Kurzbeschreibung

Zu den dauerhaften Streitpunkten zwischen den USA und Großbritannien auf der einen und Frankreich auf der anderen Seite gehörten der Wiederaufbau der deutschen Schwerindustrie und die Kontrolle über das Ruhrgebiet, das wegen seiner Wirtschaftskraft und der reichen Kohlevorkommen von übergeordneter Bedeutung für die Wirtschaft ganz Westeuropas ist. Im Lauf des Jahres 1947 geben die Franzosen ihre ursprüngliche Forderung nach einer Ausgliederung des Ruhrgebietes aus Deutschland auf, beharren aber weiterhin auf Mitsprache hinsichtlich seines zukünftigen Status.

Die Westalliierten über das anzustrebende Industrieniveau in ihren Besatzungszonen (28. August 1947)

Quelle

1. In London fanden vom 22. bis 27. August 1947 Besprechungen von Vertretern der amerikanischen, der französischen und der britischen Regierung über das Industrieniveau in der britisch-amerikanischen Zone Deutschlands sowie über die Verwaltung und die Kontrolle der Gruben im Ruhrgebiet statt. Bei diesen Besprechungen legten die amerikanischen und britischen Delegationen die Pläne ihrer Regierungen dar, und die französische Delegation hatte Gelegenheit, den Standpunkt der französischen Regierung über diese Probleme zu erläutern. Die drei Delegationen konnten im Verlauf ihrer Besprechungen ein vollständiges Einverständnis über ihre respektiven Auffassungen feststellen.

2. Zwischen den drei Delegationen herrschte Einigkeit darüber, daß die geplanten Maßnahmen nicht zur Folge haben dürfen, dem Wiederaufbau Deutschlands im Verhältnis zu demjenigen der demokratischen Länder Europas eine Prioritätsstellung zu sichern. Nach ihrer Meinung ist es nötig, daß die deutschen Hilfsquellen ihren Beitrag an den allgemeinen Wiederaufbau Europas leisten.

3. Die drei Delegationen anerkennen, daß die Entwaffnung, die Demilitarisierung und die Demokratisierung Deutschlands für die Sicherheit unumgänglich sind und daß die in der britisch-amerikanischen Zone in Aussicht genommenen Pläne (1180 A) die später zu errichtenden Garantien nicht präjudizieren.

4. Im besonderen haben die amerikanischen und britischen Delegationen festgestellt, daß der Plan für die Verwaltung und die Kontrolle der Ruhrgruben (1192 E). der der französischen Delegation mitgeteilt worden ist, das künftige Statut dieser Gruben nicht präjudiziere und daß er kein Hindernis bilde für die Ausführung der erforderlichen Maßnahmen, daß das Ruhrgebiet neuerdings zu einer Angriffsschmiede werde. Der Plan soll auch kein Hindernis bilden für die Annahme von Dispositionen, die den anderen Ländern den Zutritt zu den Hilfsquellen des Ruhrgebietes gewährleisten sollen. Die französische Delegation nahm von diesen Darlegungen Kenntnis. Sie behält sich die Stellungnahme ihrer Regierung in bezug auf die Modalitäten der Verwaltung und der Kontrolle des Ruhrgebietes vor.

5. Die französische Delegation legte ihre hauptsächlichsten Vorbehalte hinsichtlich gewisser Zahlen des amerikanischen und britischen Planes für das Niveau der deutschen Industrie und besonders hinsichtlich der Werkzeugmaschinen, der chemischen Grundstoffe und der Produktionskapazität, die in gewissen Industrien aufrechterhalten wird, dar.

6. Die amerikanische und britische Delegation setzten auseinander, daß diese Kapazität mit aller Sorgfalt und nach normalen Methoden festgelegt worden sei und daß die Bestimmung dieser Kapazität die Aufstellung eines Programms für die Demontierung von Fabriken und Fabriksausrüstungen auf Konto der Reparationen möglich mache.

7. Die drei Delegationen kamen überein, daß die von den amerikanischen und britischen Oberkommandierenden zu ergreifenden Maßnahmen die Beschlüsse des Außenministerrates in bezug auf das Industrieniveau Deutschlands (1070 H) in seiner Gesamtheit genommen oder in bezug auf die Einschränkungen, die durch die Friedensregelung gewissen Industrien auferlegt werden können, nicht präjudizieren.

8. Die französische Delegation betonte die Wichtigkeit, die ihre Regierung den Versicherungen beimesse, daß der im Absatz 2 des vorliegenden Berichtes erwähnte progressive Wiederaufbau Deutschlands in einem konkreten Abkommen über die Verteilung der Kohle und des Kokses des Ruhrgebietes ihren Ausdruck finde. Die französische Delegation verlangte eine Anpassung der bestehenden Abkommen, um sich einen größeren Anteil an den gegenwärtig für den Export bestimmten Koksmengen zu sichern. Die amerikanische und britische Delegation haben sich damit einverstanden erklärt, die französischen Vorschläge ohne Verzug in Berlin zu diskutieren unter der Bedingung, daß die für den Verbrauch in den vereinigten Zonen zur Verfügung stehenden Kohlenmengen, so wie sie aus der gegenwärtigen gleitenden Skala (1124 D) hervorgehen, nicht vermindert werden.

9. Die amerikanische und britische Delegation haben dargelegt, warum sie die Veröffentlichung des Planes über das Industrieniveau in den vereinigten Zonen nicht bis zur Beendigung der oben erwähnten Besprechungen verschieben können. Sie haben der französischen Delegation mitgeteilt, daß dieser Plan am 29. August in Berlin veröffentlicht werde (siehe folgende Meldung).

10. Die französische Delegation nahm diese Erklärung zur Kenntnis und legte die Gründe dar, weshalb sie ihrerseits bis zu einem befriedigenden Abschluß der ins Auge gefaßten Besprechungen ihre Einwände nicht zurückziehen könne.

Quelle: „GROSSBRITANNIEN. VEREINIGTE STAATEN. FRANKREICH. SOWJETUNION. Außenpolitik. DEUTSCHLAND. Bizone. Französische Zone. Wirtschaft. Reparationen. KOHLE“, in Keesing’s Archiv der Gegenwart vom 29. August 1947, S. 1179–80.