Kurzbeschreibung

Die Norddeutsche Missions-Gesellschaft gehörte bei ihrer Gründung 1836 zu den ersten protestantischen Missionsorganisationen in deutschen Landen. Als die Gesellschaft 1839 auf ihrer Generalversammlung konkret über den Standort ihrer ersten Überseemission zu diskutieren begann, galt es vor allem einen Ort zu finden, der noch nicht von einer fest etablierten protestantischen Mission bedient wurde. Wie diese Auszüge aus dem Bericht über die Siebente Generalversammlung (1842) zeigen, war neben dem Klima und der politischen Situation der potenziellen Gastgebergesellschaft und der Verbindungen zwischen ihr und Norddeutschland ein weiterer wichtiger Faktor, dass die Kultur der Zielgesellschaft dem Bildungsniveau der voraussichtlichen Missionare entsprechen sollte. Auch wenn die Norddeutsche Missions-Gesellschaft später insbesondere für ihre Missionsstationen in Westafrika – im heutigen Togo und Ghana – bekannt wurde, richtete sie ihre ersten Missionsstationen in Südasien und Neuseeland ein. Neuseeland bot unter anderem den Vorteil, dass es zwischen Bremen und der britischen Kolonie in der boomenden pazifischen Walfangindustrie Verbindungen gab. In den folgenden Auszügen wird auf unterschiedliche Weise aufgezeigt, wie weltumspannende Netzwerke entstehen – nicht zuletzt durch die Geschichte des jungen Christian Ramajen. Er stammte aus der indischen Brahmanenkaste, war zum Christentum übergetreten und wurde in die Bildungsanstalt der Gesellschaft in Hamburg aufgenommen, um dort weiter unterrichtet zu werden und später selbst als Missionar tätig zu werden.

Auszüge aus der Monatsschrift der Norddeutschen Missions-Gesellschaft: Bericht über Missionen in Ostindien und Neuseeland (1842)

Quelle

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Zu den Beschlüssen der vorigjährigen General-Versammlung gehörte auch die Aufnahme des von dem Missionsprediger Knudsen in Tranquebar getauften Brahmanen Christian Ramajen in unsere Bildungs-Anstalt. Wir meldeten diesen Beschluß bereits im Juni vorigen Jahres nach Tranquebar, erhielten aber erst am 14. Februar d.J., da uns ein früheres Schreiben verfehlte, die Nachricht von der Abreise unsers neuen Zöglings. Derselbe traf am 18. März hieselbst über London ein, nachdem seine zum Theil sehr beschwerliche Seereise fünf Monate gedauert hatte.

Anfänglich hielt es schwer, sich mit ihm zu verständigen, weil er von allen europäischen Sprachen nur die englische sehr unvollkommen spricht. Allein wir hatten die Freude, wenige Tage nach seiner Ankunft einen Besuch von dem Missionar Dr. Bernhard Schmid zu erhalten, der viele Jahre im Dienste der kirchlichen Gesellschaft Englands in Ostindien gewirkt hat, und sich mit dem neuen Ankömmling in dessen Landessprache ausführlich unterreden konnte. Es scheint ihm wohlzuthun, sich in einem christlichen Lande aufhalten zu können, wo er mit Liebe behandelt wird, und ihm keine Verfolgungen noch Anfeindungen entgegen treten.

Da aber in unserm christlichen Lande so vieles Unchristliche sich vorfindet und öffentlich geduldet wird, bedurfte es anfänglich noch mancher Belehrung über diesen ihm auffallenden Widerstreit, der ihn bei einzelnen Gelegenheiten sehr lebhaft ergriff, indem er sich vermuthlich in seiner Heimath ein schöneres Bild eines ganz christlichen Landes wird ausgemalt haben. Jetzt sind ihm aber unsere Zustände klarer geworden, ohne daß wir einen nachtheiligen Einfluß davon auf sein Gemüth befürchten.

Durch die Aufnahme des Ramajen in unsere Bildungs-Anstalt ist die Zahl der Zöglinge bis auf zehn gestiegen, und somit aller Raum im Missionshause in Anspruch genommen worden. Die Zöglinge theilen sich je nach der Zeit der Aufnahme in drei Classen, zu denen jetzt durch Ramajen’s Eintritt eigentlich noch eine vierte hinzugekommen ist, indem dessen Ausbildung eine ganz besondere Behandlung und Sorgfalt erfordert, und ein gemeinschaftlicher Unterricht mit den übrigen Zöglingen einstweilen noch nicht möglich ist.

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III.

Wir wenden uns jetzt zu den Resultaten dieser letzten Generalversammlung.

a) Gründung von Missionsstationen auf Neuseeland und in Ostindien.

Schon auf der Generalversammlung in Stade im Jahre 1839 wurde von der Bremer Committee der Vorschlag gemacht, indem besonders günstige Verhältnisse hinsichtlich einer directen Verbindung zwischen dieser Insel und Bremen vorlagen, und die Aufnahme eines auswärts gebildeten Missions-Zöglings in den Dienst unserer Gesellschaft in Aussicht stand.[1]) Da aber die Aussendung dieses Zöglings später nicht statt finden konnte und auch in demselben Jahre noch die politischen Verhältnisse auf Neuseeland sich dergestalt verwickelten, daß es zweckmäßig zu sein schien, deren Entwicklung erst abzuwarten, so sah sich der Verwaltungs-Ausschuß veranlaßt, in seinem, der nachfolgenden General-Versammlung in Lauenburg vorgelegten Gutachten über die erste Aussendung, die Gründung einer Station auf Neuseeland einstweilen noch zu widerrathen. Hierzu kam denn der Umstand, daß durch das gütige Anerbieten eines Missionsfreundes in Bremen sich die Gelegenheit dargeboten hatte, eine Inspectionsreise auf Neuseeland durch den Schiffsprediger Müller vornehmen zu lassen, deren Resultat erst abzuwarten ebenfalls rathsam schien. Der Verwaltungs-Ausschuß bezeichnete daher in seinem Gutachten Ostindien zur Gründung einer Missionsstation als vorzüglich geeignet, und nachdem auch die zur Prüfung der Vorschläge des Verwaltungs-Ausschusses niedergesetzte Commission dieses Land besonders hervorgehoben hatte, faßte die vorigjährige General-Versammlung den vorläufigen Beschluß, daß die erste Sendung der Missionare der Norddeutschen Missionsgesellschaft über Madras ins Telugu-Gebiet auf Heiderabad Statt finden solle, behielt sich aber vor, diesen Beschluß nach dem Ergebniß der ferner anzustellenden Nachforschungen und Erkundigungen späterhin vielleicht noch abzuändern.[2])

Eine solche Aenderung des Beschlusses hat nun auf der letzten General-Versammlung in so fern Statt gefunden, als zwar die Aussendung nach Ostindien weder aufgegeben, noch hinausgeschoben, aber zugleich auch die Gründung einer Station auf Neuseeland beschlossen worden ist. Folgende Umstände gaben hierzu die Veranlassung.

Die Gesellschaft beabsichtigte von Anfang an, die beiden ältesten Zöglinge Wohlers und Riemenschneider, wenn irgend möglich, nicht zu trennen, sondern beide gemeinsam mit einander auszusenden. Nun hat sich aber bei dem einen derselben durch die Folgen einer längern Krankheit, an welcher er im Anfange des vorigen Jahres litt, nach dem Urtheil des Arztes herausgestellt, daß er dem heißen Klima Ostindiens binnen kurzer Zeit unterliegen würde. Schon dieser Umstand mußte uns veranlassen, unser Augenmerk auch noch auf ein anderes Gebiet der Heidenwelt zu richten, dessen Klima dem unsrigen ähnlicher ist. Außerdem hatten uns nicht nur die Mittheilungen des Pastor Knudsen über die ostindischen Missionen, sondern auch die ausführlichen Unterredungen mit Dr. Schmid über diesen Gegenstand überzeugt, daß es für eine ostindische Mission besonders wünschenswerth sei, wenn die dorthin gesendeten Missionare aus eigentlichen Candidaten der Theologie beständen, denen es vermöge ihrer gelehrten Bildung leichter werde, sich der schwierigen Sprachen Ostindiens vollkommen zu bemächtigen. Zwar würde uns dieser Grund allein wohl nicht bewogen haben, von der Aussendung unserer beiden ältesten Zöglinge nach Ostindien abzustehen, da die Zahl der Candidaten der Theologie, welche sich gedrungen fühlen, den Heiden das Evangelium zu predigen, bis jetzt leider sehr gering ist, und die Missionsgesellschaften also genöthigt sind, Missionare von minder umfassender Gelehrsamkeit einstweilen auch zu den Culturvölkern unter den Heiden hinzusenden, bis andre Aushülfe sich ihnen darbietet.

Wir hatten aber zugleich die unerwartete Freude, von der Stader Committee benachrichtigt zu werden, daß sich der Candidat Valett aus Stade bereit erklärt habe, einem Ruf der Norddeutschen Missionsgesellschaft zum Missionsdienste in Ostindien zu folgen. Hiernach konnten wir um so mehr von der Aussendung unserer Zöglinge nach Ostindien absehen und ein anderes Gebiet für dieselben wählen.

Da Neuseeland schon früher zur Sprache gekommen war, und dieselben Gründe, welche damals für eine Aussendung dahin sprachen, noch vorlagen, dagegen aber die Bedenklichkeiten, die durch die frühere politische Lage des Landes veranlaßt wurden, seitdem gehoben waren, und wir im März d. J. auch den Inspections-Bericht des Schiffspredigers Müller erhalten hatten, der sich für eine deutsche Mission in Neuseeland besonders günstig aussprach, so fühlten wir uns von selbst nach diesem Lande hingewiesen, dessen Klima besonders im südlichen Theile dem deutschen sehr ähnlich ist.

Eine reiflichere Ueberlegung dieses Plans mußte uns endlich auch zu der Ueberzeugung führen, daß unsre Zöglinge sich für eine mit Colonisirung verbundene Mission auf Neuseeland ihren persönlichen Eigenschaften nach, mehr eignen würden, als für eine Mission in Ostindien, und so konnten wir also nach bester Ueberzeugung der General-Versammlung den Vorschlag zur Aussendung nach Neuseeland machen.

Die General-Versammlung trat diesem Vorschlage bei und übertrug uns die nähere Ausmittelung einer passend gelegenen Gegend auf einer der beiden Inseln. Die Aussendung wird schon im Herbst dieses Jahres Statt finden, nachdem Wohlers in Hamburg und Riemenschneider in Bremen zu Missionspredigern ordinirt sein werden.

Die Gründung einer Missions-Station auf Neuseeland bietet uns zugleich eine passende Gelegenheit dar, nicht nur den Zögling Heine, ungeachtet seiner Harthörigkeit, sondern auch den frühern wackern Zögling Trost, der vor einigen Jahren unsre Anstalt verließ, weil seine Leistungen auf geistigem Gebiet nie genügend zu werden versprachen, für die Zwecke der Mission zu benutzen. Trost hat bisher in der Rettungs-Anstalt im Rauhen Hause in Horn die Landwirtschaft mit musterhafter Treue und zur größten Zufriedenheit des Vorstehers beaufsichtig, und hegte fortwährend den Wunsch, als Begleiter unserer Missionare seine Kräfte der Gründung einer Station auf Neuseeland widmen zu können. Beide sind wohlgeförderte Christen, die unsern Missionaren insbesondere in Beziehung auf die äußere Einrichtung der Station von wesentlichem Nutzen sein werden. Die General-Versammlung beschloß daher dieselben als Gehülfen mit nach Neuseeland ausgehen zu lassen.

Hinsichtlich der Aussendung nach Ostindien, die schon in Rücksicht auf Ramajen im Auge behalten werden mußte, konnte die Frage aufgeworfen werden, ob unsre Mittel augenblicklich so weit reichen würden, daß auch diese gleichzeitig vor sich gehen könne.

Die nähere Erwägung unserer Kräfte führte zu dem Resultat, daß wir in Gottes Namen diesen Schritt unternehmen dürfen. Wir hielten es in Beziehung auf Ramajen für nothwendig, daß er bei seiner späteren Aussendung schon eine von unserer Gesellschaft gegründete Station vorfinde, die ihm zum Anhaltspunct dienen können, da wir erwarten dürfen, daß er als Eingeborner anfänglich besondere Schwierigkeiten und Anfechtungen zu überwinden haben wird.

Die General-Versammlung beschloß daher, den Candidaten Valett, der nicht nur von der Stader Committee ganz besonders empfohlen worden war, sondern auch persönlich sich auf der General-Versammlung vorgestellt hatte, zum Dienst der ostindischen Mission zu berufen und, sobald die nöthigen Vorbereitungen getroffen sein würden, auszusenden. Valett nahm den Ruf der Gesellschaft an, und trat von Stund an in ihren Dienst.

Während der Zeit seiner Vorbereitung wird er sich im Bereich des Missionshauses aufhalten, um mit dem Verwaltungs-Ausschuß näher bekannt zu werden, und insbesondere auch den Unterricht des Ramajen zu übernehmen. Seine Aussendung wird, wenn irgend möglich, auch bereits im nächsten Herbst Statt finden.

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Anmerkungen

[1] S. d. 4ten Bericht Pag. 18
[2] S. d. 6ten Bericht Pag. 13.

Quelle: „Siebenter Bericht der norddeutschen Missions-Gesellschaft“, Monatsblatt der Norddeutschen Missions-Gesellschaft. Dritter Jahrgang 1842. August, S. 249–57.