Kurzbeschreibung

Im Jahr 1873 hatte Bismarck das Dreikaiserabkommen ausgehandelt, das Franz Joseph I. von Österreich, Alexander II. von Russland und Wilhelm I. von Deutschland einschloss. Diese Monarchen garantierten einander die Neutralität ihrer Länder im Falle eines Konflikts mit einem anderen Staat. Die Ereignisse von 1878 und Russlands Verstimmung über Bismarcks Rolle als „ehrlicher Makler“ auf dem Berliner Kongress belasteten diese Übereinkunft, doch die traditionellen Beziehungen zwischen den drei konservativen Reichen wurden durch den Dreikaiservertrag vom Juni 1881 wiederhergestellt, der allerdings hinter einer formalen Allianz zurückblieb. Der Vertrag schloss die Möglichkeit aus, dass Russland Frankreich im Falle eines weiteren deutsch-französischen Konflikts unterstützte. Doch er machte es aufgrund der langjährigen britischen Meinungsverschiedenheiten mit Russland auch sehr unwahrscheinlich, dass Großbritannien dem Zweibund zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn beitreten würde.

Dreikaiservertrag (Dreikaiserbündnis) mit Österreich und Russland (18. Juni 1881)

Quelle

Dreikaiserbündnis zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Rußland vom 18. Juni 1881

Die Höfe von Deutschland, Österreich-Ungarn und Rußland, von dem gleichen Wunsche beseelt, den allgemeinen Frieden durch ein der Sicherung der Verteidigungsstellung ihrer Staaten dienendes Einverständnis zu befestigen, haben sich über verschiedene Fragen geeinigt, die ihre gegenwärtigen Interessen näher angehen.

[Es folgen die Namen der Bevollmächtigten][1]

Art. I. In dem Falle, wo eine der hohen vertragschließenden Parteien sich mit einer vierten Großmacht im Krieg befinden würde, werden die beiden anderen ihr gegenüber eine wohlwollende Neutralität aufrechterhalten und ihre Tätigkeit der örtlichen Begrenzung des Streitfalles widmen.

Diese Festsetzung soll in gleicher Weise für einen Krieg zwischen einer der drei Mächte und der Türkei gelten, aber nur in dem Falle, wo ein vorheriges Abkommen über die Ergebnisse dieses Krieges zwischen den drei Höfen geschlossen sein wird.

Für den besonderen Fall, wo einer von ihnen von einem seiner Verbündeten eine tatsächlichere Unterstützung erhalten sollte, soll die verpflichtende Kraft dieses Artikels für den Dritten in seiner ganzen Wirksamkeit bestehen bleiben.

Art. II. Rußland erklärt in Übereinstimmung mit Deutschland seinen festen Entschluß, die Interessen zu achten, die sich aus der Österreich-Ungarn durch den Berliner Vertrag zugesicherten Stellung ergeben.

Die drei Höfe, von dem Bestreben geleitet, jede Mißhelligkeit unter sich zu vermeiden, verpflichten sich, ihre gegenseitigen Interessen auf der Balkanhalbinsel zu beachten. Darüber hinaus versprechen sie sich, daß neue Veränderungen in dem territorialen Besitzstande der europäischen Türkei sich nur auf Grund eines gemeinsamen Abkommen zwischen ihnen sollen vollziehen können.

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Art. III. Die drei Höfe erkennen den europäischen und wechselseitig verpflichtenden Charakter des Grundsatzes der Schließung der Meerengen des Bosporus und der Dardanellen an, der sich auf das Völkerrecht gründet, durch die Verträge bestätigt wird und durch die Erklärung des zweiten russischen Bevollmächtigten in der Sitzung vom 12. Juli des Berliner Kongresses (Protokoll 19)[2] nochmals zusammengefaßt ist.

Sie werden gemeinsam darüber wachen, daß die Türkei nicht von dieser Regel zugunsten der Interessen irgendeiner Regierung abweicht, indem sie kriegerischen Operationen einer kriegführenden Macht den von den Meerengen gebildeten Teil ihres Reiches einräumt.

Im Fall der Zuwiderhandlung oder um einer solchen, die vorauszusehen wäre, entgegenzuwirken, werden die drei Höfe die Türkei verständigen, daß sie sie in einem solchen Falle als im Kriegszustande gegenüber der verletzten Partei ansehen würden, und daß sie sich von nun an der Wohltaten der Sicherheit beraubt habe, die ihrem Besitzstande durch den Berliner Vertrag zugesichert worden waren.

Art. IV. Der gegenwärtige Vertrag soll vom Tage der Auswechselung der Ratifikationen ab drei Jahre in Kraft bleiben.

Art. V. Die hohen vertragschließenden Parteien sichern sich wechselseitig die Geheimhaltung des Inhalts und des Vorhandenseins des gegenwärtigen Vertrages ebensowohl wie des ihm angefügten Protokolls zu.

Art. VI. Die zwischen Deutschland und Rußland und zwischen Österreich-Ungarn und Rußland 1873 geschlossenen geheimen Abmachungen werden durch den gegenwärtigen Vertrag ersetzt.

Artikel VII. Die Ratifikationen des gegenwärtigen Vertrages und des ihm angefügten Protokolls sollen in Berlin im Zeitraume von fünfzehn Tagen oder früher, wenn es möglich sein sollte, ausgetauscht werden[3].

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Széchényi
v. Bismarck
Sabouroff

Anmerkungen

[1] Bevollmächtigt waren: für das deutsche Reich der Reichskanzler Fürst Bismarck; für Österreich-Ungarn Graf Imre Széchényi, Botschafter in Berlin (1878–92); für Rußland Peter v. Saburow, Gesandter in Äthen (1870–80), Botschafter in Berlin (1880–84). [Alle Fußnoten stammen aus Ernst Rudolf Huber, Hrsg., Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, 3. bearb. Aufl., Bd. 2, 1851–1900. Stuttgart: W. Kohlhammer, 1986, S. 495–96.]
[2] Das angeführte „Protokoll 19“ des Berliner Kongresses findet sich in Staatsarchiv 34 (1878), Nr. 6771.
[3] Die Ratifikation fand am 27. Juni 1881 statt.

Quelle: Bernhard Schwertfeger, Die Diplomatische Akten des Auswärtigen Amtes 1871–1914. Ein Wegweiser durch das große Aktenwerk der deutschen Regierung. Berlin: Deutsche Verlagsgesellschaft für Politik und Geschichte, 1923, Bd. 1, S. 260ff.; abgedruckt in Ernst Rudolf Huber, Hrsg., Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, 3. bearb. Aufl., Bd. 2, 1851–1900. Stuttgart: W. Kohlhammer, 1986, S. 495–97.