Austritt der DDR aus dem Warschauer Vertrag, sowie die Erzielung einer Übereinkunft bedeuten, daß sich gemäß den Prinzipien des Potsdamer Abkommens in keinem der beiden deutschen Staaten Streitkräfte befinden werden, außer solchen, die für die Aufrechterhaltung der Ordnung im Inneren und für die Bewachung der Grenzen erforderlich sind.

Wenn nun die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika nicht bereit ist, in dieser Weise zur Verwirklichung der politischen Hauptprinzipien der Alliiertenabkommen hinsichtlich Deutschlands beizutragen, so bestehen für sie keinerlei Grundlagen – weder rechtliche noch moralische –, auf der Wahrung des vierseitigen Status Berlins zu beharren.

Es können sich natürlich Widersacher der Sowjetunion finden, die versuchen werden, die Haltung der Sowjetregierung in der Frage des Besatzungsregimes Berlins als Bestreben zu einer Annexion auszulegen. Natürlich hat eine derartige Interpretierung mit der Wirklichkeit nichts gemein. Die Sowjetunion wünscht – gleich den anderen sozialistischen Staaten – keinerlei territoriale Erwerbungen, sie geht in ihrer Politik unbeirrbar von dem Prinzip der Verurteilung der Annexion, das heißt, der Eroberung fremden Bodens und des gewaltsamen Anschlusses fremder Völkerschaften aus, einem Prinzip, das der Begründer des Sowjetstaats, Lenin, schon in den ersten Tagen der Sowjetordnung in Rußland proklamiert hat.

Die UdSSR strebt keinerlei Eroberungen an, sondern will lediglich mit dem anomalen, gefahrvollen Zustand Schluß machen, der in Berlin dadurch entstanden ist, daß die Westsektoren dieser Stadt nach wie vor unter der Besatzung der USA, Großbritanniens und Frankreichs verbleiben.

In Verhältnissen, da die Westmächte sich weigern, an der Vorbereitung eines Friedensvertrags mit Deutschland teilzunehmen, und die Bundesregierung mit Unterstützung eben dieser Mächte eine Politik betreibt, die die Vereinigung Deutschlands verhindert, muß die Frage Berlin in nächster Zeit einer selbständigen Lösung zugeführt werden. Man muß darauf hinwirken, daß Westberlin kein Sprungbrett für verstärkte Spionage-, Diversions- und sonstige Wühlarbeit gegen die sozialistischen Länder, gegen die DDR und die UdSSR oder, um mit Worten der Führer der USA-Regierung zu sprechen, für eine „indirekte Aggression“ gegen das Lager der sozialistischen Länder mehr sei.

Geht man auf das Wesen der Dinge ein, so besteht das Interesse der USA, Großbritanniens und Frankreichs an Westberlin lediglich darin, diese „Frontstadt“, wie man es im Westen marktschreierisch zu bezeichnen pflegt, als Aufmarschgebiet für feindselige Tätigkeit gegen die sozialistischen Länder zu benutzen. Andere Vorteile ziehen die Westmächte aus ihrem Aufenthalt als Besatzer in Berlin nicht. Die Beendigung der illegalen Besetzung Westberlins würde weder den USA, Großbritannien noch Frankreich irgendwelchen Schaden bringen, sondern im Gegenteil würde sie die internationale Atmosphäre in Europa wesentlich bessern und die Geister der Menschen in allen Ländern würden beruhigt werden.

Demgegenüber könnte ein Beharren der Westmächte auf Besetzung Westberlins lediglich zu der Schlußfolgerung führen, daß es hier nicht nur um eine „indirekte Aggression“ gegen die DDR und die Sowjetunion geht, sondern offenbar irgendwelche Pläne einer noch gefährlicheren Ausnutzung Westberlins in Aussicht genommen sind.

Die Sowjetregierung richtet diesen Appell an die USA-Regierung, ausgehend von dem Bestreben, eine internationale Entspannung herbeizuführen, dem Zustand des „Kalten Krieges“ ein Ende zu machen und den Weg freizulegen für die Wiederherstellung der guten Beziehungen zwischen der Sowjetunion, den Vereinigten Staaten sowie Großbritannien und Frankreich, alles aus dem Wege zu räumen, was unsere Länder gegeneinander aufbringt und entzweit, die Zahl der Ursachen zu verringern, die Konflikte hervorrufen. Und man kann doch der Tatsache nicht entrinnen, daß Westberlin bei seiner gegenwärtigen Lage gerade eine solche Quelle des Haders und des Argwohns zwischen unseren Ländern ist.

Selbstverständlich bestünde die richtigste und natürlichste Lösung dieser Frage darin, den westlichen Teil Berlins, der heute faktisch von der DDR losgelöst ist, mit dem östlichen Teil wiederzuvereinigen und Berlin zu einer einheitlichen Stadt im Bestande des Staats werden zu lassen, auf dessen Boden es sich befindet.

In Anbetracht der gegenwärtigen irrealen Politik der USA sowie Großbritanniens und Frankreichs gegenüber der DDR muß die Sowjetregierung jedoch die sich für die Westmächte ergebenden Schwierigkeiten voraussehen, um einer solchen Lösung der Berliner Frage förderlich zu sein. Zugleich ist sie darum besorgt, daß der Prozeß der Beseitigung des Besatzungsregimes nicht mit einem schmerzhaften Umbruch der bestehenden Lebensformen der Bevölkerung Westberlins verbunden sei.

Man muß natürlich berücksichtigen, daß die politische und wirtschaftliche Entwicklung Westberlins in der Zeit seiner Besetzung durch die drei Westmächte in einer anderen Richtung verlief als die Entwicklung Ostberlins und der DDR, so daß die Lebensformen in beiden Teilen Berlins gegenwärtig grundverschieden sind. Die Sowjetregierung ist der Meinung, daß der Bevölkerung Westberlins bei Beendigung der ausländischen Besetzung das Recht gewährt werden muß, solche Verhältnisse bei sich zu haben, die sie selbst wünscht.

Wenn die Einwohner Westberlins die gegenwärtigen Lebensformen beizubehalten wünschen, die auf privatkapitalistischem Eigentum beruhen, so ist das ihre Angelegenheit. Die UdSSR ihrerseits wird jede Wahl der Westberliner in dieser Beziehung respektieren.

In Anbetracht aller dieser Erwägungen würde es die Sowjetregierung ihrerseits für möglich erachten, daß die Frage Westberlin gegenwärtig durch Umwandlung Westberlins in eine selbständige politische Einheit – eine Freistadt – gelöst werde, in deren Leben sich kein Staat, darunter auch keiner der bestehenden zwei deutschen Staaten, einmischen würde. Man könnte unter anderem vereinbaren, daß das Gebiet der Freistadt entmilitarisiert werde und daselbst keinerlei Streitkräfte stationiert werden. Die Freistadt Westberlin könnte eine eigene Regierung haben und ihre Wirtschaft, ihre Verwaltungs- und sonstigen Angelegenheiten selbst lenken.

Die vier Mächte, die nach dem Kriege an der gemeinsamen Verwaltung Berlins beteiligt waren, wie auch die zwei deutschen Staaten, könnten die Verpflichtung übernehmen, den Status Westberlins als Freistadt zu achten, wie das beispielsweise die vier Mächte in bezug auf den von der Österreichischen Republik übernommenen Neutralitätsstatus getan haben.

Die Sowjetregierung ihrerseits hätte keine Einwände dagegen, daß in irgendeiner Form auch die Organisation der Vereinten Nationen an der Wahrung des Status der Freistadt Westberlin mitwirken würde.

Offensichtlich würde in Anbetracht der spezifischen Lage Westberlins, das sich auf dem Territorium der DDR befindet und von der Außenwelt abgeschnitten ist, die Frage auftauchen, mit der DDR in dieser oder jener Form eine Vereinbarung über Garantien für einen ungehinderten Verkehr der Freistadt mit der Außenwelt – sowohl in östlicher als auch in westlicher Richtung für die Freizügigkeit der Menschen und die Beförderung der Waren – zu treffen. Westberlin würde seinerseits die Verpflichtung übernehmen, in seinem Gebiet keine feindselige, subversive Tätigkeit gegen die DDR oder einen beliebigen anderen Staat zu dulden.

Die oben dargelegte Lösung für die Frage des Status Westberlins wäre ein wichtiger Schritt vorwärts zur Normalisierung der Lage in Berlin, da es, anstatt ein Herd der Unruhe und Spannung zu sein, zu einem Zentrum der Kontakte und der Zusammenarbeit zwischen beiden Teilen Deutschlands im Interesse seiner friedlichen Zukunft und der Einheit der deutschen Nation werden könnte.

Die Schaffung eines Freistadt-Status für Westberlin würde die Entwicklung der Wirtschaft Westberlins dank ihrer allseitigen Verbindungen mit Staaten des Ostens und des Westens und einen würdigen Lebensstandard der Bevölkerung der Stadt verläßlich garantieren.

Die Sowjetunion ihrerseits erklärt, sie werde in jeder Weise zur Erreichung dieser Ziele beitragen, insbesondere durch die Erteilung von Aufträgen für Industriewaren in einem Umfang, der die Stabilität und Prosperität der Wirtschaft der Freistadt vollkommen sichern würde, sowie durch regelmäßige Lieferungen der erforderlichen Mengen von Rohstoffen und Nahrungsmitteln auf geschäftlicher Grundlage an Westberlin. Auf diese Weise würde das mehr als zwei Millionen Einwohner zählende Westberlin bei der Aufhebung des Besatzungsregimes nicht etwa in Mitleidenschaft gezogen werden, sondern vielmehr alle Möglichkeiten zur Erhöhung des Lebensstandards der Bevölkerung erhalten.

Werden die Regierung der USA sowie die Regierungen Großbritanniens und Frankreichs sich einverstanden erklären, die Frage der Aufhebung des gegenwärtigen Besatzungsregimes in Westberlin durch Schaffung einer Freistadt in diesem Gebiet zu erörtern, so wäre die Sowjetregierung bereit, im Namen der vier Mächte in dieser Frage mit der Regierung der DDR offiziell Fühlung zu nehmen, mit der sie bereits präliminäre Konsultationen vor der Absendung der vorliegenden Note geführt hat. Hierbei müßte man natürlich in Betracht ziehen, daß ein Einverständnis der DDR, im Bereich ihres Territoriums einen derartigen unabhängigen politischen Organismus wie die Freistadt Westberlin bilden zu lassen, ein Zugeständnis, ein bestimmtes Opfer der DDR für die Festigung des Friedens in Europa, für die nationalen Interessen des ganzen deutschen Volkes wäre.

Die Sowjetregierung hat beschlossen, ihrerseits Maßnahmen zur Aufhebung des Besatzungsregimes in Berlin zu ergreifen, ausgehend von dem Bestreben, eine Normalisierung der Lage in Berlin im Interesse des europäischen Friedens, im Interesse der friedlichen, unabhängigen Entwicklung Deutschlands herbeizuführen. Sie hofft, daß die USA-Regierung das nötige Verständnis für diese Motive aufbringen und eine realistische Einstellung zur Berliner Frage bekunden wird.

Zugleich ist die Sowjetregierung bereit, mit den Regierungen der Vereinigten Staaten von Amerika und anderer interessierter Staaten Verhandlungen darüber aufzunehmen, Westberlin den Status einer entmilitarisierten Freistadt zu gewähren. Sollte dieser Vorschlag für die USA-Regierung nicht annehmbar sein, so bleibt kein Gegenstand für Verhandlungen zwischen den ehemaligen Besatzungsmächten in der Berliner Frage übrig.

Die Sowjetregierung strebt danach, daß die erforderliche Änderung der Lage Berlins in einer ruhigen Atmosphäre ohne Eile und unnötige Reibungen unter möglichst weitgehender Berücksichtigung der Belange der interessierten Seiten erfolge. Offenbar wird es einer bestimmten Zeit bedürfen, bis die Mächte, die Deutschland nach der Zerschlagung der Hitlerwehrmacht besetzt hatten, sich darüber einigen, Westberlin zur Freistadt zu erklären, vorausgesetzt natürlich, daß die Westmächte gebührendes Interesse für diesen Vorschlag zeigen. Man muß auch der Tatsache Rechnung tragen, daß sich Verhandlungen zwischen den städtischen Behörden beider Teile Berlins sowie zwischen der DDR und der Bundesrepublik zur Regelung auftretender Fragen notwendig erweisen können. In Anbetracht dessen gedenkt die Sowjetregierung im Laufe eines halben Jahres keine Änderungen an dem gegenwärtig geltenden Modus für Militärtransporte der USA, Großbritanniens und Frankreichs aus West-Berlin in die Bundesrepublik vorzunehmen. Sie hält diese Frist für durchaus hinreichend, um eine gesunde Basis für die Lösung der Fragen zu finden, die mit der Änderung der Lage Berlins verbunden sind, und eventuelle Komplikationen zu vermeiden, falls die Regierungen der Westmächte natürlich nicht derartige Komplikationen absichtlich anstreben werden. Im Laufe der erwähnten Frist werden die Seiten die Möglichkeit haben, bei der Regelung der Frage Berlin ihr Streben nach einer internationalen Entspannung durch die Tat zu beweisen.

Wird die erwähnte Frist jedoch nicht dazu ausgenutzt, zu einer entsprechenden Einigung zu gelangen, so wird die Sowjetunion durch Übereinkommen mit der DDR die geplanten Maßnahmen durchführen. Hierbei wird in Betracht gezogen, daß die Deutsche Demokratische Republik wie jeder andere selbständige Staat ganz für die Fragen zuständig sein muß, die ihren Raum betreffen, das heißt, ihr Hoheitsrecht zu Lande, zu Wasser und in der Luft ausüben muß. Gleichzeitig damit werden alle bisherigen Kontakte von Vertretern der Streitkräfte und anderen offiziellen Personen der Sowjetunion in Deutschland mit entsprechenden Vertretern der Streitkräfte und anderen offiziellen Personen der USA sowie Großbritanniens und Frankreichs in Berlin betreffenden Fragen eingestellt werden.

In den Hauptstädten gewisser Westmächte werden Stimmen laut, daß diese Mächte den Beschluß der Sowjetunion, die Funktionen zur Aufrechterhaltung des Besatzungsstatus in Berlin niederzulegen, nicht anerkennen würden. Doch wie kann man die Frage so stellen? Wer heute von einer Nichtanerkennung der von der Sowjetunion vorgesehenen Schritte spricht, möchte offenbar mit der Sowjetunion nicht in der Sprache der Vernunft und der stichhaltigen Argumente, sondern in der Sprache der rohen Gewalt sprechen, wobei offenbar vergessen wird, daß auf das Sowjetvolk Drohungen und Einschüchterungsversuche ihre Wirkung verfehlen. Wenn hinter den Worten von „Nichtanerkennung“ aber wirklich die Absicht steckt, wegen Berlin zur Gewalt zu greifen und die Welt zum Krieg zu zerren, so müssen die Anhänger einer solchen Politik dessen gewahr werden, daß sie eine äußerst schwere Verantwortung für alle ihre Folgen vor den Völkern, vor der Geschichte übernehmen. Wer angesichts der Lage in Berlin mit dem Säbel rasselt, der gibt nur ein übriges Mal kund, daß er an der Aufrechterhaltung des Besatzungsregimes in Berlin zu Aggressionszwecken interessiert ist.

Die Regierung der Sowjetunion möchte hoffen, daß die Aufgabe einer Normalisierung der Lage in Berlin, die unseren Staaten mit naturgemäßer Notwendigkeit durch das Leben selbst gestellt wird, jedenfalls so gelöst wird, wie dies die Erwägungen staatsmännischer Weisheit, die Interessen des Völkerfriedens erheischen, ohne unnötige Aufpeitschung der Nerven und Verschärfung des „Kalten Krieges“.

Am wenigsten eignen sich bei der Lösung eines solchen Problems – wie des Berliner – Methoden der Erpressung und wahnwitzige Gewaltandrohungen. Derartige Methoden werden keine einzige Frage einer Lösung zuführen helfen, sie können die Situation nur zum gefährlichen Weißglühen bringen. Doch nur Wahnsinnige können sich darauf verlegen, zur Wahrung der Privilegien der Besatzer in Westberlin einen neuen Weltkrieg vom Zaune zu brechen. Würden derartige Wahnsinnige tatsächlich auftauchen, so braucht man nicht daran zu zweifeln, daß sich Zwangsjacken für sie finden werden.

Wenn die für die Politik der Westmächte verantwortlichen Staatsmänner in ihrem Herangehen an die Berliner Frage, wie auch an andere internationale Probleme, sich von Haß gegen den Kommunismus, gegen die sozialistischen Länder leiten lassen werden, so wird das zu nichts Gutem führen. Weder die Sowjetunion, noch irgendein anderer sozialistischer Staat können und wollen ihre Existenz gerade als sozialistische Staaten leugnen. Daher stehen sie, in einem unerschütterlichen brüderlichen Bund vereinigt, fest zu ihren Rechten, ihren Staatsgrenzen, wobei sie nach der Devise handeln: einer für alle, alle für einen. Jede Verletzung der Grenzen der DDR, Polens, der Tschechoslowakei, jeder Aggressionsakt gegen einen beliebigen Teilnehmerstaat des Warschauer Vertrages, wird von allen seinen Teilnehmern als Überfall auf sie alle angesehen werden und unverzüglich entsprechende Gegenmaßnahmen nach sich ziehen.

Die Sowjetregierung ist der Meinung, daß es vernünftig wäre, die in der Welt entstandene Situation anzuerkennen und normale Verhältnisse für die Koexistenz aller Staaten zu schaffen, den internationalen Handel zu entwickeln, die Beziehungen zwischen unseren Ländern nach den bekannten Prinzipien zu gestalten: gegenseitige Achtung der Souveränität und der territorialen Integrität, Nichtangriff, gegenseitige Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten, Gleichheit und gegenseitiger Vorteil.

Die Sowjetunion, ihr Volk und ihre Regierung streben aufrichtig nach Wiederherstellung auf Vertrauen beruhender guter Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika, Beziehungen, die durchaus möglich sind, wie die Erfahrung des gemeinsamen Kampfes gegen die Hitleraggressoren gezeigt hat, und die in Friedenszeiten unseren beiden Ländern nur die Vorteile einer sich gegenseitig bereichernden, geistigen und materiellen Zusammenarbeit unserer Völker und allen anderen Menschen die Wohltaten eines ruhigen Lebens in einem dauerhaften Frieden bringen würden.

Quelle: Note der Regierung der UdSSR an die Westmächte (27. November 1958); abgedruckt in Dokumente zur Deutschlandpolitik, IV. Reihe/Band 1, 10. November 1958 bis 9. Mai 1959. Bearbeitet von Ernst Deuerlein und Hannelore Nathan. Herausgegeben vom Bundesministerium für Innerdeutsche Beziehungen. Alfred Metzner Verlag: Frankfurt am Main und Berlin, 1971, S. 163-77.