Kurzbeschreibung

Wolfgang Staudte, der Regisseur des DEFA-Films Die Mörder sind unter uns, drehte den Film nicht nur, um sich mit der deutschen Vergangenheit auseinanderzusetzen, sondern auch mit seiner eigenen. Staudte hatte in dem Film Jud Süß mitgewirkt, der als eines der erfolgreichsten antisemitischen Propagandastücke des NS-Regimes gilt. Nach dem Krieg standen einige Personen, die an dem Film mitgewirkt hatten, im Rahmen des Entnazifizierungsverfahrens vor Gericht; die meisten betonten, dass sie nur unter erheblichem Druck und sogar unter Bedrohung an dem Film mitgewirkt hätten. Dennoch führte die Beteiligung an einem Propagandafilm, der unbestreitbar die antisemitische Stimmung in NS-Deutschland geschürt hatte, für viele, so auch für Staudte, zu einer persönlichen Reflexion über ihre eigene Verantwortlichkeit.

Festliche Uraufführung des ersten deutschen Spielfilms (16. Oktober 1946)

Quelle

Die Mörder sind unter uns
Festliche Uraufführung des ersten deutschen Spielfilms

Für die Uraufführung des ersten deutschen Spielfilms nach dem 8. Mai 1945 hatte die DEFA, die diesen ersten deutschen Spielfilm hergestellt hat, zu einer festlichen Uraufführung in der Deutschen Staatsoper in Berlin geladen. Man sah eine große Anzahl von Menschen, die dem Filmschaffen nahestehen. Regisseure, Schauspieler und Schauspielerinnen, Autoren, man sah weiter viele Persönlichkeiten aus dem kulturellen Leben Berlins und viele Angehörige der Besatzungsmächte. Nach Vorführung der neuesten Wochenschau „Der Augenzeuge“, nach einem musikalischen Vorspiel und einem Vorspruch Erich Weinerts, der in kurzen Worten die Bedeutung dieses Tages der Wiedergeburt des deutschen Spielfilms umriß, sahen wir den Wolfgang-Staudte-Film „Die Mörder sind unter uns.“

Wir sahen einen ernsten Film, ernst wie sich unser tägliches Leben abspielt, ein Film, der zu dem tiefen Ernst der deutschen Situation paßt, die nach knapp 1½ Jahren schon wieder bedenkliche Zeichen des Vergessens aufweist. Eines Vergessens, das den Weg zu neuen Kata­strophen ebnen könnte.

Aus dieser Vergessenheit schleudert uns und alle, die es besonders angeht, dieser Film, der in Idee, Drehbuch und Regie das Werk eines jungen und sein Handwerk, aber auch die Psychologie unserer Zeit verstehenden Regisseurs, Wolfgang Staudtes, ist. Diesen Film haben Menschen gemacht, die die menschliche und staatliche Katastrophe aufs tiefste miterlebt haben, die aber gleichzeitig die harten und notwendigen Folgerungen daraus gezogen haben. Dieser Film ist nicht amüsierlich, wenn auch vom photographischen her köstliche und bezaubernde Einfälle das ernste Spiel erheitern; er ist ein sehr nachdenklicher und zum Nachdenken, ja mehr zum Nachfühlen, aus der Reali­tät geschöpfter Film. Daß er gefühlsbetont ist, das ist seine große Stärke.

Eine ausführliche Würdigung dieses wirklich großen Wurfs und vielversprechenden Anfangs der neuen deutschen Filmproduktion bringen wir in unserer nächsten Ausgabe.

Quelle: Enno Kind, „Die Mörder sind unter uns“, Neues Deutschland, Nr. 149, 16. Oktober 1946.