Kurzbeschreibung

Dieser kurze Radiobericht beschreibt die Entstehung des Gleichberechtigungsgesetzes, das am 3. Mai 1957 vom Bundestag beschlossen wurde und einen wichtigen Schritt zur Gleichberechtigung von Männern und Frauen in der BRD darstellte. Wie umstritten dieser Schritt in der gesellschaftlich noch sehr konservativen Bundesrepublik war, vermitteln einige der hier wiedergegebenen Stimmen.

Der Bundestag verabschiedet das Gesetz zur Gleichberechtigung von Mann und Frau (3. Mai 1957)

Quelle

/Vorsitzender: Punkt 14. Zweiter und dritter Beratungsentwurf eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebet des bürgerlichen Rechts (Gleichberechtigungsgesetz).

/Sprecherin: Am 3. Mai 1957 verabschiedet der Deutsche Bundestag das Gleichberechtigungsgesetz. In der Parlamentsdebatte geht es hoch her. Es sind Ansichten zu hören, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts noch weit verbreitet sind.

/Abgeordneter: …Dass nämlich der Mann nun einmal dazu da ist, zu verdienen und dass die Frau dazu da ist, die häusliche Geborgenheit zu schaffen, die der Mann braucht, damit er verdienen kann.

/Sprecherin: Dass die Gleichberechtigung von Mann und Frau Mitte des 20. Jahrhunderts Einzug in Deutschland hält, ist vor allem einer Frau zu verdanken: der Rechtsanwältin Elisabeth Selbert. Sie ist eine von nur vier Frauen im 65-köpfigen Parlamentarischen Rat, der 1949 die Verfassung der jungen Bundesrepublik Deutschland ausarbeitet. Und sie setzt alles daran, dass dort ein kleiner, aber entscheidender Satz aufgenommen wird: Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

/Selbert: Das Bürgerliche Gesetzbuch in seinen Tendenzen widerspricht in einer ganzen Reihe von Bestimmungen der Würde und der Wirklichkeit einer persönlichkeitsbewussten Frau. Wissen überhaupt die meisten Frauen, wie rechtlos sie sind?

/Sprecherin: Nein, sie wissen es nicht. Unter anderem dürfen Ehefrauen kein eigenes Konto führen, ohne Einwilligung ihres Mannes nicht arbeiten oder bei der Erziehung der eigenen Kinder mitreden. Und auch bei einer Scheidung geht die Ehefrau leer aus. Allerdings ist mit der Einführung des Gleichberechtigungsgrundsatzes in die Verfassung für die Frauen noch nichts gewonnen, denn neben der Verfassung gibt es auch noch die einfachen Gesetze, und die stammen größtenteils aus der Kaiserzeit, als der Mann noch unbeschränktes Oberhaupt der Familie war. Sie alle verstoßen deshalb gegen den neuen Gleichberechtigungsgrundsatz und müssen geändert werden. Dafür zuständig ist der erste Justizminister der BRD, Thomas Dehler. Nur leider ist der FDP-Mann kein Freund der Gleichberechtigung.

/Dehler: Ich war gar nicht entzückt von dieser Bestimmung. Man kann das Leben nicht regulieren. Ich zum Beispiel bin ein ausgeprägter Ehetyrann.

/Sprecherin: Dehler verschleppt die Anpassung der Gesetze an die neue Verfassungsnorm der Gleichberechtigung – zur Freude der Kirchen, die ebenfalls gewaltig dagegen Sturm laufen. So verstreicht die bis 1953 laufende Übergangsfrist für die Anpassung. Die Folge: Alle nicht an die neue Verfassung angepassten Gesetze treten außer Kraft. In der Rechtsprechung tritt deshalb das Richterrecht an die Stelle des Gesetzes, was zu einem ziemlichen Durcheinander führt. Trotz des nun sehr offensichtlichen akuten Handlungsbedarfs dauert es trotzdem noch weitere vier Jahre, bis das Parlament endlich ein Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet, das die Umsetzung des Gleichberechtigungsgrundsatzes der Verfassung in die einfachen Gesetze regelt.

/Vorsitzender: Meine Damen und Herren, damit hat der Deutsche Bundestag eines seiner bedeutsamsten Gesetzgebungswerke in der Realisierung des Grundgesetzes abgeschlossen.

/Sprecherin: Die gesetzlichen Anpassungen an den Gleichberechtigungsgrundsatz ziehen sich über Jahrzehnte hin. Erst 1977 dürfen Frauen beispielsweise ohne die Einwilligung ihres Ehemanns eine Arbeit annehmen. Während in Deutschland dem Gesetz nach Frauen und Männer inzwischen gleichberechtigt sind, lässt die Gleichstellung von Frauen hingegen auch heute noch gewaltig zu wünschen übrig.