Quelle
I. Die Vorkriegsentwicklung
Die sowjetischen Behauptungen:
In der sowjetischen Note heißt es, vor dem zweiten Weltkrieg habe die Sowjetunion beständig ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den anderen Mächten im Interesse des Widerstandes gegen die Hitler-Aggression bekundet, und wenn sich die Westmächte nicht der kurzsichtigen Hoffnung hingegeben hätten, Hitler nach dem Osten ablenken zu können, statt mit der UdSSR zusammenzuarbeiten, wären Millionen von Menschenleben erhalten geblieben. Die Note führt aus:
Es ist allgemein bekannt, daß die USA ebensowenig wie Großbritannien und Frankreich sofort die Notwendigkeit einsahen, mit der Sowjetunion zum Zwecke der Abwehr der Hitler-Aggression zusammenzuarbeiten, obwohl von seiten der Sowjetregierung die Bereitschaft dazu ständig zum Ausdruck gebracht worden war […]
Bei einer weitsichtigeren Politik der Westmächte hätte eine solche Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion, den USA, Großbritannien und Frankreich bedeutend früher, gleich in den ersten Jahren nach der Machtergreifung Hitlers in Deutschland, hergestellt werden können, und dann hätte es keine Besetzung Frankreichs, kein Dünkirchen und kein Pearl Harbor gegeben. Dann wäre es möglich gewesen, Millionen von Menschenleben zu bewahren, die von den Völkern der Sowjetunion, Polens, Jugoslawiens, Frankreichs, Großbritanniens, der Tschechoslowakei, der USA, Griechenlands, Norwegens und anderer Länder zur Bändigung der Aggressoren geopfert wurden […]
Offenbar haben die bitteren Lehren des mörderischen Krieges bei gewissen Staatsmännern des Westens nichts gefruchtet, die von neuem die notorische München-Politik der Aufstachelung des deutschen Militarismus gegen die Sowjetunion, die noch vor kurzem ihr Waffengefährte war, betreiben.
Dies sind die Tatsachen:
1. Die UdSSR nahm im Jahre 1923 diplomatische Beziehungen zu Deutschland auf und leistete Hilfestellung beim Aufbau einer neuen deutschen Kriegsmaschinerie, den der Versailler Vertrag nach dem ersten Weltkrieg verboten hatte.
2. In der Zeit von 1930 bis 1933 gab die Sowjetunion über ihren internationalen kommunistischen Apparat, die Komintern, der Kommunistischen Partei Deutschlands Anweisung, mit den Nazis und anderen Extremisten bei der Unterminierung der deutschen Weimarer Republik zusammenzuarbeiten. Sie half mit, demokratische Parteien und Institutionen zu sabotieren, und leistete der Mißachtung von Recht und Ordnung Vorschub. Dies kam Hitler bei seinem Aufstieg zur absoluten Macht zugute.
3. Im Jahre 1933, nach Hitlers Machtergreifung, ratifizierten die UdSSR und Deutschland die Verlängerung eines Neutralitätsabkommens.
4. Die UdSSR unterzeichnete zwischen 1922 und 1933 sechs Kredit- und Handelsabkommen mit Deutschland. Als sich Hitlers Position nach 1933 festigte, schloß die UdSSR weitere 12 Abkommen mit dem Naziregime, während Hitler in dieser Zeit seine Militärmacht aufbaute.
5. Die UdSSR zog sich im August 1939 von den Verhandlungen mit Großbritannien und Frankreich zurück, um die Molotov-Ribbentrop-Abkommen abzuschließen, die die für eine koordinierte nazistisch-sowjetische Aggression in Osteuropa erforderlichen Garantien enthielten und den zweiten Weltkrieg auslösten.
6. Ungeachtet der Warnungen der Westmächte vor dem bevorstehenden deutschen Überfall unterstützte die Sowjetregierung Nazideutschland bis zum Einmarsch Hitlers in die UdSSR im Jahre 1941.
7. Im April 1941 unterzeichnete die UdSSR einen Neutralitätspakt mit den japanischen Bundesgenossen Hitlers und ebnete damit den Weg für den Überfall auf die USA in Pearl Harbor am 7. Dezember 1941.
8. Die USA, Großbritannien und Kanada versorgten die UdSSR während des Krieges mit großen Mengen kriegs- und lebenswichtiger Güter. Diese Hilfeleistung verlieh der prompten politischen Unterstützung Nachdruck, die die Vereinigten Staaten seit dem ersten Tage nach dem Hitler-Überfall im Juni 1941 Sowjetrußland zuteil werden ließen.
Mit dem Vertrag vom 16. April 1922 sicherte sich die Sowjetunion die de-jure-Anerkennung durch Deutschland in Verbindung mit dem wechselseitigen Verzicht auf finanzielle Ansprüche und mit der Zubilligung der Meistbegünstigung. Die diplomatischen Beziehungen zur Weimarer Republik stellte sie am 23. Juli 1923 her.
Von diesem Zeitpunkt an bis zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen am 22. Juni 1941 unterhielt die Sowjetunion nicht nur normale diplomatische und Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland, sondern assistierte auch beim Aufbau einer neuen deutschen Kriegsmaschinerie.
Wie aus den amtlichen Akten der Weimarer Republik hervorgeht, bot die Sowjetunion in der Zeit von 1922 bis 1934 Deutschland durch die Ausbildung deutscher Flugzeug- und Panzerbesatzungen in Sonderlehrgängen auf sowjetischem Boden sowie durch die Belieferung Deutschlands mit Munition, Flugzeugmotoren und Giftgas die Möglichkeit, die Abrüstungsbestimmungen des Versailler Vertrags insgeheim zu verletzen.
Am 24. April 1926 unterzeichnete die Sowjetunion einen Neutralitätsvertrag mit Deutschland, der jeden Partner für den Fall, daß der andere angegriffen würde, zur Neutralität verpflichtete. Beide Staaten gaben einander die Zusicherung, daß sie bei einem Angriff gegen den anderen Partner weder einer gegen diesen gerichteten Koalition beitreten, noch sich an wirtschaftlichen Sanktionen beteiligen würden, falls solche vom Völkerbund verhängt werden sollten. Dieser Neutralitätsvertrag wurde am 24. Juni 1931 verlängert, und seine Verlängerung wurde nach der Machtergreifung Hitlers am 5. Mai 1933 ratifiziert.
Obwohl die UdSSR ihre Haltung nach der Unterdrückung der Kommunistischen Partei Deutschlands durch Hitler modifizierte, tat dies der auf breiter Basis durchgeführten deutsch-sowjetischen Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem Gebiet keinen Abbruch. Diese Abkühlung ging Hand in Hand mit einer vorübergehenden Verbesserung der Beziehungen zwischen der UdSSR und den demokratischen Ländern. Die UdSSR wurde 1934 in den Völkerbund aufgenommen und schloß 1935 mit Frankreich einen Beistandspakt.
Angesichts der ernüchternden Ergebnisse der Münchner Konferenz von 1938 waren die französische und die britische Regierung in der Folgezeit bestrebt, dem deutschen Drang nach Osten einen Riegel vorzuschieben. Sie garantierten Anfang 1939 die Unantastbarkeit Polens und Rumäniens. Im April 1939 ergriffen Großbritannien und Frankreich die Initiative zu Verhandlungen mit der UdSSR, die bis in den Sommer hinein fortdauerten.
Diese Verhandlungen der Westmächte mit der UdSSR wurden abgewürgt durch die Unterzeichnung der Molotov-Ribbentrop-Abkommen vom 23. August 1939, die den sowjetisch-deutschen Neutralitätsvertrag von 1926 durch einen Nichtangriffspakt mit zehnjähriger Laufzeit ersetzten. Die neuen Abkommen enthielten die erforderlichen Garantien für eine koordinierte deutsch-sowjetische Aggression in Osteuropa. Die unmittelbaren Leidtragenden waren Finnland, Polen, Rumänien und die Baltenstaaten.
Der deutsche Überfall auf Polen erfolgte acht Tage nach der Unterzeichnung des Nazi-Sowjetpakts. Großbritannien und Frankreich erklärten Deutschland am 3. September 1939 in Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber Polen den Krieg. Die UdSSR besetzte indessen am 17. September 1939 große polnische Landesteile.
Am 16. September 1939 hatte die Sowjetunion in einer Note an die polnische Regierung erklärt:
Der polnisch-deutsche Krieg hat den inneren Bankrott des polnischen Staates enthüllt. Die polnische Regierung ist zusammengebrochen und zeigt kein Lebenszeichen mehr. Das bedeutet, daß der polnische Staat und seine Regierung praktisch aufgehört haben zu bestehen.
Die zwischen der UdSSR und Polen geschlossenen Verträge haben daher ebenfalls aufgehört zu bestehen. Seinem Schicksal überlassen und führerlos, ist Polen zum Nährboden für Zufälligkeiten und Überraschungen geworden, die eine Gefährdung der UdSSR hervorrufen könnten.
Am 31. Oktober 1939 faßte Molotov die sowjetische Beurteilung der internationalen Lage in ungewöhnlich offenherziger Weise zusammen. Er sagte:
Doch ein schneller Schlag gegen Polen, zuerst durch die deutsche und dann durch die Rote Armee, und nichts blieb übrig von diesem Wechselbalg des Versailler Vertrages, dessen Existenz auf der Unterdrückung nichtpolnischer Minderheiten beruhte.
In den letzten Monaten haben Begriffe wie „Aggressor“ und „Aggression“ einen neuen konkreten Inhalt, eine neue Bedeutung bekommen. Es ist unschwer einzusehen, daß wir diese Begriffe nicht mehr in demselben Sinne wie bis vor etwa drei oder vier Monaten anwenden können.
Heute befindet sich, was die europäischen Großmächte betrifft, Deutschland in der Position eines Staates, der die baldmöglichste Beendigung des Krieges und den Frieden anstrebt, während Großbritannien und Frankreich, die gestern noch über die Aggression zeterten, heute für die Fortsetzung des Krieges und gegen den Friedensschluß sind. Wie man sieht, ist ein Rollenwechsel im Gange.
Die Bemühungen der britischen und der französischen Regierung, ihre neue Position mit dem Hinweis auf ihre den Polen gemachten Zusagen zu rechtfertigen, sind selbstverständlich bare Spiegelfechterei. Jedermann sieht ein, daß eine Wiederherstellung des alten Polen nicht in Frage kommt […] Der wahre Beweggrund des anglo-französischen Krieges gegen Deutschland ist nicht, daß die Briten und Franzosen die Wiederherstellung des alten Polen gelobt und natürlich auch nicht, daß sie beschlossen haben, für die Demokratie in den Kampf zu ziehen. Die herrschenden Kreise Englands und Frankreichs haben natürlich andere und naheliegendere Motive, um gegen Deutschland zum Kriege anzutreten.
Diese Motive wurzeln nicht in einer Ideologie, sondern in ihren durch und durch materiellen Interessen, die sie als große Kolonialmächte haben.
Die Angst vor dem Verlust ihrer Vormachtstellung in der Welt ist es, die den herrschenden Kreisen Großbritanniens und Frankreichs die Politik der Anfachung des Krieges gegen Deutschland diktiert. Somit ist der imperialistische Charakter dieses Krieges für jeden offenkundig, der sich an die Realitäten halten will und nicht die Augen vor den Tatsachen verschließt […]
Für einen derartigen Krieg gibt es jedoch keinerlei Rechtfertigung. Man kann die Ideologie des Hitlerismus billigen oder ablehnen genau wie jedes andere ideologische System; aber das ist eine Frage der politischen Anschauungen.
Die Beziehungen zwischen Deutschland und den anderen bürgerlichen Staaten Westeuropas waren in den letzten zwei Jahrzehnten in erster Linie von dem Bemühen Deutschlands bestimmt, die Ketten des Versailler Vertrages zu zerbrechen, dessen Urheber Großbritannien und Frankreich unter aktiver Mitwirkung der Vereinigten Staaten waren. Daraus hat sich letzten Endes der jetzige Krieg in Europa entwickelt.
Am 28. September 1939 schloß das Deutsche Reich eine Reihe von Verträgen mit der UdSSR, wobei in Geheimprotokollen die Teilung Polens formell geregelt und Litauen im Austausch für eine „Grenzberichtigung“ zugunsten Deutschlands der sowjetischen Einflußsphäre zugeteilt wurde.
In einer Stellungnahme zum Fortgang des Krieges erklärte Molotov am 29. März 1940:
Deutschland […] ist offensichtlich zu einem gefährlichen Konkurrenten für die stärksten imperialistischen Mächte Europas geworden – für Großbritannien und Frankreich. Sie haben deshalb unter dem Vorwande der Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber Polen Deutschland den Krieg erklärt. Es liegt heute klarer denn je zu Tage, wie weit die wirklichen Ziele der Regierungen dieser Mächte von der Absicht entfernt sind, das zerfallene Polen oder die Tschechoslowakei zu verteidigen. Dieser Krieg wird geführt, um Deutschland zu schlagen und zu zerstückeln, obwohl man dieses Ziel gegenüber den Volksmassen mit den Losungen von der Verteidigung der „Demokratien“ und der „Rechte“ der kleinen Völker bemäntelt.
Da die Sowjetunion es ablehnte, England und Frankreich Handlangerdienste bei dieser imperialistischen Politik gegenüber Deutschland zu leisten, hat sich ihre Feindseligkeit gegen die Sowjetunion noch weiter verschärft […] In der Tat sind die Rechte und Interessen der kleinen Länder lediglich Wechselgeld in den Händen der Imperialisten.
Die UdSSR fiel im Dezember 1939 über Finnland her. Im Juni 1940 folgten sowjetische Maßnahmen gegen Litauen, Lettland und Estland. Bessarabien und die Nordbukowina wurden in demselben Monat Rumänien entrissen.
Die Sowjetunion schloß auch eine ganze Reihe von Wirtschaftsabkommen mit Deutschland. Zwischen 1922 und 1933 unterzeichneten die Sowjetunion und Deutschland sechs Kredit- und Handelsabkommen, während die Sowjetunion in der Zeit von 1933 bis 1941, als Hitler seine Kriegsvorbereitungen vorantrieb bzw. schon eine aktive Aggressionspolitik durchführte, nochmals zwölf Kredit- und Handelsabkommen mit dem Naziregime einging.
Über diese Handelsabkommen mit Deutschland sagte Molotov am 31. Mai 1939:
Während wir einerseits mit England und Frankreich verhandeln, halten wir es andererseits keineswegs für notwendig, auf Geschäftsbeziehungen mit Ländern wie Deutschland und Italien zu verzichten.
Die eigene Schrittmacherrolle beim Aufstiege Hitlers ignorierend, beschuldigt die Sowjetregierung jetzt die Vereinigten Staaten, ihn protegiert zu haben. Im russischen „Enzyklopädischen Wörterbuch“, Band 3 (1955), heißt es:
Die Imperialisten der Vereinigten Staaten begünstigten die Hitleristen bei der Machtergreifung in Deutschland (1933) und leisteten der deutsch-italienischen Intervention gegen die Spanische Republik (1936–1939), der italienischen Aggression gegen Äthiopien (1935–1936) und der Einverleibung Österreichs durch Hitlerdeutschland (1938) Vorschub. Sie wirkten beim Abschluß des schändlichen Münchner Abkommens (1938) mit und ermutigten Japan zur Aggression in China. Die Vereinigten Staaten betrieben eine Politik der Einwilligung in die faschistische Aggression mit der Absicht, diese auf die UdSSR zu lenken. Die Politik der Vereinigten Staaten trug zur Entfesselung des zweiten Weltkrieges von 1939 bis 1945 bei. (Seiten 254 bis 255)
Diese Darstellung ist das genaue Gegenteil der Auffassung, die die Sowjetunion zur Zeit der Geschehnisse selbst vertrat. In der „Kleinen Sowjetenzyklopädie“ von 1941, Band 9, heißt es:
Von Anfang an bezog Roosevelt eine eindeutig ablehnende Haltung gegenüber Hitlerdeutschland und anderen faschistischen Mächten. (Seite 240)
Von Anbeginn des Krieges in Europa (September 1939) erklärten die Vereinigten Staaten offiziell ihre Neutralität, doch weigerte sich die Regierung, die deutsche Aggression in Europa sowie die japanische Aggression in China als gegeben hinzunehmen. (Seite 901)
Die Darstellung des „Enzyklopädischen Wörterbuches“ steht auch in diametralem Gegensatz zu den Ausführungen Aleksander A. Trojanovskijs, des ersten Sowjetbotschafters in den USA (1934–1939), in seinem Buch „Weshalb die Vereinigten Staaten gegen Hitlerdeutschland Krieg führen“, erschienen 1942 in Moskau:
Die Vorstellung eines internationalen Kampfes gegen die Aggression war den Vereinigten Staaten nicht fremd. Der amerikanische Außenminister Stimson versuchte, ein kollektives Vorgehen gegen die Aggression im Zusammenhang mit den fernöstlichen Ereignissen von 1931–1932 zustande zu bringen […] Präsident Roosevelt versäumte keine Gelegenheit, um für den Frieden einzutreten und gegen Gewaltanwendung in den internationalen Beziehungen Stellung zu beziehen. Einen Tag vor dem Abschluß des Münchner Abkommens vom 29. September 1938, das zu einer gewaltsamen Aufspaltung der Tschechoslowakei führte, regte der Präsident der Vereinigten Staaten in einer Botschaft an die Regierung der UdSSR an, unser friedliebendes Land möge bei den faschistischen Aggressoren seinen Einfluß geltend machen und sie zum Verzicht auf ihre [Politik der] „Gewaltanwendung“ gegenüber der Tschechoslowakei veranlassen. (Seiten 56–57)
Die Zusammenarbeit zwischen Sowjets und Nazis geriet erst gegen Ende des Jahres 1940 ernstlich ins Stocken, als die Sowjets das deutsche Ansinnen, die Sowjetunion möge ihre Expansion nur in südlicher Richtung zum Indischen Ozean forcieren, zurückwiesen und vergeblich versuchten, die Deutschen zur Anerkennung der sowjetischen Hegemonieansprüche auf Finnland und Bulgarien und des Wunsches nach sowjetischen Stützpunkten an den türkischen Meerengen und im Gebiet südlich von Batum und Baku (im Mittleren Osten) zu bewegen. Aber trotz der bei diesen Verhandlungen in Erscheinung getretenen deutsch-sowjetischen Differenzen schloß die UdSSR im Januar 1941 erneut ein Wirtschaftsabkommen mit Deutschland, das eine weitere Steigerung der kriegswichtigen sowjetischen Rohstoffexporte nach Deutschland vorsah. Die Sowjetunion äußerte ihre Anerkennung für die nazideutsche Aggression durch den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Jugoslawien im Jahre 1941, und sie brach, nachdem diese Länder von den Deutschen besetzt waren, auch die Beziehungen zu Griechenland, Norwegen und Belgien ab.
Im Gegensatz dazu stellten die USA und Großbritannien ihre Haltung gegenüber der Naziaggression klar, indem sie in ein Geschäftsverhältnis zu den Freien Franzosen traten und diplomatische Beziehungen zu den Exilregierungen anderer besetzter Länder unterhielten.
Im März 1941 unterrichteten die Vereinigten Staaten die UdSSR zweimal davon, daß Nazideutschland – ihren zuverlässigen Informationen zufolge – einen Angriff auf die Sowjetunion plane, und Premierminister Churchill ließ Stalin gegen Ende April eine gleichartige Warnung zukommen. Die UdSSR hatte jedoch damals gerade Hitler einen weiteren Solidaritätsbeweis gegeben, indem sie am 13. April 1941 einen Neutralitätsvertrag mit dem japanischen Partner der Achse Berlin-Rom-Tokio unterzeichnete und damit den Weg nach Pearl Harbor freimachte.
Erst als Hitler seinen sowjetischen Bundesgenossen im Juni 1941 angriff, bemühte sich die UdSSR um Zusammenarbeit mit dem Westen beim Widerstande gegen Nazideutschland. Ungeachtet der jahrelangen sowjetischen Kollaboration mit Hitler gingen die Westmächte unverzüglich auf die sowjetischen Beistandsgesuche ein. Schon einen Tag nach dem deutschen Überfall auf die UdSSR erklärte der amtierende Außenminister der Vereinigten Staaten öffentlich: „Jede Gegenwehr gegen den Hitlerismus, jede Sammlung der Kräfte des Widerstands gegen Hitler, gleichviel aus welcher Quelle diese Kräfte gespeist werden, wird den schließlichen Sturz der gegenwärtigen deutschen Führung beschleunigen und deshalb auch unserer eigenen Verteidigung und Sicherheit zugute kommen. “ Keine sechs Monate später befanden sich die Vereinigten Staaten als Verbündete der Sowjetunion im Kampfe gegen Deutschland.
Über ihren eigenen direkten Beitrag zur Niederringung der Achsenmächte hinaus versorgten die Länder des Westens die UdSSR mit lebenswichtigem Kriegsmaterial in beträchtlichen Mengen. Trotz der von deutschen Unterseebooten verursachten Verluste gelangten große Lieferungen an Flugzeugen, Panzern und Munition nach der UdSSR. In einem der seltenen Fälle lobender Erwähnung ihrer Kriegsverbündeten gab die Sowjetregierung am 10. bzw. 11. Juni 1944 über Radio Moskau sowie in maßgeblichen sowjetischen Zeitungen bekannt, sie habe in der Zeit vom 1. Oktober 1941 bis zum 30. April 1944 unter anderem folgende Lieferungen von den USA, Großbritannien und Kanada erhalten:
12 056 Flugzeuge von den USA und Großbritannien
8 026 Panzerwagen von den USA und Großbritannien
116 Schiffseinheiten
37 407 Last- und Militärkraftwagen
17 017 Motorräder von Großbritannien
22 400 000 Schuß Artilleriemunition
87 900 t Schießpulver
245 000 Telephonapparate.
II. Der zweite Weltkrieg und die Nachkriegsentwicklung
Die sowjetischen Behauptungen:
In der sowjetischen Note heißt es, die Westalliierten hätten im zweiten Weltkrieg eine „gemeinsame, allseitig abgestimmte Politik“ gegenüber Deutschland betrieben. Sie führt aus, nach dem Kriege wäre eine friedliche Koexistenz möglich gewesen, falls man diese Politik in der von Präsident Roosevelt begonnenen Form weitergeführt hätte. Statt dessen wurde, der sowjetischen Note zufolge, die Atmosphäre durch Winston Churchill und andere Politiker vergiftet, die einen gegen die UdSSR gerichteten aggressiven Kurs steuerten. Die Note besagt:
Das ist die Misere, in die die einstmals gemeinsame, allseitig abgestimmte Deutschlandpolitik der vier Mächte – der UdSSR, der USA, Großbritanniens und Frankreichs – 13 Jahre nach dem Kriege geraten ist […]
Die Politik der Westmächte wurde jedoch in zunehmendem Maße durch Kräfte beeinflußt, die von dem Haß gegen sozialistische und kommunistische Ideen besessen waren, aber ihre feindseligen Absichten gegen die Sowjetunion während des Krieges verheimlicht hatten. Die Folge war, daß der Westen einen Kurs der äußersten Verschärfung des ideologischen Kampfes einschlug, allen voran aggressive Führer und Gegner einer friedlichen Koexistenz zwischen den Staaten. Das Signal hierzu wurde den Vereinigten Staaten und anderen Ländern des Westens durch W. Churchill in seiner berüchtigten Fulton-Rede im März 1946 gegeben […]
Die Sowjetregierung bedauert es sehr, daß die Ereignisse einen solchen Verlauf nahmen, da dies der Sache des Friedens schadet und dem natürlichen Wunsch der Völker nach friedlicher Koexistenz und freundschaftlicher Zusammenarbeit zuwiderläuft. Denn es gab eine Zeit, da die führenden Politiker der Vereinigten Staaten und Großbritanniens, insbesondere der hervorragende amerikanische Staatsmann Franklin D. Roosevelt, im Einklang mit den Gefühlen der Volksmassen die Notwendigkeit der Schaffung eines Systems wechselseitiger Beziehungen zwischen den Staaten proklamierten, das so beschaffen sein sollte, daß die Staaten sich sicher fühlen und die Menschen allenthalben ein Leben ohne Furcht führen könnten.
Dies sind die Tatsachen:
1. In Vereinbarungen, die während des Krieges getroffen wurden, legten die Alliierten zwei Hauptziele ihrer Politik fest: sie gelobten, den Gegner niederzuringen, und sie erklärten, daß sie unter Beibehaltung der im Krieg geübten Zusammenarbeit nachdrücklich auf eine Beseitigung der Kriegsschäden hinarbeiten würden.
2. Die Niederringung des Gegners erforderte große Opfer.
3. Statt den Vereinbarungen aus der Kriegszeit nachzukommen, ging die UdSSR daran, ihre eigenen Pläne für die Ausbreitung des Kommunismus in Osteuropa zu verwirklichen, und sie unterband oder verzögerte nach Möglichkeit alle Maßnahmen der Westmächte, die den wirtschaftlichen Wiederaufbau in Deutschland und im übrigen Europa beschleunigen sollten.
4. Diese Handlungsweise der Sowjets, die ihre Versprechungen Lügen strafte, zerstörte das zunächst vorhandene Wohlwollen gegenüber der UdSSR und überzeugte die Regierungen der Westmächte von der Notwendigkeit, dem sowjetischen Expansionsdrang entgegenzutreten.
5. Stalin erklärte dem Westen 1946 den „kalten Krieg“, als er versicherte, das Kriegsbündnis mit dem Westen sei nur eine Notlösung gewesen. Er sagte voraus, daß es zu Kriegen zwischen kapitalistischen Staaten kommen werde, und erklärte, die Kommunisten würden ihre Herrschaft über weitere Völker ausdehnen.
Während des Krieges war die Politik der alliierten Staaten gegenüber Deutschland darauf zugeschnitten, den Krieg erfolgreich zu Ende zu führen, den Frieden herzustellen und alsdann den Wiederaufbau einzuleiten.
1. Die Erklärung der Vereinten Nationen vom 1. Januar 1942 besagt:
Die unterzeichneten Regierungen, die sich einem gemeinsamen Programm von Zielsetzungen und Grundsätzen verschrieben haben, das in der Gemeinsamen Erklärung des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika und des Premierministers des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland vom 14. August 1941, als Atlantik-Charta bekannt, enthalten ist; und die überzeugt sind, daß der vollständige Sieg über ihre Feinde zur Verteidigung von Leben, Freiheit, Unabhängigkeit und Religionsfreiheit und zur Wahrung der Menschenrechte und der Gerechtigkeit in ihren eigenen Ländern ebenso wie in anderen Ländern unerläßlich ist und daß sie gegenwärtig im gemeinsamen Kampf gegen unerbittliche und brutale Mächte stehen, die die Welt zu unterjochen trachten, erklären:
1. daß jede Regierung sich verpflichtet, ihre sämtlichen militärischen und wirtschaftlichen Mittel gegen jene Mitglieder des Dreimächtepaktes und deren Anhang einzusetzen, mit denen sich diese Regierung im Kriegszustand befindet;
2. daß jede Regierung sich verpflichtet, mit den hier unterfertigten Regierungen zusammenzuarbeiten und keinen getrennten Waffenstillstand oder Frieden mit den Gegnern zu schließen.
Der vorstehenden Erklärung können sich andere Staaten anschließen, die gegenwärtig oder später konkrete Beihilfe oder Beiträge zum Kampf für den Sieg über den Hitlerismus leisten.
2. Das im Anschluß an die Moskauer Außenministerkonferenz veröffentlichte anglo-sowjetisch-amerikanische Kommuniqué vom 1. November 1943 führt aus:
Die übereinstimmende Auffassung der drei Regierungen, daß es in ihrem eigenen nationalen Interesse und im Interesse sämtlicher friedliebender Staaten liege, die derzeitige enge Zusammenarbeit und das Zusammengehen in der Führung des Krieges in der Zeit nach Beendigung der Feindseligkeiten fortzusetzen, und daß nur auf diese Weise der Frieden aufrechterhalten und das Wohl ihrer Völker im politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich am besten gefördert werden könne, rangierte in ihrer Bedeutung unmittelbar hinter der beschleunigten Beendigung des Krieges.
3. Das Abkommen über die Schaffung der Hilfs- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen (UNRRA), das am 9. November 1943 unterzeichnet wurde, besagt in Artikel I,
Absatz 2:
Unter Berücksichtigung von Artikel VII hat die Verwaltung folgende Zielsetzungen und Funktionen:
a) Hilfsmaßnahmen für Opfer des Krieges, wie die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Brennstoffen, Bekleidung, Wohnraum und anderen lebensnotwendigen Dingen sowie die ärztliche Betreuung und die Bereitstellung anderer notwendiger Dienste in sämtlichen Gebieten, die der Kontrolle irgendeiner der Vereinten Nationen unterstehen, zu planen, zu koordinieren, durchzuführen oder ihre Durchführung zu veranlassen; die Produktion und den Transport von hierfür erforderlichen Gütern und die Bereitstellung derartiger Dienste in diesen Gebieten in dem Umfange zu ermöglichen, der für eine angemessene Hilfeleistung erforderlich ist. Die Art der Tätigkeit der Verwaltung innerhalb des Territoriums eines Mitgliedstaates, in dem dessen Regierung die Regierungsgewalt ausübt, und die Verantwortung der Mitgliedregierung für die Durchführung der von der Verwaltung in diesem Gebiet geplanten Maßnahmen wird nach Konsultationen der Mitgliedregierung und mit deren Zustimmung geregelt.
4. Auf der Krim- (oder Jalta-) Konferenz zwischen Großbritannien, der UdSSR und den Vereinigten Staaten vom 4. bis 11. Februar 1945 wurde in der „Erklärung über das Befreite Europa“ in zuversichtlichen Worten erklärt:
Zur Schaffung von Bedingungen, unter denen die befreiten Völker diese Rechte ausüben können, werden die drei Regierungen, wo immer es die Umstände ihrer Ansicht nach erfordern, die Völker der befreiten europäischen Staaten oder der früheren europäischen Vasallenstaaten der Achse gemeinsam in folgendem unterstützen:
a) bei der Wiederherstellung von Friedensverhältnissen;
b) bei der Durchführung von Notmaßnahmen zwecks Unterstützung Hilfsbedürftiger;
c) bei der Schaffung vorläufiger Regierungsgewalten, die eine umfassende Vertretung aller demokratischen Elemente der Bevölkerung darstellen und die zur baldestmöglichen Errichtung von dem Volkswillen entsprechenden Regierungen auf dem Wege freier Wahlen verpflichtet sind; und
d) nötigenfalls bei der Durchführung solcher Wahlen.
Diese Vereinbarungen zeigen, daß sich die Kriegsverbündeten einschließlich der UdSSR auf grundlegende Richtlinien festgelegt hatten, die ihr Verhalten nach dem Kriege bestimmen sollten, nämlich auf die Schaffung einer gerechten und stabilen Weltordnung, die Unterstützung von Hilfsbedürftigen und den Wiederaufbau der vom Krieg zerstörten Gebiete.
Die Sowjetunion weigerte sich jedoch, spezifischen Vorschlägen zur Durchführung der Vereinbarungen nachzukommen, und ging dazu über, im gesamten sowjetisch besetzten Osteuropa ihre eigenen Pläne zu verwirklichen. Statt beispielsweise mit den westlichen Verbündeten im Alliierten Kontrollrat (der höchsten alliierten Körperschaft in Deutschland) in dem Bemühen zusammenzuarbeiten, den zur Gewährleistung des Fortbestandes und der künftigen Wiedergenesung des deutschen Volkes erforderlichen wirtschaftlichen Mindeststandard sicherzustellen, verzögerte und umging die UdSSR Entscheidungen und verließ schließlich im März 1948 den Alliierten Kontrollrat gänzlich.
Auf den Außenministerkonferenzen nach dem Krieg legte die Sowjetunion den Hauptakzent auf Verfahrensfragen wie die Reihenfolge der Punkte der Tagesordnung und blockierte die Vorschläge des Westens, während gleichzeitig in Moskau ausgebildete Kommunisten mit der sowjetischen Armee im Rücken in Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Albanien, in der Tschechoslowakei, in Polen und Ostdeutschland die Macht an sich rissen. Im Jahre 1947 weigerte sich die Sowjetunion in Moskau, elementare Informationen über ihre Besatzungszone in Deutschland bekanntzugeben, was den später als richtig erwiesenen Verdacht aufkommen ließ, daß aus großen Gebieten praktisch alles, was nicht niet- und nagelfest war, nach der UdSSR geschafft wurde. Diese Tatsachen erleichtern das Verständnis für die mangelnde Bereitwilligkeit der Sowjetbehörden, an der Schaffung einer ausgewogenen Wirtschaft in Deutschland, auf die man sich in Potsdam geeinigt hatte, mitzuwirken. Dies war ein äußerst ernster Rückschlag für den Aufbau in Europa und die Entwicklung einer wenn auch auf ein Mindestmaß beschränkten, selbstgenügsamen Wirtschaft in Deutschland.
Das Schicksal der osteuropäischen Länder, die unter dem Druck der auf ihrem Gebiet oder in ihrer Nachbarschaft stationierten sowjetischen Streitkräfte zu Satellitenstaaten wurden, zeigt die Diskrepanz zwischen den Zusagen der Sowjetunion von Jalta und ihren späteren Handlungen.
Die Vereinigten Staaten konnten nicht umhin, dieses sowjetische Verhalten trotz aller gegenteiligen Versprechungen und Erklärungen als Zeichen der tatsächlichen Politik der UdSSR zu deuten. Die sowjetische Mißachtung feierlicher Abkommen und anerkannter Grundsätze erstickte das Wohlwollen, das das amerikanische Volk für die UdSSR empfunden hatte, und überzeugte sämtliche Regierungen im Westen von der Notwendigkeit, Verteidigungsvorkehrungen gegen die Bedrohung durch weitere sowjetische Expansionsversuche zu treffen.
Stalin erklärte in seiner Moskauer Rede vom 9. Februar 1946 den „kalten Krieg“ und legte die kommunistische Nachkriegslinie fest. In dieser Rede machte Stalin vor aller Welt klar, daß das im Kriege eingegangene Bündnis mit den Westmächten eine Notlösung gewesen und nicht als Hinweis darauf zu werten sei, daß die Zusammenarbeit zwischen der Sowjetunion und ihren einstigen Verbündeten fortbestünde oder fortgesetzt werde.
Er rief seinen Zuhörern ins Gedächtnis, daß nach der kommunistischen Doktrin Kriege solange unvermeidbar seien, bis die kommunistischen Parteien in den kapitalistischen Ländern die Macht errungen hätten, und er umriß die wirtschaftlichen Pläne, nach denen die Sowjetunion die Voraussetzungen für die Führung des „unvermeidbaren“ künftigen Krieges schaffen müsse.
Er brüstete sich mit der Macht des Sowjetstaates und seinen Leistungen während des Krieges und setzte die Welt davon in Kenntnis, daß die Sowjetunion nicht auf den Lorbeeren des zweiten Weltkrieges auszuruhen gedenke. Seine Forderung nach Anerkennung der These, daß „die sowjetische Sozialordnung als Organisations- und Gesellschaftsform jeder nichtsowjetischen Sozialordnung überlegen ist“, verhallte bei den nichtsowjetischen Völkern außerhalb des sowjetischen Machtbereichs nicht ungehört. Sie erblickten darin vielmehr die Erneuerung des kommunistischen Aufrufs an alle Mitglieder der kommunistischen Parteien zum letzten Einsatz für das Ziel, die Herrschaft über alle Völker der Erde zu erringen.
III. Die Nachkriegsbeziehungen zu Deutschland
Die sowjetischen Behauptungen:
In der sowjetischen Note werden die westlichen Alliierten der Verletzung der politischen und wirtschaftlichen Bestimmungen der interalliierten Vereinbarungen, insbesondere des Potsdamer Abkommens bezichtigt. Es wird behauptet, daß diese Verletzungen Teil der „Verschärfung des ideologischen Kampfes“ durch den Westen und seiner „Kriegsvorbereitungen“ seien. Die Westalliierten hätten, wie es in der Note heißt, aktiv darauf hingearbeitet, die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands zu verhindern, und die führenden Männer in Westdeutschland seien Militaristen, die Pläne zu einer gewaltsamen Wiedervereinigung Deutschlands schmiedeten.
Die Note führt ferner aus, Ostdeutschland werde nach einer Verfassung regiert, die „den besten fortschrittlichen Traditionen des deutschen Volkes“ entspreche, und habe große „demokratische und soziale Errungenschaften“ aufzuweisen. Die Westmächte, so heißt es weiter, hätten ihre Anwesenheit in Westberlin dazu benutzt, eine gegen Rußland und die Satellitenstaaten gerichtete „Wühlarbeit“ zu entfalten, während die Viermächte-Vereinbarung bezüglich Berlin von der Sowjetunion „gewissenhaft eingehalten“ worden sei.
In der Note wird behauptet, daß sich die Sowjetunion die gesamte Nachkriegszeit hindurch trotz der Zuspitzung der Lage und trotz der Kriegsvorbereitungen des Westens unbeirrt für die Politik der „friedlichen Koexistenz“, der „Nichteinmischung“ in die Angelegenheiten anderer Staaten und der „Achtung vor der Souveränität und territorialen Integrität“ anderer Länder eingesetzt habe. Die Note besagt:
Die Teilnehmer an der Potsdamer Konferenz drückten ihre Entschlossenheit aus, jedwede faschistische oder militaristische Tätigkeit oder Propaganda zu unterbinden. Sie verpflichteten sich ferner, sämtliche demokratischen Parteien in Deutschland zuzulassen und zu fördern […]
Das Potsdamer Abkommen enthielt wichtige Bestimmungen, denen zufolge Deutschland als eine Wirtschaftseinheit selbst während der Besatzungszeit angesehen werden sollte. Die Übereinkunft sah ferner die Schaffung zentraler deutscher Verwaltungsabteilungen vor […]
Die Politik der USA, Großbritanniens und Frankreichs gegenüber Westdeutschland hat zur Verletzung der Bestimmungen des Potsdamer Abkommens geführt, die die Einheit Deutschlands als friedliebender und demokratischer Staat sicherstellen sollten. Und als in Westdeutschland, das von den Truppen der drei Mächte besetzt war, ein separater Staat – die Bundesrepublik Deutschland – errichtet wurde, blieb Ostdeutschland, wo Kräfte die Führung erlangt hatten, die entschlossen sind, das deutsche Volk davor zu bewahren, wieder in eine Katastrophe gestürzt zu werden, keine andere Wahl, als seinerseits einen unabhängigen Staat zu schaffen […]
Die staatlichen und öffentlichen Angelegenheiten in der Deutschen Demokratischen Republik werden durch eine Verfassung geregelt, die im vollen Einklang mit den Grundsätzen des Potsdamer Abkommens und den besten fortschrittlichen Traditionen der Deutschen Nation steht […]
Die Sowjetunion setzt sich für völlige Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des deutschen Volkes wie auch jedes anderen Volkes ein […]
Die Sowjetunion unterstützt wie andere Länder, die an einer Festigung des Friedens in Europa interessiert sind, die Vorschläge der Deutschen Demokratischen Republik für eine friedliche Wiedervereinigung Deutschlands. Die Regierung der UdSSR bedauert, daß die Bemühungen in dieser Richtung bisher keinerlei positive Ergebnisse erbracht haben, weil sich die Regierungen der Vereinigten Staaten und anderer NATO-Mitglieder und vor allem die Regierung der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich nicht um den Abschluß eines Friedensvertrages oder die Wiedervereinigung Deutschlands bekümmern […]
Faktisch wird heute von allen alliierten Abkommen über Deutschland nur ein einziges eingehalten: das Abkommen über den sogenannten Viermächtestatus Berlins. Auf der Grundlage dieses Status beherrschen die drei Westmächte Westberlin nach Belieben, verwandeln die Stadt zu einem Staat im Staate und benutzen sie als Zentrale für ihre Wühlarbeit gegen die DDR, die Sowjetunion und die anderen Staaten des Warschauer Paktes. Die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich haben unbehinderte Verbindung mit Westberlin über Verkehrswege, die durch das Territorium und den Luftraum der Deutschen Demokratischen Republik führen, welche sie nicht einmal anerkennen wollen.
Den Regierungen der drei Mächte ist es darum zu tun, die seit langem überholten Teile der im Kriege abgeschlossenen Abkommen aufrechtzuerhalten, die die Besetzung Deutschlands regelten und ihnen in der Vergangenheit das Recht zur Anwesenheit in Berlin einräumten. Gleichzeitig haben die Westmächte, wie dargelegt, die Viermächte-Vereinbarungen gröblich verletzt, einschließlich des Potsdamer Abkommens, das der konzentrierteste Ausdruck der Verpflichtungen der Mächte im Hinblick auf Deutschland ist.
Der Viermächtestatus Berlins kam dadurch zustande, daß Berlin als die Hauptstadt Deutschlands zum Sitz des Kontrollrats bestimmt wurde, der für die Verwaltung Deutschlands während der Anfangszeit der Besatzung errichtet wurde. Dieser Status ist von der Sowjetunion bis auf den heutigen Tag gewissenhaft eingehalten worden, obwohl der Kontrollrat bereits vor zehn Jahren zu bestehen aufgehört hat und obwohl es in Deutschland seit langem zwei Hauptstädte gibt. Was die USA, Großbritannien und Frankreich betrifft, so haben diese es vorgezogen, ihre Besatzungsrechte in Berlin in flagranter Weise zu mißbrauchen und den Viermächtestatus der Stadt für ihre eigenen Zwecke, zum Schaden der Sowjetunion, der Deutschen Demokratischen Republik und der anderen sozialistischen Länder auszunutzen.
Dies sind die Tatsachen:
1. Das erklärte Ziel der Nachkriegsabkommen zwischen den Alliierten über Deutschland war es, die Spuren des Dritten Reiches zu beseitigen, ein Wiederaufleben aggressiver Kräfte zu verhindern und einen Kurs vorzuzeichnen, auf dem Deutschland seine Selbstachtung wiedergewinnen und eine konstruktive Rolle im internationalen Leben übernehmen konnte.
2. Lange vor der Unterzeichnung des Potsdamer Protokolls, in dem diese Grundsätze im August 1945 niedergelegt worden sind, begann die UdSSR ihre Bemühungen, Deutschland zu einem sowjetischen Satelliten zu machen. Sie wählte bestimmte Personen aus, schulte und repatriierte sie, die später die politische und militärische Führung des ostdeutschen Regimes übernahmen.
3. Noch bevor die Westmächte ihre Sektoren in Berlin besetzten, hatte die sowjetische Armee bereits politische Parteien lizenziert und den bewährten kommunistischen Kontrollmethoden unterworfen, die heute noch in Ostdeutschland im Schwange sind.
4. Trotzdem handelten die Siegermächte das Potsdamer Protokoll aus, das sowohl negative Zielsetzungen (Entmilitarisierung, Entnazifizierung und Reparationen), als auch positive aufwies (gewählte Regionalregierungen, einheitliche Verwaltung, demokratische Rechte für alle Bürger, gleichmäßige wirtschaftliche Behandlung und schließlich einen Friedensvertrag zwecks Beendigung des Kriegszustandes). Die UdSSR weigerte sich, nach diesen positiven Grundsätzen zu verfahren.
5. Die Vereinigten Staaten waren nicht gewillt, Deutschland zu einem sowjetischen Satelliten werden zu lassen. Sie forderten dringend einen wirtschaftlichen Wiederaufbau in ganz Europa.
6. Die UdSSR wich einem amerikanischen Vorschlag für den Abschluß eines Nichtangriffspaktes für die Dauer von 40 Jahren aus, der eine Garantie gegenüber der Wiederholung einer deutschen militärischen Aggression bieten sollte. Die Sowjets widersetzten sich dem wirtschaftlichen Aufbau Europas. Sie verließen den aus den vier Mächten gebildeten Kontrollrat für Deutschland und verhängten im Jahre 1948 die Berliner Blockade, mit der sie die westlichen Verbündeten aus der Stadt zu vertreiben versuchten.
7. In Berlin erzwangen die Sowjets die Aufspaltung der Stadt, um dann in Ostberlin einen Rumpfmagistrat einzusetzen, den sie dem rechtmäßig gewählten Magistrat der Stadt entgegenstellten.
8. Obwohl sich die Sowjets der Zusammenarbeit verschlossen, setzten die Westmächte die Durchführung des Potsdamer Protokolls in ihren eigenen Zonen in Westdeutschland fort. Nach der Abhaltung freier Wahlen und der Annahme eines von der Bevölkerung gebilligten Grundgesetzes wurde die Bundesrepublik gegründet.
9. Die Sowjets proklamierten die sogenannte Deutsche Demokratische Republik im Jahre 1949. Freie Wahlen sind niemals abgehalten worden.
10. Die Kommunisten verhindern nach wie vor einen freien Informationsaustausch und setzen die Kontrolle des Personenverkehrs in Ostdeutschland und zwischen Ost- und Westdeutschland fort. Sie begründen dies damit, daß sie „faschistische Aggressionen“ und „Provokationen von außen“ durch „Spionagezentralen“, die sich in Westberlin befänden, verhindern müßten.
Das erklärte Ziel der Nachkriegsabkommen war es, eine bessere künftige Welt zu schaffen und den Frieden zu sichern. Für Deutschland bedeutete dies:
a) Beseitigung der Spuren des Dritten Reiches und Verhinderung des Wiederauflebens aggressiver Kräfte,
b) Festlegung eines Kurses, mit dem Deutschland seine Selbstachtung wiedergewinnen und eine konstruktive Rolle im internationalen Leben übernehmen konnte.
Schon vor Unterzeichnung des Potsdamer Abkommens war die UdSSR darangegangen, Deutschland in einen Satelliten der Sowjetunion zu verwandeln. Gruppen deutscher Kommunisten wurden während des ganzen Krieges in der UdSSR ausgebildet. Ihre zukünftigen Führer – Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht, Karl Maron, Lothar Bolz und andere – arbeiteten eng mit der Komintern und der sowjetischen Armee zusammen, während sie das Vorrücken der sowjetischen Streitkräfte nach Deutschland abwarteten. Diese Männer stehen an der Spitze des ostdeutschen Regimes seit seiner Gründung im Jahre 1949, und zwischen 1945 und 1949 gehörten sie zu den führenden Funktionären, die unter der sowjetischen Besatzungsmacht in Ostdeutschland wirkten.
Das „Nationalkomitee Freies Deutschland“, eine von den Sowjets organisierte Vereinigung gefangener deutscher Offiziere und Soldaten, wurde am 7. Juli 1943 in der Absicht gegründet, deutsche Kriegsgefangene in der UdSSR im kommunistischen Sinne politisch zu schulen und unter den Militärs Zellen zu bilden, die die Basis für eine spätere deutsche Wiederbewaffnung unter sowjetischen Auspizien abgeben sollten. Zu den prominenten Absolventen der sogenannten „Antifa-Schule“ in Krasnogorsk, die später führende Posten in Ostdeutschland erhielten, gehörten u. a. Oberst Luitpold Steidle, der spätere Gesundheitsminister; Generalmajor Vincenz Müller, der spätere Generalleutnant und Stabschef der ostdeutschen Streitkräfte; Generalmajor Otto Korfes, später in führender politischer Stellung in der ostdeutschen „Nationalen Front“ verantwortlich für die Erfassung ehemaliger deutscher Wehrmachtsoffiziere; Major Egbert von Frankenberg und Proschlitz, heute militärischer Kommentator des ostdeutschen Rundfunks und führendes Mitglied der National-Demokratischen Partei, die 1948 auf Veranlassung der Sowjets als Partei der ehemaligen Soldaten und NSDAP-Mitglieder gegründet wurde; Generalleutnant Arno von Lenski, heute als Generalmajor der ostdeutschen Armee deren führender Panzerwaffen-Experte; der frühere Regimentskommandeur Bernhard Bechler, der jetzt stellvertretender Stabschef der ostdeutschen Streitkräfte ist; sowie Generalleutnant Hans Wulz, heute Generalmajor in der ostdeutschen Armee und Stadtkommandant von Ostberlin.
Für eine kurze Zeit, und zwar von Mai bis Juni 1945, war Berlin allein von der sowjetischen Armee besetzt. Am 10. Juni 1945, also drei Wochen vor dem Einrücken der ersten Amerikaner in Berlin, erteilten die sowjetischen Besatzungsbehörden vier politischen Parteien in der Stadt eine Lizenz, nämlich den Kommunisten, den Sozialdemokraten, der Christlich-Demokratischen Union und den Liberal-Demokraten. Am folgenden Tage wurden diese vier Parteien zum „Block der Antifaschistisch-Demokratischen Parteien“ zusammengeschlossen, einem sowjetischen Mittel, um die Führer und Programme dieser Parteien überwachen und ihre Handlungsfreiheit auf politische Aktionen beschränken zu können, die die Billigung der Kommunisten und der UdSSR besaßen.
Auf diese Weise waren Rahmen und Organisation für die sowjetische Deutschlandpolitik auf militärischem und politischem Gebiet bereits vorhanden, ehe noch die Siegermächte zusammenkommen konnten, um ihre Pläne zu diskutieren und die Verwirklichung der erklärten Grundsätze der Kriegskoalition abzusprechen. Dennoch trafen die Regierungschefs der UdSSR, des Vereinigten Königreiches und der Vereinigten Staaten vom 17. Juli bis 2. August 1945 zur Berliner (Potsdamer) Konferenz zusammen, um eine große Anzahl internationaler Probleme zu erörtern, einschließlich einer Reihe von Grundsätzen, die gegenüber Deutschland befolgt werden sollten, um die Kriegsziele der Alliierten zu realisieren.
In dem vom 1. August 1945 datierten Potsdamer Protokoll sind sowohl negative Zielsetzungen der Alliierten (Entmilitarisierung, Entnazifizierung und Reparationen) niedergelegt als auch positive Bestimmungen, um den alliierten Nationen und Deutschland zu zeigen, daß es eine Zukunft für das deutsche Volk gebe. Die nachstehenden Auszüge aus dem Potsdamer Protokoll enthalten die positiven Punkte:
[…] Das Gerichtswesen wird entsprechend den Grundsätzen der Demokratie und der Gerechtigkeit auf der Grundlage der Gesetzlichkeit und der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz ohne Unterschied der Rasse, der Nationalität und der Religion reorganisiert werden.
[…] Die Verwaltung Deutschlands muß in Richtung auf eine Dezentralisation der politischen Struktur und der Entwicklung einer örtlichen Selbstverantwortung durchgeführt werden. Zu diesem Zweck
[…] ist die lokale Selbstverwaltung in ganz Deutschland nach demokratischen Grundsätzen, und zwar durch Wahlausschüsse, so schnell, wie es mit der militärischen Sicherheit und den Zielen der militärischen Besatzung vereinbar ist, wiederherzustellen;
[…] sind in ganz Deutschland alle demokratischen politischen Parteien zu erlauben und zu fördern mit der Einräumung des Rechtes, Versammlungen einzuberufen und öffentliche Diskussionen durchzuführen;
[…] soll der Grundsatz der Wahlvertretung in die Gemeinde-, Kreis-, Provinzial- und Landesverwaltungen so schnell, wie es durch die erfolgreiche Anwendung dieser Grundsätze in der örtlichen Selbstverwaltung gerechtfertigt werden kann, eingeführt werden;
[…] wird bis auf weiteres keine zentrale deutsche Regierung errichtet werden. Jedoch werden einige wichtige zentrale deutsche Verwaltungsabteilungen errichtet werden, an deren Spitze Staatssekretäre stehen, und zwar auf den Gebieten des Finanzwesens, des Verkehrswesens, des Nachrichtenwesens, des Außenhandels und der Industrie. Diese Abteilungen werden unter der Leitung des Kontrollrates tätig sein.
[…] Unter Berücksichtigung der Notwendigkeit zur Erhaltung der militärischen Sicherheit wird die Freiheit der Rede, der Presse und der Religion gewährt. Die religiösen Einrichtungen sollen respektiert werden. Die Schaffung freier Gewerkschaften, gleichfalls unter Berücksichtigung der Notwendigkeit zur Erhaltung der militärischen Sicherheit, wird gestattet werden.
[…] Während der Besatzungszeit ist Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten. Mit diesem Ziel sind gemeinsame Richtlinien aufzustellen hinsichtlich:
a) der Erzeugung und der Verteilung der Produkte der Bergbau- und der verarbeitenden Industrie;
b) der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei;
c) der Löhne, der Preise und der Rationierung;
d) des Import- und Exportprogramms für Deutschland als Ganzes;
e) der Währung, des Bankwesens, der zentralen Besteuerung und der Zölle;
f) der Reparationen und der Beseitigung des militärischen Industriepotentials;
g) des Verkehrs- und Nachrichtenwesens.
Bei der Durchführung dieser Richtlinien sind gegebenenfalls die verschiedenen örtlichen Bedingungen zu berücksichtigen.
[…] Es ist eine alliierte Kontrolle über das deutsche Wirtschaftsleben zu errichten, jedoch nur in den Grenzen, die notwendig sind:
a) zur Erfüllung des Programms der industriellen Abrüstung und Entmilitarisierung, der Reparationen und der erlaubten Aus- und Einfuhr;
b) zur Sicherung der Warenproduktion und der Dienstleistungen, die zur Befriedigung der Bedürfnisse der Besatzungsstreitkräfte und der verpflanzten Personen in Deutschland notwendig sind und die wesentlich sind für die Erhaltung eines mittleren Lebensstandards in Deutschland, der den mittleren Lebensstandard der europäischen Länder nicht übersteigt (europäische Länder in diesem Sinne sind alle europäischen Länder mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs und der Sowjetunion);
c) zur Sicherung – in der Weise, die der Kontrollrat festsetzt – einer gleichmäßigen Verteilung der wesentlichsten Waren unter den verschiedenen Zonen, um ein ausgeglichenes Wirtschaftsleben in ganz Deutschland zu schaffen und die Einfuhrnotwendigkeit einzuschränken;
d) zur Überwachung der deutschen Industrie und aller wirtschaftlichen und finanziellen internationalen Transaktionen einschließlich der Aus- und Einfuhr mit dem Ziel der Unterbindung einer Entwicklung des Kriegspotentials Deutschlands und der Erreichung der anderen genannten Aufgaben;
e) zur Überwachung aller deutschen öffentlichen oder privaten wissenschaftlichen Forschungs- oder Versuchsanstalten, Laboratorien usw., die mit einer Wirtschaftstätigkeit verbunden sind.
[…]
Es sind unverzüglich Maßnahmen zu treffen zur:
a) Durchführung der notwendigsten Instandsetzungen des Verkehrswesens;
b) Hebung der Kohlenerzeugung;
c) weitestmöglichen Vergrößerung der landwirtschaftlichen Produktion und
d) Durchführung einer beschleunigten Instandsetzung der Wohnungen und der wichtigsten öffentlichen Einrichtungen.
Die vier Oberkommandierenden der alliierten Armeen in Deutschland waren für die Durchführung der politischen und wirtschaftlichen Richtlinien des Potsdamer Protokolls verantwortlich, und zwar jeder allein in seiner Besatzungszone sowie alle zusammen als Mitglieder des Alliierten Kontrollrats in den Gesamtdeutschland betreffenden Fragen. Fast von Anfang an zeigte sich, daß die sowjetischen Vertreter, Marschall Žukov und später Marschall Sokolovskij, entschlossen waren, die Verwirklichung der positiven Grundsätze des Potsdamer Protokolls zu verhindern. Sie gaben zwar im Prinzip ihre Zustimmung, weigerten sich dann aber, konkrete Vorschläge zur Durchführung der Konzeptionen durchzuführen. Obwohl sie sich mit dem deutschen Wiederaufbau einverstanden erklärt hatten, unterließen sie es, ihn wirklich zu fördern, indem sie sich auf Verzögerungs- und Ablenkungstaktiken verlegten. Im Dezember 1945 billigte Marschall Sokolovskij beispielsweise prinzipiell einen Vorschlag des amerikanischen und des britischen Oberkommandierenden, die Zonengrenzen für den deutschen Reiseverkehr zu öffnen, betonte aber gleichzeitig, daß die praktische Durchführung vorerst unmöglich sei. Die Vertreter der USA und Großbritanniens waren außerstande, ihn zur Begründung dieses Standpunktes zu bewegen. Als die Westmächte die Sowjets ersuchten, die Produktion Ostdeutschlands einem gemeinsamen Pool zuzuführen, um daraus – wie im Potsdamer Protokoll vorgesehen – die Kosten lebenswichtiger Importe zu bestreiten, verweigerten die Sowjets zwar nicht ihre Zustimmung, starteten jedoch ein erfolgreiches Verschleppungsmanöver. Infolge dieser Taktiken war der Alliierte Kontrollrat in seinem Aktionsradius auf die negativen Punkte des Potsdamer Protokolls beschränkt. Zahlreiche Kontrollratserlasse befaßten sich mit der Liquidierung der Nazi-Hinterlassenschaft, während Maßnahmen zum Wiederaufbau Deutschlands und zur Wiederherstellung einer wirtschaftlichen Basis im Interesse der Existenzsicherung sowie einer späteren demokratischen Regierung von der Sowjetunion nicht gebilligt und vereitelt wurden.
Angesichts dieser Obstruktionspolitik im Verein mit der in Europa und Deutschland herrschenden Not und Hoffnungslosigkeit fühlte sich der amerikanische Außenminister James F. Byrnes veranlaßt, Zielsetzung und Politik der USA am 6. September 1946 in Stuttgart erneut klarzustellen. Mr. Byrnes erklärte, die amerikanische Politik habe sich stets an folgende Richtschnur gehalten: Niederringung Nazideutschlands bis zur Kapitulation; dann sicherstellen, daß Deutschland weder Ursachen und Konsequenzen des Aggressionskrieges mißdeutet, noch erneut einen solchen Krieg beginnt; Wiederbelebung derjenigen Kräfte in Deutschland, die die beste Garantie dafür bieten, daß Deutschland zu einem demokratischen Staat mit gemäßigter Politik wird; Wiedervereinigung des deutschen Volkes in einer Nation unter seiner eigenen Führung.
Wörtlich sagte Byrnes:
Obwohl wir darauf bestehen, daß Deutschland den Prinzipien des Friedens, der guten Nachbarschaft und der Humanität folgt, wollen wir doch nicht, daß Deutschland zum Satelliten irgendeiner Macht oder irgendwelcher Mächte wird, oder daß es unter einer aus- oder inländischen Diktatur lebt. Der Wunsch des amerikanischen Volkes ist es, daß die friedlichen, demokratischen Deutschen frei und unabhängig werden und es auch bleiben.
Dem Rat der Außenminister, der vom 25. November bis 15. Dezember 1947 in London tagte, gelang es nicht, ein Übereinkommen über die Probleme der deutschen Wiedervereinigung und die Errichtung einer Zentralregierung zu erzielen, mit der man Friedensvertragsverhandlungen hätte führen können. Hauptursache für den Mißerfolg des Außenministerrats waren die krassen und fundamentalen Divergenzen zwischen Sowjets und Westmächten in der Frage der wirtschaftlichen Sanierung Europas und Deutschlands in der Nachkriegszeit. Mit dem europäischen Wiederaufbauprogramm (Marshallplan) traten die USA entschieden für eine Sanierung der europäischen Völkergemeinschaft ein, damit diese aus gesunden Nationen mit starken Regierungen bestünde, die wahre Freiheit der Persönlichkeit gegenüber Terror und Tyrannei garantieren könnten. Obwohl das Hilfsangebot an ganz Europa und nicht nur an Westeuropa gerichtet war, verhielt sich die UdSSR der wirtschaftlichen Sanierung gegenüber abweisend. Sie zog offenbar den Fortbestand des durch die Verwüstungen des zweiten Weltkriegs in Europa entstandenen wirtschaftlichen und politischen Vakuums vor. Dementsprechend weigerte sich die Sowjetunion auch, am Europäischen Wiederaufbauprogramm teilzunehmen, und hielt andere Staaten wie die Tschechoslowakei und Polen von einer Beteiligung ab. Sie beschloß stattdessen, die Durchführung ihrer Pläne für die Spaltung und Schwächung Deutschlands weiter voranzutreiben. Ihre ersten Ziele bei dieser Offensive waren die Beseitigung der Positionen ihrer Alliierten in Berlin und die Isolierung der Bewohner Westberlins.
Die Sowjets verließen den Alliierten Kontrollrat für Deutschland am 20. März 1948 und gaben am 1. April Beschränkungen für den alliierten Straßen- und Bahnverkehr zwischen Berlin und den Westzonen bekannt. Die Alliierten richteten eine „kleine Luftbrücke“ ein, die am 26. Juni 1948 – zwei Tage, nachdem die Sowjets eine totale Blockade verhängten – zu einer umfassenden Luftbrücke ausgebaut wurde. Am 10. Juni 1948 [sic! Im Original: 16. Juni 1948] verließen die Sowjets die Kommandantur (die alliierte Regierungsbehörde für Berlin), und am 1. Juli 1948 teilte der Stabschef der Sowjetvertretung in der Kommandantur seinen britischen, französischen und amerikanischen Kollegen mit, daß die Viermächte-Verwaltung für Berlin aufgehört habe zu existieren. Die Westmächte stellten sich auf den Standpunkt, daß eine durch ein Viermächte-Abkommen geschaffene Organisation nicht einseitig aufgelöst werden könne. Trotz seines Auszuges aus dem Alliierten Kontrollrat brachte Marschall Sokolovskij, das sowjetische Ratsmitglied, am 29. Juni 1948 in einem Schreiben an General Clay, den amerikanischen Militärgouverneur für Deutschland, eigenartigerweise eine ganz ähnliche Haltung zum Ausdruck. Bezugnehmend auf die informellen Londoner Gespräche vom 7. Juni 1948 zwischen Vertretern der drei Westmächte und der Benelux-Staaten über die Deutschlandfrage erklärte Marschall Sokolovskij:
Deshalb sind alle Deutschland betreffenden Entscheidungen, die von einer oder mehreren Besatzungsmächten in Deutschland ohne Teilnahme der Sowjetunion getroffen werden, rechtswidrig und entbehren der moralischen Autorität.
Die UdSSR spaltete nicht nur die Einheit der Alliierten auf der Viermächte-Ebene, sondern zerstörte auch jene gemeinsamen deutschen demokratischen Einrichtungen, die 1947/48 bereits vorhanden waren. Ein Beispiel ist die Liquidierung der politisch-juristischen Einheit von Groß-Berlin in den Jahren 1947/48. Erst griffen die Sowjets 1947 in die demokratischen Regierungsverfahren ein, und im Laufe des Jahres 1948 führten sie die formale und „rechtliche“ Spaltung der Stadt herbei. Hier eine kurze chronologische Übersicht:
Seit dem Beginn der Besatzungszeit im Jahre 1945 galt Groß-Berlin bei der UdSSR wie bei den westlichen Alliierten als einheitliche Stadt. Es gab kein „Ost“- oder „West“-Berlin. Die Sowjets hatten jedoch kraft dessen, daß sie die Stadt erobert hatten, einen provisorischen Magistrat für die Stadt und ihre Verwaltungsbezirke ernannt.
Im Laufe des Jahres 1946 erzwangen die Sowjets die Fusion der Ostzonen-SPD (Sozialdemokratische Partei) mit der KPD (Kommunistische Partei) zur SED, der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, in der Hoffnung, sie könnten durch dieses Manöver die Herrschaft der Kommunisten in Berlin und der Ostzone „legalisieren“. Ihre Absicht war es, auf diese Weise die sozialistischen Wähler Berlins und der Ostzone zu „kassieren“. Die „Vereinigung“ wurde am 19./20. April 1946 vollzogen.
Die Berliner SPD widersetzte sich dem „Zusammenschluß“ und bestand darauf, an den ersten Berliner Wahlen nach dem Kriege – am 20. Oktober 1946 – unter eigenem Namen als gesonderte Partei teilzunehmen.
Bei dieser Wahl erlitten die Kommunisten eine schwere Schlappe, wie der nachfolgenden Statistik zum Abstimmungsergebnis zu entnehmen ist:
SPD (Sozialdemokratische Partei) .......... 48,7%
CDU (Christlich-Demokratische Union .......... 22,2%
FDP (Freie Demokratische Partei) .......... 9,3%
Nichtkommunistische Stimmen .......... 80,2%
SED (Kommunisten) .......... 19,8%
Als die erste demokratisch gewählte Stadtverordnetenversammlung zusammentrat, verfügten die Kommunisten nur über ein Fünftel der Sitze. Das Stadtparlament wählte zunächst Bürgermeister Ostrowski (SPD) zum Oberbürgermeister. Im April 1947 wies jedoch die Versammlung ein schriftliches Abkommen Ostrowskis über eine Zusammenarbeit mit der SED in der Stadtverwaltung zurück, sprach Ostrowski das Mißtrauen aus, und dieser erklärte seinen Rücktritt. Am 24. Juni 1947 wählte das Stadtparlament den Berliner SPD-Führer Ernst Reuter zum Oberbürgermeister von ganz Berlin. Seine Wahl erfolgte in Übereinstimmung mit den Verfahrensbestimmungen sowohl der Alliierten Kommandantur als auch der Stadt Berlin. Die Sowjets jedoch, die fürchteten, Reuter werde statt ihrer Kandidaten Personen seines Vertrauens in die Stadtverwaltung berufen, legten gegen seine Wahl ein „Veto“ ein. So kam es, daß die noch ungeteilte Stadt während der längsten Zeit ihrer demokratischen Regierungsperiode (Juni 1947 bis Dezember 1948) keinen Oberbürgermeister hatte. In Abwesenheit eines Oberbürgermeisters führte als stellvertretender Bürgermeister Frau Louise Schroeder die Amtsgeschäfte der Stadt.
Die Stadtverwaltung bestand völlig zu Recht auf der Aufsicht über alle Kommunalbeamten. Sofort setzte ein heftiges Ringen um die Leitung der Polizei ein. Dort hatten die Sowjets ihre Vertrauensleute untergebracht, die sich den von der Alliierten Kommandantur dazu ermächtigten rechtmäßigen deutschen Kontrollorganen nicht unterordnen wollten und weiterhin direkte Weisungen von den sowjetischen (also nicht von deutschen und nicht von alliierten) Beamten entgegennahmen. Dies führte zu einer Krisensituation in Berlin, bei der die Westalliierten, der rechtmäßige Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung gleichermaßen gegen die eigenmächtige sowjetische Einmischung in kommunale Angelegenheiten protestierten. In den Westsektoren wurde die Frage schließlich geregelt, im Sowjetsektor jedoch widersetzten sich die kommunistischen Polizeibeamten bis zuletzt den Anordnungen der Alliierten Kommandantur und der Berliner Regierung.
Nachdem die Sowjets am 20. März 1948 den Alliierten Kontrollrat für Deutschland verlassen hatten, erfolgte am 16. Juni 1948 ihr Austritt aus der Alliierten Kommandantur für Berlin. Am 18. Juni 1948 führten die drei Westmächte, weiterhin – wie im Potsdamer Abkommen vorgesehen – um die Wiederherstellung einer lebensfähigen deutschen Wirtschaft bemüht und nachdem sie die Sowjets wiederholt aufgefordert hatten, sich an einer Viermächte-Kontrolle der Ausgabebank zu beteiligen, in den drei Westzonen eine Währungsreform durch. Um die Spannungen mit den Sowjets nicht noch mehr zu verschlimmern, wurde die Reform nicht auf Berlin ausgedehnt. Statt sich den Westmächten anzuschließen, führten die Sowjets am 23. Juni 1948 eine eigene Währungsreform in Ostdeutschland „und Berlin“ durch. Daraufhin bezogen die Alliierten die Westsektoren der Stadt ebenfalls in ihre Reform ein.
In Berlin folgten vom Juni bis November 1948 eine Reihe bedeutungsvoller Ereignisse aufeinander, die mit der Teilung endeten. Am 23. Juni veranstaltete die SED Krawalle vor dem Berliner Rathaus, das im Sowjetsektor lag, wobei die Demonstranten mit russischen Armeelastwagen herangefahren wurden. Sowjetmarschall Sokolovskij erließ seinerseits einen Befehl in einer an sich geringfügigen Angelegenheit, der aber für „ganz Berlin“ gelten sollte. Nur die Alliierte Kommandantur war rechtmäßig befugt, einen solchen Befehl zu erlassen. Diese Autoritätsanmaßung bewies allen Deutschen die Absicht der UdSSR, die Viermächte-Kontrolle der Stadt zu beenden.
Am 24. Juni verhängten die Sowjets die vollständige Blockade über die Stadt.
Unter sowjetischer Anweisung und Leitung fanden vom 26. August bis zum 6./7. September erneut Demonstrationen vor dem Rathaus statt.
Am 25. Oktober brachte der UN-Sicherheitsrat eine Resolution zur Beilegung der Berlin-Krise ein, gegen die die Sowjets ihr Veto einlegten.
Am 30. November – die „Blockade“ dauerte immer noch an – spalteten die Kommunisten formal die Stadtverwaltung und bildeten einen neuen „Rumpf“-Magistrat in Ostberlin, der versprach, seine Tätigkeit durch freie Wahlen zu legalisieren. Diese fanden niemals statt.
Die große Mehrheit der rechtmäßig gewählten Stadtverordneten ging nach Westberlin über. Nach den Kommunalwahlen am 5. Dezember 1948 (die bereits vor der Spaltungsaktion angekündigt worden waren, ohne daß die Sowjets für ihren Sektor die Zustimmung erteilt hatten, obwohl darüber eine Viermächte-Vereinbarung vorlag) konstituierten sich die gewählten Vertreter, die nicht in das Rathaus im Sowjetsektor zurückkehren konnten, als selbständige Körperschaft in Westberlin und wählten Ernst Reuter zum Regierenden Bürgermeister der ganzen Stadt Berlin. Ihre Gesetze konnten in der Praxis natürlich nur in Westberlin durchgeführt werden.
Dies ist die Geschichte der Spaltung der Stadt Berlin, deren westlicher Teil unter einem rechtmäßig gewählten gesamtberliner Senat nach wie vor demokratisch ist, während der Ostteil zum „Rumpf“ gemacht wurde, der jedoch schließlich noch den Anspruch erheben sollte, die „Hauptstadt“ der gleichermaßen undemokratischen „Deutschen Demokratischen Republik“ zu sein.
Um dieses „West“-Berlin geht der Kampf, der jetzt erneut intensiviert worden ist.
Da keine Aussicht auf eine Mitarbeit der Sowjets bei der Verwirklichung der vereinbarten Grundsätze in Europa, in Deutschland oder in Berlin bestand und der kommunistische Staatsstreich in der Tschechoslowakei alarmierend gewirkt hatte, richteten die USA und die anderen Westalliierten ihre Bemühungen auf die Wiedervereinigung ihrer Zonen in Deutschland. Die Bundesrepublik wurde nach demokratischen Wahlen und der Annahme eines vom Volke gebilligten Grundgesetzes im September 1949 offiziell proklamiert. Die Westmächte führten dabei in den ihrer direkten Kontrolle unterstehenden Gebieten lediglich Maßnahmen aus, die vom Viermächte-Abkommen vorgesehen sind. Eine alliierte Hochkommission und andere Überwachungsorgane wurden im Westen eingesetzt, um die Kräfte der Deutschen auf die Wiederherstellung eines geeinten deutschen Staates mit einem eigenen Platz in der internationalen Politik hinzulenken. Das ständige Wachstum der Bundesrepublik im politischen, wirtschaftlichen und internationalen Bereich wird von vielen souveränen Staaten anerkannt. Die UdSSR selbst unterhält diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik.
Die Proklamation der sogenannten Deutschen Demokratischen Republik im Oktober 1949 wurde von der UdSSR und den deutschen Kommunisten als „Antwort“ auf die Gründung der Bundesrepublik hingestellt. Dieses Argument kann jedoch niemanden täuschen. Die sogenannte DDR wurde auf sowjetische Anordnung errichtet und nicht auf der Basis der Selbstbestimmung. Weder freie Wahlen noch eine freie Diskussion gingen der Bildung des Regimes voraus. Erst 1950 fanden die ersten „Wahlen“ statt, und bei diesen handelte es sich um Einheitslisten-„Wahlen“, die im Zeichen des „Block-Systems“ und der „Nationalen Front“ durchgeführt wurden, einer kommunistischen Dachorganisation, die gegründet wurde, um die Tätigkeit aller politischen und Massenorganisationen zu koordinieren.
Die Prinzipien der ostzonalen Verfassung, so ausgezeichnet sie sich anhören mögen, sind leider niemals zur Anwendung gekommen. Hingewiesen wird besonders auf Artikel 6 (Ausübung der demokratischen Rechte), Artikel 8 (persönliche Freiheit), Artikel 9 (Meinungs- und Versammlungsfreiheit), Artikel 14 (Streikrecht). Als das Regime mit aktiver Unterstützung seitens der sowjetischen Militärmacht im Juni 1953 die Spontanstreiks und Aufstände in Ostberlin und in der Ostzone niederwarf, hat es alle diese Artikel mit Füßen getreten.
Die Grundsätze der Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Staaten, der friedlichen Koexistenz und der Achtung der Souveränität und der territorialen Integrität anderer Länder werden von der UdSSR ständig hervorgehoben. Man braucht nur an die Nachkriegsereignisse im Iran, in Griechenland, Korea, der Ostzone Deutschlands und in Ungarn – neben vielen anderen – zu erinnern, um den Unterschied zwischen sowjetischen Reden und sowjetischen Taten zu veranschaulichen. Die sowjetische Rechtfertigung für die direkte oder indirekte Verletzung nationaler Rechte und des Völkerrechts lautet immer „faschistische Aggression“, „Provokation von außen“ und „von ausländischen Agenten angezettelte Zersetzungsarbeit“. Die Sowjetunion hat sich beharrlich geweigert, unparteiische Inspektionen zu erlauben (wie in Korea und Ungarn) und lehnte Maßnahmen der Vereinten Nationen ab, wo immer diese drohten, ihre Machenschaften aufzudecken. Die Weigerung der Kommunisten im Jahre 1952, einer UN-Kommission den Zutritt nach Ostberlin und in die Ostzone zu gestatten, um festzustellen, ob dort die Bedingungen zur Abhaltung freier Wahlen gegeben seien, ist ein spezifisches Beispiel aus der Praxis in Deutschland.
Es besteht kein Zweifel, daß die UdSSR, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten übereingekommen sind, für das Wiedererstehen freier politischer Parteien und die Wiederherstellung der politischen Grundfreiheiten in ganz Deutschland einschließlich des freien Nachrichten- und Publikationsaustauschs zu sorgen. Der Alliierte Kontrollrat erließ infolgedessen in seinen Direktiven Nr. 40 und Nr. 55 genauere Instruktionen zum interzonalen Austausch von Nachrichten und Drucksachen. Die Kommentierung der Politik der Besatzungsmächte wurde gestattet. Die Informierung aus der ausländischen Presse wurde gestattet. „Hinsichtlich des Austauschs von Nachrichten und demokratischen Ideen darf kein Druck irgendwelcher Art durch Verwaltungs- oder wirtschaftliche Maßnahmen von seiten der (– nie gebildeten –) Zentralregierung oder seitens der Länderregierungen ausgeübt werden. “
Diese Grundsätze kamen innerhalb der Sowjetzone niemals zur Anwendung. Der Besitz von „faschistischer“ Literatur wurde zum Staatsverbrechen erklärt. Die Bezeichnung „faschistisch“ wird von den Kommunisten benutzt, um jedwede oppositionelle Regung gegen das Regime zu brandmarken. Auch der freie Nachrichtenaustausch zwischen den anderen Zonen und der Sowjetzone wurde durch Hindernisse erschwert. Diese sowjetischen Maßnahmen hatten zur Folge, daß westliche Zeitungen und Radiostationen, wie beispielsweise der RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor), in Ostberlin und in der deutschen Ostzone große Popularität und Bedeutung erlangten.
Nachdem der dortigen Bevölkerung das Recht der eigenen freien Meinungsäußerung verweigert wurde und ihr der freie Nachrichtenempfang von außerhalb der Sowjetzone verboten war, wandte sie sich natürlich anderen Quellen zu. Da die Sowjets die Bevölkerung der Ostzone vom Rest der Nation abtrennen wollten, ist diese Verletzung des Grundrechts auf freien Informationsaustausch und freizügige politische Betätigung nie korrigiert worden. Im Gegenteil, die westlichen Radiosender wurden gestört, und reguläre Nachrichtendienste wurden als „Spionagezentralen“ und Ausgangspunkte der „Wühlarbeit“ diffamiert. Das Abhören westlicher Radiosender oder Aufsuchen der Geschäftsstellen „faschistischer Organe“ wie Zeitungsredaktionen, legale politische Parteien und Rechtshilfeverbände, wie sie in Westberlin und Westdeutschland zur Beratung und Unterstützung von Ostzonendeutschen gebildet worden sind, wird mit schweren Strafen geahndet. Die zahlreichen „Schauprozesse“ von „geständigen Agenten“, die freie Informationen oder Beistand oder Rat suchten, sind ein deutlicher Beweis für die Methoden, deren die UdSSR und das Ostzonenregime sich bedienen, um die Wiederherstellung der fundamentalen Grundrechte des Menschen in der größten Nation Europas nach der UdSSR selbst zu verhindern.
IV. Die Reparationsleistungen
Die sowjetischen Behauptungen:
In der sowjetischen Note heißt es, die Westmächte hätten ungefähr ein Jahr nach dem Kriege begonnen, in Deutschland eine den Bestimmungen des Potsdamer Protokolls zuwiderlaufende Politik zu betreiben. Der Note zufolge war daran die heftige ideologische Auseinandersetzung schuld, die die Zusammenarbeit der Kriegszeit ins Gegenteil verkehrte. Sie bezichtigt die Westmächte, der UdSSR die ihr zustehenden deutschen Reparationsleistungen vorenthalten zu haben. In der Note heißt es:
Die erste Verletzung des Potsdamer Abkommens bestand darin, daß die Regierungen der USA, Großbritanniens und Frankreichs sich weigerten, ihren Verpflichtungen aus dem Abkommen hinsichtlich der Übergabe der vereinbarten Menge an Industrieausrüstungen aus Westdeutschland nachzukommen, die die Sowjetunion als teilweise Wiedergutmachung für die Zerstörungen und Schäden erhalten sollte, die die Aggression Hitler-Deutschlands der Volkswirtschaft der UdSSR zugefügt hat.
Dies sind die Tatsachen:
1. Gemäß den Bestimmungen des Potsdamer Protokolls sollte die UdSSR aus den westlichen Besatzungszonen 15 Prozent einzeln aufgeführter Industrieanlagen, die ihrer Art nach für die deutsche Friedenswirtschaft bedeutungslos waren, und zwar im Austausch gegen Nahrungsmittel und andere Rohstoffe im gleichen Wert und dazu weitere 10 Prozent ohne Gegenleistung erhalten. Die Reparationsleistungen sollten dem deutschen Volk ausreichende Anlagen belassen, um sich ohne fremde Hilfe ernähren zu können. Ferner war vorgesehen, Deutschland „als eine wirtschaftliche Einheit“ zu behandeln.
2. Die Sowjetunion hat für große Produktionsgüterlieferungen aus den Westzonen keine Kompensationslieferungen an Lebensmitteln und anderen Rohstoffen geleistet.
3. Die USA haben die Reparationslieferungen eingestellt, weil es die Sowjetunion ihrerseits verabsäumt hat, das Potsdamer Abkommen in seiner Gesamtheit zu erfüllen.
4. Zu einer Zeit, da die Westmächte gezwungen waren, Importe nach Deutschland zu finanzieren, um ein Mindestwirtschaftsvolumen aufrechtzuerhalten, preßte die Sowjetunion weiterhin laufend Reparationsleistungen aus ihrer Zone heraus. In Wirklichkeit liefen die damaligen Reparationslieferungen an die UdSSR, da die USA ihre eigene Zone unterstützen mußten, um durch sowjetische Verletzungen des Potsdamer Abkommens entstandene Lücken zu schließen, darauf hinaus, daß die UdSSR Reparationen von den USA kassierte.
Das vom 1. August 1945 datierte und von den Regierungschefs der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und der UdSSR unterzeichnete Potsdamer Protokoll sah hinsichtlich der Reparationen, die die UdSSR von Deutschland erhalten sollte, folgendes vor:
(1) Die Reparationsansprüche der UdSSR sollen durch Entnahmen aus der von der UdSSR besetzten Zone in Deutschland und durch angemessene deutsche Auslandsguthaben befriedigt werden.
(2) In Ergänzung der Reparationen, die die UdSSR aus ihrer eigenen Besatzungszone erhält, wird die UdSSR zusätzlich aus den westlichen Zonen erhalten:
a) 15 Prozent derjenigen verwendungsfähigen und vollständigen industriellen Ausrüstung, vor allem der metallurgischen, chemischen und maschinenerzeugenden Industriezweige, die für die deutsche Friedenswirtschaft unnötig und aus den westlichen Zonen Deutschlands zu entnehmen ist, im Austausch für einen entsprechenden Wert an Nahrungsmitteln, Kohle, Kali, Zink, Holz, Tonprodukten, Petroleumprodukten und anderen Waren, nach Vereinbarung.
b) 10 Prozent derjenigen industriellen Ausrüstung, die für die deutsche Friedenswirtschaft unnötig ist und aus den westlichen Zonen zu entnehmen und auf Reparationskonto an die Sowjetregierung zu übertragen ist ohne Bezahlung oder Gegenleistung irgendwelcher Art.
(3) Die Bezahlung der Reparationen soll dem deutschen Volk genügend Mittel belassen, um ohne eine Hilfe von außen zu existieren. Bei der Aufstellung des Haushaltsplanes Deutschlands sind die nötigen Mittel für die Einfuhr bereitzustellen, die durch den Kontrollrat in Deutschland genehmigt worden ist. Die Einnahmen aus der Ausfuhr der Erzeugnisse der laufenden Produktion und der Warenbestände dienen in erster Linie der Bezahlung dieser Einfuhr.
Diese Klausel sollte nicht auf die Ausrüstungen und Waren Anwendung finden, auf die Punkt (2) oben Bezug nimmt.
(4) Während der Besatzungszeit ist Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten. Mit diesem Ziel sind gemeinsame Richtlinien aufzustellen hinsichtlich: […] d) des Import- und Exportprogramms für Deutschland als Ganzes; […] f) der Reparationen und der Beseitigung des militärischen Industriepotentials; g) des Verkehrs- und Nachrichtenwesens.
Die USA nahmen am 31. März 1946 die Reparationslieferungen an die UdSSR auf, und bis zum 1. August 1946 hatte die UdSSR 11 100 t Reparationsgüter aus der Kugellagerfabrik Kugel-Fischer in Schweinfurt, dem unterirdischen Flugmotorenwerk der Daimler/Benz in Obrigheim, den Werftanlagen der Deschimag in Bremen/Weser und dem Kraftwerk Gendorf erhalten. Demgegenüber hielt sich die Sowjetunion nicht an die von ihr übernommene Verpflichtung, im Austausch für einen Teil der Reparationslieferungen aus den Westzonen Lebensmittel, Kohle, Kali, Zink, Holz und andere Erzeugnisse aus der Sowjetzone an die Westzonen Deutschlands zu liefern.
Die sowjetische Note wirft den Westmächten vor, die hier unter (2) genannten Reparationslieferungen nicht eingehalten zu haben, verschweigt jedoch, daß die Westmächte diese Lieferungen erst einstellten, nachdem die Sowjetunion gegen Punkt (3) und (4) verstoßen und ihre Verpflichtungen nach (2a) verletzt hatte. Darüber hinaus wurde klargestellt, daß es sich nur um einen vorübergehenden Lieferstop handeln sollte, der so lange andauern würde, bis die UdSSR willens wäre, das Potsdamer Abkommen als Ganzes zu erfüllen. Da die UdSSR dazu nie bereit war, wurden die eingestellten Lieferungen auch nie wieder aufgenommen.
Die UdSSR wünschte von Deutschland Reparationsleistungen im Wert von 10 Milliarden Dollar. Sie hatte diesen Betrag auf der Konferenz von Jalta im Februar 1945 verlangt. Ihr Vorschlag wurde aber von den USA und Großbritannien weder in Jalta, noch danach akzeptiert. Gleichwohl verhielt sich die UdSSR bei der Beitreibung der Reparationen so, als ob man sich über diesen Betrag geeinigt hätte, trotz der klaren Feststellung des Potsdamer Protokolls, daß in bezug auf die Reparationen noch eine „gemeinsame Politik“ festzulegen sei.
Deutschland war zur Zeit der Potsdamer Konferenz wirtschaftlich ein Zuschußgebiet, das umfangreiche Importe benötigte, um seine Wirtschaft wenigstens auf einem Mindeststand zu halten. Aus diesem Grunde bestanden die Westmächte darauf, jene Bestimmungen in das Potsdamer Protokoll aufzunehmen, daß die Bezahlung von Reparationen dem deutschen Volk genügend Hilfsquellen belassen solle, um ohne Hilfe von außen zu existieren, daß für die notwendigen Mittel zur Bezahlung der notwendigen Importe Vorsorge getroffen werden müsse und daß die Einnahmen aus der laufenden Produktion und den Warenbeständen in erster Linie für die Bezahlung derartiger Importe zur Verfügung stehen sollten. Mit anderen Worten sollte also der Ertrag aus der laufenden Produktion nicht für Reparationen verwendet werden, wenn er zur Bezahlung der notwendigen Importe gebraucht wurde. In Verletzung dieser Abkommen zogen die Sowjetbehörden umfangreiche Reparationsleistungen aus der laufenden Produktion der sowjetischen Besatzungszone und weigerten sich, über diese Entnahmen aus Ostdeutschland Rechenschaft abzulegen.
Infolge der geschilderten sowjetischen Verletzungen des Protokolls von Potsdam und der sowjetischen Weigerung, Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu behandeln (so daß die Hilfsquellen ihrer Zone der gesamtdeutschen Wirtschaft zur Verfügung gestanden hätten), mußten die USA und Großbritannien ihre Zonen in Deutschland finanziell unterstützen, um das Wirtschaftsminimum aufrechtzuerhalten. Ein Jahr nach der Potsdamer Konferenz berichtete der amerikanische Militärgouverneur in Deutschland:
Die US-Zone ist von jeher auf Kohle und Stahl aus der britischen Zone, auf Nahrungsmittel und Saatgut aus der sowjetischen Zone, auf Düngemittel und Weißblech aus der französischen Zone angewiesen. Die USA geben heute vielleicht 200 Millionen Dollar im Jahr – über eine halbe Million Dollar pro Tag – aus, um Hunger, Krankheit und Unruhen in der US-Zone zu verhüten. Ohne freien Handel mit anderen Teilen Deutschlands und ohne ein gemeinsames Exportprogramm kann sich die US-Zone nicht aus eigener Kraft versorgen.
In Wirklichkeit gestatteten die Vereinigten Staaten dadurch, daß sie Reparationen an die Sowjetunion lieferten und gleichzeitig ihre eigene Zone unterstützten, um die durch sowjetische Verletzungen des Potsdamer Protokolls verursachten Lücken zu schließen, der UdSSR, Reparationen von den USA statt von Deutschland zu beziehen. Angesichts dieses Sachverhalts suspendierten die USA die Reparationslieferungen aus der US-Zone an die UdSSR so lange, bis die Sowjetunion gewillt wäre, das Protokoll von Potsdam als Ganzes zu erfüllen.
V. Die Wiederaufrüstung
Die sowjetischen Behauptungen:
In der sowjetischen Note heißt es, die Westmächte betrieben die Wiederaufrüstung Westdeutschlands, wobei sie diejenigen Kräfte unterstützten und restaurierten, die die militärische Macht des Nationalsozialismus aufgebaut haben. Die Sowjets behaupten, dadurch sei das Potsdamer Protokoll verletzt und die Sowjetunion gezwungen worden, den Warschauer Pakt als Verteidigungssystem zu schaffen. Die Note führt aus:
Die Westmächte, die an die Wiederherstellung des Kriegs- und Wirtschaftspotentials Westdeutschlands gingen, belebten und stärkten eben jene Kräfte, die die hitlerfaschistische Kriegsmaschine geschmiedet hatten. Wären die Westmächte dem Potsdamer Abkommen gefolgt, so hätten sie der Wiederherstellung der Positionen der deutschen Militaristen entgegenwirken, den Revanchetendenzen Einhalt gebieten und verhindern müssen, daß Deutschland eine Armee und eine Industrie für Vernichtungsmittel schuf.
Wie bekannt, haben die Regierungen der drei Mächte dies nicht getan, sondern vielmehr die Aufstellung der westdeutschen Armee sanktioniert, und sie kurbeln die Aufrüstung der Bundesrepublik Deutschland an, wobei sie sich über die in Potsdam übernommenen Verpflichtungen hinwegsetzen. Mehr noch: sie bezogen Westdeutschland in den hinter dem Rücken der Sowjetunion geschaffenen und – wie jedermann verständlich – gegen die Sowjetunion gerichteten Nordatlantikblock ein und rüsten es nun mit Atom- und Raketenwaffen aus.
Dies sind die Tatsachen:
1. Die Vereinigten Staaten schlugen 1945, 1946 und 1947 Verhandlungen über einen 25-Jahresvertrag und später über einen 40-Jahresvertrag als Garantie gegen eine Wiedererweckung des deutschen Militarismus vor. Die Sowjetunion brachte die Verhandlungen effektiv zu Fall, indem sie zahlreiche nicht zur Sache gehörende Streitfragen einbezog.
2. In der US-Zone Deutschlands haben die USA die Entmilitarisierungsbestimmungen des Potsdamer Protokolls bis 1950 voll und ganz durchgeführt.
3. Im Jahre 1948 begannen die Sowjets, in ihrer Zone eine starke „Polizeitruppe“ aufzubauen, die mit militärischen Waffen ausgerüstet und von Offizieren der ehemaligen deutschen Wehrmacht ausgebildet wurde.
4. Im Jahre 1954 (ein Jahr bevor in Westdeutschland eine Armee geschaffen wurde) standen in der Sowjetzone bereits 140 000 Mann deutsches Militär unter Waffen zuzüglich einer Polizeitruppe von 100 000 Mann. Zu jener Zeit zählte die westdeutsche Polizei 150 000 Mann, obgleich die Bevölkerungszahl Westdeutschlands dreimal so hoch ist wie diejenige Ostdeutschlands.
5. Die Streitkräfte der Bundesrepublik sind in die Nordatlantikpakt-Organisation einbezogen, die rein defensiven Zwecken im Rahmen der Vereinten Nationen dient. Die Bundesrepublik hat auf aggressive Ziele verzichtet und bestimmte Rüstungsbeschränkungen akzeptiert. Die Westmächte haben der Sowjetunion hinsichtlich dieser Punkte wiederholt Zusicherungen gegeben.
Die Bestimmungen des Potsdamer Protokolls für die Entmilitarisierung Deutschlands lauten folgendermaßen:
3. Die Ziele der Besetzung Deutschlands, von denen sich der Kontrollrat leiten lassen soll, sind:
(I) Völlige Abrüstung und Entmilitarisierung Deutschlands und die Ausschaltung der gesamten deutschen Industrie, welche für eine Kriegsproduktion benutzt werden kann, oder deren Überwachung. Zu diesem Zweck
a) werden alle Land-, See- und Luftstreitkräfte Deutschlands, SS, SA, SD und Gestapo mit allen ihren Organisationen, Stäben und Ämtern, einschließlich des Generalstabs, des Offizierskorps, der Reservisten, der Kriegsschulen, der Kriegervereine und aller anderen militärischen und halbmilitärischen Organisationen zusammen mit ihren Vereinen und Unterorganisationen, die den Interessen der Erhaltung der militärischen Tradition dienen, völlig und endgültig aufgelöst, um damit für immer der Wiedergeburt oder Wiederaufrichtung des deutschen Militarismus und Nazismus vorzubeugen;
b) müssen sich alle Waffen, Munition und Kriegsgerät und alle Spezialmittel zu deren Herstellung in der Gewalt der Alliierten befinden oder vernichtet werden. Die Unterhaltung und Herstellung aller Flugzeuge und Waffen, Ausrüstung und Kriegsgerät ist zu verhindern.
Die Vereinigten Staaten hatten noch vor Unterzeichnung des Potsdamer Protokolls erwogen, inwieweit Verhandlungen mit Großbritannien, Frankreich und der UdSSR über einen 25-Jahresvertrag wünschenswert seien, der garantierte, daß der deutsche Militarismus nicht wieder auferstehen könne. Außenminister James F. Byrnes ergriff die Initiative, als er im September 1945 Molotov und später Stalin einen derartigen Vertrag vorschlug. Durch deren Reaktion ermutigt, unterbreiteten die USA im Februar 1946 einen Vertragsentwurf zur Stellungnahme und eventuellen Abänderung. Die drei Westmächte unterstützten auf der Pariser Konferenz des Außenministerrates im Jahre 1946 und auf der Moskauer Konferenz des Jahres 1947 den Gedanken eines solchen Entmilitarisierungsvertrages. Als Molotov einwandte, daß die vorgeschlagene Frist von 25 Jahren zu kurz sei, stimmten die USA einer 40jährigen Vertragsdauer zu. Die Sowjetunion brachte jedoch die Verhandlungen über einen solchen Vertrag praktisch zu Fall, indem sie versuchte, zahlreiche nicht zur Sache gehörende und strittige Fragen damit zu verknüpfen.
Während diese Verhandlungen liefen, führten die USA in ihrer Besatzungszone Deutschlands die Bestimmungen des Potsdamer Protokolls durch. In dieser Zone waren im Jahre 1945 die deutschen Streitkräfte und alle verwandten Organisationen aufgelöst worden, und ihre Neubildung wurde gesetzlich verboten. Bis zum Herbst 1947 war das gesamte Kriegsmaterial, von dem man Kenntnis hatte, gesammelt, registriert und entweder zerstört oder, sofern dies möglich war, Friedenszwecken zugeführt. Bis Ende 1948 hatten die US-Besatzungsbehörden alle speziell für die Produktion von Panzern, Kriegsausrüstung im allgemeinen, Flugzeugen, militärischen Sprengstoffen und Giftstoffen errichteten Industrieanlagen sowie alle unterirdischen Fabriken entweder zerstört oder demontiert und als Reparationen abtransportieren lassen. Die Weigerung der Sowjets, Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu behandeln, machte in der US-Zone Deutschlands eine Revision der Nachkriegspläne im Sinne einer Erhöhung des Industrieniveaus erforderlich, jedoch war dort Ende 1950 die Industrie-Demontage entsprechend dem revidierten Plan für den Umfang der industriellen Produktion im wesentlichen abgeschlossen.
Die Entscheidung, deutschen Streitkräften erneut Waffen in die Hand zu geben, traf die Regierung der Sowjetunion. Am 23. Mai 1950 protestierten die Vereinigten Staaten bei der UdSSR gegen die Remilitarisierung der sowjetischen Zone, wobei sie darauf aufmerksam machten, daß 40–50 000 Mann in der sogenannten „Bereitschaftspolizei“ eine Grundausbildung für Infanterie, Artillerie und Panzerwaffen erhielten und mit militärischen Waffen sowjetischer Herkunft ausgerüstet seien.
Ende 1953 verfügte die Sowjetzone bei einer Bevölkerungszahl von 17 Millionen über eine starke „Polizeitruppe“ (insgesamt 100 000 Mann), zu der weitere 140 200 Mann Militär, darunter drei mechanisierte Divisionen und Luftwaffeneinheiten, hinzukamen. Außenminister Dulles protestierte bei Außenminister Molotov auf der Berliner Außenministerkonferenz im Februar 1954 nachdrücklich gegen diese Entwicklung. Dies geschah über ein Jahr vor der Aufstellung einer bewaffneten Streitmacht in der Bundesrepublik, die bis dahin bei 50 Millionen Einwohnern lediglich über eine 150 000 Mann starke reguläre Polizei verfügte.
Die Westmächte – die USA, Großbritannien und Frankreich – erkannten, daß aus der Wiederaufstellung und Bewaffnung deutscher Streitkräfte in der Sowjetzone eine tiefgreifende Unsicherheit für Westdeutschland resultierte, zumal sich die Situation infolge der Machtübernahme der Kommunisten in Polen und der Tschechoslowakei in den Nachkriegsjahren und seit Beginn der kommunistischen Aggression in Korea im Juni 1950 aufs äußerste verschlimmert hatte.
Die Schlußakte der Londoner Neunmächte-Konferenz vom 3. Oktober 1954 sah die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik und den Anschluß der Bundesrepublik an den Westen als Mitglied der Nordatlantikpakt-Organisation und der Westeuropäischen Union (Brüsseler Vertrag) vor.
Nach ihrem Beitritt zum Nordatlantikpakt und zum Brüsseler Vertrag erklärte die Bundesrepublik auf der Londoner Konferenz, daß sie sich „aller Maßnahmen enthalten“ würde, „die mit dem streng defensiven Charakter dieser beiden Verträge unvereinbar sind“, und daß sie niemals „mit gewaltsamen Mitteln […] die Wiedervereinigung Deutschlands […] oder […] die Änderung (ihrer) gegenwärtigen Grenzen herbeiführen wird […] “
In den Noten vom 10. September 1954 versicherten die USA, Großbritannien und Frankreich der Sowjetunion, daß „die Assoziierung der Bundesrepublik Deutschland […] mit einem Verteidigungssystem – lange nach der Wiederaufrüstung Ostdeutschlands und weit davon entfernt, eine Bedrohung der europäischen Sicherheit darzustellen – dazu bestimmt ist, andere Nationen davon abzuhalten, nach Belieben von Drohungen oder Gewalt Gebrauch zu machen. Dies ist die beste Sicherheitsgarantie für alle Nachbarn Deutschlands, für Deutschland selbst und für die Gesamtheit Europas. “
Präsident Eisenhower stellte auf der Genfer Konferenz von 1955 denselben Punkt nochmals völlig klar, indem er betonte: „In keinem Fall bilden irgendwelche Teile der Deutschland zugestandenen Streitkräfte komplette oder in sich abgerundete Einheiten. Sie sind sämtlich mit den Streitkräften der anderen westlichen Nationen verflochten, wodurch es ihnen unmöglich gemacht wird, auf eigene Faust wirksame militärische Operationen zu führen. “
Neben den Beschränkungen, die der Bundesrepublik durch Einbeziehung in die stark verzahnte Befehlsstruktur der NATO hinsichtlich ihrer Befähigung zu selbständigen militärischen Aktionen auferlegt wurden, existieren die freiwilligen Verpflichtungen des Bundeskanzlers (Protokoll Nr. III des revidierten Brüsseler Vertrages), auf dem Gebiet der Bundesrepublik keine Waffen für die atomare, biologische oder chemische Kriegführung herzustellen. Der Bundeskanzler verzichtete ferner auf die Produktion von weittragenden Geschossen und Fernlenkgeschossen, von Kriegsschiffen – mit Ausnahme kleiner Fahrzeuge für Verteidigungszwecke – und von strategischen Bombern.
Quelle: Analyse der amerikanischen Außenministeriums zur sowjetischen Berlin-Note (7. Januar 1959); abgedruckt in Dokumente zur Deutschlandpolitik, IV. Reihe/Band 1, 10. November 1958 bis 9. Mai 1959. Bearbeitet von Ernst Deuerlein und Hannelore Nathan. Herausgegeben vom Bundesministerium für Innerdeutsche Beziehungen. Alfred Metzner Verlag: Frankfurt am Main und Berlin, 1971, S. 489-515.