Kurzbeschreibung

Anlässlich der Aufnahme voller diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion im September 1955 weist Konrad Adenauer den sowjetischen Ministerpräsidenten Nikolai Bulganin darauf hin, dass dies keine endgültige Anerkennung der derzeitigen Grenzen, d.h. der im Potsdamer Abkommen 1945 vereinbarten Abtrennung der deutschen Gebiete östlich der Oder-Neiße-Linie, bedeutet. Die Bundesregierung gibt ihren Anspruch auf Alleinvertretung aller Deutschen nicht auf, d.h. sie erkennt die DDR weiterhin nicht als Staat an. Um andere Staaten von der Anerkennung der DDR abzuhalten, wird die bundesdeutsche Außenpolitik bis in die sechziger Jahre von der „Hallstein-Doktrin“ geleitet. Sie besagte, dass die diplomatische Anerkennung der DDR durch einen anderen Staat (außer der UdSSR) zum Abbruch der Beziehungen seitens der Bundesrepublik führen würde.

Korrespondenz zwischen Nikolai Bulganin und Konrad Adenauer über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der UdSSR und der Bundesrepublik Deutschland (13.-14. September 1955)

  • Konrad Adenauer
  • Nikolai Bulganin

Quelle

Schreiben des Ministerpräsidenten Bulganin an Bundeskanzler Adenauer über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der UdSSR und der Bundesrepublik Deutschland (13. September 1955)

Im Zusammenhang mit dem Übereinkommen, das im Verlauf der Verhandlungen zwischen den Regierungsdelegationen der Sowjetunion und der Deutschen Bundesrepublik erzielt wurde, habe ich die Ehre, Ihnen zu best tätigen, daß die Sowjetregierung den Beschluß gefaßt hat, diplomatische Beziehungen zur Regierung der Deutschen Bundesrepublik aufzunehmen und diplomatische Vertreter im Range von Außerordentlichen und Bevollmächtigten Botschaftern auszutauschen.

Die Regierung der Sowjetunion äußert die Überzeugung, daß die jetzt herzustellenden diplomatischen Beziehungen zur Entwicklung des gegenseitigen Verstehens und der Zusammenarbeit zwischen der S Sowjetunion und der Deutschen Bundesrepublik k im Interesse des Friedens und der Sicherheit in Europa beitragen werden.

Die Sowjetregierung geht dabei davon aus, daß die Herstellung und Entwicklung normaler Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Deutschen Bundesrepublik zur r Lösung der ganz Deutschland betreffenden ungeregelten Fragen beitragen wird und somit bei der Lösung des nationalen Hauptproblems des deutschen Volkes – der Wiederherstellung der Einheit des deutschen demokratischen Staates – helfen wird.

Hiermit halte ich es für erforderlich zu erklären, daß das Abkommen über die Herstellung diplomatischer Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Deutschen Bundesrepublik in Kraft treten wird, sobald das Präsidium des Obersten Sowjets der UdSSR das Abkommen bestätigt hat.

Quelle: Neues Deutschland, 14. September 1955. Mit freundlicher Genehmigung der Neues Deutschland Druckerei und Verlag GmbH Berlin. Auch abgedruckt in Dokumente zur Deutschlandpolitik, III. Reihe/Band 1, 5. Mai bis 31. Dezember 1955. Bearbeitet von Ernst Deuerlein und Hannelore Nathan. Herausgegeben vom Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen. Alfred Metzner Verlag: Frankfurt am Main und Berlin, 1961, S. 335-36.

Schreiben des Bundeskanzlers Adenauer an Ministerpräsident Bulganin (14. September 1955)

Aus Anlaß der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der UdSSR erkläre ich:

1. Die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der UdSSR stellt keine Anerkennung des derzeitigen beiderseitigen territorialen Besitzstandes dar. Die endgültige Festsetzung der Grenzen Deutschlands bleibt dem Friedensvertrag vorbehalten.

2. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der Regierung der Sowjetunion bedeutet keine Änderung des Rechtsstandpunktes der Bundesregierung in bezug auf ihre Befugnis zur Vertretung des deutschen Volkes in internationalen Angelegenheiten und in bezug auf die politischen Verhältnisse in denjenigen deutschen Gebieten, die gegenwärtig außerhalb ihrer effektiven Hoheitsgewalt liegen.

Diese Erklärung habe ich heute Abend der Presse mitgeteilt.

Quelle: Verhandlungen des 2. Deutschen Bundestages. Anlage. Bd. 37. Drucksache 1685. Anlage 3; abgedruckt in Dokumente zur Deutschlandpolitik, III. Reihe/Band 1, 5. Mai bis 31. Dezember 1955. Bearbeitet von Ernst Deuerlein und Hannelore Nathan. Herausgegeben vom Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen. Alfred Metzner Verlag: Frankfurt am Main und Berlin, 1961, S. 337.