Kurzbeschreibung

Die wachsende außen- und sicherheitspolitische Bedeutung Afrikas ist unbestritten, doch das deutsche Engagement auf dem Kontinent konzentriert sich bisher weitgehend auf Entwicklungshilfe und wirtschaftliche Zusammenarbeit. Der Autor, der in Kenia lebende Ronald Bera, fordert Deutschland auf, über Lippenbekenntnisse hinaus zu strategischem Handeln zu kommen.

Die Afrikapolitik der Bundesregierung (29. Juli 2014)

Quelle

Wir brauchen mehr Deutschland in Afrika

Die Afrikapolitik der Bundesregierung bleibt trotz großer Ankündigungen mangelhaft. Auf dem Kontinent ist die führende Kraft Europas eine andere.

Seit Langem erwartet die internationale Gemeinschaft von Deutschland mehr Einsatz, auch aus Afrika hört man das: Nur Geberland und wichtiger Entwicklungspartner – das sei nicht genug.

Deshalb war nicht nur in den deutschen Medien die Aufmerksamkeit groß, als Bundespräsident Joachim Gauck forderte, Deutschland müsse künftig eine entscheidende Rolle in der Beilegung internationaler Krisen spielen. Und als die Regierung gleichzeitig ankündigte, sie werde eine neue Afrika-Strategie formulieren. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen weckte gar Erwartungen, Deutschland werde sich auch militärisch stärker in Friedenssicherungsmissionen auf dem Kontinent engagieren.

Doch längst ist klar: Alles bleibt, wie es ist.

Deutschland ist zwar die treibende Wirtschaftskraft Europas, aber es ist immer noch und immer wieder Frankreich, das die führende Rolle in Afrika einnimmt. Deutschland ist gefangen zwischen harten Interessen und weichen Werten, wenn es um sein Verhältnis zu Afrika geht. Das hat Konsequenzen: Die eine ist, dass Deutschland seinen Einfluss verliert und Gefahr läuft, als zahnloser Tiger wahrgenommen zu werden. Die andere: Es verliert die Verbindung zu einem Kontinent mit großem Potenzial.

Polizist Afrikas

Afrika hat in den vergangenen Jahren bedeutende Konflikte erlebt: in der Elfenbeinküste, wo ein Präsident die Macht nicht abgeben wollte; in Libyen, wo das Land sich gegen einen langjährigen Diktator erhob; in Mali, wo militante Islamisten den Aufstand probten; und in der Zentralafrikanischen Republik, wo in dem sektiererischen Konflikt so viele Menschen starben, dass Hilfsorganisationen unaufhörlich ihre Schätzungen korrigieren mussten.

In allen vier genannten Konflikten hat Frankreich – unter zwei Präsidenten aus verschiedenen politischen Lagern – interveniert und damit sein Image als Polizist Afrikas unterstrichen. In der Elfenbeinküste haben die Franzosen direkt eingegriffen und geholfen, den Frieden zu sichern und die Macht wieder dem rechtmäßigen Präsidenten zu übertragen. An der Intervention in Libyen, die Muammar al-Gaddafis Diktatur stoppte, war Frankreich maßgeblich beteiligt, Deutschland nicht.

Frankreich hat im vergangenen Jahr 5.000 Soldaten nach Mali geschickt, in eine frühere Kolonie also, um den Vormarsch der Islamisten zu stoppen. Diese hatten den Aufstand der separatistischen Tuareg-Bewegung genutzt und 2012 weite Gebiete im Norden des Landes erobert, bevor französische Truppen sie zurückdrängten.

Frankreich ist aus Eigeninteresse bereit zu handeln

Auch in die Zentralafrikanische Republik schickte Frankreich sein Militär, insgesamt 1.600 Soldaten, um zumindest für etwas Stabilität im Land zu sorgen. Nachdem muslimische Rebellen im März den Präsidenten gestürzt haben, schlagen religiöse Spannungen immer wieder in Gewalt um.

Jüngst kündigte Frankreich außerdem an, seine Truppen in Mali und den umliegenden Ländern für einen großen grenzüberschreitenden Anti-Terror-Einsatz in der Region zu lassen.

Und wo ist Deutschland? Wenn überhaupt, dann trägt es zu Ausbildungsmissionen bei oder übernimmt medizinische Versorgungs- oder Transportflüge, stellt Militärbeobachter oder Verbindungsoffiziere.

Beim Ausbruch der Konflikte in Mali und in der Zentralafrikanischen Republik war einmal mehr spürbar: Frankreich ist bereit zu handeln, auch aus eigenem Interesse, will aber nicht immer der erste und oft einzige sein, der auf Notsituationen in Afrika reagiert. Deutschland hingegen lässt sich bitten.

Gute Gründe für ein stärkeres Engagement

Reicht es wirklich, immer gerade so viel beizutragen, dass Paris nicht verstimmt ist? Sicher nicht, und es gibt gute Gründe für ein stärkeres Engagement in Afrika aus eigenem Antrieb. Schon durch die geografische Lage sind Afrika und Europa verbunden. Jeder Konflikt in Afrika wirkt sich auf Deutschland und den gesamten Kontinent aus: Es sind Europas Küsten, die afrikanische Flüchtlinge erreichen wollen. Wenn Piraten die afrikanischen Küsten unsicher machen, sind es Europas Handelswege, die betroffen sind. Und die Ausbreitung extremistischer Terrornetzwerke von Mali bis Somalia birgt Gefahren, die ebenfalls nicht vor Grenzen halt machen.

Die Sicherheit der Soldaten ist oft ein Argument gegen eine substanziellere Beteiligung der Bundeswehr an den bisherigen Missionen. Doch das ist kaum nachvollziehbar, wenn vor einigen Monaten 20 deutsche Militärausbilder ihren Standort in Ugandas ruhiger Hauptstadt Kampala gegen das somalische Mogadischu eintauschten, wo Al-Kaida-nahe Milizen seit mehr als fünf Jahren unter anderem gegen Truppen der Afrikanischen Union kämpfen. Man kann es auch so sehen, dass Deutschland die militärischen Fähigkeiten fehlen, um mehr zu tun. Das zumindest ist plausibel genug, um einige Kritik abzuwehren.

Natürlich leistet Deutschland andere als Beiträge als militärische, vor allem in der Entwicklungszusammenarbeit. Millionen Euro von Hilfsleistungen für Entwicklungsarbeit und den Kampf gegen die Unterernährung, die Deutschland an die Zentralafrikanische Republik gibt, sind aller Ehren wert. Aber wir wissen eigentlich, dass es nicht der Hunger ist, der dieses Land so plagt. Ursächlich sind die Gewalt und die Sicherheitslage.

Die jüngste Afrika-Strategie der Bundesregierung listet Leitlinien für 18 Bereiche auf: von der Förderung von Frieden und Sicherheit bis zum Umweltschutz und der Prävention von Menschenrechtsverletzungen. Eine Priorisierung ist nicht zu erkennen. Das könnte Absicht sein. Schade eigentlich.

Quelle: Ronald Bera, „Wir brauchen mehr Deutschland in Afrika“ (übersetzt von Carsten Luther). Online verfügbar unter: Die Zeit Online, 29. Juli 2014, http://www.zeit.de/politik/2014-07/afrika-militaereinsatz-entwicklungshilfe