Kurzbeschreibung
Der Bildtext dieser Karikatur aus
Kladderadatsch lautet: „Der Pfeil ist
auf die Sozialdemokraten gerichtet; wie aber, wenn er über das Ziel
hinausfliegt?“ Die Zeitschrift brachte zielgenau Bismarcks Absicht zum
Ausdruck, die beiden Attentatsversuche auf Kaiser Wilhelm I. (11. Mai
und 2. Juni 1878) zur Schwächung der liberalen Opposition gegen seine
Politik zu benutzen. Doch indem
Kladderadatsch der Männergestalt mit
einem Revolver das Etikett „S.D.“ verpasst, folgt er zu Unrecht
Bismarcks Beispiel und bringt die Sozialdemokraten als politische
Bewegung (und Partei) mit den verhinderten Attentätern in Verbindung.
Der erste der beiden, Max Hödel, war vor seinem Anschlagsversuch aus der
Sozialdemokratischen Arbeiterpartei ausgeschlossen worden; tatsächlich
fand die Polizei bei seiner Durchsuchung ein Parteibuch der
Christlich-sozialen Arbeiterpartei, die von niemandem anders als Adolf
Stoecker (1835–1904) angeführt wurde, dem Hofprediger der Hohenzollern.
Der zweite, Dr. Karl Nobiling, lehnte in Wirklichkeit den Sozialismus
ab. Das war jedoch egal. Bismarck heizte erfolgreich die öffentliche
Stimmung an und setzte für Ende Juli eine Reichstagswahl an. Als der
Urnengang beendet war, hatte die Nationalliberale Partei 29 ihrer 128
Sitze aus der letzten Legislaturperiode verloren; die linksliberale
Fortschrittspartei hatte neun ihrer 35 Mandate eingebüßt. Da die
Konservativen und Freikonservativen entsprechende Zuwächse
verzeichneten, lag der Weg offen für die Verabschiedung des
Sozialistengesetzes im Oktober 1878 und – nicht lange darauf – für die
Spaltung der nationalliberalen Reihen, auf die Bismarck abgezielt
hatte.