Quelle
Ernst Neu, „Das Ende“
Es jobbert[1] der Jude, es jobbert der Christ,
Es jobbern die
Krämer und Schreiber,
Es jobbert der Gastwirt, der
Prokurist,
Der Rechtsanwalt und sein Kopist,
Es jobbern
die Kinder und Weiber.
Zu Haus, im Freien, beim Bier und Wein,
Beim Mittagstisch
und im Bette,
Beim Skat und im Gesangverein –
Da wird
gejobbert grob und fein,
Da schachert man um die Wette.
Der Kurs der Papiere, der Mergel, der Fliess,
Sind heute
der einzige Gedanke,
Ein Bohrloch erscheint als
Paradies,
Von Anteilscheinen ein halbes Ries[2]
Ruht statt des Geldes im Schranke.
Der Tempel des Schwindels ragt stolz empor,
Und glänzt
durch blankes Gepränge:
Verlockende Töne berauschen das
Ohr:
Hinein durch das vergoldete Tor,
Drängt das Volk in
wirbelnder Menge.
Doch knistert’s schon laut in den Balken und kracht,
Als
nagte der Wurm am Tempel:
Doch siehe, die Pleite kommt über
Nacht,
Und ehe noch einer daran gedacht,
Bricht donnernd
zusammen der Krempel –
Begräbt unter Trümmern der Hoffnungen viel,
Und schlägt
manche blutende Wunde,
Vernichtet den Jobber mit Stumpf und
Stiel –
Der Gründer allein hat gewonnen beim Spiel:
Und
den letzten beissen die Hunde!
Anmerkungen
Quelle: Ernst Neu, „Das Ende“, erstveröffentlicht in Kladderadatsch, ca. 1873; abgedruckt in Gerhard A. Ritter und Jürgen Kocka, Hrsg., Deutsche Sozialgeschichte 1870–1914. Dokumente und Skizzen, 3. Aufl. München: C. H. Beck, 1982, S. 21–22.