Kurzbeschreibung

Nachdem die Versuche der Sowjetunion gescheitert sind, die Westmächte zu Verhandlungen über einen Friedensvertrag und ein neutralisiertes Gesamtdeutschland zu bewegen und der Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 die Schwäche des kommunistischen Regimes in der DDR offengelegt hat, bekräftigt die Sowjetunion im August 1953 anlässlich direkter Verhandlungen mit der DDR zwar noch einmal ihr Angebot einer Friedenskonferenz unter Beteiligung einer neu zu bildenden gesamtdeutschen Regierung. Zugleich wertet sie aber die DDR als eigenständigen Staat durch den Austausch von Botschaftern auf und bemüht sich, durch die Beendigung der ostdeutschen Reparationsleistungen, einen Schuldenerlass sowie Warenlieferungen und neue Kredite die Herrschaft der SED zu festigen und das Regime ökonomisch zu stabilisieren.

Sowjetisch-deutsches Kommuniqué (23. August 1953)

Quelle

Am 20. bis 22. August fanden in Moskau Verhandlungen zwischen der Sowjetregierung und der Regierungsdelegation der Deutschen Demokratischen Republik statt.

Sowjetischerseits nahmen an den Verhandlungen teil: der Vorsitzende des Ministerrats der UdSSR, G. M. Malenkow; der Erste Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrats und Minister für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR, W. M. Molotow; der Sekretär des Zentralkomitees der KPdSU, N. S. Chrustschow; der Erste Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrats und Verteidigungsminister der UdSSR, N. A. Bulganin; der Erste Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrats der UdSSR, L. M. Kaganowitsch; der Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrats und Minister für Innen- und Außenhandel der UdSSR, A. I. Mikojan; der Vorsitzende des Staatlichen Plankomitees der UdSSR, M. S. Saburow; der Finanzminister der UdSSR, A. G. Swerew; der Hohe Kommissar der UdSSR in Deutschland, Botschafter W. S. Semjonow.

Seitens der Deutschen Demokratischen Republik nahmen an den Verhandlungen teil: der Ministerpräsident der Deutschen Demokratischen Republik, Otto Grotewohl; der Stellvertreter des Ministerpräsidenten, Walter Ulbricht; der Stellvertreter des Ministerpräsidenten, Otto Nuschke; der Stellvertreter des Ministerpräsidenten und Minister für Aufbau, Doktor Lothar Bolz; der Stellvertreter des Ministerpräsidenten und Finanzminister, Doktor Hans Loch; der Minister für Land- und Forstwirtschaft, Hans Reichelt; der Minister für Außenhandel und Innerdeutschen Handel, Kurt Gregor; der Minister für Hüttenwesen und Erzbergbau, Fritz Selbmann; der Vorsitzende der Staatlichen Plankommission, Bruno Leuschner; der Chef der diplomatischen Mission der DDR in Moskau, Botschafter Rudolf Appelt; der Vorsitzende des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes, Herbert Warnke; der Vorsitzende des Nationalrats der Nationalen Front des demokratischen Deutschland, Professor Correns; der Vorsitzende des Zentralrats der Freien Deutschen Jugend, Erich Honecker; die Vertreterin des Demokratischen Frauenbundes Deutschlands, Frau Ilse Thiele; der Mitarbeiter des Außenministers der DDR, Peter Florin.

Im Verlaufe der Verhandlungen wurden wichtige Fragen besprochen, die die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik betreffen, wie auch die aktuellen Fragen, die sich auf das deutsche Problem als Ganzes beziehen.

Die Verhandlungen verliefen in einer Atmosphäre des gegenseitigen freundschaftlichen Verständnisses und der Herzlichkeit.

Es wurde volles Einvernehmen darüber erzielt, daß die anormale Lage, wo Deutschland acht Jahre nach Beendigung des Krieges in Europa keinen Friedensvertrag hat, in einen West- und einen Ostteil gespalten ist und sich anderen Staaten gegenüber in nicht gleichberechtigter Stellung befindet, beseitigt werden muß. Zu diesem Zweck ist in nächster Zeit eine Friedenskonferenz einzuberufen, wobei die Beteiligung von Vertretern Deutschlands in allen Phasen der Vorbereitung des Friedensvertrags wie auch auf der Friedenskonferenz gewährleistet sein muß. Zwecks Wiederherstellung der nationalen Einheit Deutschlands auf friedlicher und demokratischer Grundlage ist im Wege einer unmittelbaren Vereinbarung zwischen Ost- und Westdeutschland eine Provisorische Gesamtdeutsche Regierung zu bilden, die in erster Linie die Aufgabe haben wird, gesamtdeutsche freie Wahlen vorzubereiten und durchzuführen, wonach das deutsche Volk selbst, ohne die Einmischung fremder Staaten, die Frage der Gesellschafts- und Staatsordnung des einheitlichen demokratischen und friedliebenden Deutschland entscheiden wird.

Die Regierungsdelegation der Deutschen Demokratischen Republik hat die Erklärung der Sowjetregierung über Erleichterung der mit den Folgen des Krieges verbundenen finanziellen und wirtschaftlichen Verpflichtungen Deutschlands mit Genugtuung und Dankbarkeit aufgenommen.

Im Verlauf der Verhandlungen sind die Parteien übereingekommen über die Durchführung verschiedener politischer und wirtschaftlicher Maßnahmen, die Hilfe sein sollen zur weiteren Entwicklung der Volkswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik und zur Hebung des materiellen Wohlstandes der Bevölkerung der DDR. Hierbei wurde berücksichtigt, daß die Deutsche Demokratische Republik in den vergangenen Jahren ihren Verpflichtungen gegenüber der Sowjetunion gewissenhaft nachkam und daß die Deutsche Demokratische Republik dank den Bemühungen der deutschen demokratischen Kräfte ein wichtiger Faktor des Kampfes für den Frieden in Europa ist.

Auf Beschluß der Sowjetregierung sollen der Deutschen Demokratischen Republik ab 1. Januar 1954 die Reparationsleistungen erlassen werden; die in Deutschland befindlichen sowjetischen Betriebe unentgeltlich in den Besitz der DDR übergeben werden; die mit dem Aufenthalt sowjetischer Truppen auf dem Territorium der DDR verbundenen Ausgaben der DDR bis auf eine Summe reduziert werden, die nicht mehr als 5 Prozent der Einnahmen im Staatshaushalt der Deutschen Demokratischen Republik betragen darf; der DDR die Zahlung der seit 1945 durch die Besatzungskosten entstandenen Schulden in ausländischer Währung erlassen werden; Deutschland die Zahlung der Nachkriegsstaatsschulden an die Sowjetunion erlassen werden.

Über die demnach erzielte Vereinbarung haben die Parteien ein Protokoll unterzeichnet, dessen Text nachstehend veröffentlicht wird.

Im Verlauf der Verhandlungen wurde auch eine Vereinbarung getroffen über einige andere Fragen der Festigung und Entwicklung der wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik.

Unter anderem wurde eine Vereinbarung getroffen über Warenlieferungen im Jahre 1953 aus der Sowjetunion in die Deutsche Demokratische Republik, zusätzlich zum geltenden Handelsabkommen, im Werte von etwa 590 Millionen Rubel, einschließlich Lebensmittel, Steinkohle, Eisenmetall-Walzgut, Kupfer, Blei, Aluminium, Baumwolle und andere Waren.

Die Sowjetregierung gewährt der Deutschen Demokratischen Republik Kredit in Höhe von 485 Millionen Rubel, darunter in Höhe von 135 Millionen Rubel in freier Währung. Der Kredit wird zu einem Jahreszinsfuß von 2 Prozent gewährt und ist im Laufe von zwei Jahren, von 1955 an, zu tilgen.

In Anbetracht des Antrags der Regierungsdelegation der Deutschen Demokratischen Republik wurde folgende Vereinbarung getroffen:

Im festgesetzten Wege werden Maßnahmen ergriffen werden, um den deutschen Kriegsgefangenen, die wegen ihrer während des Krieges begangenen Verbrechen verurteilt wurden, die weitere Abbüßung der Strafe zu erlassen, mit Ausnahme derjenigen, die besonders schwere Verbrechen gegen den Frieden und die Menschlichkeit begangen haben und zur Abbüßung der Strafe verbleiben.

Bemüht um die Festigung und weitere Entwicklung der freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik, die das Bollwerk des Kampfes des deutschen Volkes für ein einheitliches friedliebendes demokratisches Deutschland ist, sind die Parteien übereingekommen, die diplomatische Mission der UdSSR in Berlin und die diplomatische Mission der DDR in Moskau in Botschaften umzuwandeln und Botschafter auszutauschen.

Quelle: Über die Ergebnisse der Verhandlungen zwischen der Regierung der UdSSR und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik. Sowjet-deutsches Kommuniqué (August 23, 1953); abgedruckt in Dokumente zur Deutschlandpolitik der Sowjetunion, Bd. 1, herausgegeben vom Deutschen Institut für Zeitgeschichte, Berlin. Berlin: Rütten & Loening, 1957, S. 345–48.