Kurzbeschreibung

Im Herbst 1946 einigen sich die USA und Großbritannien in mühsamen Verhandlungen über den wirtschaftlichen Zusammenschluss ihrer Besatzungszonen. Sowohl auf der Seite der beiden Alliierten als auch auf deutscher Seite sollen gemeinsame Instanzen und Behörden das wirtschaftliche Leben in der „Bizone“ wieder in Gang bringen. Die Bedingungen für eine Einbeziehung der sowjetischen Zone sind so formuliert worden, dass sie scheitern musste, und auch mit Frankreich kommt es zu keiner Einigung. Das am 1. Januar 1947 in Kraft getretene Abkommen bereitet den Weg für die endgültige Teilung Deutschlands.

Abkommen über die Zusammenlegung der britischen und der amerikanischen Besatzungszone (2. Dezember 1946)

Quelle

Vertreter der beiden Regierungen sind in Washington zusammengekommen, um die Fragen zu besprechen, die sich aus der wirtschaftlichen Vereinigung ihrer Besatzungszonen in Deutschland ergeben. Ihren Beratungen haben sie die Tatsache zugrunde gelegt, daß beide Regierungen sich die wirtschaftliche Einheit ganz Deutschlands in Übereinstimmung mit dem Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 zum Ziel setzen. Die im folgenden für die Zonen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens getroffenen Vereinbarungen sollten als der erste Schritt in der Richtung auf die wirtschaftliche Vereinigung ganz Deutschlands entsprechend jenem Abkommen betrachtet werden. Die beiden Regierungen sind jederzeit bereit, mit jeder der anderen Besatzungsmächte in Verhandlungen einzutreten, die auf eine Ausdehnung dieser Vereinbarungen auf ihre Besatzungszonen hinzielen.

Auf dieser Grundlage wurde eine Übereinstimmung über die folgenden Paragraphen erzielt:

1. Das Datum der Inkraftsetzung

Dieses Übereinkommen über die wirtschaftliche Vereinigung der beiden Zonen soll am 1. Januar 1947 wirksam werden.

2. Zusammenfassung der wirtschaftlichen Hilfsquellen

Die beiden Zonen sollen in allen wirtschaftlichen Angelegenheiten als ein einziges Gebiet behandelt werden. Die einheimischen Hilfsquellen dieses Gebietes und alle Einfuhren dieses Gebietes, einschließlich Lebensmittel, sollen zusammengefaßt werden, damit ein gemeinsamer Lebensstandard hergestellt werden kann.

3. Deutsche Verwaltungsbehörden

Der amerikanische und der britische Oberbefehlshaber sind verantwortlich dafür, daß unter ihrer gemeinsamen Kontrolle deutsche Verwaltungsbehörden eingesetzt werden, die zur wirtschaftlichen Vereinigung der beiden Zonen notwendig sind.

4. Außenhandelsamt

Die Verantwortung für den Außenhandel wird zunächst bei dem gemeinsamen Ausfuhr- und Einfuhramt (Vereinigte Staaten – Großbritannien) oder bei einem anderen Amt liegen, das von den beiden anderen Oberbefehlshabern errichtet werden kann. Diese Verantwortung soll auf das deutsche Verwaltungsamt für den Außenhandel unter gemeinsamer Überwachung übertragen werden, und zwar soweit es jeweils unter den bestehenden Beschränkungen im Ausland möglich ist. (Alle Hinweise auf das gemeinsame Ausfuhr- und Einfuhramt in diesem Abkommen sollen sich auf dieses Amt oder auf ein anderes Amt beziehen, das von den Oberbefehlshabern zu seiner Ablösung eingesetzt wird.)

5. Grundlagen der wirtschaftlichen Planung

Das Ziel der beiden Regierungen ist es, die wirtschaftliche Selbständigkeit des Gebietes bis Ende 1949 zu erreichen.

6. Die Teilung der finanziellen Verantwortung

Vorbehaltlich der Bereitstellung der nötigen Haushaltsmittel werden die Regierungen der Vereinigten Staaten und des Vereinigten Königreichs gemäß den folgenden Bestimmungen im gleichen Verhältnis für die Kosten der genehmigten Einfuhren verantwortlich, die nach dem 31. Dezember 1946 in Rechnung gestellt werden (einschließlich der vorhandenen Vorräte, die von den entsprechenden Regierungen bezahlt sind), soweit diese nicht aus anderen Quellen finanziert werden können.

a) Zu diesem Zweck werden die Einfuhren des Gebietes in zwei Kategorien eingeteilt: Einfuhren, die benötigt werden, um Seuchen und Unruhen vorzubeugen (Kategorie A), finanziert in abnehmendem Maße aus dafür bestimmten Fonds; weiter solche Einfuhren (einschließlich Rohmaterialien), gleichgültig wie sie finanziert werden, die erforderlich sind, wenn das Gebiet sich wirtschaftlich so weit erholen soll, daß das in § 5 des vorliegenden Abkommens genannte Ziel erreicht wird (Kategorie B).

b) Es ist die Absicht der beiden Regierungen, daß die vollen Kosten für die in den Bereich der

Kategorie A fallenden Einfuhren sobald wie möglich entsprechend dem folgenden Unterparagraphen c) aus den Einnahmen der Ausfuhr getragen werden. Der Teil der Einfuhrkosten der Kategorie A, der nicht durch Ausfuhrerlöse bestritten wird, wird zu gleichen Teilen aus dem dafür bestimmten Fond von den beiden Regierungen beglichen.

c) Die Ausfuhrerträge des Gebietes werden von dem gemeinsamen Ausfuhr- und Einfuhramt

erfaßt und dienen in erster Linie zur Bereitstellung von Einfuhren der Kategorie B, bis ein

Überschuß von Ausfuhrerträgen über die Kosten dieser Einfuhren erzielt ist.

d) Um die Mittel für die Einfuhren der Kategorie B sicherzustellen, wird vereinbart:

1. Die Regierung Großbritanniens wird der gemeinsamen Ausfuhr- und Einfuhragentur die Summe von 29 300 000 Dollar zur Verfügung stellen und damit das im September 1945 getroffene Übereinkommen erfüllen. Nach dem Übereinkommen von 1945 sollen die Einnahmen aus den Exporten der zwei Zonen im Verhältnis der Kosten der Einfuhren zusammengelegt werden, die dem Beitrag der Vereinigten Staaten gutgeschrieben werden.

2. Zusätzlich zu dieser Summe sollen die angesammelten Einnahmen der Ausfuhren aus der amerikanischen Zone in der auf 14 500 000 Dollar geschätzten Höhe der gemeinsamen Ausfuhr- und Einfuhragentur zum Einkauf von Einfuhren der Kategorie B zur Verfügung gestellt werden.

3. Zum gleichen Werte wie die Beiträge der Vereinigten Staaten auf Grund der Bestimmungen unter d) 1. und d) 2. wird die Regierung Großbritanniens Güter der Kategorie B auf Anfordern der gemeinsamen Ausfuhr- und Einfuhragentur bereitstellen.

4. Die Regierungen der Vereinigten Staaten und Großbritanniens werden der gemeinsamen Ausfuhr- und Einfuhragentur in gleichen Raten die auf sie entfallenden Anteile der Kaufsumme für solche Güter zur Verfügung stellen, die für die deutsche Wirtschaft wesentlich sind und nach Ratifizierung des Vertrages durch die schwedische Regierung unter den Vertrag fallen, der am 18. Juli 1946 zwischen den Regierungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens und Frankreichs einerseits und Schwedens auf der anderen Seite geschlossen wurde.

5. Weitere Summen, die von der gemeinsamen Ausfuhr- und Einfuhragentur für den Einkauf von Gütern der Kategorie B bestimmt und abgerufen werden, sollen von den beiden Regierungen auf gleicher Basis in der Weise bereitgestellt werden, wie die Regierungen dann übereinkommen. In derselben Höhe, wie die eine Regierung zum Einkauf von Rohmaterialien für die Bearbeitung und die Wiederausfuhr unter besonderen Bedingungen wie Sicherheit und Rückzahlung Gelder vorschießt, soll die andere Regierung entsprechende Summen zu ähnlichen Bedingungen auslegen.

e) Die Kosten, die von beiden Regierungen für ihre zwei Zonen vor dem 1. Januar 1947 getragen wurden oder ihnen danach für das Gebiet erwachsen, sollen aus künftigen deutschen Ausfuhren in der allerkürzesten Zeit zurückerstattet werden, soweit es sich mit dem Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft in gesundem, einen Angriff ausschließenden Rahmen verträgt.

7. Lockerung der Handelsschranken

Um die Erhöhung der deutschen Ausfuhr zu fördern, sollen die Schranken im Handelsverkehr mit Deutschland so schnell, wie die Weltlage es erlaubt, beseitigt werden. Aus dem gleichen Grunde soll sobald wie angängig ein Wechselkurs für die Reichsmark festgesetzt werden. Die Reform der Finanzen soll in Deutschland in naher Zukunft durchgeführt werden. Die Wiederherstellung technischer und geschäftlicher Verbindungen zwischen Deutschland und anderen Ländern soll sobald wie möglich erleichtert werden. Mögliche Käufer deutscher Waren sollen, soweit die Möglichkeiten gegeben sind, freien Zugang zu beiden Zonen erhalten, und der normale Geschäftsverkehr soll sobald wie möglich wieder aufgenommen werden.

8. Beschaffung

Die Festlegung der erforderlichen Einfuhren wird dem gemeinsamen Ausfuhr- und Einfuhramt obliegen. Die Beschaffung dieser Einfuhren soll wie folgt durchgeführt werden:

I. Für die Beschaffung von Einfuhren der Kategorie A, soweit sie aus bereitgestellten Fonds einer der beiden Regierungen finanziert werden, soll die betreffende Regierung verantwortlich sein.

II. Für die Beschaffung von Einfuhren der Kategorie B und der Kategorie A, soweit sie nicht aus den bereitgestellten Fonds finanziert werden, soll das gemeinsame Ausfuhr- und Einfuhramt zuständig sein. Hierbei sollen die beiden Regierungen jede gewünschte Unterstützung leisten können.

Wenn nicht anders vereinbart – vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Absatzes – soll die Beschaffung aus der wirtschaftlichsten Versorgungsquelle erfolgen. Die Versorgungsquellen sollen jedoch, sobald es irgend möglich ist, so gewählt werden, daß sie eine Beanspruchung der Dollarguthaben Großbritanniens auf das Mindestmaß herabsetzen.

Die beiden Regierungen werden in Washington einen gemeinsamen Ausschuß mit folgenden Aufgaben bilden:

(a) Im Falle von Mangelwaren sollen die Bedürfnisse des gemeinsamen Aus- und Einfuhramtes von den zuständigen Behörden vertreten werden.

(b) Soweit nötig, sind Versorgungsquellen zu bestimmen und Beschaffungsstellen zu beauftragen unter Berücksichtigung der finanziellen Belastungen und der Devisenlage der beiden Regierungen.

Im Hinblick auf Unterabsatz (a) beschließen die beiden Regierungen, den Ausschuß bei der Deckung der Anforderungen des gemeinsamen Ausfuhr- und Einfuhramtes zu unterstützen unter Berücksichtigung aller anderen berechtigten Ansprüche an die greifbaren Weltvorräte.

Im Hinblick auf Unterabsatz (b) wird, falls die finanzielle Belastung auf einer Regierung ruht und die beauftragte Lieferungsstelle in einem Gebiet liegt, das der anderen Regierung untersteht, diese letztere Regierung es auf Verlangen übernehmen, jene Lieferungen im Auftrage der ersteren zu beschaffen.

9. Währungs- und Finanzregelung

Der Finanzausschuß der beiden vertragschließenden Mächte (Vereinigte Staaten-Großbritannien) wird bevollmächtigt, bei anerkannten Banken der Länder, in denen das gemeinsame Ausfuhr- und Einfuhramt arbeitet, Konten zu eröffnen, vorausgesetzt, daß mit jenen Ländern Abkommen abgeschlossen werden, nach denen Guthaben auf Anforderung in Dollar oder Sterling transferiert werden. Der Finanzausschuß wird ermächtigt, Bezahlung der Ausgleichssummen entweder in Dollar oder in Sterling anzunehmen, je nachdem die eine oder die andere Währung nach dem Urteil des gemeinsamen Ausfuhr- und Einfuhramtes besser zur Finanzierung wesentlicher Einfuhren verwendet werden kann.

10. Ernährung

Die beiden Regierungen werden eine Erhöhung der jetzigen Rationen im Rahmen der zur Verfügung stehenden und anderer Mittel auf 1800 Kalorien für den Normalverbraucher befürworten, sobald es die Weltversorgungslage zuläßt. Dieser Versorgungsstandard wird als das Minimum dessen betrachtet, was einen vernünftigen wirtschaftlichen Wiederaufbau Deutschlands fördern kann. Mit Rücksicht auf die jetzige Weltversorgungslage muß jedoch die Ration von 1550 Kalorien für den Normalverbraucher zur Zeit beibehalten werden.

11. Einfuhren für verschleppte Personen

Vorbehaltlich einer internationalen Regelung, die später zur Versorgung verschleppter Personen getroffen werden könnte, wird festgelegt, daß die Versorgung dieser Verschleppten in den beiden Zonen aus der deutschen Wirtschaft nicht die Versorgung der Deutschen aus dieser Wirtschaft übertreffen darf. Zusätzliche Rationen und andere Zuwendungen, die für verschleppte Personen über die für Deutsche verfügbaren Rationen hinaus beschafft werden, müssen nach Deutschland gebracht werden, ohne daß sie der deutschen Wirtschaft Kosten verursachen.

12. Die Geltungsdauer

Es ist die Absicht der beiden Regierungen, durch dieses Abkommen die gegenseitigen Vereinbarungen zur wirtschaftlichen Verwaltung der Zonen zu regeln, bis ein Abkommen über die Behandlung ganz Deutschlands als wirtschaftliche Einheit abgeschlossen wird oder bis es mit Zustimmung beider Parteien abgeändert wird. In jährlichen Zwischenräumen soll das Abkommen überprüft werden.

New York, 2. Dezember 1946

gez. Ernest Bevin

gez. James F. Byrnes

Quelle: Abkommen über die Zusammenlegung der britischen und der amerikanischen Besatzungszone (2. Dezember 1946), in Dokumente und Berichte des Europa-Archivs. Oberursel: Europa-Archiv, 1948, Bd. 6, S. 95f; abgedruckt in Theo Stammen, Hrsg., Einigkeit und Recht und Freiheit: westdeutsche Innenpolitik 1945–1955. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1965, S. 143–48.