Kurzbeschreibung

Die Hallstein-Doktrin ist benannt nach Walter Hallstein, Staatssekretär im westdeutschen Außenministerium von 1951–1958. Ihre Ursprünge gehen jedoch auf die Gründung der Bundesrepublik im Jahr 1949 und den Anspruch zurück, das alleinige Recht zu besitzen, alle Deutschen international zu vertreten. Probleme mit diesem Alleinvertretungsanspruch waren jedoch vorprogrammiert, nachdem 1949 mit Hilfe der Sowjetunion im Ostberliner Stadtteil Pankow ein weiteres deutsches Staatsgebilde mit eigener Regierung und Verwaltung gegründet worden war. Um ihren Anspruch auf Staatlichkeit und internationale Anerkennung zu untermauern, wurde die ostdeutsche Regierung von Moskau ermutigt, diplomatische Vertretungen und Handelsdelegationen in der kommunistischen Welt zu eröffnen, während die westlichen Alliierten ihr die Anerkennung verweigerten, und unterstützte so die Bundesrepublik bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen in der ganzen Welt. Nachdem die Bundesrepublik 1955 ihre volle Souveränität erlangt hatte und der Kalte Krieg zwischen dem Westen und dem Ostblock in vollem Gange war, war es Wilhelm Grewe, der Völkerrechtsexperte im westdeutschen Außenministerium, der die Politik der Nichtanerkennung zu einer Doktrin machte. Sie besagt, dass jede ausländische Regierung, die versucht, diplomatische Beziehungen zu Ost-Berlin aufzunehmen, mit der Schließung der westdeutschen Vertretung in diesem Land und der Streichung jeglicher Auslandshilfe, die Bonn gewährt hatte, rechnen muss. Für viele Länder in der nicht-westlichen Welt stellte dies ein ernsthaftes Dilemma dar, da sie die Unterstützung der wohlhabenderen Bundesrepublik nicht verlieren wollten, selbst wenn ihre linken oder kommunistischen Regierungen wohlwollender gegenüber der DDR eingestellt waren. Um zu demonstrieren, dass es Bonn mit seiner Doktrin ernst meinte, brach das westdeutsche Außenministerium 1957 die diplomatischen Beziehungen zu Jugoslawien ab, als Belgrad Beziehungen zur DDR aufnahm. Kuba unter Fidel Castro wurde zu einem weiteren Beispiel. Im Laufe der 1960er Jahre wurde die Hallstein-Doktrin jedoch zunehmend zu einem zahnlosen Tiger. Ihre rigide Anwendung begann den politischen und wirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik zuwiderzulaufen. Sie wurde zudem unterminiert, als Willy Brandt beschloss, Beziehungen zu den östlichen Nachbarn der Bundesrepublik aufzunehmen. Sie wurde schließlich 1969 aufgegeben, als Brandt als Außenminister und dann als Bundeskanzler Verträge mit den Ländern des Ostblocks aushandelte und Botschaften in Warschau, Prag und anderen kommunistischen Regierungen einrichtete.

Die Hallstein-Doktrin (28. Juni 1956)

Quelle

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Die Anerkennung der „DDR“ bedeutet die völkerrechtliche Anerkennung der Teilung Deutschlands in zwei Staaten. Die Wiedervereinigung ist dann nicht mehr die Beseitigung einer vorübergehenden Störung im Organismus unseres gesamtdeutschen Staates; sie verwandelt sich vielmehr in die unendlich viel schwierigere Aufgabe, zwei verschiedene deutsche Staaten zu vereinigen. Die Geschichte der deutschen Einigung im 19. Jahrhundert beweist, was das bedeuten kann. Würde die Bundesrepublik mit dieser Anerkennung vorangehen, so würde sie selbst dazu beitragen, daß Europa und die Welt das Bewußtsein für die Anomalie des gegenwärtigen Zustandes verlieren und sich mit ihm abfinden. Sie würde die vier Mächte aus ihrer Verantwortung für die Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands entlassen, die sie bisher stets – auch die Sowejtunion – anerkannt haben. Stattdessen würde sie den Pieck, Grotewohl und Ulbricht ein Vetorecht gegen die Wiedervereinigung einräumen. Darüber hinaus würde die Anerkennung der „DDR“ den Verzicht der Bundesregierung auf ihren Anspruch bedeuten, Sprecher des ganzen deutschen Volkes zu sein, eines Anspruchs, der in unserer Verfassung erhoben wird und dem sich keine Bundesregierung entziehen kann.

Die Bundesregierung kann nicht umhin, erneut klarzustellen, daß sie auch in Zukunft die Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der sogenanten „DDR“ durch dritte Staaten, mit denen die Bundesrepublik diplomatische Beziehungen unterhält, als einen unfreundlichen Akt ansehen müßte, der die Spaltung Deutschlands vertiefen und verhärten würde. Die Bundesregierung würde in einem solchen Falle ihre Beziehungen zu dem betreffenden Staat einer Überprüfung unterziehen müssen.

In der letzten Zeit ist verschiedentlich die Frage erörtert worden, ob es zweckmäßig und möglich sei, Beziehungenn zu den östlichen Nachbarstaaten Deutschlands aufzunehmen. Die Bundesregierung hat dieses Problem sehr eingehend gesprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, daß diplomatische Beziehungen zu diesen Staaten unter den augenblicklichen Umständen nicht aufgenommen werden können. Das bedeutet nicht, daß die Bundesregierung an der Herstellung normaler Beziehungen zu diesen Staaten uninteressiert wäre.

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Quelle: Heinrich von Siegler, Wiedervereinigung und Sicherheit Deutschlands. 3. Aufl., Bonn/Wien/Zürich: Verlag für Zeitarchive, 1958, S. 194.