Quelle
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Nebenbeilage
(zu dem siebenten Protokoll[1])
Ueber den Unterschied zwischen den landständischen und Repräsentativ – Verfassungen[2]
Verfaßt von dem k. k. Hofrath von Gentz
Die richtige Auslegung des Art. 13 der Bundesacte war, ist noch heute, wenn gleich viele davon abhängende Fragen bereits factisch und einseitig entschieden worden sind, ein Gegenstand von erster Wichtigkeit.
Es kommt darauf an, den Begriff von landständischen Verfassungen und den Unterschied zwischen diesem und dem, was man gegenwärtig unter Repräsentativ-Verfassungen versteht, mit möglicher Präcision zu bestimmen.
Hierzu ist nothwendig, daß von den einen oder andern Verfassungen zuerst eine Definition gegeben, und diese durch nähere Bezeichnung ihres Grundcharakters, ihres Ursprungs, ihres Wirkungskreises, der ihnen allgemein zuerkannten Attribute, endlich ihres Verhältnisses zu der Gesammtverfassung Deutschlands erläutert werde.
1. Definition
Landständische Verfassungen sind die, in welchen Mitglieder oder Abgeordnete durch sich selbst bestehender Körperschaften ein Recht der Theilnahme an der Staatsgesetzgebung überhaupt, oder einzelnen Zweigen derselben, die Mitberathung, Zustimmung, Gegenvorstellung, oder in irgend einer andern verfassungsmäßigen bestimmten Form ausüben.
Das Wort landständische Verfassung hat, so lange es eine deutsche Sprache und Geschichte gibt, nie eine andere Bedeutung gehabt, und es konnte daher auch im 13. Artikel der Bundes-Akte keine andere gemeint sein [!]† [3]
Repräsentativ-Verfassungen hingegen sind solche, wo die zur unmittelbaren Theilnahme an der Gesetzgebung und zur unmittelbaren Theilnahme an den wichtigsten Geschäften der Staatsverwaltung bestimmten Personen, nicht die Gerechtsame und das Interesse einzelner Stände, oder doch diese nicht ausschließend zu vertreten, sondern die Gesammtmasse des Volks vorzustellen berufen sind.†
In einer landständischen Verfassung gibt es allerdings Repräsentation, und man würde sie eine Repräsentativ-Verfassung nennen können, wenn diesem Worte nicht in der neuesten Zeit eine ganz eigene, auf landständische Verfassungen nicht mehr anwendbare Bedeutung beigelegt worden wäre. Nur in dieser jetzt herrschend gewordenen Bedeutung tritt der Unterschied, oder vielleicht der Gegensatz zwischen landständischen und Repräsentativ-Verfassungen ein.
2. Grundcharakter
Landständische Verfassungen ruhen auf der natürlichen Grundlage einer wohlgeordneten bürgerlichen Gesellschaft, in welcher ständische Verhältnisse und ständische Rechte aus der eigenthümlichen Stellung der Classen und Corporationen, auf denen sie haften, hervorgegangen und im Laufe der Zeiten gesetzlich modificirt, ohne Verkürzung der wesentlichen landesherrlichen Rechte bestehen.
Repräsentativ-Verfassungen sind stets in letzter Instanz auf dem verkehrten Begriff von einer obersten Souveränität des Volks gegründet, und führen auf diesen Begriff, wie sorgfältig er auch versteckt werden mag, nothwendig zurück.†
Daher sind landständische Verfassungen ihrer Natur nach, der Erhaltung aller wahren positiven Rechte und aller wahren im Staate möglichen Freiheiten günstig.
Repräsentativ-Verfassungen hingegen haben die beständige Tendenz, das Phantom der sogenannten Volksfreiheit (d. h. der allgemeinen Willkühr) an die Stelle der bürgerlichen Ordnung und Subordination, und den Wahn allgemeiner Gleichheit der Rechte, oder, was um nichts besser ist, allgemeine Gleichheit vor dem Rechte, an die Stelle der unvertilgbaren, von Gott selbst gestifteten Standes- und Rechtsunterschiede zu setzen.†
3. Ursprung
Landständische Verfassungen entspringen aus den für sich bestehenden, nicht von Menschenhänden geschaffenen, Grundelementen des Staates, entwickeln sich mit der Entwickelung derselben, und können und müssen ohne gewaltsame Verletzung vorhandener Rechte, auf demselben Wege, auf welchem sie sich gebildet haben, zur fortschreitenden Vervollkommnung gelangen.†
Repräsentativ-Verfassungen sind die Frucht der äußeren Gewalt oder Willkühr; der Gewalt, wenn sie durch vorhergegangene Revolutionen nothwendig gemacht; der Willkühr, wenn sie ohne äußern Zwang aus einem falschen Motiv der Staatsklugheit beschlossen werden.†
Auf dem ersten Wege entstanden die Repräsentativ-Verfassungen von England und Frankreich. Der Staat war durch eine lange Reihe bürgerlicher Kriege oder rechtszerstörender Usurpationen vollständig aufgelöst.† In einem solchen Augenblicke unheilbarer Zerrüttung bleibt nichts übrig, als daß, wenn die Wuth der losgelassenen Elemente irgendwo zum Stillstand gezwungen wird, die, welche die Macht vor dem Ausbruche der Ungewitter rechtmäßig besaßen, oder denen sie im Laufe der Begebenheiten, in einer wenigstens rechtsähnlichen Form, zu Theil ward, eine neue Ordnung der Dinge zu begründen suchen.
Geschieht dieses mit Gerechtigkeit und Weisheit, mit gewissenhafter Schonung der bestehenden Verhältnisse, und besonders nach dem Grundsatz von den alten Ordnungen und Rechten, so viel als im allgemeinen Schiffbruch gerettet werden konnte, aufrecht zu erhalten, so kann ein Zustand daraus hervorgehen, der nicht nur zur Beruhigung des Ganzen, und zur Versöhnung vieler einzelnen mit einander streitenden Ansprüche, sondern auch zu großer gemeinsamer Kraft, zu einem Aufschwung der Gemüther und zu glänzendem Wohlstande führt.
Die Erscheinung ist denen, die sich uns oft in der physischen Welt nach furchtbaren Verwüstungen darbieten, so ähnlich, daß sie zu keinem, die Gesetzgebung der sittlichen Welt störenden Schlusse berechtigt, und nur Wahnsinn oder Frevel werden Städte und Dörfer verbrennen wollen, um auf ihre Trümmer einen zierlichen Bau zu stellen.
Dabei darf aber nicht verkannt werden, daß solche, durch gewaltsame Revolutionen herbeigeführte Verfassungen ihren Ursprung nie verläugnen können, und daß der Kampf mit den feindseligen Gewalten, die sie besiegt zu haben scheinen, und die unruhige convulsivische Bewegung, die er veranlaßt, selbst in den Zeitpunkten ihrer schönsten Blüthe und Fülle nicht aufhört.† Daher können auch nur große und sehr mächtige Staaten,† wo die Regierung stark genug ist und stark genug sein muß, um sich gegen immerwährenden Widerstand zu behaupten, und wo sie außerdem in den höheren, durch Besitz-Prärogative an das Bestehende gefesselten Classen eine immer bereite Stütze findet, mit Verfassungen dieser Art leben.
Kleinere Staaten, denen es an dem einen oder andern jener nothwendigen Gegengewichte, gewöhnlich aber an beiden gebricht, gehen mit dem Repräsentativsystem unausbleiblich zu Grunde.†
Da, wo Repräsentativ-Verfassungen nicht das Werk gebieterischer Umstände sind, können sie nur aus der Willkühr entspringen. Der Regent entschließt sich, sei es um augenblicklichen Verlegenheiten zu entgehen, sei es aus Furcht vor den eigenmächtigen Organen einer wild aufgeschossenen öffentlichen Meinung, sei es endlich in der übelverstandenen guten Absicht, der Wohlthäter seines Landes zu werden, zu dem gewagten Versuch, die vorhandenen von ihm nicht geschaffenen, seiner Allmacht nicht Preis gegebenen, politischen Bestandtheile des Staats, nach einem willkührlichen Prinzip zusammen zu fügen, und so das zu Stande zu bringen, was man heutigen Tags eine Constitution nennt. Er vollzieht diesen Entschluß entweder aus eigener Machtvollkommenheit, oder durch einen mit den Unterthanen abgeschlossenen förmlichen Vertrag. Im letzten Falle, wo der unsinnige Grundsatz der obersten Souveränität des Volks unmittelbar und ausdrücklich anerkannt wird, kommt die Constitution selbst, da mit diesem Grundsatze keine vereinbar ist, schon todtgeboren zur Welt;† im ersten Fall kann sie den Schein des Lebens eine Zeit lang behaupten, weil, so lange die alte Herrschaft auch nur dem Stamm nach besteht, das Gedächtnis ihrer ehemaligen Würde und das Schattenbild der alten Ordnung der Dinge, im Fortschreiten der auflösenden Kräfte noch mehr oder minder entgegenwirken.
Hierauf beschränkt sich aber auch der ganze Unterschied zwischen diesen beiden Arten der Constitutions-Erzeugung. Der wesentliche Flecken der Willkühr hängt der einen aus Machtvollkommenheit nicht weniger, als der andern an, und der ursprünglich mangelhafte Rechtstitel des constitutionellen Gesetzgebers kann durch erdichtete Zustimmung des Volks weder versteckt, noch verbessert werden. Die Folgen, wenn sie sich auch hier langsamer, dort schneller entwickeln, sind dieselben.
Die von dem Repräsentativ-System unzertrennliche Volkswahl, wie sehr sie auch auf rein willkührliche Bedingungen der Wahlfähigkeit und Wählbarkeit beschränkt werden mag, ist allemal und besonders in kleineren oder zerrissenen Staaten, der nächste Schritt zur Demagogie, und durch diese zu wiederholten Erschütterungen, unter welchen früh oder spät die rechtmäßige Macht erliegen muß.†
4. Wirkungskreis
Zu landständischen Verfassungen kann der Antheil der Stände an der Gesetzgebung, sowohl in Rücksicht auf die Gegenstände, als auf die Form ihrer Mitwirkung, mehr oder minder ausgedehnt sein. Das Maaß desselben wird theils durch früher bestandene rechtliche Verhältnisse, theils durch regelmäßige gesetzmäßige Anordnungen, theils durch die freie Weisheit des Regenten bestimmt. Der Umfang der ständischen Befugnisse kann sich unter veränderten Umständen ändern; selbst der innere Bau einer ständischen Verfassung kann, insofern es auf rechtlichen Wegen geschieht, nach dem Wechsel der Zeit und der Bedürfnisse, Veränderungen und Reformen erfahren. Nie aber kann und darf in dergleichen Verfassungen die Mitwirkung der Stände so weit gehen, daß der Landesherr aufhörte der oberste Gesetzgeber† zu sein, und wenn mit dem Antheil der Stände an der Gesetzgebung ein Recht der Aufsicht über diesen oder jenen Zweig der Staatsverwaltung verbunden wird, so muß die Ausübung dieses Rechtes auf dem Punkte, wo sie die Regierung in irgend einer ihrer wesentlichen Functionen hemmen könnte†, jederzeit ihre Gränzen finden.
In Repräsentativ-Verfassungen erscheint nicht allein die gesetzgebende Gewalt in verschiedene, ganz ungleichartige Bestandtheile zerspalten, sondern es wird auch die Einheit der Staatsverwaltung theils durch die den Volksvertretern eingeräumten, jeder willkührlichen Auslegung fähigen Rechte, theils durch fortschreitende Anmaßungen und Eingriffe dergestalt zerstückelt und gebrochen, daß es oft schwer hält zu bestimmen, wer in solchen Verfassungen eigentlich regiert.
In der Theorie des Repräsentativ-Systems steht der angebliche Grundsatz der Theilung der Gewalten oben an; ein Grundsatz, der, sich selbst überlassen, immer und überall zur gänzlichen Vernichtung aller Macht, mithin zur reinen Anarchie führen muß,† und dessen Wirkungen in großen geschlossenen Monarchien nur dadurch allein ausgewichen wird, daß die Besitzer und Verwalter der sogenannten vollziehenden Macht, durch künstliche, nicht immer unschuldige, Mittel die zerstreuten Bruchstücke der Herrschaft in ihrer Hand wieder zusammen zu fügen wissen.
Ob übrigens die Repräsentation eine oder mehrere Kammern bilde, ob sie blos aus gewählten oder zum Theil aus erblichen oder ernannten Mitgliedern bestehe, ist für den Fundamentalbegriff dieses Systems gleichgültig;† zumal wenn die Theorie dahin erweitert wird: „daß jede Kammer und jedes Mitglied jeder Kammer, ohne alle Rücksicht auf besondere Verhältnisse oder Gerechtsame, nur als Vertreter der Gesammtheit betrachtet werden sollen.[4]“ In seinen Folgen kann der Unterschied zwischen einer und zwei Kammern nur da von Bedeutung sein, wo ein Gegengewicht gegen Volksvertretungen überhaupt noch unter die Möglichkeit gehört. In großen Monarchien, die mit fortdauernder Anstrengung, Geschicklichkeit und Glück, das Repräsentativsystem ertragen lernen, giebt unstreitig die Existenz von zwei Kammern eine Wichtige und wirksame Garantie.
In kleineren Staaten ist sie nichts als ein vorübergehendes Palliativ; die Pairskammer wird nie mächtig genug, um dem Thron zur Stütze zu dienen, und die Uebermacht des volksvertretenden Elements bereitet beiden einen gemeinschaftlichen Ruin.†
5. Attribute
Allenthalben, wo das Repräsentativ-System die Oberhand gewann, hat man die doppelte Verantwortlichkeit der Minister, einmal gegen den Landesherrn und dann gegen das Volk oder dessen Vertreter, die Oeffentlichkeit der Verhandlungen, die unbeschränkte Preßfreiheit, das unbeschränkte Petitionsrecht u. s. f., als nothwendige Attribute desselben betrachtet, und daß sie mit dem Grundcharakter des Systems (der Suprematie des sogenannten Volkswillens)† in genauerem Zusammenhange stehen, läßt sich auch gar nicht in Zweifel ziehen.
Gleichwohl bedarf es keines besondern Scharfsinns, um die Unverträglichkeit solcher Anstalten mit den ersten Bedingungen einer monarchischen Regierungsform zu fassen.† Einige davon sind in so hohem Grade gefahrvoll, daß sie, selbst in den größten Monarchien, eine immerwährende Gährung unterhalten, die der Regierung mehr zu schaffen macht, als die schwierigsten ihrer positiven Geschäfte.† Wo sollten die Gewalthaber in schwächern Staaten die Mittel und Kräfte finden, deren sie bedürfen, um einem nie geendigten inneren Kriege, um täglich wiederkehrenden, bald offenen, bald geheimen Feindseligkeiten die Spitze zu bieten? So ist z. B. die Oeffentlichkeit der Verhandlungen der Volkskammer, wenn sie bis auf den Punkt täglicher Bekanntmachung des Gesammtinhaltes der Debatten getrieben wird, ein unmittelbarer Schritt zur Herabwürdigung aller Autorität und zum Untergange aller öffentlichen Ordnung um so gewisser, als, so lange jene Einrichtung besteht, jede anderweitige Beschränkung der Zügellosigkeit der Presse unmöglich oder unnütz werden muß.†
Alle diese und ähnliche Accessionen der Repräsentativ-Verfassung, sind landständische Verfassungen fremd,† oder doch nur zufällig und nie ohne mildernde Modificationen damit verbunden.
6. Verhältniß zu der deutschen Bundes-Einheit.
In der gegenwärtigen Lage Deutschlands könnten landständische Verfassungen, wie sie immer geordnet sein mögen, nie den Grundverhältnissen und Grundbedingungen des deutschen Bundes widersprechen.† In dergleichen Verfassungen hört, wie oben bemerkt worden ist, der Landesherr nicht auf, höchster† Gesetzgeber† und Haupt der gesammten Staatsverwaltung zu sein. Alles, was die äußere Sicherheit seines Staates und die darauf Bezug habenden Verhandlungen mit andern Staaten angeht, bleibt seiner uneingeschränkten Leitung überlassen.† Wenn über Gegenstände, welche die innere Gesetzgebung einzelner Bundesstaaten berühren, am Bundestage gemeinschaftlich verhandelt werden soll, so wird den einzelnen Landesherren nichts abhalten, seine Stände, in so fern ihre Concurrenz verfassungsmäßig dabei eintreten muß, zu Rathe zu ziehen. Er allein aber ist das anerkannte Organ seines Staates im gemeinschaftlichen Rathe der Fürsten, und wenn er gleich allerdings verpflichtet ist, dafür zu sorgen, daß das, was zum Besten der Gesammtheit im deutschen Bunde vorgeschlagen oder beschlossen wird, das Privat-Interesse seines Landes nicht verletze, und gegen die eigenthümliche Verfassung desselben nicht anstoße, so läßt sich doch kein Fall denken, in welchem ein Landesfürst nicht befugt sein sollte, dem beizutreten, was von ihm selbst und seinen Mitständen im Mittelpunkt der gemeinschaftlichen Berathschlagungen für nothwendig oder heilsam erkannt wird.†
Die von diesem Mittelpunkte aus einmal gefaßten Beschlüsse müssen in sämmtlichen deutschen Staaten, ohne Dazwischenkunft irgend einer andern Autorität, als gültig und bindend betrachtet werden; sie haben, in Rücksicht auf ihren Ursprung, den Rang über alle Landesgesetze, und jeder Fürst hat die rechtliche Präfunktion für sich, daß er nichts auf dem Bundestage annehmen werde, was sich mit seiner Stellung gegen die Landstände und mit dem Wohl seiner Unterthanen nicht vereinigen ließ.
Auf diese Weise allein ist die Fortdauer eines deutschen Bundesvereins denkbar,† und keine wahrhaft landständische Verfassung darf und wird Bestimmungen enthalten, die mit der Existenz jener höchsten Garantie des Friedens und der Selbstständigkeit Deutschlands in wirklichem oder auch nur scheinbarem Widerspruch stände.†
So bald es Repräsentativ-Verfassungen in Deutschland gibt, nimmt Alles eine veränderte Gestalt an. Die Unvereinbarkeit des Repräsentativ-Systems in einzelnen Bundesstaaten, mit den dem deutschen Bundestage beigelegten Rechten und Pflichten, liegt am Tage.
Die eifrigsten Anhänger der Volksvertretung haben uns selbst mit einer Bestimmtheit und Offenheit, wofür wir ihnen sogar Dank schuldig sind, die stärksten Argumente dafür geliefert.[5]
Diese Argumente sind vollkommen treffend, consequent, und von ihrer Basis ausgehend, unwiderleglich. Niemand kann in ein Bündniß mit einem Andern mehr Recht und mehr Macht mitbringen, als er unabhängig von diesem Bündnisse besitzt. Ein Fürst, der durch die Verfassung seines Landes, oder durch die derselben gegebene ausdrückliche oder faktische Auslegung für einen der Bestandtheile der gesetzgebenden Macht erklärt wird, und volksvertretenden Behörden von jeder seiner Verwaltungsmaßregeln Rede und Antwort geben muß, kann allerdings ohne Mitwirkung dieser Behörden, an Beschlüssen eines reinen Fürstenraths nicht Theil nehmen.† Was ein einzelner Regent zu Hause nicht vermag, kann auch allen deutschen Regenten deutscher Staaten, wenn sie in Person oder durch instruirte Gesandtschaften irgendwo zusammentreten, nicht gestattet sein.†
Durch diesen klaren Ausspruch der Orakel der volksthümlichen Lehren, ist der Bundesversammlung, selbst für den unwahrscheinlichen Fall, daß alle deutschen Staaten sich zum Repräsentativ-System bekehren, der Stab gebrochen. Sie kann aber eben so wenig bestehen, wenn ein Theil ihrer Mitglieder mit Landständen, ein anderer mit Volksvertretungen, ein Theil nach monarchischen, ein Theil nach demokratischen Grundsätzen, ein Theil als verfassungsmäßge Landesherren, ein anderer als constitutionelle Maschinen regieren.†
Im Gefühl der Unmöglichkeit, dieses Ganze, zugleich aber entschlossen, dem Götzen der Volksvertretung jedes andere Recht, jedes andere Interesse, jeden früheren Vertrag, die Sicherheit Deutschlands und den Frieden Europas zum Opfer zu bringen, haben verschiedene erklärte Freunde des Repräsentativ-Systems den Vorschlag gethan, die Bundesversammlung selbst durch eine Volks-Deputirten-Kammer ergänzen zu lassen. Solchen Vorschlägen wird freilich Niemand, der eine allgemeine Revolution nicht entweder wünscht, oder unabwendbar glaubt, Gehör geben.† Allein die Wahrheit ist, daß wir auf einem äußersten Punkte stehen, von dem nur noch ein einziger Pfad Rettung verspricht.
Wenn die deutschen Fürsten sich nicht jetzt noch über eine gleichförmige mit der Sicherstellung ihrer Rechte und ihrer Kronen, mit der wahren Wohlfahrt ihrer Völker und mit der Erhaltung des deutschen Bundes vereinbare Auslegung und Vollziehung des 13. Art. der Bundesacte vereinigen, und wenn denen, die bei der Bildung ihrer Verfassungen, den einzig wahren, einzig zulässigen Sinn dieses Artikels verfehlten, nicht zu einer geschickten und anständigen Rückkehr† die Hand geboten werden kann, so bleibt uns allen nichts übrig, als dem Bunde zu entsagen. Wenn man dieses Wort ausgesprochen hat, sind alle weiteren Betrachtungen überflüssig.
Anmerkungen
Quelle: Johann Ludwig Klüber und Karl Welcker, Wichtige Urkunden für den Rechtszustand der deutschen Nation mit eigenhändigen Anmerkungen von Johann Ludwig Klüber, Aus dessen Papieren mitgetheilt und erläutert von C. Welcker. Mannheim: Verlag von Friedrich Bassermann, 1844, S. 220–29. Online verfügbar unter: http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10559817-5