Kurzbeschreibung

Die Gründung der Deutschen Freisinnigen Partei 1884 zielte auf die Wiedervereinigung der zersplitterten liberalen Parteien ab. Die Fortschrittspartei schloss sich zusammen mit der Liberalen Vereinigung, auch bekannt als die „Sezessionisten“ (1880) von der Nationalliberalen Partei. Unter der Führung Eugen Richters (1838–1905) trat die Partei für Parlamentarismus und Konstitutionalismus, bürgerliche Freiheiten, Gewerbefreiheit und die jährliche Bewilligung des Regierungsbudgets durch den Reichstag ein. Zu den anderen Parteiführern zählten auch Rudolf Virchow (1821–1902), Ludwig Bamberger (1823–1899), Heinrich Rickert (1833–1902) und Theodor Barth (1849–1909). Doch selbst diese Lichtgestalten vermochten nicht, die jeweilige Wählerunterstützung beider Parteien vor dem Zusammenschluss zu erhalten. Während die Parteien 1881 zusammengenommen 105 Reichstagssitze mit 42% der Stimmen auf sich vereinigt hatten, gewann die Deutsche Freisinnige Partei 1887 nur noch 32 Sitze und 13% der Stimmen. Ein erneuter Anstieg fand 1890 statt, als die Partei ihre Sitzanzahl mit 66 mehr als verdoppelte und den Stimmenanteil auf 16% erhöhte.

Deutsche Freisinnige Partei, Gründungsprogramm (5. März 1884)

Quelle

1. Entwicklung eines wahrhaft konstitutionellen Verfassungslebens in gesichertem Zusammenwirken zwischen Regierung und Volksvertretung und durch gesetzliche Organisation eines verantwortlichen Reichsministeriums. Abwehr aller Angriffe auf die Rechte der Volksvertretung, insbesondere Aufrechterhaltung der einjährigen Finanzperiode, der jährlichen Einnahmebewilligung, der Redefreiheit.

2. Wahrung der Rechte des Volkes: Erhaltung des geheimen, allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechtes; Sicherung der Wahlfreiheit, insbesondere auch durch Bewilligung von Diäten; Preß-, Versammlungs-, Vereinsfreiheit; Gleichheit vor dem Gesetz ohne Ansehen der Person und der Partei; volle Gewissens- und Religionsfreiheit; gesetzliche Regelung des Verhältnisses zwischen dem Staate und den Religionsgesellschaften unter gleichem Rechte für alle Bekenntnisse.

3. Förderung der Volkswohlfahrt auf Grund der bestehenden Gesellschaftsordnung. Bei voller Wahrung der Gleichberechtigung der Selbsttätigkeit und des freien Vereinigungswesens der arbeitenden Klassen Eintreten für alle auf Hebung derselben zielenden Bestrebungen. Bekämpfung auch des Staatssozialismus, sowie der auf Bevormundung und Fesselung des Erwerbs- und Verkehrslebens, der Gewerbefreiheit und der Freizügigkeit gerichteten Maßregeln.

4. Im Steuersystem Gerechtigkeit und Schonung der Volkskraft; Entlastung der notwendigsten Lebensbedürfnisse; keine Zoll- und Wirtschaftspolitik im Dienste von Sonderinteressen; keine Monopole. Gesetzgebung und wirksame Aufsicht des Reiches im Eisenbahnwesen.

5. Erhaltung der vollen Wehrkraft des Volkes; volle Durchführung der allgemeinen Dienstpflicht bei möglichster Abkürzung der Dienstzeit; Feststellung der Friedenspräsenzstärke innerhalb jeder Legislaturperiode.

Dies alles zur Befestigung der nationalen Einigung Deutschlands, in Treue gegen den Kaiser und auf dem verfassungsmäßigen Boden des Bundesstaates.

Quelle: Volkszeitung (Berlin), Nr. 56, 6. März, 1884, S. 2; abgedruckt in Felix Salomon, Hrsg., Die deutschen Parteiprogramme, Heft 2, Im Deutschen Kaiserreich 1871–1918, Hrsg. Wilhelm Mommsen und Günther Franz, 4. Aufl. Leipzig und Berlin: B. G. Teubner, 1932, S. 40.