Kurzbeschreibung

Der Nationalverein sprach sich in seiner Gründungsakte vom 14. August 1859 mit Nachdruck für eine kleindeutsche Lösung der deutschen Frage unter preußischer Führung aus. Die von Nationalliberalen gegründete Organisation wurde 1867 aufgelöst, nachdem Preußen 1866 durch seinen Sieg über den Rivalen Österreich die Vorherrschaft in Deutschland erlangt hatte und die Reichseinigung vorantrieb.

Eisenacher Erklärung des Nationalvereins (1859)

Quelle

Die augenblicklichen gefährlichen Zustände Europas und Deutschlands und das Bedürfnis, politische Parteiforderungen der großen gemeinsamen Aufgabe der deutschen Einigung unterzuordnen, haben eine Reihe Männer, welche teils der demokratischen, teils der konstitutionellen Partei angehören, aus verschiedenen deutschen Ländern zusammengeführt, um sich über die Herbeiführung einer einheitlichen deutschen Verfassung und die zur Erreichung eines solchen Zieles erforderliche Tätigkeit zu verständigen.

Dieselben haben im Anschluß an die Eisenacher Erklärung vom 17. und die Hannoversche Erklärung vom 19. Juli 1859 über folgende Punkte sich vereinigt:

1. Wir erblicken in der gegenwärtigen politischen Weltlage große Gefahren für die Unabhängigkeit unseres deutschen Vaterlandes, welche durch den zwischen Österreich und Frankreich abgeschlossenen Frieden eher vermehrt als vermindert worden sind.

2. Diese Gefahren haben ihren letzten Grund in der fehlerhaften Gesamtverfassung Deutschlands, und sie können nur durch eine schleunige Änderung dieser Verfassung beseitigt werden.

3. Zu diesem Zweck ist es notwendig, daß der deutsche Bundestag durch eine feste, starke und bleibende Zentralregierung Deutschlands ersetzt und daß eine deutsche Nationalversammlung einberufen werde.

4. Unter den gegenwärtigen Verhältnissen können die wirksamsten Schritte zur Erreichung dieses Zieles nur von Preußen ausgehen; es ist daher dahin zu wirken, daß Preußen die Initiative dazu übernehme.

5. Sollte Deutschland in der nächsten Zeit von außen wieder unmittelbar bedroht werden, so ist bis zur definitiven Konstituierung der deutschen Zentralregierung die Leitung der deutschen Militärkräfte und die diplomatische Vertretung Deutschlands nach außen auf Preußen zu übertragen.

6. Es ist Pflicht jedes deutschen Mannes, die preußische Regierung, insoweit ihre Bestrebungen davon ausgehen, daß die Aufgaben des preußischen Staates mit den Bedürfnissen und Aufgaben Deutschlands im wesentlichen zusammenfallen und soweit sie ihre Tätigkeit auf die Einführung einer starken und freien Gesamtverfassung Deutschlands richtet, nach Kräften zu unterstützen.

7. Von allen deutschen Vaterlandsfreunden, mögen sie der demokratischen oder der konstitutionellen Partei angehören, erwarten wir, daß sie die nationale Unabhängigkeit und Einheit höher stellen, als die Forderungen der Partei, und für die Erreichung einer kräftigen Verfassung Deutschlands in Eintracht und Ausdauer zusammenwirken.

Quelle: R. Le Mang, Der deutsche Nationalverein. Berlin, 1909, S. 18f; abgedruckt in Ernst Rudolf Huber, Hrsg., Deutsche Verfassungsdokumente, 1851–1900, Band 2, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, dritte neubearbeitete und vermehrte Auflage. Stuttgart: W. Kohlhammer, 1986, S. 104–05. Wiedergabe auf dieser Website mit freundlicher Genehmigung des Kohlhammer-Verlags.