Kurzbeschreibung

Ende August 1954 lehnt die französische Nationalversammlung den Vertrag über eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft ab. Das Projekt einer Einbindung des westdeutschen Verteidigungsbeitrags in europäische Strukturen ist damit aber nur kurzfristig gescheitert, denn stattdessen stimmen die Franzosen der Bildung der Westeuropäischen Union (WEU) mit einem Rüstungskontrollsystem unter Einbeziehung der Bundesrepublik zu und machen den Weg frei für den Beitritt Westdeutschlands zum Nordatlantikpakt (NATO). Am 23. Oktober 1954 wurde das folgende Protokoll in Paris unterzeichnet. Für die Bundesrepublik bedeuten die Pariser Verträge das Ende des Besatzungsregimes und eine gegenüber dem Deutschlandvertrag vom Mai 1952 erweiterte Souveränität. Im Rahmen ihres Beitritts zu WEU und NATO stimmt die Bundesregierung bestimmten Rüstungsbeschränkungen zu, darunter dem Verzicht auf atomare, biologische und chemische Waffen.

Protokoll über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Nordatlantikpakt (Paris, 23. Oktober 1954)

Quelle

Die Vertragsstaaten des am 4. April 1949 unterzeichneten Nordatlantikpaktes, in der Überzeugung, daß der Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu diesem Pakt die Sicherheit der Region des Nordatlantik verstärken wird; Kenntnis nehmend von der Erklärung, durch welche die Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1954 die Verpflichtungen akzeptiert hat, welche im Artikel 2 der Charta der Vereinten Nationen vorgesehen sind, und sich bei ihrem Beitritt zum Nordatlantikpakt verpflichtet hat, sich jeder Aktion zu enthalten, die unvereinbar mit dem streng defensiven Charakter dieses Paktes ist; Kenntnis nehmend außerdem von dem Beschluß aller Mitgliedsländer, der Erklärung beizutreten, die gleichfalls am 3. Oktober 1954 durch die Regierungen der Vereinigten Staaten, der Republik Frankreich und Großbritanniens zum Gegenstand der obengenannten Erklärung der Bundesrepublik Deutschland abgegeben wurde, sind über die folgenden Bestimmungen übereingekommen:

Artikel 1

Nach Inkrafttreten des vorliegenden Protokolls wird die Regierung der Vereinigten Staaten im Namen aller Vertragsstaaten der Regierung der Bundesrepublik Deutschland eine Einladung übersenden, dem Nordatlantikpakt beizutreten. Gemäß Artikel 10 dieses Paktes wird die Bundesrepublik Deutschland Vertragspartei dieses Paktes zum Zeitpunkt der Deponierung ihrer Beitrittserklärung bei der Regierung der Vereinigten Staaten werden.

Artikel 2

Das vorliegende Protokoll wird in Kraft treten:

a) sobald alle Vertragsparteien des Nordatlantikpaktes ihr Einverständnis der Regierung der

Vereinigten Staaten erklärt haben werden,

b) sobald alle Ratifizierungsinstrumente des Protokolls, durch welches der Brüsseler Pakt geändert und ergänzt wird, bei der belgischen Regierung deponiert sein werden,

c) sobald alle Ratifizierungs- bzw. Zustimmungsinstrumente der Konvention über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland bei der Regierung der Bundesrepublik Deutschland deponiert sein werden. Die Regierung der Vereinigten Staaten wird die anderen Vertragsparteien des Nordatlantikpaktes vom Datum des Erhalts jeder dieser Notifizierungen und vom Datum des Inkrafttretens des vorliegenden Protokolls informieren.

Artikel 3

Das vorliegende Protokoll, dessen französischer und englischer Text in gleicher Weisung Geltung haben, wird in den Archiven der Regierung der Vereinigten Staaten deponiert werden. Entsprechend beglaubigte Kopien werden durch diese Regierung den Regierungen der anderen Vertragsparteien des Nordatlantikpaktes übermittelt werden.

Zu Urkund dessen haben die vorgenannten Vertreter, die durch ihre bezüglichen Regierungen gebührend autorisiert sind, das vorliegende Protokoll unterzeichnet.

Unterzeichnet in Paris am 23. Oktober 1954.

Für Belgien: P. H. Spaak

Für Kanada: L. B. Pearson

Für Dänemark: H. C. Hansen

Für Frankreich: P. Mendes-France

Für Griechenland: S. Stephanopoulos

Für Island: Kristinn Gudmundson

Für Italien: G. Martino

Für Luxemburg: Jos Bech

Für die Niederlande: J. W. Beyen

Für Norwegen: Halvard Lange

Für Portugal: Paulo Cunha

Für die Türkei: F. Köprülü

Für Großbritannien: Anthony Eden

Für die Vereinigten Staaten: John Foster Dulles

Quelle: Protokoll über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Nordatlantikpakt (23. Oktober 1954); abgedruckt in Heinrich von Siegler, Hrsg., Dokumentation zur Deutschlandfrage. Von der Atlantik-Charta 1941 bis zur Berlin-Sperre 1961. Annexband, Verträge. Zweite ergänzte und erweiterte Auflage in drei Bänden. Siegler & Co, KG. Verlag für Zeitarchive: Bonn, Wien, Zürich, 1961, S. 290–91.