Quelle
Vor zehn Jahren, genau am 4. Juli 1945, fand im großen
Sendesaal des Rundfunkhauses in der Masurenallee in Berlin die
Gründungsversammlung des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung
Deutschlands statt. Etwa 1 500 Kulturschaffende aus ganz Berlin waren
gekommen und stimmten dem Gründungsmanifest begeistert zu, das mit den
Worten begann:
»Der Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands will die große deutsche Kultur, den Stolz unseres Vaterlandes, wieder erwecken und ein neues deutsches Geistesleben begründen.
Der Nazismus hat die wahren deutschen Kulturwerte, wie sie mit den Namen von Goethe, Schiller, Lessing und zahlreicher Philosophen, Künstler und Wissenschaftler verbunden sind, verschüttet oder durch seine menschenfeindlichen Zweck- und Nutzlehren aufs schändlichste verfälscht. Die deutsche Kultur wurde Werkzeug des verbrecherischen Raubkrieges Hitlers ...«
Seit seiner Gründung war der Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands eine Bewegung der geistigen Erneuerung zur Entwicklung einer fortschrittlichen Geisteshaltung, um die Ideologie des alten imperialistischen Deutschlands zu überwinden. Um das Gründungsmanifest scharten sich deutsche Künstler und Wissenschaftler, die die faschistischen Folterhöllen überlebt hatten, die aus der Emigration in ihre Heimat zurückgekommen waren, die in der inneren Emigration inmitten einer vergifteten Atmosphäre von faschistischen Verbrechen, Korruption und Angeberei anständige Menschen geblieben waren. Sie waren Angehörige der damals gerade erst zugelassenen demokratischen Parteien oder waren parteilos, Vertreter verschiedener Weltanschauungen. In einem aber waren sie sich einig: Es muß ein neues demokratisches Leben aufgebaut werden, um einen neuen Humanismus muß gerungen werden.
Eine schwierige, komplizierte und langwierige Aufgabe war zu lösen, um Deutschland zu einem demokratischen Lande zu machen und unsere Kultur wieder würdig in der Weltkultur zu vertreten. Die edelsten Güter der deutschen Kultur mußten wieder zu Ehren gebracht, die Klassiker der Dichtung, der Musik, der bildenden Kunst, der Philosophie im Volke wieder lebendig gemacht werden. Fortschrittliche und freiheitliche Traditionen unserer deutschen Kultur waren wieder zu wecken, unserem fortschrittlichen Kulturerbe sollten neue Werte zugeführt werden. Die kulturelle Verbindung mit anderen Völkern, vor allem mit der Sowjetunion und unseren Nachbarvölkern, wurde wieder angebahnt und Sinn und Herz unserer Bevölkerung für die Schönheit und Größe der nationalen Kultur anderer erschlossen.
Die Erziehung zur Demokratie, zur Wahrheit, zur Freiheit, zum Frieden war unlösbar verbunden mit dem Aufbauwerk, das aus Not und Trümmern zu den Erfolgen unseres Fünfjahrplanes führte. Dabei wurde es den Angehörigen unserer Intelligenz immer mehr bewußt, daß alle aufbauwilligen Kräfte vereint und organisiert das neue Leben beginnen und daß auch die Lehrenden mehr denn je Lernende sein mußten.
Die grundlegende Voraussetzung für die Entwicklung des Kulturbundes war, daß die Einheit der Arbeiterklasse im Osten unseres Vaterlandes verwirklicht und die Partei der Arbeiterklasse, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, zur führenden Kraft des demokratischen Aufbaus und der Arbeiter- und Bauern-Macht wurde. Die Kraft der Arbeiterklasse im Bündnis mit den Bauern enteignete die Kapitalisten und Großgrundbesitzer, vernichtete ihre ökonomische Macht und damit ihren bisher führenden ideologischen Einfluß. Die Ideologie der Arbeiterklasse wurde zur vorherrschenden Ideologie und ermöglichte die schnelle Neuorientierung auch der alten Intelligenz.
Für die Entwicklung des Kulturbundes zur demokratischen
Erneuerung Deutschlands war auch die Hilfe der Sowjetischen
Militär-Administration, deren Kommandeure und Kulturoffiziere den Fragen
der Befreiung der deutschen Wissenschaft und Kunst von den Schlacken der
alten imperialistischen Ideologie größte Aufmerksamkeit zuwandten, von
großer Bedeutung.
Unter diesen günstigen Bedingungen zeigten große Teile der Intelligenz die Bereitschaft, aus der Vergangenheit die Lehre zu ziehen, daß die Intelligenz im Schlepptau des Kapitalismus keine Perspektive hat. Immer mehr setzte sich die geschichtliche Wahrheit durch, daß die Intelligenz mit der Arbeiterklasse zusammengehen, daß sie in freundschaftlicher Zusammenarbeit mit den Arbeitern, den Aktivisten, den Neuerern am Aufbau unserer Wirtschaft und unserer Kultur teilnehmen muß.
Der Kulturbund half mit, diese schöpferischen Kräfte der Intelligenz zu entwickeln, sie in den großen Friedenskampf und in den Kampf für ein einheitliches demokratisches Deutschland einzubeziehen, sie immer fester mit unserem Arbeiter- und Bauern-Staat zu verbinden. Er half ein demokratisches Staatsbewußtsein und einen demokratischen Patriotismus zu entwickeln. Der Kulturbund vermochte hervorragende Fachleute auf ihrem Gebiete mit interessierten Laien zu gemeinsamer nützlicher Forschungsarbeit zusammenzuführen und die Verbreitung wissenschaftlicher Kenntnisse unter den Arbeitern und Bauern zu achtbaren Höhen zu bringen.
Noch sind nicht alle Angehörigen unserer Intelligenz im Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands vereint, noch ist der wissenschaftliche Meinungsstreit, ohne den es keine Entwicklung nach vorwärts geben kann, oft zaghaft. Noch gibt es Wissenschaftler und Pädagogen, Ärzte und Künstler, Ingenieure und Techniker, die ehrlich am Aufbau mitarbeiten, die ihre Berufsehre wahren, die unseren Erfolgen zustimmen, jedoch Zweifel hegen an der Kraft der internationalen Solidarität der Arbeiterklasse, an der Macht des Weltfriedenslagers. Es gibt unter ihnen noch Menschen, die Schönheitsfehler suchen und finden und die darum noch oft den Einflüssen des imperialistischen Kriegslagers unterliegen.
Es ist die vornehmste Aufgabe des Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, getreu seinem Gründungsmanifest und seinen Grundaufgaben, für die Erhaltung des Friedens, für die demokratische Erneuerung und die nationale Einheit Deutschlands zu kämpfen. Gegenüber Leuten wie Adenauer, die Deutschland noch tiefer zu spalten versuchen, ist die Einheit unserer nationalen Kultur ein alle Deutschen umfassendes Band. Diese Einheit zu verteidigen gegen alle Einflüsse imperialistischer, dekadenter, zersetzender Ideologie, muß ein Hauptanliegen des Kulturbundes sein. Die nationale Pflicht unserer Kulturschaffenden in den Reihen des Kulturbundes besteht darin, das deutsche Kulturgespräch in allen Teilen unseres Vaterlandes zu führen, die fortschrittlichen humanistischen Kulturschaffenden im Westen unseres Vaterlandes zu unterstützen und jedes Gespräch zwischen Deutschen aus dem Westen und dem Osten auf das Ziel zu richten, die Pariser Verträge zu beseitigen, die Wiederaufrüstung und Wiederherstellung eines deutschen Militarismus zu verhindern und die nationale Einheit auf demokratischer und friedlicher Grundlage herzustellen.
Ebenso ist es die Aufgabe des Kulturbundes, unsere Intelligenz noch fester mit unserem Arbeiter- und Bauern-Staat und mit dem Aufbau des Sozialismus zu verbinden. Eine neue Moral, ein neuer Humanismus, die Moral friedlicher Beziehungen zwischen Menschen und Völkern, friedlicher Aufbauarbeit und sozialistischen Wettstreites muß gefördert werden. Das Streben nach dem Erreichbaren in Wissenschaften und Künsten, die Parteinahme für das schöpferische Leben der werktätigen Menschen, die Parteinahme für die Verteidigung unserer Deutschen Demokratischen Republik, der demokratischen und sozialistischen Errungenschaften unserer Arbeiterklasse, unserer werktätigen Bauern und unserer schaffenden Intelligenz muß in den Mittelpunkt der weiteren Arbeit des Kulturbundes gestellt werden.
Erfüllt der Kulturbund diese Hauptaufgaben, dann wird er weitere, bedeutende Erfolge im Dienste unseres Volkes erzielen.
Quelle: „Zehn Jahre Kulturbund“, Neues Deutschland, Nr. 152, 2. Juli 1955. Mit freundlicher Genehmigung der Neues Deutschland Druckerei und Verlag GmbH Berlin; abgedruckt in E. Schubbe, Hg., Dokumente zur Kunst-, Literatur- und Kulturpolitik der SED. Stuttgart: Seewald Verlag, 1972, S. 382-84.