Kurzbeschreibung

Die Mörder sind unter uns war der erste deutsche Film, der nach der von den Alliierten verhängten Filmpause, in der die Deutschen keine Filme machen durften, in die Kinos kam. Der Film wurde von der DEFA, dem staatlichen Filmstudio der DDR, produziert. Dass Hitler das Medium Film für seine Propaganda genutzt hatte, bedeutete, dass die Deutschen sich mit dem Medium besonders auseinandersetzen und entscheiden mussten, welche Form es annehmen und welchen Platz es im Nachkriegsdeutschland einnehmen würde. Wolfgang Staudte, der Regisseur des Films, bat die amerikanische, britische und französische Besatzungsmacht um die Erlaubnis, Die Mörder sind unter uns zu drehen, wurde aber abgewiesen. Von den Sowjets erhielt er die Erlaubnis, den Film zu drehen – sie glaubten, dass Filme ein wertvolles Mittel zur Umerziehung der deutschen Bevölkerung sein würden. Die Sowjets verlangten allerdings eine Änderung des Filmendes: Statt dass Dr. Mertens, der Held des Films, den Schurken, einen ehemaligen Nazi, erschießt, sollte Mertens den Bösewicht an die Behörden ausliefern; man befürchtete, dass das Publikum das ursprüngliche Ende als Aufforderung zur Selbstjustiz interpretieren könnte, und entschied sich stattdessen dafür, zu zeigen, wie gewöhnliche Bürger zur Entnazifizierung beitragen konnten.

Filmkritik: Die Mörder sind unter uns (16. Oktober 1946)

Quelle

Glänzender Start des neuen deutschen Films in der Staatsoper

In Gegenwart hoher Vertreter der Militärregierung, der Zentralverwaltung und der städtischen Behörden, vor einem Parkett, in dem fast alle namhaften Vertreter des Berliner kulturellen Leben zu sehen waren, fand gestern die Uraufführung des Defa-Films „Die Mörder sind unter uns“ statt. Das war keine Filmpremiere, wie wir sie schon zu Hunderten erlebt haben, das war eine ganz besondere Veranstaltung, die als solche wohl allen, die anwesend waren, unvergeßlich bleiben wird. Es war der erste große deutsche Film nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs, der erste Film, der wieder von einer deutschen Produktion und mit ausschließlich deutschen Mitwirkenden gedreht worden ist, ein rein deutscher Film also. Aber er war noch viel mehr als das. Es war kein Spiel- und kein Unterhaltungsfilm, sondern ein Film mit einer Handlung, die mitten hinein in unsere deutsche Gegenwart führte, voller Probleme, die uns Tag und Nacht beschäftigen, bis zum Rand beladen mit all den Nöten und Beschwernissen, mit denen fertig zu werden das neue demokratische Deutschland gegenwärtig mit Leidenschaft dabei ist.

Und dieser Film war ein guter Film. Man hätte es verstanden und ohne weiteres in Rechnung gestellt, wenn er auch technisch Schwierigkeiten aufgezeigt hätte, mit denen heute überall gerungen wird. Aber, und das war vielleicht das Bewegendste an dieser ganzen Veranstaltung - es war dies keineswegs der Fall. Dieser Film ist technisch und dar­stellerisch eine bewunderungswürdige Leistung, die sich neben den besten Filmen der deutschen Vergangenheit vor 1933 sehen lassen kann. Wolfgang Staudte als Regisseur und Drehbuch Verfasser hat mit diesem Film einen Sprung mitten unter die Ersten seines Fachs gemacht. Nirgends sind Längen oder tote Stellen, das Schicksal des Chirurgen Dr. Mertens, der durch eine Frau aus der Verzweiflung und der seelischen Verwilderung gerettet wird, ist filmisch überzeugend durchgeführt. Die Kameraleute: Friedl Behn-Grund und Eugen Klagemann haben so prachtvoll photographiert, daß mit Recht immer wieder spontaner Beifall ertönte.

Diese Veranstaltung war ein Ereignis, ein Ereignis nicht nur für Berlin, sondern für ganz Deutschland. In ihr dokumentiert sich nicht nur ein erstaunliches Stück kulturellen Wiederaufbaus, sondern auch der klar bekundete Wille, mit den künstlerischen Mitteln des Films einen Beitrag zur seelischen und moralischen Liquidierung einer unheilvollen Vergangenheit zu erbringen.

Wir kommen in der nächsten Ausgabe ausführlich auf diese Leistung zurück.

Quelle: W. L., „Die Mörder sind unter uns“, Berliner Zeitung, Nr. 241, 16. Oktober 1946.