Kurzbeschreibung

Die Berliner Konferenz von 1884/85 markierte den Höhepunkt des europäischen Wettstreits um Gebiete in Afrika. Der „Wettlauf um Afrika“ hatte zu Konflikten zwischen den europäischen Mächten geführt, insbesondere zwischen den Briten und Franzosen in Westafrika, den Portugiesen und Briten in Ostafrika und den Franzosen und Belgiern (unter König Leopold II.) im Kongo. Diese Rivalität veranlasste Bismarck Ende 1884, ein Treffen der europäischen Mächte in Berlin einzuberufen. Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Portugal und König Leopold II. verhandelten über ihre Ansprüche auf afrikanische Gebiete, die dann formalisiert und kartiert wurden. Schon lange vor 1884 hatten sich die Vertreter der europäischen Kolonialmächte der Rhetorik einer „zivilisatorischen Mission“ bedient, um ihre Ansprüche auf Afrika zu legitimieren.

In dieser Karikatur macht sich die Satirezeitschrift Kladderadatsch über das Argument der „zivilisatorischen Mission“ lustig, indem sie behauptet, dass die kolonialen Untertanen überhaupt nicht zivilisiert werden könnten. Die Karikatur greift das rassistische Stereotyp des „Hosennegers“ auf und reproduziert es zugleich – ein koloniales Subjekt, das zivilisiert sein will, aber aufgrund seiner fundamentalen Minderwertigkeit nur scheitern kann. Die Unfähigkeit des Eingeborenen, die europäische Mode zu verstehen, war ein zentrales Merkmal dieses Stereotyps. In dieser Karikatur sehen wir eine repräsentative Auswahl an deutschen Alltagsgewohnheiten, die in den Kongo verpflanzt wurden: Es erscheint als lächerlich, wenn die Einheimischen versuchen, die Europäer zu imitieren. Ein Herr (Mitte rechts) mit Zylinder und absurden gestreiften Hosen überreicht dem Objekt seiner Zuneigung einen Kaktus; sie trägt Frauenunterröcke und führt ihr Krokodil an der Leine. Drei halbnackte Männer oben rechts spielen keine klassischen Instrumente oder singen im Einklang, sondern schlagen auf Zimbeln und Trommeln in einer scheinbar krawalligen Vorstellung. In den Zigarren und dem Alkohol, die an die Afrikaner exportiert werden (oben links), ist ein Hauch von Kritik an den kolonialen Praktiken zu erkennen, ebenso wie in der Litfaßsäule (unten rechts) ein Hauch von Kolonialangst: Mit einem absurden Wahlaufruf („Wählt keine Carnivoren“) präsentiert die Säule die Möglichkeit, Hierarchien auf den Kopf zu stellen, indem eine Völkerschau 25 Berliner Arbeiter (Rixdorfer) zum Bestaunen mitbringt und die Salons de Calau damit werben, dass sie weiße Kellner beschäftigen. Die Figuren werden auf eine Art und Weise karikiert, die rassische Minderwertigkeit voraussetzt und darstellt und damit die Vorstellungen von der absoluten Differenz zwischen Kolonisator und Kolonisierten, die zu dieser Zeit noch im Fluss waren, verstärkt. In diesem Sinne ist die Gruppe der Eingeborenen, die den Kladderadatsch lesen, in dem diese Karikatur erschien, von symbolischer Bedeutung: Ihre grotesken Gesichtszüge und ihre fehlende Kleidung machen deutlich, wie weit sie von den Deutschen entfernt sind, die dieselbe Publikation lesen.

,,Culturfortschritte am Congo“ (1884)

Quelle

Quelle:

„Culturfortschritte am Congo“, Holzschnitt von R. Kunze, Kladderadatsch (Berlin), Jg. 37, Nr. 52, Erstes Beiblatt (16. November 1884), S. 491. Online verfügbar unter: https://doi.org/10.11588/diglit.2265#0491 
Dieser Text stammt von Jeff Bowersox und ist Teil des Projektes Black Central Europehttps://blackcentraleurope.com/sources/1850-1914/the-progress-of-civilization-in-the-congo-1884/