Quelle
1) Die Reform der Verfassung des deutschen Bundes ist ein dringendes und unabweisliches Bedürfniß, sowohl um die Machtstellung nach Außen als die Wohlfahrt und bürgerliche Freiheit im Innern kräftiger als bisher zu fördern.
2) Diese Reform muß allen deutschen Staaten das Verbleiben in der vollen Gemeinsamkeit möglich erhalten.
3) Sie findet ihren Abschluß nur in der Schaffung einer kräftigen Bundes-Executiv-Gewalt mit einer nationalen Vertretung.
4) Als die nach den bestehenden Verhältnissen allein mögliche Form einer Bundes-Executiv-Gewalt stellt sich eine concentrirte collegiale Executive mit richtiger Ausmessung des Stimmenverhältnisses dar.
5) Als ein erster Schritt zur Schaffung einer nationalen Vertretung ist die von acht Regierungen beantragte Delegirten-Versammlung anzuerkennen. Hierbei wird vorausgesetzt, daß die Regierungen keine Zeit verlieren, jene Versammlung zu einer periodisch wiederkehrenden Vertretung am Bunde mit erweiterter Competenz zu gestalten.
6) Um ihr die nöthige moralische Geltung zu sichern, ist eine größere Zahl von Mitgliedern erforderlich. Der Gesetzgebung der einzelnen Staaten ist die Art und Weise der Wahl zu überlassen, jedoch die Wählbarkeit nicht auf die Mitglieder der einzelnen Landesvertretungen zu beschränken.
7) Die Reform ist nur auf der Grundlage der bestehenden Bundesverfassung durch Vereinbarung herbeizuführen.
8) Wenngleich ein Bundesgericht, dessen Unabhängigkeit gesichert ist, als eine Einrichtung von wesentlichstem Nutzen sich darstellt, so erscheint doch der neueste in dieser Beziehung gemachte Vorschlag nicht zweckgemäß.
Quelle: Verhandlungen der großdeutschen Versammlung zu Frankfurt a. M., 1862, S. 11; abgedruckt in Ernst Rudolf Huber, Hrsg., Deutsche Verfassungsdokumente, 1851–1900, Band 2, Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte, dritte neubearbeitete und vermehrte Auflage. Stuttgart: W. Kohlhammer, 1986, S. 109–10. Wiedergabe auf dieser Website mit freundlicher Genehmigung des Kohlhammer-Verlags.