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I. Teil 1
Die folgende Beobachtung scheint mir der Mittheilung werth, nicht bloss, weil durch sie die seit geraumer Zeit schwebende Frage gelöst wird: ob Kohlentheilchen in grösserer Menge in das Innere des Athmungsorgans einzudringen und in den Lungenalveolen sich anzuhäufen vermögen, sondern auch in Rücksicht auf einige allgemein-pathologische Fragen, zu deren einstiger Lösung sie wichtige Beiträge liefert. Man wird es deshalb auch verzeihlich finden, wenn ich auf die mir beweiskräftig scheinenden Einzelnheiten und sogar auf Nebenumstände etwas ausführlicher eingehe.
Beobachtung.
H., Arbeitsmann, 54 Jahre alt, wurde am 21. Octbr. 1860 in die Charité aufgenommen. Er leidet seit ungefähr 20 Jahren an Husten mit weisslichem Auswurf. Der Husten verschwand oft gänzlich, kehrte aber bei der unregelmässigen Lebensweise des Pat. (er ist eigenem Geständniss nach Potator) immer bald wieder. Seit einer Reihe von Jahren gesellte sich Kurzathmigkeit hinzu, die besonders nach stärkeren Anstrengungen hervortrat. Haemoptysis oder Brustschmerzen sollen dabei nie vorhanden gewesen sein. Früher liess Pat. sich alljährlich um Johanni einen Aderlass machen, was aber seit 12 Jahren unterblieben ist. Aerztliche Hülfe will er die ganze Zeit über nie in Auspruch genommen haben.
Vor 3½ Monaten nahmen, angeblich in Folge schwerer Arbeit, bei der sich Pat. anhaltend der ungünstigen Witterung aussetzen musste, Husten und Auswurf, namentlich aber die Athemnoth dermassen zu, dass er seine Beschäftigung aufgeben musste. Zu diesen Beschwerden kam nach einigen Wochen noch Anschwellung der Beine. Ein nun herbeigerufener Arzt schickte ihn in ein Krankenhaus, das er aber, da der Husten stärker, der Auswurf reichlicher wurde, und auch die Athemnoth und die wassersüchtige Schwellung zunahmen, schon nach 4 Wochen wieder verliess. Zu Hause angelangt, musste er, da er sich sehr matt und angegriffen fühlte, ununterbrochen das Bett hüten. Nachdem er so abermals 14 Tage zugebracht hatte, ohne eine Abnahme seines Leidens zu verspüren die Wassersucht nahm im Gegentheil zu und verbreitete sich auch über den Oberkörper, nahm er seine Zuflucht zur Charité. Hier soll sich, obgleich er etwa 8 Tage nach der Aufnahme etwas Blutspucken bekam, sein Leiden rasch gebessert haben. Wie die eingezogenen Erkundigungen ergaben, diagnostisirte man damals einen diffusen Bronchialkatarrh mit Lungenemphysem. Der Harn war frei von Eiweiss. Gegen den Hydrops wurden anfangs verschiedene Diuretica ohne Erfolg gebraucht. Endlich trat unter dem Gebrauche einer Saturatio communis reichliche Diurese ein. Mit dem Verschwinden des Hydrops minderten sich auch der Husten, der Auswurf und die Athemnoth. Ein anderes Uebel, eine Anschwellung des rechten Beins, durch Venenthrombose bedingt, das sich kurz nach der Aufnahme zu dem Hauptleiden gesellt hatte, wurde ebenfalls (durch Einreibungen von grauer Salbe und nachheriges Bepinseln mit Tinctura Jodi) beseitigt.
Gleich nach der Entlassung aus der Charité, die vor etwa 14 Tagen erfolgte, bemerkte Pat., obgleich er nicht wieder zu seiner Arbeit zurückgekehrt war, dass die Schwellung der Beine und des Leibes sich von Neuem einstellte. Gleichzeitig wurden auch Husten und Lustmangel wieder stärker, der Auswurf reichlicher und der Harn spärlicher. Bald nahmen die Beschwerden so überhand, dass er sich abermals gezwungen sah, in die Anstalt zu kommen, wo er diess Mal auf meine Abtheilung verlegt wurde.
Die am 22. October Mittags vorgenommene Untersuchung ergab Folgendes:
Nicht grosser, ziemlich kräftig gebauter Mann mit fettarmem Panniculus und schmutzig blasser Färbung der Wangen, geringer Röthe der Lippen. Erhöhte Rückenlage. Vollkommenes Bewusstsein. Pat. klagt: über Husten, Luftmangel und über Schwellung des Unterleibes, die mit einem Gefühl von Spannung verbunden sei. Die Haut des Rumpfes hat einen entschiedenen Stich in‘s Bläuliche, der noch stärker an den Unterextremitäten hervortritt. Am rechten Unterschenkel Spuren früherer Geschwürsbildung. Beine ziemlich stark geschwollen, weniger der Hodensack.
Brustkasten abnorm stark gewölbt; zwischen Claviculae und 6. Rippenpaar bildet die vordere Wand fast ein Kugelsegment. Von hinten aus gesehen zeigt sich die untere Brusthälfte breiter als gewöhnlich. Inspirationstypus costo-abdominal mit geringer Bewegung der Rippen, starker Excursion der Bauchdecken und mässiger Contraction der Scaleni. Percussionsschall an der vordern Brustwand laut, ziemlich tief, nicht tympanitisch. In der rechten Seitenwand ist der Schall oben ebenso, weiter abwärts aber höher. Die untere Grenze der rechten Lunge befindet sich auf der Parasternallinie in der Höhe der 6. Rippe, auf der Axillarlinie in der Höhe der 8. Rippe; die untere Grenze der linken Lunge auf der Axillarlinie ebenfalls in der Höhe der 8. Rippe. Hinten ist der Percussionsschall beiderseits im untern Drittel gedämpft. Die Auscultation ergiebt vorn beiderseits schlürfendes (vesiculäres) Athmen mit Pfeifen, letzteres besonders bei der Exspiration, hinten an den unteren Partien äusserst schwaches unbestimmtes Geräusch, zeitweise mit leisem Schnurren, in der oberen grösseren Hälfte reines schlürfendes Athmungsgeräusch. Häufiger Husten, besonders in der horizontalen Lage, daher Nachts, wie Pat. meint, häufiger als am Tage; doch verschwindet er angeblich sofort, wenn Pat. sich aufsetzt. Auswurf, gegenwärtig nicht vorhanden, soll ziemlich reichlich sein.
Der Schall in der Herzgegend fast ebenso laut als an der entsprechenden Stelle links. Spitzenstoss fehlt. Man bemerkt nur eine schwache sichtbare Hebung der linken Brustwarze, die sich im 4. Intercostalraum befindet. Die Töne rein, von mässiger Stärke. Herzklopfen nicht vorhanden, obgleich die Herzaction unregelmässig ist. Radialarterien auffallend geschlängelt, von mittlerem Umfang, ihre Wände etwas verdickt, Spannung mässig, Puls ziemlich klein. Die Carotiden zeigen ebenfalls einen kleinen Puls. Starke Anschwellung der Vena jugul. int. sinistra. Von oberflächlich gelegenen Venen sind die jugulares externae laterales und anteriores und die seitlichen Hautvenen des Brustkastens geschwollen, und deren Wände gleichzeitig verdickt. Die Vena saphena dextra bildet einen dicken soliden cylindrischen Strang. Zunge etwas bläulich, kühl, feucht, wenig belegt. Unterleib stark aufgetrieben; Bauchdecken ziemlich stark gespannt. Ascites mit nicht erheblichem Meteorismus. Die Grenzen der Leberdämpfung nicht genau bestimmbar. Verordnung: Infus. rad. Senegae (3ij) . . . Liq. Ammon. anisat. 3j, Elaeosacch. Menthae crisp. 3j, 2stündlich 1 Esslöffel.
Abends: 112 Pulse; 40 Athemzüge; Temperatur = 36°,7.
23. Octbr.: Nachts wenig geschlafen. 112 Pulse; 32 Athemzüge; Temperatur = 36°,5.
Appetit gut; seit gestern 4 wässrige Darmentleerungen. Harn sehr sparsam, braunroth, klar, ohne Bodensatz. Sehr heftige quälende Hustenparoxysmen. Der Auswurf besteht aus einer geringen Zahl grauer, stark durchscheinender, schwarz punktirter Ballen, welche ausser zahlreichen Schleimkörperchen eine ziemliche Anzahl grösserer, mit schwarzen Molekeln erfüllter Zellen und auffallend viele nicht in Zellen eingeschlossene schwarze Partikeln enthalten. Die schwarzen Körperchen zeigen durchweg eine scharsbegrenzte eckige, dabei aber sehr unregelmässige Gestalt. Theils dieser Umstand, theils die beträchtliche Grösse vieler erwecken den Gedanken in mir, dass es sich nicht um schwarzes Pigment, sondern möglicherweise um eingeathmete Kohlentheilchen handle. Aus diesem Grunde um seine Beschäftigung befragt, erzählt Pat. nachträglich, dass er seit dem Jahre 1848 bis vor 3½ Monaten bei dem Auf- und Abladen von Holzkohlen beschäftigt gewesen sei, dass er bei dieser Arbeit sich beständig in einer staubigen Atmosphäre befunden und häufig schwarze Sputa expectorirt habe.
[…]
Am 25. Octbr. unterwarf ich den Auswurf einer abermaligen Untersuchung. Er stellte eine schleimige, speichelähnliche Flüssigkeit dar, in der eine grosse Anzahl kleiner ihre Gestalt leicht verändernder, gelblicher Flocken und zahlreiche schwarze Punkte von unregelmässiger Gestalt, die unter der Pincette zergehen, suspendirt sind. Die schwarzen Punkte zeigen unter dem Mikroskop: a) theils grosse, zellige Gebilde von der Grösse und Gestalt der Lungenepithelien, theils kleinere Zellen von der Grösse der Schleimkörperchen, deren Mehrzahl grössere, eckige, schwarze Partikeln enthält; b) stellenweise sehr umfängliche Gruppen von meist grossen, eckigen, schwarzen Partikeln, die zum Theil wie Echinococcushaken gestaltet sind, aber auch mannigfache andere Formen besitzen und durchgängig scharf contourirt sind; c) eine mässige Menge erblasster, rother Blutkörperchen. Die meisten der den Schleimkörperchen ähnlichen Zellen enthalten mehrere bis vier kleine Kerne.
Vom 26. Octbr. bis zum 4. Novbr. beobachtete man Folgendes:
Fortdauernd auf dem Rücken liegend mit erhöhtem Oberkörper und schwer beweglich. Durch den stetig zunehmenden Hydrops wird Pat. von häufigen, äusserst heftigen und lang dauernden Hustenparoxysmen gequält, in Folge deren die ohnehin bedeutende Athemnoth noch beträchtlich zunimmt. Während der Hustenanfälle steigerte sich auch die sonst nicht erhebliche Cyanose zu einem so hohen Grade, dass Gesicht und Hals ganz dunkelblau wurden. Gleichzeitig klagte Pat. dabei über starke Schmerzen in der rechten Weiche und über ein Gefühl, als ob ihm der Leib platzen müsste. Der Auswurf immer erst nach grosser Anstrengung erfolgend und in 24 Stunden etwa 34 Unzen betragend, besteht wie früher aus einer stark durchscheinenden, trüben, grauen, speichelähnlichen Flüssigkeit, in der die schleimig-eitrigen Flocken immer gelber, undurchsichtiger, grösser und zahlreicher werden, während die Menge der schwarzen Punkte sich ziemlich gleich bleibt. Die letzteren finden sich sowohl in der Flüssigkeit, als innerhalb der gelben Flocken, und zeigen bei der mikroskopischen Untersuchung stets eine grosse Menge der beschriebenen schwarzen Partikeln, die weit überwiegende Mehrzahl nicht in Zellen eingeschlossen. Unter den mannigfaltigen Formen, die diese zum Theil sehr langen, eckigen Körperchen darbieten, fallen besonders diejenigen auf, die eine oder zwei regelmässig kreisförmige Oeffnungen von immer nahezu gleichem Umfange in ihrem Innern oder verschieden grosse Segmente solcher Oeffnungen am Rande zeigen. Bei wiederholter Betrachtung machten sich zwischen den schwarzen Partikeln auch bräunliche in‘s Rothe spielende von übrigens gleichem Verhalten bemerklich.
[…]
II. Teil 2
Die am 22. Novbr. Mittags vorgenommene Leichenschau ergab Folgendes:
Kräftig gebauter, aber stark abgemagerter Körper; Gesicht sehr eingefallen mit einem starken Stich in‘s Gelbliche. Das Unterhautbindegewebe des linken Unterschenkels eitrig infiltrirt, an einzelnen Stellen breiartig weich; nirgends greift die Eiterung in die Tiefe. Die rechte Vena saphena in ihrer ganzen Ausdehnung mit alten dunkelrothen Thromb‘en erfüllt, welche nur im obern Theile etwas adhäriren und hier zugleich sehr brüchig sind; Vena femoralis frei.
Herzbeutel fast durchweg mit dem Herzen verwachsen durch eine dicke Schicht neugebildeten Bindegewebes, in welches stellenweise kleine Tuberkeln, aber nur in geringer Zahl, eingebettet sind. Hier und da, namentlich langs der hintern Herzwand, lassen die beiden Lagen, aus denen diese Bindegewebsschicht besteht, spaltförmige, mit hartem trockenem Faserstoff gefüllte Lücken zwischen sich. Das Herz ist nicht erheblich vergrössert, die rechte Kammer etwas erweitert und mässig hypertrophirt. Das Muskelfleisch ziemlich schlaff und dunkelbraun. Die Aortenklappen verdickt, etwas verkürzt, zwei derselben in der Länge von etwa 1½ Linien mit einander verwachsen; an der Kammerfläche in der Gegend der Noduli sparsame, kleine, harte Auswüchse. Eben solche auf der Vorhofsfläche des einen Zipfels der Mitralklappe. Die Pulmonararterie etwas erweitert, auch ihre Wände nur wenig verdickt.
In den Brustfellsäcken eine mässige Menge blutiger Flüssigkeit Die Lungen, an zahlreichen Stellen mit der Pleura parictalis zusammenhängend, zeigen an den untern Partien reichliche, blutig gefärbte Faserstoffauflagerungen, besonders links. Beide aufblasbar bis auf den etwas verkleinerten und verunstalteten linken untern Lappen, dessen Entwickelung nicht vollständig gelingt. Emphysematös entartet sind nur zwei wenig umfängliche Stellen, von denen die eine sich im vordern Rande des linken obern, die andere am rechten untern Lappen befindet. Unter der Pleura reichliche und grosse Gruppen schwarzer Flecke, die sich durch zwei Umstände von den gewöhnlichen Pigmentflecken unterscheiden, einmal dadurch dass sie selbst in der Gegend der obern Lappen, wo die Pleura wenig oder gar nicht verdickt ist, sich nicht so scharf umschrieben zeigen, ferner durch den Umstand, dass sie nicht wie die gewöhnlichen Pigmentflecke nach dem Verlauf der Zwischenrippenräume angeordnet erscheinen. Die Schnittfläche beider Lungen erscheint bis auf wenige kleine Stellen (zu denen die wie gewöhnlich blassen emphysematösen Partien gehören) gleichmässig dunkelschwarz gefärbt, sie ist dabei durchgangig glatt, glänzend und so weich wie die von normalem Parenchym anzufühlen. Auf Druck ergiesst sie überall eine stellenweise sehr reichliche, schaumige, seröse Flüssigkeit von schwarzer Farbe, welche die Finger wie die Auflosung einer schlechten schwarzen Tusche färbt. Nirgends zeigen sich Züge von neugebildetem Bindegewebe oder Indurationen. Die Bronchien, soweit sie mit dem Messer verfolgt wurden, zeigten nichts wesentlich Abnormes; über die Beschaffenheit der Schleimhaut liess sich wegen der bereits eingetretenen Verwesung nichts Zuverlässiges aussagen; jedenfalls konnten keine erheblichen Verdickungen bestanden haben, weil diese erfahrungsgemäss der beginnenden Verwesung Widerstand leisten. In der Luftröhre spärlicher weisser Schleim. In einigen Pulmonararterienästen kleine alte Blutgerinnsel. Die Bronchialdrüsen vergrössert, schwärzlich, stellenweise käsig entartet.
[…]
Die noch während der Leichenöffnung vorgenommene Untersuchung der von den Schnittflächen der Lungen sich ergiessenden schwarzen wässrigen Flüssigkeit zeigte in derselben:
a) Alle die mannigfaltigen Gestalten der schwarzen und rothen Partikeln, die sich während des Lebens im Auswurf dargeboten hatten;
b) kugelrunde schwarze Körper von verschiedener Grösse, viele darunter 56 Mal grösser als gewöhnliche Lungenepithelien, aus einem dichten Aggregat der beschriebenen schwarzen Partikeln bestehend, an denen eine deutliche Zellenwand nicht nachzuweisen war;
c) einzelne wohlgebildete Zellen von der Grösse und Gestalt der Lungenepithelien, in denen neben einem Kern von der Gestalt und Grösse desjenigen, den die Lungenepithelien enthalten, kleinere und grössere, schwarze eckige Körperchen mitunter so lange, dass sie die Grösse des grössten Zellendurchmessers hatten, zu sehen waren:
d) umfängliche Aggregate von ganz normalen Epithelien.
Als später auch dünne und durch Bepinseln ihres schwarzen Inhalts verlustig gegangene Schnitte des Lungenparenchyms untersucht wurden, zeigte sich an den völlig durchsichtig gewordenen Stellen derselben, was nach dem makroskopischen Verhalten zu erwarten war, keine Spur von neugebildetem Bindegewebe.
Epikrise.
I. Meine Ueberzeugung, dass die in diesem Falle nach dem Tode im Lungenparenchym und während des Lebens im Auswurf gefundenen schwarzen und röthlichen Partikeln wenigstens zum grössten Theil Kohlentheilchen sind, stützt sich auf folgende Thatsachen:
a) Auf den Umstand, dass sie sich, man kann zuversichtlich sagen, in jeder Beziehung von den Pigmentmolekülen unterscheiden, die man so beständig und in so grosser Menge in den Lungen Erwachsener und so häufig in dem gewöhnlichen katarrhalischen und pneumonischen Auswurf antrifft.
In beiden Auswurfsarten sieht man die schwarzen Theilchen fast ausschliesslich in Zellen eingeschlossen, ferner durchgängig von sehr geringem Umfange, und nie von der beschriebenen unregelmässig eckigen Gestalt. Und von gleicher Beschaffenheit sind die grösstentheils freien (d. h. nicht in Zellen eingeschlossenen) Körnchen, die man im Auswurf bei melanotischer Lungenphthise antrifft. Das hiervon so abweichende Verhalten der schwarzen Theilchen in dem Auswurf unseres Kranken, als ich ihn zum ersten Male untersuchte, war es denn auch, was mich, wie bereits erwähnt ist, auf den Gedanken brachte, sie für Kohlentheilchen zu halten. Ich musste in dieser Anschauung bestärkt werden, als ich durch wiederholte Untersuchung immer mehr von den beschriebenen sonderbaren Formen zu Gesicht bekam. Dass aber das schwarze Pigment in den Lungen selbst sich nicht anders als das bei Katarrh, Pneumonie und melanotischer Phthise im Auswurf erscheinende verhalte, lehrt schon ein selbst oberflächlicher Blick in‘s Mikroskop.
b) Eine zweite Thatsache ist die empirisch dargethane Uebereinstimmung der schwarzen und röthlichen Theilchen, die sich in dem Auswurf finden, mit dem Staube des Materials, das Pat. 12 Jahre hindurch zu handhaben sich genöthigt sah. Ich liess mir nämlich gleich nach den ersten Untersuchungen des Auswurfs Holzkohlen von dem Hofe kommen, auf dem Pat. gearbeitet hatte, und untersuchte die durch leises Schütteln und Klopfen der erhaltenen Bruchstücke frei werdenden feinsten Theilchen, die begreiflich am ehesten eine Aehnlichkeit mit denjenigen haben mussten, welche wegen ihres geringen Umfangs in der Atmosphäre suspendirt von dem Kranken eingeathmet wurden. Der Versuch bestätigte, wie die beiliegende Tafel (die gleich den anderen beiden Hr. Dr. Munk anzufertigen die Güte hatte) zeigt, meine Vermuthung auf das Schlagendste. Die Uebereinstimmung dieser Figuren mit denen, die die Theilchen des Auswurfs darstellen, kann nicht grösser sein. Leider achtete ich damals zu wenig auf die röthlichen Partikeln, die deshalb auf dieser Tafel nicht vertreten sind.
c) Eine dritte Thatsache ist die Uebereinstimmung einzelner Gestalten im Auswurf mit den Zeichnungen, die wir von den Holzzellen von Pinus sylvestris besitzen. Das Nöthige darüber ist bereits in der Krankheitsgeschichte beigebracht. Hier wäre noch hinzuzufügen, dass die dort erwähnten Bruchstücke mit den runden Löchern oder Segmenten von solchen unzweifelhaft verkohlten Markstrahlzellen angehören.
Die Erklärung des gleichzeitigen Vorkommens schwarzer und röthlicher Partikeln sowohl im Auswurf als im Lungenparenchym scheint mir nicht schwierig. Die Farbe der letzteren rührt davon her, dass ihre Verkohlung nicht so weit gediehen ist, als die der schwarzen. In der That vermögen wir an jedem Stückchen Holz und Papier dieselbe Farbenverschiedenheit zu erzeugen, je nachdem wir dasselbe mehr oder weniger stark dem Einfluss der Flamme aussetzen.
[…]
III. Nicht unwichtig erscheint mir ferner die von mir wiederholt und genau an einzelnen Lungenepithelien post mortem constatirte Thatsache, dass dieselben Kohlentheilchen enthielten. Diese Thatsache beweist, dass selbst dem Organismus durchaus fremde Körper in Zellen eingedrungen sein können, ohne deren Zerfall oder auch nur wahrnehmbare Veränderungen an ihnen herbeizuführen. Die Frage: in welcher Weise diese Intussusception zu Stande gekommen, scheint mir nicht schwer zu beantworten. Die von dem inspiratorischen Luftstrom getriebenen Theilchen langen mit einer gewissen Geschwindigkeit in den Alveolen an, und müssen darum, zumal als spitze Körper, die ihnen entgegenstehenden Zellenwände leicht durchbohren können.
IV. Eine andere Frage ist: Welcher Theil des hier geschilderten Symptomencomplexes war durch die Anwesenheit der Kohlentheilchen im Lungenparenchym bedingt? Pat. behauptete, bei seiner Aufnahme im October, bereits 20 Jahre an Husten und Auswurf zu leiden. Da seine Beschäftigung im Kohlenstaube erst 1848 begann, so können diese Erscheinungen nur auf einen einfachen Katarrh bezogen werden, der bereits vor dieser Zeit vorhanden war. Schon zweifelhafter ist die Deutung des Luftmangels, da dieser sich erst später zu dem Husten und Auswurf hinzugesellte. Möglich, dass der Pat. genauere Angaben über den Zeitpunkt des Eintritts dieser Erscheinung zu machen vermocht hätte; ich habe es leider unterlassen, ihn danach zu fragen. Die Krankheit, von der er 3½ Monate vor seiner Aufnahme befallen wurde, war, wie sich bei der Section herausstellte, eine Pericarditis, die später durch eine doppelseitige Pleuritis complicirt wurde. Auf diese Affection bezog sich zweifellos die Orthopnoë, die Unregelmässigkeit der Herzaction, die Veränderung, die der Harn darbot, die Cyanose und der Hydrops. Denn es sind diess Erscheinungen, die schon in einfachen Fällen von schleichender Herzbeutelentzündung häufig beobachtet werden. An Symptomen, die auf die Anhäufung der Kohlentheilchen im Lungenparenchym bezogen werden könnten, bleibt uns also nichts als der eigenthümliche Husten, den ich mir dadurch erkläre, dass durch die vermehrte Secretion von Flüssigkeit in den Lungenalveolen fortdauernd Kohlentheilchen in die Bronchien geriethen, welche hier wegen ihrer eckigen und spitzigen Gestalt reizend auf die Schleimhaut wirkten. Diese Erklärung setzt freilich voraus, dass die Reflexbewegungen des Hustens nicht vom Lungenparenchym her ausgelöst werden können, aber diess stimmt in der That mit anderen klinischen Thatsachen überein. Das Aufhören des Hustens in der letzten Zeit scheint mir dadurch zu erklären, dass unter dem Einfluss der vermehrten Darmsecretion die abnorme Secretion in den Lungenalveolen sistirt wurde. In der That wurde eben um diese Zeit der Auswurf sehr sparsam.
V. Eine fernere Frage von klinischer Wichtigkeit ist die, ob der Aufenthalt in einer staubigen Atmosphäre schon für sich hinreiche, um die Anhäufung seiner Körperchen in den Lungenalveolen herbeizuführen. Erwägt man, wie viele Menschen dauernd in einer solchen Atmosphäre sich aufhalten, ohne irgend welche Erscheinungen eines Leidens ihres Athmungsapparates darzubieten, so drängt sich fast von selbst die Vermuthung auf, dass zu dieser Bedingung noch eine zweite hinzutreten müsse. Der oben hervorgehobene Umstand, dass unser Pat., als seine Beschäftigung auf dem Kohlenhofe begann, bereits längere Zeit an Bronchialkatarrh litt, scheint mir darauf hinzudeuten, dass möglicherweise eine Störung des Mechanismus der Flimmerbewegung diese zweite Bedingung sei, indem entweder die Bewegung der Flimmerhaare durch den Schleimüberzug gehemmt, oder ihre Leistung wegen mangelhafter Ernährung der sie tragenden Zellen vermindert wird.
VI. Schliesslich mag noch auf die Aehnlichkeit des Zustandes, welchen die Lungen in diesem Falle darboten, mit dem, den verschiedene Autoren unter dem Namen: „schwarzes Lungenödem" beschrieben haben, hingewiesen sein. Ich selbst habe, so weit meine Erinnerung reicht, etwa drei Fälle dieser Affection gesehen. In allen war nicht nur das Parenchym von gleichmässig schwarzer Farbe, sondern auch die von dessen Schnittfläche sich ergiessende Flüssigkeit schwarz gefärbt, woraus geschlossen werden muss, dass die färbenden Partikel auch hier wenigstens zum Theil nur lose in den Lungenalveolen sassen. Möglicherweise ist also auch das „schwarze Lungenödem" durch Anschoppung der Lungenalveolen mit Kohlentheilchen bedingt.
In Rücksicht auf die beifolgenden Abbildungen ist zu bemerken: 1) dass sie nur die Formen der Kohlentheilchen im Auswurf, aus der Lunge und aus dem Staube der herbeigeschafften Kohle enthalten, welche dem gewöhnlichen schwarzen Pigment gegenüber am meisten charakteristisch erschienen; 2) dass mehrere der auf Taf. I. (wie Fig. a und b) und auf Taf. III. (wie Fig. a, b, c) abgebildeten Partikeln statt der schwarzen eine röthlichbraune Farbe darboten.
Quelle: Teil 1: „Ueber das Eindringen feiner Kohlentheilchen in das Innere des Respirationsapparates. Von Professor Traube“, Deutsche Klinik, 12, Nr. 49 (1860), S. 475–78; Teil 2: „Ueber das Eindringen feiner Kohlentheilchen in das Innere des Respirationsapparates. Von Professor Traube“, Deutsche Klinik, 12, Nr. 50 (1860), S. 487–90 (Schluss aus Nr. 49).