Quelle
Einleitung
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Afrika als der Erdteil der schwarzen Rasse hat, dieser allein ohne weiße Führung überlassen, keine höhere Zukunft: weder eine kulturelle, noch eine politische, noch eine wirtschaftliche. Darin liegt die entscheidende Begründung für Afrikas Zweckbestimmung als kolonialer Ergänzungsraum der europäischen Wirtschaft. Wir legen dabei den Ton auf „Kolonial“, denn damit ist schon gesagt, daß die Aufgabe, sich die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Lebensformen der weißen Völker mit ihrem weitausgreifenden geistigen Inhalt autonom anzueignen, über das seelische Vermögen des Negers hinausgeht. Daß daneben und deshalb für die deutsche Kolonialarbeit in Afrika auch die Rassentrennung selbstverständlich sein muß, wird nicht erst betont zu werden brauchen.
Die Erziehung der schwarzen Rasse zu einer ihrer Begabung entsprechenden, im Vergleich zu ihrem jetzigen Zustand höheren und wertvolleren Lebensart, ist fraglos eine Pflicht des weißen Mannes, aber sie gehört weniger zum wirtschaftlichen als zum zivilisatorischen Ziel afrikanischer Kolonialpolitik. Daß dabei die Früchte einer solchen Erziehungsarbeit sich auch wirtschaftlich auswirken werden, versteht sich von selbst. Die dreißig Jahre deutscher Kolonialpolitik nach 1884 haben gezeigt, daß es keinen bessern Erzieher des Negers gibt als den Deutschen Das rührt nicht zuletzt von der deutschen soldatischen Art her, die dem Bedürfnis des Negers nach Führung und Betreuung entspricht. Keinem europäischen Volk gebührt daher eher als dem deutschen eine maßgebliche Stellung in Kolonialafrika. Außerdem ist Afrika, sobald man es als den gegebenen wirtschaftlichen Ergänzungsraum für Europa versteht, gerade für ein Land von der natürlichen ökonomischen Verfassung Deutschlands besonders notwendig.
Das Prinzip des Ergänzungsraumes, materiell und ideologisch unterbaut, darf allerdings nicht so verstanden werden, als ob ein Kolonialafrika nicht auch im weiteren Sinne in die Weltwirtschaft gehörte. Ebensowenig dürfte ein zukünftiges deutsches Kolonialreich allein auf den Ergänzungsverkehr mit Deutschland beschränkt gedacht werden. Manche afrikanischen Kolonien liefern an bestimmten Produkten schon heute mehr, als ihr europäisches Mutterland aufnimmt. Das gilt z. B. für die Erdnußausfuhr aus dem französischen Senegalgebiet, für die Kakaoausfuhr aus der englischen Goldküste, für die Ausfuhr von Kupfer und Ölpalmenprodukten aus dem belgischen Kongo, für den Sisalexport aus Tanganyika-Ostafrika.
Entscheidend für unser Verständnis afrikanischer Kolonialfragen ist der Potentialbegriff. Ohne ihn kann kein einziges koloniales Werturteil abgegeben werden. Wollte man die Bevölkerung und den Oberflächenraum Afrikas – Blut und Boden – in ihrem jetzigen Zustand als dauernd gegebene Größen annehmen, so käme man sehr schnell an die Grenze aller wirtschaftlichen Erwartungen. Daher unterscheiden wir die wirtschaftliche Gegenwart und das wirtschaftliche Potential Afrikas und verstehen unter dem letzteren denjenigen Zustand der afrikanischen Wirtschaft, der in absehbarer Zeit durch planmäßige Leistungssteigerung der afrikanischen Böden und durch gesunde Volksvermehrung erreicht werden kann. Auch wenn wir nur mit durchaus rationellen Zeiträumen, Methoden und Mitteln rechnen, sind Gegenwart-Afrika und Potential-Afrika zwei sehr verschiedene Größen.
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Quelle: Afrika. Beiträge zu einer praktischen Kolonialkunde. Hrsg. Dr. Paul Rohrbach, Berlin 1943, S. 10-11.