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Vorrede
Bis 1866 trieben wir in Preussen, und überhaupt in Deutschland, abstracte Politik. Die Schlagwörter waren „Einheit“ und „Freiheit“, bei denen Jeder sich etwas Anderes dachte. Auf Festen und Congressen, in den Vereinen wie in den Parlamenten declamirte man, regalirte man sich mit Phrasen. In den Handwerker-, Bezirks- und anderen Vereinen wurde in „Bildung“ und „Aufklärung“ gemacht, das Volk für die politischen Wahlen gedrillt; in den Parlamenten wurden doctrinäre Reden gehalten, unausführbare Beschlüsse gefasst. Unter den Massen, wie in den Köpfen der Führer und Volksvertreter, herrschte dieselbe Unklarheit, derselbe Wirrwarr.
Nach dem Kriege von 1866, mit der Neugestaltung Deutschland’s zerfielen die bisherigen Parteien sammt und sonders, und es bildeten sich aus ihnen zwei neue, die man im Grossen und Ganzen Bismarckianer und Anti-Bismarckianer nennen darf, und die bald von gewisser Seite als „reichsfreundlich“ und „reichsfeindlich“ bezeichnet wurden. Die langersehnte „Einheit“ hatte sich plötzlich eingestellt – nur war sie auf anderm Wege gekommen und von anderer Beschaffenheit, als man geträumt und geplant hatte. Diese Einheit führte nach Aussen zu Macht und Ruhm; und modificirte im Innern gar wesentlich das Verlangen und Streben nach „Freiheit.“
Die grosse „liberale“ Partei, welche jubelnd und huldigend sich um den Staatsmann drängte, den sie bisher so erbittert bekämpft hatte, mühte sich fortan weniger um die politische als um die wirthschaftliche oder eigentlich – manchesterliche „Freiheit“; welche Handwerk und Industrie, Handel und Speculation von jeder gesetzlichen Schranke befreit, an Stelle der staatlichen Aufsicht die „freie Concurrenz“ setzt, und dem Capital jede Willkür gönnt. Statt Einer „Freiheit“, erhielten wir jetzt eine Menge von Freiheiten; so die Theater-Freiheit, die Zug-Freiheit, die Wucher-Freiheit, und vor Allem – die Actien-Freiheit und die Börsen-Freiheit. Diese manchesterlichen Freiheiten stürzten wie ein Platzregen auf uns nieder, liessen uns gar nicht zur Besinnung kommen und haben uns arg in die Tinte geführt.
Die Schank-Freiheit vermehrte die Bierkneipen und Schnapsbuden in’s Unglaubliche. Die Theater-Freiheit bescheerte uns eine Unzahl neuer Vorstadt-Bühnen und sogenannter „Tingel-Tangel“, wo der Blödsinn herrscht und die Zote blüht; brachte das ohnehin im starken Sinken begriffene Deutsche Theater vollends auf den Hund. Die Zug-Freiheit entvölkerte das platte Land, entführte der Landwirthschaft die Arbeitskräfte, und überschwemmte die grossen Städte, wo seitdem Rohheit und Unsicherheit, Unzucht und Verbrechen, Noth und Elend, Seuchen und Sterblichkeit einen mächtigen Aufschwung nahmen. Die Gewerbe-Freiheit schädigte das Handwerk und zerrieb den Handwerkerstand, indem sie Pfuscherei und Stümperei begünstigte, indem sie den unreifen Gesellen oder Lehrling selbständig machte, dagegen den Meister zu einem Lohn- oder Fabrikarbeiter herabsinken liess. Die Wucherfreiheit privilegirte die „Halsabschneider“, Pfandleiher und Rückkaufshändler; jene Vampyre und Blutegel, welche sich auf Kosten des Leichtsinns und der Noth mästen, und ihre Opfer unter allen Schichten der Gesellschaft fordern. Die Actien-Freiheit endlich – die schlimmste von allen – inaugurirte die berüchtigte Gründer- und Schwindleraera, setzte die grosse Börsen-Orgie in’s Werk, wo man in der frechsten Weise das ganze Volk ausplünderte; und es folgte dann mit Nothwendigkeit die schwere Krisis, die seit Jahren Erwerb und Verkehr lähmt, und deren Ende noch gar nicht abzusehen ist.
Die „liberalen“ Gesetzgeber in unseren Parlamenten sind vorwiegend Manchesterleute, und sie arbeiten, in Verbindung mit der „liberalen“ Presse, hauptsächlich im Interesse des Capitals und der Börse. Die manchesterliche Gesetzgebung hat einen grossartigen Bankerott gemacht, und um denselben zu verdecken, namentlich um die Aufmerksamkeit von den furchtbaren Folgen des verbrecherischen Börsen- und Gründungsschwindels abzulenken, warf man sich mit Wuth auf den „Culturkampf“ und zittert jetzt, dass der „Culturkampf“ zu Ende gehen könnte.
Auch in der Regierung sitzen Manchesterleute, und die Regierung trägt die Mitschuld an der so unheilvollen wirthschaftlichen Gesetzgebung, die sie fast ausschliesslich den „Liberalen“ überlassen hat, denen sie nur hin und wieder schwachen Widerstand leistete. Noch nach dem „Grossen Krach“, schon mitten in der Krisis, wussten die „Liberalen“, unter Anführung der Herren Lasker und Bamberger, gegen den Willen des Finanzministers Camphausen, der sich zuerst sträubte und dessen Stellung in Frage kam – die Reichsbank durchzusetzen; diese gewaltige „Gründung“ zu Gunsten der Geld- und Börsenfürsten.
Unter den Regierungsmännern herrscht Zwiespalt und Rathlosigkeit. Minister Delbrück betonte im Reichstag ausdrücklich die Wirthschafts-Krise, die noch längere Zeit anhalten werde; Minister Camphausen wollte sie überhaupt nicht zugeben. Im Abgeordnetenhause äusserte Herr Camphausen: Ich bin der Ueberzeugung, dass die Lage unserer Arbeiter noch niemals so günstig war als sie es gegenwärtig ist. Der kranken Industrie empfahl er zur Heilung – die Herabsetzung der Arbeitslöhne. Als ob die Löhne nicht schon von selber, ununterbrochen sinken; als ob es nicht schon lange an Arbeit fehlt! Ein Beweis, wie unbekannt der Minister mit den thatsächlichen Verhältnissen ist! – Im Reichstag bemühte sich Herr Camphausen die Börse und die Gründer auf Kosten des Publikums zu entlasten – „Das Publikum hat, verleitet durch Gewinnsucht, eine lange Zeit hindurch schwindelhaften Unternehmungen Vorschub geleistet. Die ganze Nation war von einem gewissen Schwindel mehr oder weniger erfasst. – „Heute überlässt sich das Publikum einem viel zu weit getriebenen Misstrauen. Heute werden die Capitalien zurückgehalten, während sich in einer Menge der solidesten Papiere die lohnendste Anlage dafür bietet.“ – In Folge dieser famosen Ministerrede versuchte die Berliner Börse Ende November eine Hausse in Scene zu setzen, die aber kläglich misslang.
Wiewol alle Zweige der Industrie, alle Geschäfte darniederliegen, Verkehr und Handel stocken, täglich neue Bankerotte ausbrechen, täglich mehr Arbeiter brotlos werden – leugnen die Manchesterleute – Herr Lasker voran – und die „liberale“ Presse doch jeden eigentlichen Nothstand; und sie bezeichnen diejenigen Blätter, welche gegen die manchesterliche Misswirthschaft auftreten und vor den Gefahren warnen, die daraus erwachsen – theils als „Scandalblätter“, theils als „Revolverpresse.“
Seit 1866 treiben wir wesentlich Social-Politik. Seit dem „Grossen Krach“ dreht sich die Weltgeschichte nicht mehr ausschliesslich um den Fürsten Bismarck. Zwar ist der Ruhm ein berauschendes Getränk, aber er macht nicht satt; Jedermann verlangt trotzdem und verlangt zuerst des Leibes Nahrung und Nothdurft. Die wirthschaftlichen „Freiheiten“ können nicht entschädigen für die wachsenden Steuern und Lasten, für die unnatürliche Theuerung der letzten Jahre, für die unhehaglichen und ungesunden Zustände, wie sie auf allen Gebieten hervortreten. Die manchesterliche Wirthschafts-Politik hat nur einer kleinen Minderheit, vornehmlich Finanzleuten und Speculanten, Vortheil gebracht; dem Volke hat sie tiefe Wunden geschlagen. Der Börsen- und Gründungsschwindel hat das Nationalvermögen um Milliarden gekürzt, allgemeine Misstimmung und Erbitterung erzeugt, und der Socialdemokratie Schaaren neuer Anhänger zugeführt.
Die Manchester-Politik ist gemein- und staatsgefährlich. Alle ehrlichen wohlmeinenden Leute müssen sie energisch bekämpfen und sich zu diesem Zwecke zusammenthun, gleichviel welcher Parteirichtung sie sonst angehören. Man kann auch bereits das Schauspiel wahrnehmen, wie Zeitschriften der heterogensten Tendenz, klerikale und demokratische, conservative und socialdemokratische, darunter auch jene angeblichen „Scandal-“ und „Revolverblätter“, sich die Hände reichen, und gegen die manchesterlichen „Liberalen“ und „Volkswirthe“ vorgehen, gegen die Ausbeutung des Volkes durch Börse, Schwindel und Wucher eifern. Noch ist die grosse Menge im Bann der „liberalen“ Presse, von der sie gegängelt und geschoren wird; noch sind Viele, gar Viele dem Capital und der Börse durch Eigennutz oder aus Furcht verbündet: noch bilden die ehrlichen herzhaften Leute ein Häuflein, aber ihre Zahl ist sichtlich im Wachsen begriffen, und sie haben die allernächste Zukunft.
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Besonders die Juden fühlten sich durch meine Artikel getroffen. Noch ehe ich’s ausgesprochen, dass hauptsächlich ihnen der Börsen- und Gründungsschwindel zur Last fällt, trieb sie ihr böses Gewissen, gegen mich zu agitiren. Erst in Folge der Anfeindungen und Machinationen, die meine Aufsätze erfuhren; um dieselben vollends zu rechtfertigen und noch besser zu begründen; zugleich aber auch, um zu zeigen, dass ich mich nicht einschüchtern lasse – habe ich jetzt bei der Buch-Ausgabe, in Betreff der Juden, verschiedene Zusätze gemacht, wie sie sich namentlich S. 148ff. und in den Nachträgen (S. 342ff.) finden.
Um ehrlichen Missverständnissen vorzubeugen, unehrlichen Verdächtigungen und Denunciationen zu begegnen, erkläre ich aber ausdrücklich, indem ich eine Redewendung des Abgeordneten Windthorst-Meppen variire: Ich will die Juden nicht umbringen oder abschlachten, sie auch nicht aus dem Lande vertreiben; ich will ihnen nichts nehmen von dem, was sie einmal besitzen, aber ich will sie revidiren, und zwar funditus revidiren. Nicht länger dürfen falsche Toleranz und Sentimentalität, leidige Schwäche und Furcht uns Christen abhalten, gegen die Auswüchse, Ausschreitungen und Anmassungen der Judenschaft vorzugehen. Nicht länger dürfen wir’s dulden, dass die Juden sich überall in den Vordergrund, an die Spitze drängen, überall die Führung, das grosse Wort an sich reissen. Sie schieben uns Christen stets bei Seite, sie drücken uns an die Wand, sie benehmen uns die Luft und den Athem. Sie führen thatsächlich die Herrschaft über uns; sie besitzen eine gefährliche Uebermacht und sie üben einen höchst unheilvollen Einfluss. Seit vielen Jahrhunderten ist es wieder zum ersten Mal, dass ein fremder, an Zahl so kleiner Stamm die grosse eigentliche Nation beherrscht. Die ganze Weltgeschichte kennt kein zweites Beispiel, dass ein heimatloses Volk, eine physisch wie psychisch entschieden degenerirte Race, blos durch List und Schlauheit, durch Wucher und Schacher, über den Erdkreis gebietet.
Von den Juden können wir lernen. Vom getauften Minister bis zum polnischen Schnorrer bilden sie eine einzige Kette; machen sie, fest geschlossen, bei jeder Gelegenheit Front gegen die Christen. Fürst Bismarck ist, wie seine zahlreichen Strafanträge lehren, sehr empfindlicher Natur und gewiss ein gewaltiger Mann. Aber Ihr dürft zehnmal eher den Reichskanzler beleidigen als den schäbigsten Juden. Seht einen Trödeljuden nur schief an, und sofort erschallt von Gumbinnen bis Lindau, von Meseritz bis Bamberg und Oppenheim der Ruf: Israel ist in Gefahr! Mendel Frenkel, in einem galizischen Nest wegen Betrugs oder Diebstahls eingesperrt, verlangt im Gefängniss koschere Kost, und da er sie nicht erhält, schreit die ganze europäische Presse über Justizmord!
Ein Jude sorgt und kämpft stets für den andern; sie machen ununterbrochen für einander die wüthendste Reclame. Ihre Schriftsteller und Künstler, ihre Wissenschafter und Politiker sind in aller Leute Mund, paradiren täglich in den Zeitungen, werden mit Ehre und Lohn überschüttet. Hätte ein Christ die Lasker’schen „Enthüllungen“ gemacht, sie wären wenig beachtet, schnell vergessen worden. So aber hoben die Juden den kleinen Lasker auf ein Piedestal von der Höhe des Montblanc, priesen und feierten ihn als die Uneigennützigkeit und Tapferkeit in Person, machten aus ihm einen jüdischen Heiligen. Auch Herr Lasker lebt nicht von der Luft, sondern von einer Sinecure, die er beim Städtischen Pfandbriefamt inne hat. Und vorher, als er nur unbesoldeter Assessor war, bezog er von der „Nationalzeitung“ einen hübschen Redacteur-Gehalt. Ob er ihn noch bezieht, weiss ich nicht. Auch Eduard Lasker ist, ebensowenig wie die liebe Sonne, ohne Flecken. Ein solcher Fleck ist z. B. die Verbindung mit Herrn Pelckmann, der seinen Brotherrn, Geheimrath Wagener verrieth, um Lasker’n das Material zu den „Enthüllungen“ zu liefern, und der jetzt wegen Unterschlagung im Gefängnisse sitzt. Ein solcher Fleck ist auch Lasker’s unbezähmbare Eitelkeit, die er freilich mit seinem ganzen Volke theilt. Unmittelbar nach den „Enthüllungen“ liess er die „Erlebnisse einer Mannesseele“ erscheinen, worin er seine zahlreichen Liebesabenteuer(!) erzählt, und von denen der Herausgeber, Berthold Auerbach sagt: „Gedrungen und knapp in der Form, edel und reif im Gehalt, werden diese Blätter, nach meiner Ueberzeugung, von dauerndem Werth in der deutschen Literatur sein.“ Trotzdem wurde die ganze Auflage zurückgekauft, mit 5 bis 8 Thaler pro Exemplar bezahlt, weil Herr Lasker merkte, dass er sich, und verschiedene Familien dazu, arg compromittirt hatte. In der Reichs-Justiz-Commission suchte Herr Lasker sich durch einen so wunderbaren Antrag bemerklich zu machen, dass er hinterher, „wegen Ueberbürdung mit Arbeiten“, seinen Austritt nehmen musste. Neuerdings ist er, ziemlich unbemerkt, wieder eingetreten.
Der „Kulturkampf“ war den Juden ein gefundenes Fressen, und sie können davon nicht genug bekommen. Der „Kulturkampf“ soll den Börsen- und Gründungsschwindel vergessen lassen, über die schwere Krisis und den allgemeinen Nothstand täuschen. Wenn die Katholiken so klug wären, mit der Staatsregierung ihren Frieden zu machen – und es scheint jetzt, als ob die Geneigtheit dazu auf beiden Seiten vorhanden ist – würde man bald den gemeinsamen Feind erkennen; die wahren Reichsfeinde, welche den Ruf des Deutschen Volkes so arg geschädigt, den Glanz des jungen Reiches so schnell getrübt haben. Darum ist die „National-Zeitung“ voll Sorge und Unruhe, und sie ruft: Kein Ausgleich! Wir verlangen die unbedingte Unterwerfung der Klerikalen! Selbst das Wort „Frieden“ ist ihr anstössig, und sie schalt die „Provinzial-Correspondenz“, die es gebraucht hatte. Als man im Reichstag Miene machte, sich nach gewissen fragwürdigen Eisenbahn-Prioritäten zu erkundigen, die dem Reichsinvalidenfonds angeschmiert sind, drohte die „National-Zeitung“, dem Centrum wie einem kleinen Kinde, mit der „grossen und schreckhaft aussehenden schwarzen Mappe“ des Reichskanzlers, welche über die Katholiken neue Kirchengesetze ausschütten werde; und um solch unliebsame Erkundigungen möglichst zu beschwichtigen, um den „Scandal“ zu beschwören, begann sie ihrem gefürchteten Gegner, Herrn Windthorst zu schmeicheln, und sie schmeichelte sogar Herrn Bebel. Zu Anfang der Reichstagssession schwebte sie in grösster Angst, dass die Regierung sich von der Manchester-Politik lossagen werde; bis ein Artikel der „Provinzial-Correspondenz“ sie wieder aufathmen liess. „Es bleibt beim Alten!“ jubelte sie, und lobte begeistert plötzlich den „ernsten getragenen Stil“ des officiösen Organs. Aber die Strafrechtsnovelle brachte sie wieder in Verlegenheit, und sie wusste nicht, wie sie sich drehen und wenden sollte. Einerseits zog sie Fürst Bismarck, andererseits schämte sie sich doch vor der Nation, fürchtete sie die bevorstehenden neuen Wahlen. „Alle Strafrechtsparagraphen der Welt können den Schaden nicht wieder gut machen, wenn die Einigkeit zwischen Regierung und Reichstagsmehrheit in Frage gestellt wird!“ jammerte sie; und sie war dann auch wirklich wieder zu einem Compromiss bereit. Beim Jahresschlusse weist sie sich an die Brust und declamirt: „Fürst Bismarck ist eine in sich geschlossene Persönlichkeit, und die Nationalliberalen sind noch viel unwandelbarer“(!!) Nun, wir werden sehen! Wir wollen abwarten, was die Nationalliberalen und die Manchesterleute, um sich am Ruder zu erhalten, noch für Sprünge vollführen werden, und was bei den nächsten Wahlen von ihnen übrig bleiben wird!
[…]
Meine Artikel haben in der öffentlichen Meinung einen grossen Umschwung herbeigeführt: die Gründer und Gründergenossen sind moralisch bereits gerichtet. Und auch die Nemesis schreitet vor – freilich noch sehr langsam. Schon nahm sich mancher jener Elenden das Leben; neuerdings packt auch hin und wieder Einen der Staatsanwalt.
Wie ich wohl nicht erst betonen darf, gehen diese Aufsätze weit hinaus über Jobber und Gründer, über Börse und Judenschaft. Sie richten sich gegen die Corruption in der Gesellschaft, die von oben bis unten mit unsaubern Elementen durchsetzt ist. Sie richten sich gegen die Corruption in der Presse, die im Grossen und Ganzen unendlich gesunken, eine feile Dirne geworden ist. Sie richten sich gegen die Corruption in den Parlamenten, die einer scharfen Säuberung bedürfen. Möge das Deutsche Volk sich bei den nächsten Wahlen vorsehen, möge es sich die Gründer und Gründergenossen wohl merken! Wenn Herr Lasker in Betreff seiner politischen Freunde, die da gegründet haben, zwischen soliden und unsoliden Gründungen, zwischen solider und unsolider Theilnahme daran, unterscheiden will, so ist das blosse Sophistik. Es giebt aus der Zeit der Schwindelperiode keine solide Gründung und keinen soliden Gründer oder Mitgründer. Wer beim Gründen geholfen, ist dafür auch bezahlt worden, und zwar stets auf Kosten der geschorenen Actionäre. Wer als Volksvertreter und Gesetzgeber wirken will, muss vor Allem reine Hände haben: die aber hat kein Gründer und kein Gründergehilfe!
Quelle: Otto Glagau, Der Börsen- und Gründungsschwindel in Berlin. Leipzig: Paul Froberg, 1876, S. 5–9, 30–35. Online verfügbar unter: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb11335338?page=,1.