Kurzbeschreibung
Bauernjunge datiert aus einer
Periode in Leibls Werdegang, die seinem Erreichen eines leicht als
Realismus zu identifizierenden Stils voranging. Im Jahr 1869 – nicht
lange vor der Konzipierung dieses Gemäldes – war Leibl nach Paris
gereist, wo er in Kontakt mit Gustave Courbet (und wahrscheinlich auch
Édouard Manet) trat und die Bilder von Frans Hals im Louvre bewunderte.
1870 kehrte Leibl nach München zurück. Bis 1873 hatte er sich aufs
bayerische Land zurückgezogen, das ihm die bäuerlichen Motive bot, die
seine Kunst über die nächsten zwei Jahrzehnte beherrschten. Das Sujet
dieses Gemäldes – ganz zu schweigen von der Pose – ist unspektakulär.
Ein scheinbar schüchterner Junge sitzt krumm auf einem Stuhl da, der zu
hoch und zu breit für ihn ist; tatsächlich hängt er vielmehr statt zu
sitzen. Das Werk beeindruckt den Betrachter nicht durch seine technische
Virtuosität, sondern durch seine einfache Schönheit – seine
Interpretation eines bäuerlichen Modells, unbeholfen und verletzlich, in
komplexen, aber schmucklosen Beige- und Brauntönen. Die Farbtöne sind
nicht durch genaue Konturen begrenzt: Stattdessen gehen sie, jedenfalls
von der Taille des Jungen abwärts, fließend in den Hintergrund über und
lassen lediglich Pinselstriche übrig, um die Form zu definieren. Auf
diese Weise gibt der Bauernjunge
einem reinen, malerischen Impuls nach und nimmt damit bestimmte Aspekte
des deutschen Impressionismus vorweg. Ebenso weist Leibls Werk auf den
Impressionismus voraus, indem es auf eine ausdrückliche soziale
Stellungnahme verzichtet und vielmehr die äußere Erscheinung einer
Person oder eines Gegenstandes erkundet. Wie Leibl erklärte, „Ich male
den Menschen, wie er ist, da ist die Seele ohnehin dabei“. (Eberhard
Ruhmer, „Leibl als Vorbild“, in Wilhelm
Leibl zum 150. Geburtstag, Hrsg. Götz Czymmek und Christian Lenz,
Heidelberg: Braus, 1994, S. 169.)