Quelle
Jacob Burckhardt an Friedrich von Preen
Basel, 2. Januar 1880
[…]
Dem Semiten würde ich gegenwärtig große Klugheit und Mäßigung anraten und glaube selbst dann nicht mehr, daß die gegenwärtige Agitation wieder einschlafen werde. Der Liberalismus, welcher den Semiten bis jetzt verteidigt hat, wird schon in Bälde der Versuchung, ein solches Odium abzuschütteln, nicht mehr widerstehen können. Er wird nicht mehr lange zusehen können, wie Konservative und Katholiken den populärsten Trumpf, den es gibt, gegen ihn in Händen halten und ausspielen. Und dann wird auch die Gesetzgebung wieder verändert, und namentlich garantiere ich den Herren semitischen Juristen ihre Karriere nicht mehr auf lange Zeit. Sobald es für den Staat sicherer sein wird, einzuschreiten als länger zusehen, tritt Änderung ein. – Die Semiten werden namentlich ihre völlig unberechtigte Einmischung in alles mögliche büßen müssen und Zeitungen werden sich semitischer Redakteure und Korrespondenzen entledigen müssen, wenn sie weiter leben wollen. So etwas kann sich einmal plötzlich und kontagiös von einem Tage auf den anderen ereignen. […]
Quelle: Jacob Burckhardt an Friedrich von Preen, 2. Januar 1880, in Jacob Burckhardt, Briefe an seinen Freund Friedrich v. Preen 1864–1893. Stuttgart und Berlin, 1922; abgedruckt in Karsten Krieger, Hrsg., Der „Berliner Antisemitismusstreit“ 1879–1881. Eine Kontroverse um die Zugehörigkeit der deutschen Juden zur Nation. Kommentierte Quellenedition, 2 Teile. München: K. G. Saur, 2003–2004, Teil 1, S. 251. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.